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Die Vegetation – was wächst wo und warum

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Wichtigste großräumige Faktoren für das Vorkommen oder Fehlen bestimmter Pflanzenarten sind das Klima und der geologische Untergrund, hinzu kommen kleinräumig wirksame Faktoren. Von Bedeutung ist etwa die Exposition, d.h. die Ausrichtung eines Hangs in eine bestimmte Himmelsrichtung. Ist der Hang nach Süden geneigt, dominieren wärme- und trockenheitsliebende (bzw. -ertragende) Pflanzen, während bei Nordexposition solche vorherrschen, die Schatten und höhere Luftfeuchtigkeit bevorzugen. Auch die Neigung bzw. Steilheit eines Hangs spielt eine Rolle: Einen Extremfall stellt etwa ein Fels oder eine senkrechte Lösswand dar, auf der nur wenige Pflanzen wachsen können.

Ein entscheidender Faktor in der Kulturlandschaft ist natürlich der Einfluss des Menschen. Auf einer Wiese wachsen andere Pflanzen als auf einem Acker oder in einer Rebfläche. Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Nicht jede Pflanzenart erträgt eine ein- bis mehrmalige jährliche Mahd, und noch weniger werden mit einer Bodenbearbeitung in Form von Hacken, Pflügen oder Fräsen fertig.

Es gibt aber auch Unterschiede im Pflanzenbewuchs, die sich nicht so einfach erklären lassen: Warum stehen an einem Wegrand an einer Stelle hauptsächlich Brennnesseln, während einige Meter weiter vorwiegend Gräser wachsen und noch ein Stück weiter Gebüschsteht? Auch hier hat der Mensch seine Finger im Spiel: An einer Stelle wurden vielleicht des Öfteren organische Abfälle abgelagert, was das Nährstoffangebot stark erhöht hat; eine andere Stelle wird regelmäßig gemäht, eine dritte ist nur in geringem Ausmaß Nährstoffen oder Störungen ausgesetzt (Abb. 12). Bereichert der Mensch durch seine Eingriffe also die Kulturlandschaft? Dies gilt nur, solange ein ausgewogenes Verhältnis zwischen vergleichsweise intensiv und extensiv bzw. nicht genutzten Bereichen besteht. Sind die Störungen zu groß bzw. ist die Nutzung zu intensiv geht die Anzahl der Tier- und Pflanzenarten drastisch zurück.

Bei genauerer Betrachtung der Pflanzenbestände fällt auf, dass man an vergleichbaren Standorten ähnliche Artenkombinationen antrifft. Dies hängt damit zusammen, dass diese Arten mit den entsprechenden Standortbedingungen besser zurechtkommen als andere und daher einen Konkurrenzvorteil haben. Solche wiederkehrenden Typen von Pflanzenbeständen nennt man Pflanzengesellschaften. Die Fachrichtung innerhalb der Botanik, die sich mit der Vergesellschaftung von Pflanzen befasst, ist die Pflanzensoziologie (Wilmanns 2002).

Aktuell ist der größte Teil der Fläche Europas nicht von Naturlandschaften, sondern von Kulturlandschaften bedeckt. Um die grundlegenden ökologischen Faktoren der Vegetation zu verstehen, soll hier zunächst die natürliche Vegetation Europas betrachtet werden (BfN 2000), auch wenn diese in manchen Regionen fast verschwunden ist. Die potenzielle Verbreitung der vorherrschenden natürlichen Vegetation steht im Einklang mit den aktuellen klimatischen Gegebenheiten, ist ein Ausdruck der Geologie und der Böden und zeigt ferner die Gesetzmäßigkeiten der Differenzierung der Vegetation in Länge, Breite und Höhe auf. Dagegen bleiben die Auswirkungen des direkten menschlichen Eingriffs weitgehend unberücksichtigt, da diese auf die potenzielle natürliche Vegetation bisher nur schwer eingeschätzt werden können.

Der größte Teil Europas wäre ohne Einfluss des Menschen von Wäldern bedeckt. In Mitteleuropa würden von Natur aus Buchenwälder (s. Abb. 17) dominieren, die vor allem in Berglagen weit nach Süden reichen würden. Auf Auenstandorten oder im winterkalten Kontinentalklima von Osteuropa gedeiht die Buche nicht sehr gut, an die Stelle der Buchenwälder treten Eichen-Hainbuchenwälder. Im kalten Klima Ost- und Nordeuropas treten Nadelbäume wie Fichte und Kiefer in den Vordergrund, man spricht von borealem Nadelwald oder Taiga. Die relativ gleichförmigen Nadelwaldgebiete werden unterbrochen von baumfreien Mooren. Noch weiter im Norden lichten sich die Wälder und Birken, Fichten oder Kiefern wechseln sich mit Zwergsträuchern und Hochstaudenfluren ab.

In Süd- und Südosteuropa besteht die natürliche Vegetation aus wärmeliebenden Laubmischwäldern, in denen zahlreiche verschiedene Eichenarten vorkommen. Im submediterranen Bereich mit warm-gemäßigtem Klima sind es meist sommergrüne Laubwälder, d.h. die Bäume werfen im Winter ihr Laub ab. Im Mittelmeerklima werden sie von immergrünen Hartlaubwäldern abgelöst, deren Bäume sich durch ledrige und langlebige Blätter vor der sommerlichen Trockenperiode schützen. Auch hier dominieren meist Eichenarten wie die Steineiche oder die Korkeiche (s. Abb. 18 und 19).

Wird das Klima noch trockener, wie im äußersten Südosten Europas, gehen die Laubwälder von aufgelichteten Waldsteppen in baumlose Steppen und schließlich sogar in Wüsten über (s. S. 77ff.). Als Wüsten bezeichnet man auch die vegetationsarmen Flächen im hohen Norden (Kältewüsten), an die sich bei weniger extremen Bedingungen die Tundra oder Kältesteppe anschließt. Charakteristisch für die verschiedenen Formen der Tundra ist eine offene, baumfreie Landschaf – meist über dauerhaft gefrorenen Böden (Permafrostböden) – die von Flechten, Moosen, Gräsern und Zwergsträuchern dominiert wird (Abb. 13).

Neben der bisher erwähnten zonalen Vegetation, die hauptsächlich vom Großklima der entsprechenden Zone bestimmt wird, gibt es auch die azonale Vegetation, die von speziellen Standortsbedingungen abhängt. Hierzu gehören z.B. die Wasservegetation, die Küstenvegetation und die Vegetation der Flussauen und sonstiger Feuchtstandorte. Weiterhin gibt es noch die extrazonale Vegetation auf Standorten, deren Mikroklima und sonstige Standortverhältnisse so stark vom Großklima abweichen, dass sie eher einer Vegetationseinheit einer anderen Klimazone gleichen. Ein Beispiel hierfür ist die Vegetation der Hochgebirge, die stark an diejenige des hohen Nordens erinnert und auch etliche Arten mit ihr gemeinsam hat (Arten mit boreo-alpiner Verbreitung.

Die biogeographische Region der Holarktis, die den Großteil der nördlichen Hemisphäre der Erde umfasst und zu der auch Europa gehört, wird in verschiedene Florenregionen unterteilt, die sich nach den dort vorkommenden Pflanzenarten richten. Durch die Kaltzeiten des Pleistozäns starb in Europa ein Großteil der Pflanzenarten des vorangegangenen Pliozäns aus, sodass die europäische Flora heute verarmt ist.

Abb. 13: Typische Zwergstrauchtundra (Fjäll in Nordschweden).

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