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DER SPINNER
Zimmermann hat einen Affen. - Einen echten, Keinen sogenannten.
Er hat tatsächlich und wahrhaftig einen richtigen, lebenden Affen!
Bei sich zu Hause. Genauer gesagt, in seinem neuen Heim. –
Gewisse Freunde sagen, es sei eine Spinnerei, doch Zimmermann hat mir glaubhaft versichert, dass dies nicht der Fall sei. - Es war eine Notwendigkeit!
Ich bin, nach gründlicher Überprüfung der vorausgegangenen Ereignisse, gezwungen,ihm zuzustimmen. - Es ist tatsächlich keine Spinnerei ......
Alles fing, laut Zimmermann, damit an, dass ihm irgendein entfernterer Verwandter
in seiner Bosheit – testamentarisch und notariell beglaubigt – ein Häuschen im Grünen vermachte.
Was sollte man dagegen tun? Die Sache war hieb – und wasserfest! Keine gefälschte Unterschrift, keine weiteren, neidischen Erben, Niemand, der Zimmermann der Erbschleicherei beschuldigte. Ergo : Zimmermann musste einziehen!
Und, ehrlich gesagt – wie er sagt - zog er sogar gerne ein. Anfangs! Ohne jede Kenntnis des auf ihn Zukommenden.
In seinem Übermute gab Zimmermann sogar eine Party, an welcher ich selbst allerdings nicht teilnahm, da ich mich zu besagtem Zeitpunkte auf Reisen befand.
Nach Zimmermanns Bekunden begann das Übel bereits am Tage der Einweihungsfeierlichkeit.
Die Gäste fanden keine Zeit, lästig zu werden. Alle verließen die Festlichkeit bereits vor dem Abend, denn etwas Anderes war ungemein lästig ..... Die Fliegen !
Zimmermann unterstellt mir ( mir ! ), ich könne mir keine Vorstellung vom Ausmaße dieser
Fliegenplage machen. -- Keine Phantasie reiche aus – auch nicht im Traum, wie er behauptet, sich die Massen der Fliegen vorzustellen, die sich ausgehungert und wie rasend ( Originalton Zimmermann ) auf die Lebensmittel und sogar auf ihn selbst ( !! ) und seine unschuldigen Gäste stürzten!
Was Wunder, dass die ( vielleicht nun ehemaligen ! ) Freunde und Bekannten fluchtartig diesen Ort des grausigen Geschehens verließen. Die Fliegen aber blieben - und mit ihnen – oder, treffender gesagt, mittendrin .... blieb Zimmermann. Hilflos und verzweifelt um sich schlagend.
Empört sieht er mich an, als ich an diesem Punkt der Erzählung - ich bin, wie wir Alle, auch nur ein Mensch; mit einem kleinen Fünkchen Boshaftigkeit - kurz
auflachen muss.
Selbstredend vergeht mir das Lachen sofort und ich schaue gequält und mitleidend drein, wie es sich gehört.
Zimmermann fährt fort mit der Schilderung seiner persönlichen Apokalypse.
Ich kann ihm ein gewisses Maß an Bewunderung nicht versagen, als ich höre, wie er,stark wie ein Fels in der Brandung, trotz der Widrigkeiten, das neue Heim nicht verlässt, sondern standhaft seinen Platz behauptet. Für mindestens weitere fünf schreckensvolle Minuten!
Dann siegt der Verstand...
Zimmermann verlässt die garstige Stätte und zieht für zwei Tage -- seine alte Wohnung hat er ja vorschnell aufgelöst – in ein Hotel.
In diesen zwei Tagen zermartert er sein Hirn und vollbringt wahre Meisterleistungen der
technischen Planung, um einen Weg zu finden, der lästigen Fliegen und somit seines eigenen
Heimes, Herr zu werden.
- Nach Hunderten von erdachten und verworfenen Plänen schält sich die einzig mögliche und
geradezu genial erdachte Lösung des Problems heraus. –
Zimmermann ist selbst von sich begeistert!
Wer anders als er selbst könnte auf solch einen Gedanken kommen? Wer anders als
Zimmermann diesen geradezu diabolischen Plan entwerfen?!
- Im Geiste sehe ich ihn, weiß bekleidet, ein Reagenzglas in der Hand, einen hinkenden
Pferdefuß hinter sich her schleppend, zwischen lodernden Feuern umherwandern. –
Zimmermanns Nonplusultra sind Spinnen !
Kleine (zuweilen auch etwas größere ) niedliche Tierchen mit zierlichen Beinchen. –
Man setzt sie in der Wohnung aus, so Zimmermanns komplizierter Gedankengang -
-- und schon ist man im Handumdrehen die Fliegen los!
Geplant, getan! Zimmermann zieht los, sucht und findet die einzigartigen,
lebensrettenden, engelsgleichen Wesen und bringt sie in der Nacht heimlich, still und leise
in ihren neuen Lebensbereich.
In ein wahres Schlaraffenland! Für Spinnen, selbstredend!
Hoch befriedigt kehrt Zimmermann zurück in sein Hotel, zahlt für eine dritte Nacht und
findet nun endlich Muße für den Schlaf; - wenn auch nicht der Gerechten, so doch der
Befriedigten,
Wohl gestärkt und ausgeruht rückt er anderntags zur ersten Inspektion aus.Was er erblickt, macht
ihn nicht froh.
Er erblickt Fliegen. Fliegenwolken!
Doch Zimmermann ist ein Mensch mit Gehirn. Er begreift, dass man den wunderbaren
Fliegenvernichtungstierchen etwas Zeit geben muss. -- Schließlich müssen sie ihre künstlerischen Netze spinnen, was ja auch nicht von Jetzt auf Nachher geschehen kann, soll die Sache ihren Zweck erfüllen.
Solcherart versöhnt, sucht das Genie von neuem sein Hotel auf, bezahlt für eine Woche und wartet ab.
Nach Ablauf dieser sieben Tage, während derer er eisern der Versuchung, nachzusehen,was sich in seinem Heime abspiele, widerstanden hat, begibt sich Zimmermann erneut an den Ort des Geschehens.
Diesmal ein etwas anderes, wenn auch noch nicht voll befriedigendes Bild: Die Anzahl der Spinnen hat sich vergrößert, die der Fliegen verringert; wenn auch nicht in dem Maße, in welchem Zimmermanns Kalkulationen lagen.
Die Geistesgröße erkennt sofort den Grund: Der Spinnen sind zu wenige für die enorme Anzahl der Fliegen, beziehungsweise Letztere überschreiten die Anzahl, mit welcher die Spinnen zu Rande kommen können.
Außerdem sind die Fliegen ersichtlicherweise zu boshaft und gemein, um in noch größerer Anzahl in die Netze zu gehen!
- Zimmermann beschließt, diesem Übel abzuhelfen ! --
Er wiederholt die Spinnensafari, bringt die neuen Bewohner sicher unter; begibt sich für drei weitere Tage in das Hotel und kehrt dann endgültig in sein Heim zurück, welches den Betrachter nun anmutet wie eine Filmkulisse:
Überladen mit Netzen und deren Bewohnern sowie unzähligen schwarzen, larvenähnlichen
Gebilden, die, in den besagten Netzen hängend, bei jedem Luftzuge hin- und herschaukeln. –
Zumindest ebenso groß jedoch ist die Anzahl der schwarzen Gebilde, welche, sich immer noch frei bewegend, in der Luft umherschwirren.
Doch auch diesem Problem wird Zimmermann nun zu Leibe rücken.
Und er rückt......
Er rückt, dass die Fetzen, beziehungsweise die Flügel fliegen!
- Mit einem Staubwedel versetzt er den Fliegen einen Schlag, der sie kurzfristig betäubt, zupft ihnen mit zitternden Fingern jeweils einen Flügel aus und wirft sie sodann in die Netze und damit den Spinnen zum Fraße vor!
Zugegebenermaßen ein etwas komplizierter Vorgang, doch eigenhändig und brutal selbst dieses ekle, schwarze Ungeziefer zu töten, lässt Zimmermanns Ethik nicht zu.
Für mehrere Tage schlägt, zupft und wirft er, dass ihm der kalte Schweiß auf der Stirne steht.
( Auch mir läuft es bei Zimmermanns Schilderung seiner Tätigkeit eiskalt den Rücken
herunter ).
Dann endlich ist es zu Ende mit der grausigen Arbeit. Der total Erschöpfte sieht ein, dass es sinnlos ist:
Draußen, unweit des Gespensterhauses, der kleine, doch so verhängnisvolle Sumpf.
Drinnen er, in einer Dampf- und, sobald er die Fenster öffnet, um zu lüften, in einer
neuen Fliegenwolke!
Er lässt die Fliegen Fliegen sein und holt sich Rat bei den Behörden. Man verspricht Abhilfe.
Schon seit geraumer Zeit sei, rund um Zimmermanns Anwesen, eine neue Siedlung geplant
und vor Beginn der Bauarbeiten werde auch der so tückische Sumpf trockengelegt und somit
der vermaledeiten Fliegenplage ein Ende bereitet.
Er, Zimmermann, solle sich doch einstweilen mit dem Einbau einer Klimaanlage behelfen;
solcherart könne er beruhigt und wohltemperiert bei geschlossenen Fenstern die Abgeschiedenheit seines neuen Heimes genießen.
Zimmermann befolgt diesen guten Rat, wendet sich an eine Firma, welche auf den Einbau
von Klimageräten spezialisiert ist und muss bei Eintreffen der Arbeiter besagter Firma feststellen, dass sein verstorbener, boshafter Verwandter längst eine solche Apparatur einbauen ließ.
Man muss sie nur noch einschalten.
Zimmermann schaltet – und wird im Verlaufe dreier weiterer Tage – durch erneutes Schlagen,
Zupfen und Werfen – unterbrochen nur durch den nächtlichen Schlaf und die täglichen Mahlzeiten – endlich Herr der Fliegen!
Doch leider nicht seines Heimes....
Dieses wird nun beherrscht von seinen kleinen ( und größeren ) Mitbewohnern und Helfern.
In allen Ecken und Nischen -- an allen Decken und Wänden hängen und lauern sie und weben weitere kunstvolle Netze, in Erwartung neuer Nahrung für sich und ihre Nachkommenschaft....
Erneut holt sich Zimmermann Rat. Diesmal im Bekanntenkreis.
Man schlägt ihm den Erwerb eines Staubsaugers vor, doch der Befolgung dieses Rates steht wieder einmal Zimmermanns Ethik im Wege.
Unzählige weitere Ratschläge werden erteilt, doch, da untauglich, von Zimmermann verworfen.
Endlich kommt doch noch die ersehnte Hilfe!
Einer der Freunde hat im Verlaufe mehrerer Asienreisen die Beobachtung gemacht, dass Rhesusaffen zuweilen Spinnen als Nahrung nicht verschmähen ....
Diese Sache gefällt Zimmermann. – Sie gefällt ihm ausnehmend!
Ohne die Erteilung weiterer Ratschläge abzuwarten, begibt er sich in eine Zoohandlung und
ersteht ein kräftiges, männliches Exemplar dieser exotischen Tiere. Mit Hilfe zweier ebenso
kräftiger, lederbehandschuhter, männlicher Angestellter dieses Zoohauses, gelingt es Zimmermann, das wertvolle Tier unbeschadet vom Orte des Erwerbs in sein neues Zuhause zu verbringen.
Beruhigt kann der stolze Hausbesitzer nun selbiges verlassen und erneut für zwei Tage in seinem alten Hotel Quartier beziehen.
Es wäre gelacht, wenn ein Primat dieser Größe nicht innerhalb kürzester Frist dieser primitiven Insekten Herr werden könnte!
Er wird !
Nicht nur der Spinnen, auch des Häuschens im Grünen und sogar meines Freundes Zimmermann !
Diesem wird, nach kurzem, doch erbittertem Kampf – und nach Bezeigen der Unterwerfungs- und Demutsgeste – erlaubt, als minder-berechtigtes Mitglied der neuen Wohngemeinschaft in den gemeinsamen Räumen zu verbleiben.
Er hat für Nahrung zu sorgen und darf dafür hin und wieder sogar das Bad benutzen....
Besucher sind ihm allerdings strengstens untersagt!!
Es stellt sich nun die Frage, wie man dieses neue Problem wieder loswird.
Es eventuell doch mit einem Staubsauger versuchen -- -- ? ?