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NICHTRAUCHER
Es gibt Augenblicke im Leben, in welchen man sich regelrecht wie ein
Idiot vorkommt ....
Heute vormittag eröffnete mir mein Freund Zimmermann telefonisch, dass er höchstselbst uns Beide zu einer Therapie angemeldet habe.
Einer Therapie, die uns im Zeitraume von lächerlichen drei Wochen von unserer schädlichen
Neigung zum Nikotingenuss sicher und dauerhaft befreien solle.
Außerdem teilte er mir – nun mit leicht erhobener Stimme – mit, dass er nicht gewillt sei, sich auf Diskussionen über dieses Thema mit mir einzulassen - er habe sich für diese Sache entschieden
und dabei bleibe es. Ich solle gefälligst keine Schwierigkeiten machen.
Damit war die Verbindung unterbrochen.
Ich dachte nicht im Geringsten daran, Schwierigkeiten zu machen - ich packte meine Koffer....
Leider gelang es mir nicht mehr, den Flughafen zu erreichen, denn im selben Moment,
in welchem ich mich aus dem Haus schleichen wollte, traf mein böser Geist in einem Taxi – ebenfalls mit gepackten Koffern – ein.
Der hellsichtige Zimmermann in seiner Nächstenliebe hatte – um mich vor Schaden an Leib
und Seele zu bewahren – beschlossen, die verbleibenden zwei Tage bis Therapiebeginn sich
bei und mit mir häuslich niederzulassen.
So sitzen wir uns nun in meinem Wohnzimmer gegenüber – ich mit zusammengebissenen
Zähnen - Zimmermann hingegen in höchster Selbstzufriedenheit.
Standhaft verweigere ich jegliche Unterhaltung. – Für circa fünf Minuten. – Schließlich darf
ich den Bogen nicht überspannen. Also drücke ich meine Begeisterung zu Zimmermanns
genialem Plane aus und zeige mich total verrückt vor Freude darüber, dass endlich –endlich! – ein Weg mir gewiesen wurde, aus dem Sumpf meiner widernatürlichen Abhängigkeit mich zu befreien.
Mir stehen wahrhaftig Tränen in den Augen, als ich mich endlich vor meinem Retter zu Boden werfe und dankbar seine – ach so gütige – Hand ergreife.
Doch er denkt nicht daran, mitsamt seinen Koffern wieder zu verschwinden.
Zimmermann kennt kein Schamgefühl!
Was bleibt mir Anderes, als mich mit den Gegebenheiten abzufinden? Nichts!
Absolut nichts – wie immer, wenn Zimmermann seine Hand im Spiele hat. Innerlich verfluche ich Zimmermanns Ahnenreihe bis zurück ins letzte, im Dunkel der Uranfänge verschwindende Glied. Allerdings wohl wissend, dass auch dies nicht das Geringste an meinem Schicksal ändern wird.
Aber es erleichtert. Zumindest vorübergehend.
Alles geht vorüber. - So auch die zwei Tage bis Therapiebeginn.
Die Therapie selbst scheint endlos zu sein. - Bereits vom ersten Tage an kreisen meine Gedanken unablässig um den uns nun verbotenen und darum um so begehrenswerteren Rauchgenuss. Der einzige Lichtblick ist, dass es Zimmermann um kein Deut besser geht!
Dringend empfohlen wird uns viel frische Luft im Zuge von Spaziergängen und sportlichen
Übungen in den weitläufigen, parkähnlichen Anlagen rund um die Villa, die seit einigen Jahren als Privatklinik – für solche Idioten, wie wir es sind – ihre Funktion erfüllt.
Aufgezwungen wird uns viel frisches Gemüse im Zuge einer unsinnigen Diät, die wir unter strengster Bewachung im gemeinschaftlichen Speisesaal über uns ergehen zu lassen haben.
Uns, - das sind dreiundzwanzig menschliche – männliche sowie weibliche – Wesen, die sich aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen in den Kopf gesetzt zu haben scheinen,ihre Menschlichkeit für die Dauer von drei Wochen teilweise abzulegen.
Es ist geradezu ekelhaft, einige dieser würdelosen Insassen dieses Entmenschungsinstitutes zu beobachten, welche schon nach wenigen Tagen die Therapeuten nach einer – nur einer einzigen!- Zigarette anbetteln!
Überflüssig, zu betonen, dass ich mich soweit niemals gehenlassen würde. Schließlich weiß ich, was ich meiner Würde schuldig bin.
Am dritten Tage versuche ich, leider ohne Erfolg, einige Zigaretten von einem Küchenangestellten zu stehlen. Nachdem diese Aktion fehlgeschlagen ist, täusche ich einen - ebenso erfolglosen –
Schwächeanfall vor und verlege mich schließlich aufs Bitten.
Zwecklos!
Alles, was ich erreiche, ist, dass mein Name zur Meldung gebracht wird und ich mich am Abend während des alltäglichen Gruppengespräches verantworten muss. Einfach widerlich!
Zimmermann entblödet sich nicht, den Empörten zu spielen, obwohl ich sicher weiß, dass
gerade er eine Quelle für die – ach so begehrten – Stäbchen aufgetan haben muss.
Ich kann es riechen! Ich beschließe, von nun an vorsichtiger zu sein und außerdem ein Auge auf Zimmermann zu haben. Ich muss herausfinden, wie er es anstellt, geradezu unverschämt nach
Zigarettenrauch zu stinken!
Geschlagene vier Tage bin ich hinter ihm her, ohne das Geringste zu erreichen. Immer wieder gelingt es ihm, mich abzuhängen und für die Dauer von fünfzehn Minuten oder einer halben Stunde zu verschwinden. Ich mache ihm Vorwürfe; ich probiere sogar, ihn zu durchsuchen. Doch Zimmermann wehrt sich und will mir nicht erlauben, vom Inhalt seiner Taschen Kenntnis zu nehmen. Er besitzt gar die Stirn, jeglichen Verstoß gegen die Hausordnung kaltblütig abzuleugnen.
Es ist unfassbar !
Auch meine illegalen Bemühungen, auf Unkosten eines der Therapeuten oder sonstigen
Angestellten des Hauses, zu der Erfüllung meiner allnächtlichen Träume, welche sich ausschließlich um den Besitz und Genuss von Zigaretten, Pfeifen und Zigarren in unvorstellbaren Mengen drehen, zu kommen, zeitigen keinerlei Erfolg.
Ich bin also in zweifacher Hinsicht gehandicapt!
Doch am fünften Tag – endlich ! – ein Lichtblick. Ich habe ihn erwischt!!
Ich bin Zimmermann auf die Schliche gekommen! – Doch noch verhalte ich mich ruhig.
Am nächsten Tag der endgültige Beweis. Ich hatte mich nicht getäuscht. Jetzt kann ich zuschlagen!
Was ich am siebten Tage auch tue.
Mit größter Unverfrorenheit verlässt Zimmermann täglich in der Freizeit das Gelände der
Klinik – das heißt, er verlässt es nicht, sondern tritt hinter ein Gebüsch, welches sich in unmittelbarer Nähe des schmiedeeisernen Zaunes befindet, der das Gelände von der Außenwelt trennt und nimmt durch die Zwischenräume der Stäbe besagten Zaunes seine tägliche Ration in Empfang, nachdem er den Gegenwert in barer Münze auf gleichem Wege dem Überbringer der verbotenen Gabe – einem Jungen von etwa zwölf Jahren – überreicht hat.
Es ist so einfach, dass man es schon fast genial nennen könnte. Doch Zimmermann hat nicht mit meinem Genius gerechnet.
Kaltblütig und ohne jedes Schamgefühl erpresse ich ihn. Entweder,oder......
Er begreift und entscheidet sich – wie auch nicht anders zu erwarten – für das Entweder.
Brüderlich werden die Zigaretten geteilt – und um die verbleibenden knappen zwei Wochen mache ich mir keinerlei Sorgen mehr.
Der geschäftstüchtige junge Lieferant beansprucht für die nun verdoppelte Lieferung auch
doppelte Vergütung, welche er selbstredend erhält. (Nach eigenem Bekunden bessert er schon seit Monaten sein Taschengeld auf, indem er entlang dieses Zaunes patrouilliert und verzweifelten Patienten seine Dienste anbietet!)
Mit höchster Leichtigkeit steigere ich mich in der verbleibenden Zeit meines Hierseins von einer auf zwei Packungen Zigaretten am Tag und schaue mit Verachtung und Verständnislosigkeit auf meine jammernden und klagenden Mitpatienten hernieder.
Ich kann mir gratulieren. Ich habe diese schwere Zeit überstanden, ohne meine Würde auf der Strecke zu lassen!
Es gibt Augenblicke im Leben, in welchen man sich regelrecht wie ein Idiot vorkommt.
Es ist mir heute eingefallen, dass ich bis vor drei Wochen eingefleischter Nichtraucher war!!
......Ich sollte vielleicht eine Therapie machen.
Telefonisch mache ich Zimmermann diesen Vorschlag ...