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2.1.4Der Vertrag

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Zustandekommen eines Vertrages

Unter einem Vertrag versteht man die erklärte Willensübereinstimmung zweier oder mehrerer Personen, einen bestimmten Rechtserfolg herbeiführen zu wollen. Es sind daher mindestens zwei übereinstimmende Willenserklärungen für einen wirksamen Vertragsschluss erforderlich. Diese beiden Willenserklärungen heißen Angebot (bzw. Antrag, § 145 BGB) und Annahme (§ 147 BGB).

Handlungssituation (Fallbeispiel 2)

Heinrich (H) entdeckt im Schaufenster von „Katjas Handwerksmoden“ einen schicken Overall, ausgezeichnet für 99,– €. H ist begeistert und erklärt im Laden, er wolle den Overall aus dem Schaufenster kaufen. Katja (K) holt daraufhin den Overall – und verlangt 299,– €. Auf die Entrüstung des H hin erklärt K, der Overall sei falsch ausgezeichnet gewesen. H steht auf dem Standpunkt: „Vertrag ist Vertrag“.

Ist ein Vertrag zustande gekommen? Wenn ja, mit welchem Inhalt? (Lösung Seite 26)

2.1.4.1Angebot

Vertragsangebot

Das Vertragsangebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie muss so eindeutig formuliert sein, dass der andere Teil das Angebot mit einem einfachen „Ja“ annehmen kann. Das ist dann der Fall, wenn die wesentlichen Vertragsbestandteile im Angebot enthalten sind.

Beispiel: Beim Kaufvertrag sind die wesentlichen Vertragsbestandteile der Kaufpreis und die Kaufsache.

Ein Vertragsangebot liegt nur vor, wenn der Erklärende mit Rechtsbindungswillen handelt. An diesem fehlt es, wenn die Auslegung ergibt, dass ein potenzieller Empfänger nur aufgefordert werden soll, seinerseits ein Vertragsangebot zu machen (sog. invitatio ad offerendum).

Beispiel: Auslegen der Ware im Supermarkt bzw. generell Werbung (auch im Internet). Hier möchte sich der Erklärende noch nicht rechtsverbindlich äußern, da er evtl. noch die Zahlungsfähigkeit seiner Kunden überprüfen möchte bzw. gar nicht genügend Ware auf Lager hat, um alle Interessenten zu bedienen.

2.1.4.2Annahme

Vertragsannahme

Durch die Annahmeerklärung gibt der andere Teil sein Einverständnis mit dem Angebot des ersten kund. Daher muss die Annahme auf das Angebot bezogen sein und diesem inhaltlich entsprechen (Übereinstimmen der Willenserklärungen). Hierbei schadet eine Falschbezeichnung nicht, wenn der andere Teil sie genauso versteht.

Beispiel: A bestellt bei Fischhändler B 1 kg „Haakjöringsköd“ im Glauben, hierbei handele es sich um Walfischfleisch. B, der genauso denkt, erklärt sich hiermit einverstanden. In Wahrheit bedeutet „Haakjöringsköd“ im Norwegischen aber Haifischfleisch. Da B jedoch dem gleichen Irrtum wie A unterliegt, kommt ein Vertrag über (das beiderseits gewollte) Walfischfleisch zustande.

Eine Annahme ist nur so lange möglich, wie es der Anbietende zulässt. Deshalb kann der Antragende dem Annehmenden eine (frei bestimmbare) Annahmefrist setzen (§ 148 BGB). Soweit der Anbietende keine Annahmefrist gesetzt hat, kommt es für die Dauer der Annahmemöglichkeit darauf an, ob das Angebot unter Anwesenden oder unter Abwesenden erfolgt. Der einem Anwesenden gemachte Antrag kann nämlich nur sofort angenommen werden (§ 147 Abs. 1 S. 1 BGB). Dies gilt auch bei einem telefonischen Angebot (§ 147 Abs. 1 S. 2 BGB). Der einem Abwesenden gemachte Antrag kann hingegen so lange angenommen werden, wie es den regelmäßigen Umständen entspricht (§ 147 Abs. 2 BGB). Damit hängt hier die Länge der Annahmemöglichkeit von den Umständen des Einzelfalles ab.

Beispiel: Bei einer Vertragskommunikation per E-Mail beträgt die Annahmefrist grundsätzlich nur wenige Tage, bei einem Briefversand ins Ausland evtl. mehrere Wochen.

Wenn die Annahme zu spät erfolgt, erlischt das Angebot (§ 146 BGB). Allerdings gilt die verspätete Annahme als ein neues Angebot (§ 150 Abs. 1 BGB). Das Gleiche gilt, wenn eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen erfolgt („ja, aber…“), § 150 Abs. 2 BGB. I. d. R. ist auch die Annahme eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Vom Zugangserfordernis (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB) macht § 151 S. 1 BGB jedoch eine Ausnahme, wenn der Zugang der Annahmeerklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist.

Beispiel: Klassischer Katalog-Versandhandel. Hier kommt der Vertrag grundsätzlich mit dem Einpflegen der Daten des Kunden beim Versandhändler zustande. Dieses stellt eine konkludente Annahmeerklärung dar, die dem Kunden nicht zugeht.

Achtung: § 151 S. 1 BGB sagt nicht, dass die Annahme an sich entbehrlich wäre.

2.1.4.3Bindungswirkung

Verbindlichkeit von Vertragserklärungen

Bereits das Vertragsangebot ist eine rechtsverbindliche Willenserklärung. Etwas anderes gilt nur, wenn der Antragende die Bindungswirkung ausgeschlossen hat (z. B. durch die Formulierung „freibleibend“). Das Gleiche gilt für die Annahmeerklärung. Wenn diese erfolgt, ist ein Vertrag wirksam und rechtsverbindlich abgeschlossen. Es gibt dann grundsätzlich keine Möglichkeit mehr, die Willenserklärung ohne Grund einseitig zu widerrufen. Verträge sind vielmehr zu erfüllen („pacta sunt servanda“).

Anmerkung: Ein Widerruf der Willenserklärung ist nur möglich, wenn dies vereinbart wurde (z. B. die von einem Kaufhaus eingeräumte „Umtauschmöglichkeit“ aus Kulanz), oder aus Gründen des Verbraucherschutzes bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (§ 312b BGB) bzw. Fernabsatzverträgen (§ 312c BGB).

Lösung zur Handlungssituation (Fallbeispiel 2)

Es könnte ein Vertrag zwischen H und K über den Kauf der Jacke für 299,– € zustande gekommen sein. Dann hätte K gegen H einen entsprechenden Zahlungsanspruch aus § 433 Abs. 2 BGB. Es müssten also Angebot und Annahme (§§ 145, 147 BGB) vorliegen und übereinstimmen.

Ein Angebot der K könnte schon darin zu sehen sein, dass sie den Overall in ihrem Schaufenster ausgestellt hat. Allerdings liegt eine Willenserklärung nur dann vor, wenn sich der Erklärende erkennbar rechtlich binden will. Dies ist beim Ausstellen von Waren nicht der Fall. Denn ein Ladenbesitzer will es sich grundsätzlich vorbehalten, die Bonität der Kunden zu prüfen. Ferner kann und will er evtl. auch nicht an alle Kunden verkaufen (und ihnen also ein Angebot machen), die an dem Schaufenster vorbeilaufen. Insoweit handelt es sich bloß um eine sog. invitatio ad offerendum.

Es könnte aber ein Angebot durch den H im Laden der K vorliegen. Dies ist der Fall. Bei der Frage nach dem Inhalt des Angebots kommt es auf den objektiven Empfängerhorizont, d. h. einen objektiven Dritten, an (§§ 133, 157 BGB). Dieser muss das Angebot hier so verstehen, dass H das Preisetikett im Schaufenster seiner Erklärung zugrunde gelegt hat. Folglich liegt ein Angebot i. H. v. 99,– € vor.

Dieses Angebot hat K aber nicht angenommen, weil sie den Overall für 299,– € verkaufen will. Dies ist auch möglich, da Vertragsfreiheit herrscht. Die Erklärung der K ist als Ablehnung mit einem neuen Angebot zu sehen (§ 150 Abs. 2 BGB). Das Angebot der K hat H aber nicht angenommen.

Ergebnis: Ein Vertrag zwischen H und K besteht nicht.

2.1.4.4Formerfordernisse

Formfreiheit und Ausnahmen

Im Zivilrecht gilt infolge der Privatautonomie der Grundsatz der Formfreiheit. Daher können Willenserklärungen i. d. R. auch mündlich bzw. sogar nur konkludent wirksam und rechtsverbindlich abgegeben werden. Dies dient der Leichtigkeit des Vertragsschlusses. Allerdings enthält das BGB vom Grundsatz der Formfreiheit einige Ausnahmen.

Nach § 126 Abs. 1 BGB kann durch Gesetz Schriftform vorgeschrieben werden. Diese hat Warnfunktion und soll vor übereilten Vertragsschlüssen schützen. Damit gilt die Schriftform v. a. bei risikoreichen Verträgen.

Beispiel: Gemäß § 766 S. 1 BGB ist zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrags die schriftliche Erteilung der Bürgschaftserklärung erforderlich.

Schriftform bedeutet, dass die Urkunde von dem Aussteller grundsätzlich eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet werden muss. Erforderlich ist demnach ein persönlicher Namensschriftzug am Ende des Dokuments, der zwar nicht leserlich sein muss, aber doch den Aussteller zu erkennen gibt (Echtheitsgewähr). Der Text der Urkunde darf freilich in Computerschrift erfolgen.

Von der Schriftform zu unterscheiden ist die Textform nach § 126b BGB. Diese dient v. a. Nachweiszwecken.

Beispiel: Gemäß § 613a Abs. 5 BGB muss bei einem Betriebsübergang der bisherige Arbeitgeber den Arbeitnehmer über den Übergang in Textform unterrichten.

Bei der Textform muss die Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. einer Festplatte oder einem USB-Stick) abgegeben werden und die Person des Erklärenden genannt sein. Damit genügt zur Wahrung der Textform auch eine E-Mail oder SMS, da eine eigenhändige Unterschrift nicht erforderlich ist.

Bei der öffentlichen Beglaubigung muss die Erklärung schriftlich abgefasst und die Unterschrift des Erklärenden von einem Notar beglaubigt werden (§ 129 Abs. 1 BGB BGB). Öffentliche Beglaubigungen kommen häufig im Rechtsverkehr mit öffentlichen Registern vor.

Beispiel: Nach § 77 BGB sind Anmeldungen zum Vereinsregister mittels öffentlich beglaubigter Erklärungen abzugeben.

Die strengste gesetzliche Form ist die notarielle Beurkundung gemäß § 128 BGB. Bei dieser tritt neben einer Nachweis- und Warnfunktion der Beratungszweck in den Vordergrund. Damit ordnet der Gesetzgeber diese (aufwendige und kostspielige) Form v. a. bei besonders werthaltigen Vertragsgegenständen an.

Beispiel: Nach § 311b BGB bedarf ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, der notariellen Beurkundung.

Bei der notariellen Beurkundung klärt der Notar die Vertragsparteien über den Inhalt des Vertrages auf (§ 17 BeurkG). Ferner liest der Notar den Parteien die Niederschrift vor, bevor diese das Schriftstück eigenhändig unterschreiben (§ 13 BeurkG).

Folgen bei Formverstößen

Wenn die Vertragsparteien eine gesetzlich vorgeschriebene Form nicht beachten, hat dies grundsätzlich die Unwirksamkeit des Vertragsschlusses zur Folge (sog. Formnichtigkeit, § 125 S. 1 BGB). Das Gleiche gilt i. d. R., wenn eine vertraglich vereinbarte Form (§ 127 Abs. 1 BGB) außer Acht gelassen wird (§ 125 S. 2 BGB). Allerdings kann der Parteiwille hier auch ein anderes Ergebnis ergeben, da es sich insoweit nur um eine Auslegungsregel handelt („im Zweifel“).

Soweit sich eine Partei auf die Formnichtigkeit eines Vertrages beruft, verstößt sie in aller Regel auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Denn für den Gesetzgeber sind die Formvorschriften als Ausnahme vom Grundsatz der Vertragsfreiheit nicht nur reiner Formalismus. Vielmehr verfolgen sie die oben genannten Schutzzwecke.

Beispiel: Selbst wenn der Verkäufer den Käufer von der notariellen Beurkundung eines Grundstückkaufvertrags mit den Worten abhält, dieser bedürfe es nicht, weil es sich beim Verkäufer um einen Ehrenmann handele, auf dessen Wort sich der Käufer verlassen könne, ist der Vertrag ohne notarielle Beurkundung formnichtig und die Geltendmachung dieser Rechtsfolge durch den Verkäufer auch nicht treuwidrig.

Nur ausnahmsweise kommt eine Heilung eines formnichtigen Vertrages in Betracht. Dies ist grundsätzlich der Fall, wenn die Parteien den Vertrag trotz seiner Formnichtigkeit erfüllen. Denn dann dokumentieren sie, dass für sie die Einhaltung der Form keine Bedeutung (mehr) hat und damit auch eine Rückabwicklung des Vertrages wegen Formunwirksamkeit über § 812 Abs. 1 BGB unangemessen wäre.

Beispiel: Der formnichtige Kaufvertrag über ein Grundstück wird gemäß § 311b Abs. 1 S. 2 BGB dadurch geheilt, dass die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen.

2.1.4.5Abstraktionsprinzip

Trennung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften

Zum Verständnis des deutschen Privatrechts ist ferner die Beherrschung des Abstraktionsprinzips erforderlich. Demnach unterscheidet das BGB zwischen dem Schuldrecht (2. Buch) und dem Sachenrecht (3. Buch). Während im Schuldrecht die Verpflichtungsgeschäfte geregelt sind, geht es im Sachenrecht um die Verfügungsgeschäfte. Auch wenn diese Aspekte in den Alltagsgeschäften des täglichen Lebens zeitlich zusammenfallen, sind sie in rechtlicher Hinsicht streng zu trennen und in ihren Rechtswirkungen voneinander zu unterscheiden.

Beispiel: Beim täglichen Brötchenkauf werden i. d. R. drei Verträge (und nicht nur einer) abgeschlossen: ein Verpflichtungsgeschäft (Kaufvertrag, § 433 BGB) sowie zwei Verfügungsgeschäfte (Übereignung von Brötchen und Geld, § 929 BGB).

Bei einem Verpflichtungsgeschäft verpflichtet sich der eine Teil zur Erbringung einer Leistung, während der andere Teil einen Anspruch hierauf erhält. Die Verpflichtungsgeschäfte bilden damit die Grundlage für die spätere Erfüllung, also den Austausch der Leistungen. Man nennt sie daher auch „Kausalgeschäfte“ (causa = Grund).

Ein Verfügungsgeschäft ist ebenfalls ein Rechtsgeschäft und erfolgt auch durch Abschluss eines Vertrags. Bei einer sachenrechtlichen Verfügung heißt dieser Vertrag „Einigung“. Durch das Verfügungsgeschäft wird unmittelbar auf ein Recht (z. B. das Eigentum) eingewirkt. Das Verfügungsgeschäft erfolgt i. d. R. auf eine Leistungsverpflichtung hin, stellt also die Erfüllung des Verpflichtungsgeschäftes dar.

Da Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft voneinander unabhängig sind, führt ein Mangel des Verpflichtungsgeschäfts nicht notwendig zur rechtlichen Unwirksamkeit des Verfügungsgeschäfts.

Beispiel: Der Kaufvertrag zwischen A und B ist nichtig, weil A seine Willenserklärung erfolgreich angefochten hat. Dies führt nicht automatisch zur Unwirksamkeit der Übereignung der Kaufsache bzw. der Zahlung des Kaufpreises, weil es sich um getrennte und voneinander unabhängige Rechtsgeschäfte handelt.

Allerdings kann das BGB die Unwirksamkeit des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäftes nicht ohne Konsequenzen für das sachenrechtliche Verfügungsgeschäft lassen. In einem solchen Fall besteht dann für beide Vertragsparteien ein Anspruch auf Herausgabe – also auf Rückübereignung – bereits ausgetauschter Leistungen nach § 812 Abs. 1 BGB, da beide Vertragsparteien die Leistung des jeweils anderen ohne rechtlichen Grund erhalten haben.

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