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Weitere Fortschritte der Reformation

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Dem Kaiser musste desto mehr an hinhaltender oder vielleicht sogar entspannender Glaubenspolitik im Reich gelegen sein, als in den 1530-er Jahren dort der Protestantismus weitere Fortschritte machte. Das Kurfürstentum Brandenburg fiel ihm anheim, und auch das albertinische Sachsen. In dieser Entwicklung schadete es der Sache Luthers nichts, dass fanatische Wiedertäufer, deren Position in der „Confessio Augustana“ klar abgelehnt worden war, 1534/35 in Münster die Macht an sich rissen und für kurze Zeit ein groteskes Stadtregiment errichteten, das von den Landsknechten des Bischofs mit großer Anstrengung blutig niedergeworfen werden musste. Aber die Reformation war in den Händen der sie begünstigenden Fürsten und Reichsstädte gut aufgehoben.

Kurfürst Joachim I. von Brandenburg († 1535) war dem alten Glauben treu geblieben, und die von ihm 1506 gegründete Universität von Frankfurt an der Oder enttäuschte ihn darin nicht. Das Luthertum schätzte er nur insoweit, als es versprach, einer immer mal drohenden kaiserlichen Übermacht im Reich entgegen zu wirken. Dass in Augsburg 1530 kein Ausgleich zustande kam, begrüßte er. Inzwischen war das Luthertum auch in die Mark Brandenburg eingedrungen, wie es denn überhaupt charakteristisch für die reformatorische Bewegung war, dass sie die Kabinettspolitik hinter sich herzog. Joachim II., der Sohn des katholisch gebliebenen Kurfürsten, tendierte am Anfang zu einem Religionsvergleich, und der den Zeitläuften gegenüber aufgeschlossene Bischof von Brandenburg unterstützte ihn darin sogar. Damit waren aber im Lande die Schleusen der Reformation erst recht geöffnet. Der Kaiser war einverstanden, da der Kurfürst ihm versprochen hatte, in keinerlei Bündnis einzutreten, will heißen: auch nicht in ein religiös betontes, wie es das Schmalkaldische Bündnis war.

1538 folgte die Reformation in Braunschweig-Kalenberg, vermittelt durch die dort verheiratete Schwester des brandenburgischen Kurfürsten. Im Erzbistum Magdeburg wurden die Untertanen lutherisch, und Erzbischof Albrecht von Hohenzollern, der auch in Mainz residierte und einst den Ablasshändler Tetzel hatte gewähren lassen, war machtlos dagegen. Auch die Reichsabtei Quedlinburg kam 1539 zu Fall, indem die Äbtissin selbst reformatorisches Personal einlud.

Das albertinische Sachsen umfasste nach der Erbteilung im Hause Wettin von 1485 etwa einen nördlichen Streifen von Thüringen, dazu Weißenfels und Leipzig, sowie, durch ernestinisches Gebiet getrennt, die Mark Meißen an der Elbe von Mühlberg bis zum Erzgebirge, die Bergbaustadt Freiberg und Chemnitz. Eine unnatürliche Einteilung, aber deren gab es im Heiligen Römischen Reich zuhauf. Allerdings hatten die Wettiner sich 1485 selbst der Möglichkeit beraubt, im Reich eine ähnlich bedeutende Rolle zu spielen wie die Habsburger, Hohenzollern und Wittelsbacher. Herzog Georg, der Konkurrent des wettinischen Verwandten in Wittenberg, war bis zu seinem Tode im April 1539 eisern katholisch geblieben, aber seine Untertanen und sogar seine Familienmitglieder waren ihm schon davongelaufen.

Doch unter seinem Bruder und Nachfolger Heinrich änderte sich die Situation in wenigen Monaten. Luther kam, um in Leipzig zu predigen, der Bischof von Meißen, der sich beim Kaiser darüber beschwerte, drang nicht durch, und eine Kirchenvisitation nach dem Muster des ernestinischen Sachsen fand statt.

Im Kurfürstentum Pfalz machte es Eindruck, dass Melanchthon in dessen Exklave Bretten geboren worden war, auf lokaler Ebene wurden die Lutheraner auch von den Staatsbeamten begünstigt, 1535 bezeichnete der päpstliche Nuntius Heidelberg als eine der lutherischsten Gegenden Deutschlands. 1538 regte Friedrich II., der Bruder des Kurfürsten und Statthalter in der Oberpfalz (die erst durch den Westfälischen Frieden von 1648 endgültig an die Münchner Wittelsbacher fiel), für das Gesamtgebiet an, die Berufung lutherischer Prediger sowie das Abendmahl unter beiderlei Gestalt zuzulassen. Sobald Friedrich II. im Jahre 1544 selbst Kurfürst geworden war, begann er mit der systematischen Lutherisierung.

Papst Paul III. hatte für 1537 ein Konzil nach Mantua einberufen. Das brachte die Schmalkaldener in Verlegenheit, da sie dem Papst zwar mit Recht nicht trauten, andererseits aber Gesprächsbereitschaft zeigen mussten. Konnte man an die Einberufung eines „Gegenkonzils“ denken? Wenn der Kaiser sich in Mantua beteiligte, war dann Widerstand gegen ihn noch legitimierbar?

Luther fasste, zu eventueller Vorlage auf dem Konzil, seine Glaubenssätze zusammen. Sie wurden den Schmalkaldener Verbündeten im Februar 1537 vorgelegt. Noch einmal und unverzichtbar die Rechtfertigungslehre sola fide: „Und auf diesem Artikel steht alles, was wir gegen den Papst, Teufel und Welt leben und lehren.“ Ablehnung der katholischen Auffassung der Messe als eines „guten Werkes“, dann der Passus, der sicherlich nicht zum Vortrag in Mantua geeignet war: „Dass der Papst nicht iure divino oder aus Gottes Wort das Haupt der ganzen Christenheit sei, denn das gehört einem allein zu, der heißt Jesus Christus.“ Die Schmalkaldener lehnten die Verlesung der Artikel vor den Päpstlichen als sinnlos ab, die Fahrt nach Mantua ebenso (der Kaiser wäre einverstanden gewesen), das Konzil kam nicht zustande.

Die Artikel aber wurden in den Kanon der lutherischen Bekenntnisschriften aufgenommen, zusammen mit dem Apostolischen Glaubensbekenntnis (dem „Credo“), dem der Konzile von Nicäa (325) und Konstantinopel (381), im Konzil von Chalkedon (451) öffentlich verkündet, dazu noch dem Glaubensbekenntnis, das ursprünglich dem Kirchenvater Athanasius zugeschrieben wurde. Schließlich die „Confessio Augustana“ und deren Apologie, Luthers Kleiner und Großer Katechismus von 1529. Die Konkordienformel als Ausgleichsversuch der verschiedenen Nuancen des Luthertums nach dem Tode des Meisters und Melanchthons folgte erst 1577.

Was Luther angerichtet hat

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