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Der erstaunliche Nuntius

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Um die Jahreswende 1522/23 fand in Nürnberg ein Reichstag statt. Auf dem sprach Francesco Chieregati, der Nuntius des als Nachfolger Leos X. gewählten Papstes Hadrian VI., vor den Fürsten eindringliche Worte. Weniger erstaunlich war, dass er die Vollziehung der Acht gegen Luther nachdrücklich einforderte, mit der Rhetorik, die dem Entsetzen vor der drohenden Spaltung der Christenheit entsprach. Diese Lutheraner wollten die weltliche Autorität zerstören, nachdem sie die geistliche zerstört hatten.

Aber, und das war aufsehenerregend, und entsprang dem unerhörten Eifer Hadrians VI.: Die aktuelle Verwirrung entspringe hauptsächlich den Sünden der Priester und Prälaten. Beim Heiligen Stuhl seien schlimme Missstände eingerissen, und so sei die Krankheit vom Haupte zu den Gliedern herabgestiegen. Dagegen wolle der Papst mit allen Mitteln ankämpfen, damit der römische Hof sich reformiere, was er desto eher tun würde, als er sehe, dass alle Welt dies so eifrig ersehne.

Die Antwort der Fürsten zeigte, dass zwischen ihnen und der Kurie kein Vertrauen bestand. Hatte der Nuntius gedacht, mit dem Versprechen auf kuriale Besserung dem Kampf gegen die beginnende Reformation Nachdruck verleihen zu können, denn damit würden die verlorenen deutschen Schafe wieder in die päpstliche Herde zurückgeführt, so drehten die Fürsten den Spieß um: Wenn die römische Verderbnis zugegeben werde, dann könne man ja wohl nicht diejenigen verfolgen, die den Finger darauf gelegt hätten. Zu einer Verpflichtung, die Reichsacht nun endlich auszuführen, kam es also nicht.

Der folgende weitere Nürnberger Reichstag von 1524 befand auch nur, die Reichsacht sei zu vollstrecken, „soweit möglich“. Gleichzeitig erhob er die schon länger vorhandene Forderung, ein Konzil einzuberufen, durch den Papst mit kaiserlicher Bewilligung, und zwar in Deutschland.

Ein Konzil, das war für den neuen Papst Clemens VII. (1523 – 1534) geradezu die Pest. Die Deutschen verlangten dabei auch die Teilnahme von Laien, wie es in Konstanz 1414 und in Basel 1431 gewesen war. Dazu noch die Wahrscheinlichkeit, dass sie auf dem Konzil reformatorische Standpunkte geltend machten!

Der Kaiser im fernen Spanien untersagte es aufs Schärfste. Er hatte sich nicht zu einem „Reichsregiment“ für seine Abwesenheit herbeigelassen, damit dieses ihm seine wesentliche Aufgabe entwand, die Einheit der Christenheit zu wahren. Der Vorschlag zeugte aber immerhin von nationalem Selbstbewusstsein, wie es bei den Tschechen im Unterschied dazu erst nach der Einberufung des Konzils von Konstanz an Kraft gewonnen hatte. Karl V. war seinerseits nicht in der Lage, dem Papst ein Konzil aufzuzwingen, da er im Krieg mit Frankreich befangen war. Ob damit eine Chance vertan wurde, die drohende Kirchenspaltung in den Griff zu bekommen, muss der Spekulation überlassen werden.

Hinter diesen Gefechten in der hohen Politik stand die Dynamik einer anscheinend unaufhaltbaren religiösen Bewegung, die natürlicherweise auf die Politik zurückwirkte. War die Autorität der Kirche infrage gestellt, dann stand auch die weltliche Ordnung, angesichts der herkömmlichen Verzahnung beider, zur Disposition. Nuntius Chieregati hatte recht gehabt. Es dient zur Erklärung der Durchschlagskraft der lutherischen Bewegung, dass ihre Opposition gegen eine der beiden etablierten Mächte, die Kirche, auch das Kaisertum, obwohl Luther denkbar weit davon entfernt war, es infrage zu stellen, neue Herausforderungen stellte. Karl V. hat sich dieser deutschen Thematik zu Beginn der Reformation überhaupt nicht ernsthaft angenommen; doch so fraglos monarchisch waren damals die Zeiten, dass ihn das keinesfalls das Amt kostete.

Was Luther angerichtet hat

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