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1. Einleitung


Hinter jedem Beruf beziehungsweise jeder beruflichen Tätigkeit steht ein Verständnis von Professionalität. Ebenso hinter jeder Rolle bzw. jeder Funktion in einer Organisation. Typischerweise werden zur Beschreibung professioneller Positionierungen und Vorgehensweisen zunächst Attribute gewählt, die etwas mit den Zielen der Tätigkeit, den bevorzugten Inhalten, den dabei verwendeten Konzepten und Methoden, den bevorzugten Settings und Inszenierungsweisen und so weiter zu tun haben. Diese Themen wurden in den ersten Bänden des EHP-Handbuchs Systemische Professionalität und Beratung ausführlich behandelt. Dieser Band hingegen fokussiert vermehrt übergeordnete Beschreibungen und Ausleuchtungen von Hintergründen.

Oft bietet erst das Abtasten solcher Hintergründe die Chance auf ein umfassendes Verständnis von Professionalität, eingewoben in vielschichtige Zusammenhänge und Sinnerzählungen. Dafür brauchen wir Betrachtungsperspektiven – metaphorisch gesprochen: Scheinwerfer – mit deren Hilfe wir Innen- und Außenwelten, gesellschaftliche und geistige Sphären ausleuchten können. An solchen Ausleuchtungen haben fast alle Professionellen im Laufe ihrer Entwicklung immer wieder Interesse, wenn sie mit einem Erkenne-dich-Selbst verbunden sind. Da sich viele Professionen aber auch mit dem Verstehen und Entwickeln der Professionalität anderer befassen, brauchen sie solche Scheinwerfer auch für das Ausleuchten der Hintergründe ihres Gegenübers beziehungsweise der Zusammenhänge, in denen die Arbeit stattfindet.

Solche Scheinwerfer richten sich auf die handelnden Menschen, ihre Biografien, ihre Eigenarten und Bestimmungen, auf die Milieus, denen sie entstammen und in denen sie sich bewegen. Sie beleuchten die Bedürfnisse nach einem Sinn, die auch im Berufsleben gestillt werden sollen, und Identitäten und Kulturzugehörigkeiten, die helfen, sich zu positionieren. Sie erfassen Entwicklungen, zu denen man umgekehrt selbst beiträgt, wenn auch nur in bescheidenem Maße. In den Blick kommen Zugehörigkeiten zu Schulen, professionellen Gemeinschaften und die dort repräsentierten Wirklichkeitsverständnisse und Betrachtungsweisen. Da es nach Adorno kein richtiges Leben im falschen gibt, erfordern solche Betrachtungen auch eine Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen, mit Märkten, Organisationen, Strömungen im Zeitgeist und mit den Formen von Wirtschaften, mit denen jede Lebensführung unauflösbar zusammenhängt.

Wie also kann mit Menschen für Menschen gewirtschaftet werden? Wie können Organisationen dafür gestaltet werden? Wie können Menschen als Professionelle und in Organisationsfunktionen sinnvoll handeln? Welche Haltungen und Kompetenzen braucht es dafür? Wer muss was wie lernen und wie soll Lernkultur sein, dass sie zu einer humanen Organisations-, Professions- und Wirtschaftskultur beiträgt? Da kann einem schon schwindlig werden, wenn man erkennt, wie vielschichtig und vielfältig die Zusammenhänge und Betrachtungsweisen sind, die zu einer geläuterten Professionalität gehören. Sich mit dem allem auseinanderzusetzen ist ein lebenslanger Prozess.

Die meisten Leser kennen vermutlich den magischen Würfel, ein Geduldsspiel, bei dem man durch das Drehen verschiedener Reihen oder Spalten jede Würfelseite so verändern soll, dass am Ende jede Seite eine einheitliche Farbe hat. Bei jeder Drehbewegung auf der einen Seite werden gleichzeitig die Muster der anderen Seiten mitverstellt. Um die Seiten also aufeinander abzustimmen, muss man immer wieder seine Perspektiven verändern. Der Hintergrund wird zum Vordergrund gemacht, oben wird mit unten getauscht, die linke Seite wird zur rechten und umgekehrt, so lange, bis man eben ein stimmiges Muster über alle Dimensionen hinweg bilden kann. Und so ähnlich arbeiten wir in diesem Buch. Stand beispielsweise soeben die Organisation im Vordergrund, so behalten wir das Gesagte im Hinterkopf, drehen aber den Würfel und blicken nun auf den Vorgang der professionellen Individuation.

Über allem steht die Frage, wie Menschen im Beruf und in ihrer Organisation die einzigartige Persönlichkeit verwirklichen können, die in ihnen steckt. Dies gilt zumindest für Berufe und Tätigkeiten mit hohem kreativem Anteil. Nicht immer stammen die illustrierenden Beispiele aus den jeweils vertrauten Berufsbereichen der Leser. Doch glauben wir, dass sich die jeweiligen Betrachtungen auf Beratung und Entwicklung von Professionalität allgemein anwenden lassen. Professionalität und Ansichten über Professionalität haben neben allen fachlichen und gesellschaftlichen Perspektiven eben auch mit den Wesenszügen des jeweiligen Menschen und mit Aspekten seiner ganz persönlichen Lebensgeschichte zu tun. Zumindest scheinen diese als Hintergründe immer durch und entscheiden oft, ob sich die Seele für das berufliche Tun interessiert, ob man Bereicherung erlebt oder nicht.

Zur Einstimmung geben wir den Lesern zunächst die Möglichkeit zur persönlichen Begegnung mit uns, den Autoren. Sonst bietet dieser Band Streiflichter aus unseren Welten, um die Leser zu inspirieren und um die Möglichkeit zu eröffnen, sich – über die wichtigen Vordergründe hinaus – mit ihren hintergründigen Fragen an Professionalität auseinanderzusetzen. Fangen wir also im folgenden Kapitel mit einem eher persönlichen Gespräch zwischen den Autoren an. »Programmatischer« geht es dann ab Kapitel 3 weiter.

Systemische Beratung jenseits von Tools und Methoden

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