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DAS JAHR VOR DEM ENDE

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Seit Wochen wüten Brände durch die großen Wälder unserer Welt. In Amazonien, im Osten Australiens, in Sibirien und selbst am Nordpol brennt es – es ist das Ende der Welt, und wir haben es herbeigerufen.

Von H. Selzberg

Der Himmel leuchtet orange. In hellem Gelb steht die Feuerwand und jagt fauchend durch den trockenen Wald. Die Feuerwehrmänner wirken mit ihren Helmen und Schläuchen wie hilflose winzige Statisten in einem aussichtslosen Kampf.

»Die Feuer rasen aus dem Nichts auf dich zu«, sagt ein Russe dem Staatsfernsehen. »Es ist schneller als der Wind. Es ist das Inferno. Die Hölle. Mein Nachbardorf: Es ist weg. Einfach weg. Was soll nur aus den Menschen werden?« Ähnliche Stimmen kommen aus anderen Ländern. Das Grauen ist überall dasselbe. Besonders schlimm sei, dass es für die Menschen kaum eine Möglichkeit zur Flucht gebe, denn die Feuer seien schneller, als man rennen könne, so ein Pressesprecher der australischen Behörden.

»Es wird von Jahr zu Jahr schlimmer«, sagt Reinhard M., Leiter der Katastrophenschutzbehörde in Deutschland und leidenschaftlicher Jäger. »Die Brände beginnen immer früher, oft schon im Winter. Und sie sind aggressiver und dringen in Regionen vor, wo wir niemals mit Feuer gerechnet hätten. Oder wer hätte gedacht, dass es je im Regenwald brennen würde? Und wer weiß«, fügt er später hinzu, »wie lange es noch dauern wird, bis die Berge zu brennen beginnen …?«

Besonders traurig macht die Menschen allerdings die Tatsache, dass viele Wildbestände und ohnehin schon gefährdete Tierarten durch die Feuer ausgerottet werden. Dabei sind es oft nicht die Feuer selbst, sondern die Seuchen, die in den rauchigen Glutnestern entstehen und die Luft vergiften. Wie Teer kriecht die klebrige Luft in die Lungen der Tiere und erstickt sie qualvoll. »Es ist wie eine große, stille Krankheit, bei der man zusehen kann, wie die Tiere qualvoll um die letzten Atemzüge kämpfen, als wäre deren Zahl begrenzt.«

In Russland etwa starben die letzten weißen Hirsche Sibiriens. Es gibt bei den Jägern einen Mythos, der besagt, dass man innerhalb eines Jahres sterbe, wenn man einen weißen Hirsch tötet. In einigen Regionen Deutschlands wie etwa im Norden Hessens sowie in Österreich in einem verborgenen Tal der Steiermark leben noch einige dieser wunderbaren Tiere. »Dort halten sich Umweltschützer und Jäger an eine stille Übereinkunft und schützen gemeinsam diese seltenen Geschöpfe«, meint der Experte weiter. »Wenn es so weitergeht, haben wir Menschen bald die letzten Hirsche auf dem Gewissen. Glaubt man dem Mythos, dürfen wir gespannt sein, was jetzt geschieht.«

»Es beginnt immer gleich. Zuerst Husten. Dann das Blut. Und mit dem Fieber kommt die Atemnot. Als hätte jemand die Zahl der Luftzüge begrenzt.«

Ich senkte die Arme und ließ die Blätter der Zeitung auf meinen Schoß fallen.

»Was meinst du?«

»Die große Krankheit. Sie tarnt sich zwischen den Feuern.«

»Es wird langsam Zeit fürs Bett.«

»Es ist meine Schuld.«

»Das ist es nicht.«

»Doch. Das ist es. Das war es immer.«

Tannenfall. Das andere Licht

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