Читать книгу Die schöne Anna von Hake auf Scheventorf - Bernhard Köster - Страница 3
Zur Person:
ОглавлениеSchwarz wie sein bodenlanger Talar war auch die Tinte, mit der er seine Predigten und Bücher schrieb, und drum fiel es nicht weiter auf, wenn er eine in die Schreibfeder geratene Fussel mit einem Ratsch über die breite Seite seines Gewandes entfernte. Die unbeirrbare Versenkung in sein Werk am Altar, auf der Kanzel und an seinem Stehpult bekam der zu spüren, der da nicht mittat; er kriegte eins über die Finger, hörte es laut und deutlich oder hatte es schwarz auf weiß.
Aufrecht war seine Haltung, sogar auf dem Fahrrad unterwegs in seiner Gemeinde, im Beichtstuhl und selbst am Eßtisch, wenn Maruschka, die humorvolle polnische Haushälterin, für das leibliche Wohl treu sorgte mit ihrer Kunst der Küche, die gerühmt ward und weite Kreise zog, hin und wieder sogar den Bischof aus dem fernen Osnabrück an die gastliche Tafel des Pastorats nach Glandorf. Aber auch Bettler und Zigeuner taten sich dort gütlich. So erfuhr Pastor Bernhard Köster, weil nur geistlicher Rat und deshalb der Zigeunersprache nicht kundig, an der Quelle eines Zigeunermundes, was das heißt: er ist gekocht, nicht Krebse oder der Hahn im Suppentopf, sondern einer in der Geschichte der Schönen Anna, doch lesen Sie es selbst!
Aber mit dem Duft von solchermaßen Gutgekochtem begnügte er sich nicht, nein, auch den Duft der großen weiten Welt lernte dieser abenteuerliche Mann im schwarzen Rock schon kennen um neunzehnhundertzehn, indem er betteln ging. Durch ganz Europa, von Hof zu Hof, von Banken zu Kardinalspalästen und so fort. Warum? Nun, um Spenden für das Krankenhaus in Lübeck, doch das führt jetzt weit, wie seine Reisen damals auch, zu weit hier. Drum lesen Sie es und vieles mehr in dem guten Buch von Dr. Riese über die „Glandorfer Gestalten“.
Vielleicht ahnen Sie dann, was meine Großmutter – Gott hab sie selig – schon vor vielen Jahren meinte mit den Worten: Wenn der Onkel nicht ein guter Pastor geworden wäre, hätten wir heute einen großen Gauner in der Familie.
Waren die Zigarern, die guten, einmal am Ende, so packte er in seine weiten und tiefen Gesäßtaschen einige Stücke Speck, fuhr nach Osnabrück der Zigarren wegen, schlug sich dort im Laden hinten drauf und sagte nur ein einziges Wort: Fettigkeiten. Und er bekam in der Kriegszeit Zigarren, sagte dann auch dem Bischof guten Tag, erhielt auch dort ab und an eine Zigarre, blätterte in alten Archiven seiner Heimatgeschichtsforschung wegen und kam zufrieden zurück nach Glandorf.
Ganz ernst soll er den Brautunterricht genommen haben, sagte mir erst kürzlich ein ehemaliger Kandidat, und da riet er trotz der damaligen Tabus und trotz gewisser zölibatär bedingter Gewissenskonflikte durchaus zur Freude und zur Einhaltung der Regel nach Luther.
Als der große Krieg begann, hub er ein sofortiges Beten um ein baldiges Ende an, daheim im stillen Kämmerlein und auch mit seiner Gemeinde, und lauschte gläubig und hoffnungsvoll, wie er ja war, den täglichen englischen Botschaften auf gute Kunde von Radio London. So laut zuweilen, daß es ins Dorf schallte. Saßen wir doch beim Abendmahl auf der Gartenterrasse und stand das Radio am anderen Ende des Hauses in Straßennähe beim offenen Fenster, eilte er erst hinüber beim Dröhnen des englischen Big Ben. Aber es ist ihm nichts passiert.
Das erflehte Ende hat er nicht erlebt; denn am 23. Juni 1944 raffte diesen Mann des starken Willens und des guten Geistes voller Liebe eine schwere Krankheit im Alter von 75 Jahren dahin.
Als der Bischof am Sterbelager zum Segen seine Hände erhob, raunzte der Sterbende die Dabeistehenden an: „Knien!“ Und sie gingen alle in die Knie. Entschlafen ist er gegen vier Uhr nachmittags, in Frieden. –
Es ist in seinem Sinn, wenn wir nach 33 Jahren heute Dr. Riese danken für den Anstoß und die Hilfe zur Neuauflage des Werks, Frau Isolde Köhler sagen, wie einfühlsam und gelungen ihre Zeichnungen sind, und den Verleger und die Buchdrucker loben für Wagemut und Kunst.
Stuttgart, den 6. Februar 1977
Dr. Hermann Schomaker