Читать книгу Die schöne Anna von Hake auf Scheventorf - Bernhard Köster - Страница 4
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ОглавлениеBernhard Köster schrieb in seiner Glandorfer Zeit 14 Erzählungen und Romane. Das Buch von der schönen Anna von Hake auf Scheventorf führt uns in die finstere Zeit des 16. Jahrhunderts. Wiedertäufertum, Glaubenskämpfe, Religionskriege, Hexenwahn mit Folterungen und Verbrennungen, Feuersbrünste und Seuchen kennzeichnen diese Epoche. Auf den vielen kleinen Rittersitzen und Burgmannshöfen des Osnabrücker Landes herrschte gefährliches Leben und Treiben. Die einen hielten zum Fürstbischof, die anderen zur Stadt Osnabrück. Rauflustige schlossen sich bekannten Räuberbanden an, zum Beispiel Cord Grodhus und dem berüchtigten Seißenbernd. Nur wenige kämpften für sich allein um Geld und Rittergut. Der Verfall des Lehnswesens und des Rittertums kündigte sich an. Miguel de Cervantes karikierte mit seinem Roman „Don Quijote“, dem Ritter von der traurigen Gestalt, das nicht mehr edle Rittertum und ließ die böse Zukunft erahnen.
Es kann nicht verwundern, daß in jenen Kriegszeiten, in denen die Männer auszogen, um zu rauben, zu plündern, zu brandschatzen und zu morden, Sitte und Anstand in Städten und Dörfern, Gehöften und Burgen in Verfall gerieten. Wurden Fälle von Untreue oder Fehltritten ritterlicher Frauen oder Mädchen ruchbar, so waren Strafen oder Rache entsprechend mittelalterlich und grausam. Ein Verhältnis mit einem nicht ebenbürtigen Mann wurde nicht selten durch die Familie mit dem Tode bestraft. Auf manchen Burgen und Rittersitzen wurden „gefallene“ Frauen oder Mädchen vom Leben zum Tode gebracht. Daß hier noch Zusammenhänge mit germanischen Rechtsgepflogenheiten bestehen, glaube ich nicht. Eher dürften Tötungen von Frauen durch die eigene Familie ihre Ursache in überbewerteter Ritterehre und verletztem Männerstolz haben.
Anna von Hake ist eine geschichtliche Persönlichkeit und hat im 16. Jahrhundert auf Scheventorf gelebt. 1858 fand man in einem zugemauerten Kellergewölbe Reste von morschen Knochen und Holz. Seither heißt dieses Gewölbe „Annekenloch“. Bei meinem letzten Besuch auf Scheventorf diente es als Runkelkeller. Ob Anna von Hake von ihrem Vater, Bruder oder Schwager zum Tode gebracht wurde, darüber geben Urkunden keine Auskunft. Es stand darum Bernhard Köster durchaus frei, sich für seinen Roman seine eigene Version auszusuchen.
Die Wasserburg Scheventorf liegt an der B 51, etwa einen Kilometer südlich der Iburg, am Fuße des Teutoburger Waldes. Ihre Gräften reichten dereinst an die Allee, die von Iburg nach Glandorf führte. In dem großen Mühlenteich westlich der Burg lag auf einer nur über einen schmalen Pfad zu erreichenden Insel ein Hausgarten. Das noch stehende Herrenhaus stammt aus dem Jahre 1552 und ist zugleich das älteste Fachwerkgebäude des Osnabrücker Landes. Einen besonders malerischen, mittelalterlichen Eindruck erweckt der auf drei steinernen Säulen ruhende Fachwerkbau (Taubenhaus) in der Ecke am Gefangenenturm, dessen Füllbretter im Obergeschoß die Jahreszahl 1578 aufweisen. Aus jener Zeit dürften auch noch das eingemauerte Wappen des Bistums Osnabrück, der große, steinerne Löwe auf der Hofmauer am Eingang zur Burg sowie im Innern das reichverzierte Treppengeländer sowie Türen, Wandschränke und die dicken Eichenpfosten und die eichenen Unterzüge stammen. Die Burg Scheventorf war ein Burgmannssitz der Iburg. Urkundlich war sie seit 1252 im Besitz der Familie Scevincdorpe. Das Geschlecht derer von Hake ist urkundlich seit 1225 im Osnabrücker Lande nachweisbar, kommt im 14. Jahrhundert als alteingesessene Iburger Burgmannsfamilie in den Besitz der Burg Scheventorf und machte sich im Osnabrücker Land rümlich und unrühmlich bemerkbar, bis es 1633 im Mannesstamm erlosch. Agnes Josina von Hake heiratete den schwedischen Oberstleutnant Bernhard Jakob von Henderson. Für einige Jahre fiel die Burg Scheventorf sodann an den Osnabrücker Hofmarschall Christoph von Hammerstein, der sie dem Bischof von Osnabrück gegen das Tafelgut Gesmold überließ. Seit 1664 verblieb das Wasserschloß im Besitz der Osnabrücker Fürstbischöfe. 1803 wurde Scheventorf durch Säkularisation Staatsdomäne und ist seither verpachtet.
Bernhard Köster waren selbstverständlich auch die Verhältnisse auf den Nachbarburgen bekannt. Alle bis dahin erschienenen Bände der „Osnabrücker Mitteilungen“ hatte er studiert. Vom Volksmund und von Überlieferungen her wußte er von dem Räubergeschlecht der Untkemänner in Knetterhausen bei Versmold, welche dort hinter den Wäldern und Knetterhäuser Dünen Kaufleuten und Reisenden auflauerten, die über den Tatenhausener Weg ihre Waren transportierten oder die Reiseroute Osnabrück-Ravensberg benutzten. Auf ihren Raubzügen kamen die Untkemänner auch in die benachbarten Dörfer Füchtorf, Milte, Glandorf und Laer. Sie bestahlen besonders die größeren Bauern und die Geistlichkeit. Erst 1923 wurden sie von einer vereinigten Kohorte von Landgendarmen und Förstern endgültig ausgehoben.
Bernhard Kösters Sprache ist derb und deutlich, kurz und bündig. Man könnte sogar, wie es J. Boesch anläßlich der zweiten Auflage dieses Buches getan hat, von einem eigenen „Köster-Stil“ sprechen. Köster ist ein Meister der kurzen Ausdrucksweise. Wo andere einen Satz gebrauchen, nimmt er ein Wort oder eine Silbe. Kräftige Satzwendungen liegen ihm besonders. Dieser Stil ist zwar etwas rauh, aber er paßte zum Mittelalter und zu Räubergeschichten.
Dank gebührt Hermann Schomaker und dem Verlag Krimphoff, daß sie vielen Verehrern von Bernhard Köster und den Freunden heimischer Literatur mit der Neuauflage dieses einzigen historischen Romans des Südosnabrücker Landes eine echte Freude bereitet haben. Darüber hinaus wünsche ich diesem Buch viele neue Leser und Freunde; denn dadurch würden Herausgeber und Verlag in die Lage versetzt, weitere Köster-Bücher neu auszustatten und aufzulegen.
Füchtorf, den 22. Februar 1977
Dr. Riese