Читать книгу Frau ohne Welt. Teil 3: Der Krieg gegen die Zukunft - Bernhard Lassahn - Страница 8
Männer machen nicht mehr mit
ОглавлениеWas können Männer tun? Sie streiken. Men On Strike heißt das passende Buch dazu von Helen Smith (deutsch: Männerstreik. Warum das starke Geschlecht auf Bindung und Kinder verzichtet). Der Ausdruck trifft die Sache nicht. Ein »Streik« ist allerdings auch nicht mehr das, was er einmal war, er steht nicht mehr im Zusammenhang von einem Arbeitskampf: Bei einem Streik von Kindergärtnern oder Lokführern wird nicht etwa ein Arbeitgeber unter Druck gesetzt, es wird unbeteiligten Dritten Schaden zugefügt. Greta Thunberg hat mit der Fridays-for-Future-Bewegung einen internationalen Schulstreik – Skolstrejk – losgetreten, dem sich auch der Papst angeschlossen hat, der jedoch nicht mehr zur Schule geht, so dass man in seinem Fall vom »Klima-Streik« spricht. In beiden Fällen passt der Begriff nicht: Man kann weder eine Schule noch das Klima bestreiken. Auch Frauen nicht. Oder Kinder. Wenn Meike Dinklage in ihrem Buch Der Zeugungsstreik. Warum die Kinderfrage Männersache ist ebenfalls von einem »Streik« spricht, macht sie denselben Fehler. Es ist kein Streik. Es handelt sich vielmehr um einen Rückzug, um eine generelle Verweigerungshaltung.
Männer ziehen sich auf allen Gebieten zurück. Sie meiden insbesondere die Ehe, die zu einem Modell verkommen ist, bei dem sie nur verlieren können. Roy Baumeister, dessen Spezialgebiet die »unerwiderte Liebe« ist, vergleicht eine Eheschließung von heute mit der Idee, sich betrunken tätowieren zu lassen. Diese Idee ist offenbar weit verbreitet, wie man im Sommer merkt, wenn man die leicht bekleideten Passanten anschaut. Tätowieren lassen sie sich schon, aber heiraten wollen sie nicht mehr, sie zeugen auch keine Kinder mehr – viele wollen gar nichts mehr mit Frauen zu tun haben.
Sie werden Migtows (sprich Migtaus), Flaptonauten, Herbivore (deutsch: Grasesser) oder InCels, auch Incels geschrieben. Die Bezeichnung »Migtow« geht auf die Abkürzung MGTOW zurück men go their own way, also: Männer gehen ihren eigenen Weg. Von einer Bewegung oder einer gut organisierten Gruppe kann man in diesem Fall nicht sprechen, schließlich gehen alle ihren eigenen Weg; einen, bei dem sie sich nicht mehr an den Wünschen von Frauen orientieren und angestrengt versuchen, der gynozentrischen Weltsicht zu entkommen. Mit diesem etwas sperrigen Begriff, der nach »Gynäkologie« klingt, ist gemeint, dass sich alles immer nur um Frauen dreht. Dadurch entsteht eine Unwucht, das Zusammenleben der Geschlechter verläuft nicht mehr harmonisch und verunglückt schließlich. Es ist ein altes Lied und ein altes Leiden. Schon die Frauen in Sparta galten als selbstherrliche Weiber, die nur noch herablassend über Männer redeten, weshalb die Griechen die Gynaikokratie – daher das Wort – fürchteten und sich Spartaner-Witze erzählten. Heute werden keine Witze mehr gemacht.
Manche der Migtows sehen sich als Boykotteure, die als Störfaktoren den Verfall des Systems beschleunigen werden, andere sind einfach nur resigniert. Sie vertrauen dem Rechtssystem nicht mehr, der Politik sowieso nicht, der Presse schon mal gar nicht. Sie sehen in Familiengerichten, Anwälten, Gutachtern, Jugendämtern, Gleichstellungsbeauftragten und Hilfsorganisationen eine Art Kartell mit zum Teil offen kriminellen Machenschaften. Da machen sie nicht länger mit – »they are checking out« – sie sehen keinen Sinn darin, sich in einem abgekarteten Spiel aufzureiben und sich gutgläubig an die Polizei, an Gerichte, an die Politik oder die Öffentlichkeit zu wenden. Das unterscheidet sie von den Aktivisten, die man behelfsweise »Männerrechtler« nennt, oder auch – ob sie wollen oder nicht – »Maskulisten« oder »Maskulinisten«. Doch diese Begriffe sind Fremdzuschreibungen, die zögerlich und zähneknirschend in Ermangelung eines besseren Begriffes übernommen werden. Es gibt keine Gruppierungen, die sich »Maskulisten« nennen, »Maskulinisten« schon mal gar nicht. Es sind immer nur Einzelstimmen. Sie werfen den Migtows vor, sich der vorherrschenden Ideologie unterworfen und bedingungslos kapituliert zu haben. Migtows dagegen finden, dass jeder, der immer noch versucht, innerhalb des Systems um sein Recht zu kämpfen oder meint, mit Argumenten etwas bewirken zu können, den Ernst der Lage nicht verstanden hätte.
Flaptonauten verzichten nicht nur auf Sex mit einem Partner, sie verzichten auch auf Ersatz- und Selbstbefriedigung und haben den Monat November zum No-Flap-Monat erkoren, zu einer Art von Self-Sex-Ramadan. Sie sehen es als Form der Askese. Als Herbivore werden junge Männer in Japan bezeichnet, die sich ebenfalls radikal von jedem Sexleben abgewandt und entdeckt haben, dass es auch so geht. Hanna Rosin nennt Zahlen, nach denen fast 50 % der Männer in Japan keine Lebenspartnerin mehr wollen. Sie sieht es als einen der viele Belege für die Überlegenheit der Frauen, die sie schon im Titel ihres Buches Das Ende der Männer und der Aufstieg der Frauen deutlich macht.
Herbivore gelten als exotisch und harmlos. Im Unterschied zu den InCels, die unfreiwillig keusch sind und sich damit nicht abfinden wollen. Der Name ist eine Zusammensetzung aus »involuntary« (unfreiwillig) und »celibacy« (Zölibat). Incels werden gefürchtet, weil man ihnen Racheakte unterstellt. Es sind unruhige Männer, denen man nachsagt, dass sie bisher keine Frau abgekriegt haben und auch in Zukunft keine abkriegen werden. Man vermutet, dass sie ebenso leiden wie einst der junge Werther gelitten hat, nur dass es bei ihnen nicht um eine einzelne angebetete Frau geht und nicht zum Selbstmord, sondern zum pauschalen Hass auf alle Frauen führt, der sich ungehemmt im Internet austobt und sogar zu offener Gewalt führt.
In Toronto hatte Alek Minassian wahllos zehn Passanten überfahren. Da man ihn den Incels zurechnet, gilt seine Tat als eine der ersten, speziell »gegen Frauen« gerichteten »terroristischen Angriffe«, von denen zukünftig noch mehr erwartet werden. In Ausweitung der Kampfzone von Michel Houellebecq gibt es eine Szene (die mir allerdings nicht glaubwürdig erschien): Da tötet jemand ein ihm fremdes Paar, das sich nach einem Disco-Besuch mit einem spontanen Sexabenteuer in den Dünen vergnügt, weil er sich selber von so einem lustvollen Leben ausgeschlossen sieht.
Von solchen Männern wird es umso mehr geben, je mehr sich die Gesellschaft von der Monogamie abwendet, die ein vergleichsweise friedliches Zusammenleben ermöglicht, und stattdessen ein polygames Modell fördert, das stark konfliktgeladen ist, weil in so einem System ein Mann viele Frauen hat und viele Männer keine. Ein Mann mit vielen Frauen hat auch viele eifersüchtige Feinde und viele Männer ohne Frauen sind gefährlich. Die überschüssigen und chancenlosen Männer werden zu einer ständigen Bedrohung für ungebundene Frauen, die durch ein Kopftuch symbolisieren müssen, dass sie unter besonderem Schutz stehen. Sonst sind sie ausgeliefert und werden zu Opfern von Vergewaltigungen und dem, was man »taharrush gamea« nennt, was seit Silvester 2015 auch in Deutschland angekommen ist. Das Problem wird sich noch verstärken, je mehr Männer mit großen Träumen und geringen Chancen importiert werden und hier einer Reizüberflutung ausgesetzt werden, die sie bisher nicht kannten. Sie werden bald schon die treuherzige Vorstellung beerdigen, dass bei uns jeder sein Glück finden kann und dass es, weil doch alles so wundersam gleichverteilt ist, für jeden Topf einen passenden Deckel gibt. Man kann hier auch sein Unglück finden.
Die einen kriegen keine Frau, die anderen wollen keine mehr. »Ich will nie wieder eine Frau in meinem Leben«, sagt jemand in der Schweizer Fernsehsendung 20 Minuten. Schon Verabredungen sind inzwischen zu riskant geworden. Viele wollen flüchten – aber wohin? In die Unwirklichkeit der Bilderwelt, die den Sehnsüchtigen nur umso sehnsüchtiger zurücklässt? Oder soll man sich ganz auf eine Umformatierung des Gefühlslebens einlassen und das Liebesverlangen zu einer Angelegenheit von bezahlten Dienstleistungen machen? Lieber nicht. Eine Prostituierte kann sich schnell als Zwangsprostituierte erweisen; der Freier, der das nicht rechtzeitig erkennt, wird noch nachträglich bestraft. Kämpfern gegen Sexismus geht es darum zu strafen, nicht darum, jemandem zu helfen. Houellebecq sieht in dem Angriff auf die Prostitution, die hinter dem vorgeblichen Kampf gegen Zwangsprostitution steckt, einen Schlag, der in Wirklichkeit gegen die Ehe gerichtet ist, die bisher durch die Schattenseite der Prostitution wie durch ein Überdruckventil stabilisiert worden war. Auch in Deutschland häufen sich Stimmen, die jede Prostitution verbieten – besser gesagt: in die Illegalität verdrängen – wollen.
»Sobald es annehmbare Sex-Roboter gibt, werde ich sie nutzen«, bekennt einer der Schweizer in der obengenannten Sendung. Doch selbst das ist problematisch. Feministen fordern bereits die Schließung der ersten Sexpuppen-Bordelle. Dort würden die Puppen nämlich – woher auch immer man das wissen will – von den Kunden vergewaltigt. Nun hat es also auch die Puppen – die fembots – erwischt. Ein Hauch von Gewalt liegt über allem, was früher Spiel, Flirt, Scherz, Tanz, Erotik, Fantasie, Spaß, Vergnügen, Verständnis, Vertrauen, Lust, Leichtsinn, Sehnsucht, Berührung, Risiko, Nähe, Wohlwollen, Freundlichkeit, freies Sprechen, Kunst und Liebe war. Wir dürfen nicht einmal mehr Witze machen, die uns trösten könnten. Es wären sexistische Witze. Die sind strafbar. Zum kulturellen Kahlschlag gehört auch das Ende der Witze.