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ZWEITES KAPITEL

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„Meine Güte, da hast du mal einen echten Glücksgriff gemacht!“, freute sich Tine über das Haus und den Schuppen und alles Grüne drum herum. „Hier sieht es ja ganz wie im Märchen aus, so ganz ohne modern times und so.“ Ich strahlte ebenfalls, aber vor Stolz, weil es ihr so sehr gefiel. Es war ja ihre Idee gewesen, irgendwo in der Abgeschiedenheit Urlaub zu machen, wo es keinen Strom gab. Aber dass es hier dann auch tatsächlich so aussah wie unberührte Nostalgie, überraschte uns nun doch ein bisschen.

Wir setzten unsere Rucksäcke ab und ich schloss das Gartentor auf. „Darf ich bitten?“, fragte ich und machte einen standesgemäßen Diener. „Darfst du, Kindchen, solange kein andrer vorbeikommt.“

Mit federnden Beinen tanzte sie durch das Gatter, über die Wiese und auf die Terrasse vor das Haus. Dann ein Staunen. Das gute, alte Haus guckte uns ganz einladend durch ein großes Fenster an. „Das ist es“, präsentierte ich ihr unser Domizil. „Schön ist es, Himmel!“, raunte Tine und gab mir einen Kuss. „Aber jetzt sperr die Tür auf und spann mich nicht so auf die Folter!“ Also schloss ich, statt zu spannen. Und ich führte sie durch die Zimmer, die ich vom Prospekt her kannte, und überraschte uns beide mit der Wirklichkeit. Da war erst einmal ein schmaler Flur, der wie ein L im Haus lag. Am Hals vom Flur, etwas versetzt zur Haustür, kamen wir in das Wohnzimmer und fanden es perfekt. Die wichtigsten Erfindungen der Menschheit waren in diesem Raum versammelt: eine breite Bank, die um zwei Ecken ging, ein dicker Tisch, ein Bücherregal und, das Beste überhaupt, ein kleiner Steinofen für die Abende. Ich stellte mir schon einiges vor, während Tine die Küche am kürzeren Ende vom Flur-L inspizierte. „Junge, hier müssen wir mit Gas kochen. Da lass man lieber nur mich ran, sonst brauchen wir gar nicht erst auspacken“, rief sie durch das L.

Hinter der Haustür, gleich links, führte eine schmale Treppe in das Dachgeschoss rauf, wo wir nur geduckt stehen konnten, so zuvorkommend kam uns die Decke entgegen. Da lagen drei Matratzen nebeneinander und sonst gähnte uns nur die Weite der Holzdielung an. Tine entdeckte den winzigen Balkon, der gehörig knarrte, als wir beide feststellten, wie weit man von ihm aus sehen konnte. Da lagen die anderen Berge unserem gegenüber, und zwischen allem, was wir aber vor lauter Bäumen nur ahnen konnten, schwabberte die Unstrut durch. „Hier kann man’s aushalten“, stellte Tine überzeugt fest. „Sogar mit dir.“

Den Rest des Nachmittags verbrachten wir damit, uns häuslich einzurichten. Während ich die Rucksäcke über die Treppe hievte, zählte Tine das Besteck in der Küche ab und fand heraus, dass wir spätestens am nächsten Tag einkaufen müssten, um nicht zu verhungern. Dann half sie mir, die frisch gespannten Laken zu zerknittern, indem sie eine Kissenschlacht anordnete. „Wehr dich doch ma endlich!“, forderte sie, als ich schon fast am Kapitulieren war. „Trauste dich nich?“ Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich stürzte mich auf sie und schnappte mir ihre süßen Handgelenke. Dann musste sie sich abküssen und kitzeln lassen, bis wir nicht mehr konnten. Von draußen schien die Sonne durch zwei Fichten zu uns rein, es war so gegen halb fünf und wir dösten etwas weg.

Als wir wach werden, brummen unsere Bäuche und wir versuchen uns zu erinnern, wann wir zuletzt etwas gegessen haben. Viel zu lange her. Also folgt dringend die erste Bestandsaufnahme. Brot haben wir, aber keine Wurst, wegen der Wärme im Rucksack und in der Reiseluft. Butter auch nicht. Zwei Dosen hatte Tine mir mitzubringen befohlen; mit Bohnensuppe die eine und die andere mit Kartoffelsuppe. Tine liebt Suppen und würde dafür töten und sterben. „Dann können wir ja loslegen“, diagnostiziert sie und macht sich am Herd zu schaffen. Nebenbei knabbern wir trocken Brot und witzeln. Als Kavalier mache ich ihr die Büchsen auf, aber da wird Tine plötzlich nachdenklich. „Sag mal, wo waschen wir uns denn eigentlich, wenn’s nicht mehr auszuhalten ist vor lauter Katzenwäsche?“ Ich bin spontan ratlos. Daran habe ich nicht gedacht und sie wirft mir nun vor, dass ich das Naheliegendste immer aus den Augen verliere. So viel Welt ohne Technik ist uns beiden dann doch nicht so ganz geheuer.

Weil es uns jetzt aber wirklich interessiert, lassen wir die Büchsen stehen und machen uns auf die Suche nach einer Wasch gelegenheit. Im Haus ist nichts zu finden, nicht einmal ein Wasseranschluss. Auf der Terrasse vor dem Haus bräunen sich ein Tisch und bemalte Klappstühle. Aber unter dem Dachvorsprung neben dem Haus finden sich ein paar Hilfsmittel für das klassische Zeltlager. Die Hauswand ist von außen mit Holzscheiten angestapelt, daneben ein kleiner Steinplattenweg und dort, wo das Dach aufhört, neben den Stützbalken, stehen zwei dicke Regenfässer. Wie wir feststellen, sind sie randvoll, hauptsächlich mit Wasser, ein paar Blätter schippern darin. Tine rümpft die Nase, aber nur kurz. Sie sieht sich weiter um und der Blick zum Himmel bringt die erwünschte Erleuchtung. Unter dem Dach hängen eine Sense, ein Rechen und weitere Gartenpflegeprodukte – und eine Zinkwanne, an ihren Henkeln stranguliert. „Holste die ma runner?“, fragt Tine ganz höflich und zeigt auf den Bottich. Mit einer bereitstehenden Leiter erfülle ich ihren Herzenswunsch und zerre das sperrige Ding bis auf die Terrasse, wo es uns seine gesamte Verdrecktheit schamlos präsentiert. Wir sehen uns und die Wanne kritisch an. Dann beschließt Tine, die immer praktischer als ich ist, dass ich nach Freibach zurückgehen möchte, um Scheuermilch und einen rauen Schwamm zu kaufen. Und noch zwei Flaschen Wein, wo ich schon mal dort unten bin. Und vielleicht auch etwas zum Knabbern, Schokolade für die Zähne und Nerven. Sie gibt mir einen Kuss mit auf den Weg und verspricht mir, während ich weg bin, darüber nachzudenken, was sie gleich noch einmal an mir so liebt, dass sie dieses Höhlenleben mitmacht. Sie meint, ich könne mir ruhig Zeit lassen.

Auszeit mit Tine

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