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Kapitel 3

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Mit einem Stakkato heller spitzer Schreie warf die Frau ihren Kopf in den Nacken, krallte die langen Fingernägel in die dichte schwarzlockige Brustbehaarung ihres Partners und fand schließlich, begleitet von einem langen tiefkehligen Aufstöhnen, zu einem ekstatischen Höhepunkt, der ihren Unterleib in mehreren, schnell aufeinander folgenden Wellen erbeben ließ.

Durchströmt von erlösender Mattigkeit ließ sie sodann ihren schweißüberströmten Oberkörper nach vorne sacken und barg ihr Gesicht schwer atmend in der Halsbeuge des Mannes, wobei ihre langen schwarzen Flechten dessen Gesicht gleich einem wirren, fein gesponnenen Netz bedeckten.

Der Mann hingegen schien diesen Liebesakt deutlich weniger lustvoll erlebt zu haben, denn er lag ohne ein erkennbares Anzeichen, eine körperliche Anstrengung vollbracht zu haben, ruhig ausgestreckt da und starrte zur Zimmerdecke hinauf, während er geistesabwesend den Rücken seiner Gefährtin streichelte.

Dieses ungewöhnliche, passive Verhalten war der Frau natürlich nicht verborgen geblieben, und so glitt sie, nachdem ihre Erregung einigermaßen abgeklungen war, von ihm herunter und legte sich, ihren Kopf auf die rechte Hand stützend, seitlich neben ihn.

»Was bewegst du nur in deinem schönen Kopf, das dich davon abhält, mir deine ganze Kraft und Zuwendung zu widmen?«, schmollte sie vorwurfsvoll und tippte ihm mit dem linken Zeigefinger gegen die Stirn. »Ich hoffe für dich, Cnaeve Tarchunies, dass deine Gedanken nicht bei einer anderen sind!«

»Aber wo denkst du hin, Liebste«, wiegelte er ab, ergriff ihre Linke und küsste entschuldigend ihre Handfläche. »Aber um der Wahrheit Genüge zu tun, muss ich dir gestehen, dass mich schon den ganzen Tag über diese ominöse Gesandtschaft aus Velcal beschäftigt, deren Kommen uns für morgen angekündigt wurde.«

»Das beleidigt mich fast noch mehr, als wenn dein Geist bei einer anderen Frau verweilt hätte!«, tadelte sie ihn in gespielter Entrüstung. »Dieser unverhoffte Besuch sollte dich eigentlich eher freudig stimmen, denn immerhin bedeutet er, dass unsere geliebten ›Vettern‹ dich endlich ernst zu nehmen beginnen, ja möglicherweise sogar fürchten, denn warum sonst möchte Avle mit dir um ein ›gutes Auskommen‹ verhandeln? Aber nein, statt dass du diesen Triumph, wie auch deinen gerade errungenen Sieg über die Sabiner mit mir in vollen Zügen genießt, musst du natürlich wieder einmal darüber grübeln, ob sich hinter der aus meiner Sicht lauteren Absicht Avles vielleicht doch irgendeine infame Arglist verbergen könnte. Mein lieber Mann, manchmal bin ich doch geneigt, denen Glauben zu schenken, die da insgeheim von dir behaupten, du seist von dem Wahn befallen, dass alle Menschen, die in diesem Lande leben, nur darüber nachsinnen, wie sie dir Schaden zufügen können.«

Tarchunies richtete sich ein wenig auf, wandte sich ihr zu und blickte ihr in die Augen.

»Dem will ich gar nicht widersprechen!«, gab er ihr unumwunden zu. »Spätestens mit der Ermordung meines friedfertigen Vaters, der sich für das Wohl dieser Stadt aufgeopfert hat, ist mir bewusst geworden, dass die meisten Menschen schlecht und undankbar sind. Warum sollte ich also nach all den zumeist schlechten Erfahrungen, die ich seitdem habe machen müssen, Grund haben, irgendeinem von ihnen zu trauen?«

»Das verstehe ich ja auch«, seufzte sie und strich ihm begütigend eine Strähne seines langen dunkelblonden Haares aus der Stirn. »Seit ich hier mit dir lebe, habe ich mich ja hinreichend davon überzeugen können, welche feindseligen Intrigen von allen Seiten immer wieder gegen dich gesponnen werden. Selbst deine Mutter hat sich gegen ihr eigenes Fleisch und Blut gestellt. Dennoch glaube ich, dass du im Falle dieser Frieden verheißenden Geste aus Velcal ausnahmsweise guten Gewissens von deiner schlechten Meinung abrücken könntest.«

»Was, denkst du, sollte mich wohl gerade dabei veranlassen, deinem zweifellos gut überlegten Rat zu folgen?«, fragte er sie stirnrunzelnd. »Hast du vergessen, dass Avle zu meinen erbittertsten Widersachern im Städtebund zählt?«

»Genau das ist es, was die Angelegenheit ja für mich so glaubwürdig erscheinen lässt!«, erklärte sie eifrig, während sie sich abrupt aus ihrer liegenden Position erhob und sich mit überkreuzten Beinen neben ihn hockte.

»Schau mal, Avle geht davon aus, dass du um seine tiefe Abneigung weißt, die er in der Vergangenheit dir gegenüber gehegt hat, und wenn er nun den Entschluss gefasst hat, dir trotzdem die Hand zur Versöhnung zu reichen, dann wird er folglich bei dieser vertrauensbildenden Mission mit Sicherheit alles vermeiden wollen, was dein wohlbegründetes Misstrauen erregen könnte.«

Tarchunies ließ ihre Worte eine Weile auf sich wirken, wobei er sich gemächlich in die gleiche Sitzhaltung wie sie brachte.

»Was du vorbringst, ist nicht ganz von der Hand zu weisen«, ließ er sich dann zögernd auf ihre Argumentation ein. »Aber es ist dir nicht gänzlich gelungen, meine Bedenken zu zerstreuen, die ich bezüglich der Person Avles, und damit seiner Absichten, in mir trage. Hast du je von der Legende gehört, die davon erzählt, wie die Craeces einst vor langer Zeit die reiche und mächtige Stadt Ilion eingenommen haben? Es muss wohl zu jenen stürmischen Zeiten geschehen sein, als mein Urahn Tarkon noch mit unseren Vorfahren die Meere besegelt hat, und mein Vater hat mir versichert, dass Tarkon sogar eine Zeit lang an diesen Kämpfen teilgenommen hat. Ein berühmter Dichter der Craeces, Homeros genannt, hat diese Geschichte in wunderbare Verse gefasst, die ich in meiner Jugend des Öfteren vorgetragen bekommen habe.«

»Nein, leider ist mir dieses Werk offenbar vorenthalten worden«, sagte sie mit einem bedauernden Schulterzucken, »aber was hat diese alte Geschichte mit deinem Problem zu tun?«

»In der Tat ist dir damit ein dichterisches Meisterwerk entgangen, Murui«, lächelte er träumerisch. »Erinnere mich, dass ich dir und den Kindern alsbald davon erzählen will. Um nun aber deine Frage zu beantworten, möchte ich dir vorab nur den Teil daraus schildern, der davon berichtet, wie es den Craeces am Ende gelungen war, die Stadt zu erobern. Über viele Jahre hinweg währte die Belagerung, in denen sie immer wieder vergeblich und verlustreich gegen die unbezwingbaren Mauern Ilions angerannt waren. Nachdem sie schließlich einsehen mussten, dass sie auf diesem Wege niemals ihr Ziel erreichen würden, ersannen sie eine List, mit deren Hilfe sie glaubten, das Kriegsglück doch noch zu ihren Gunsten wenden zu können. Sie verbreiteten das Gerücht, dass sie die erfolglose Belagerung endlich abbrechen würden und unverrichteter Dinge nach Hause zurücksegeln wollten. Gleichzeitig zimmerten sie ein gewaltiges hölzernes Pferd, welches sie, wie sie ihre Gegner glauben machten, als versöhnliche Weihegabe an die Götter vor der Stadt zurücklassen wollten. In Wahrheit aber versteckten sie eine erlesene Schar ihrer mutigsten Helden im Bauch des Tieres, in der Hoffnung, dass ihre Feinde diese vermeintliche Opfergabe in die Stadt schaffen und dort als Zeichen des Triumphes aufstellen würden. Diese Hoffnung sollte die Craeces auch nicht trügen, denn kaum war ihre Flotte am Horizont verschwunden, da strömten die Bewohner Ilions aus den Toren und zogen das Pferd in ihrem blinden Siegestaumel in die Stadt, wo sie das glückliche Ende der Belagerung mit einem ausschweifenden Fest feierten. In der Nacht dann, als die meisten von ihnen schon berauscht vom übermäßig genossenen Wein in tiefen Schlaf gefallen waren, kletterte die kleine Kriegerschar aus dem Bauch des Pferdes, und während die einen die Tore für das inzwischen wieder angelandete Heer der Craeces öffneten, fingen die anderen damit an, überall in der Stadt Feuer zu legen und ein fürchterliches Blutbad unter der nichts ahnenden, wehrlosen Bevölkerung anzurichten. Auf diese Weise wurde das einst so mächtige und blühende Ilion bis auf die Grundmauern zerstört, und nur wenige seiner Bewohner konnten sich aus dem Inferno retten. Von diesem Ereignis leitet sich das Sprichwort ab: Fürchte die Craeces, auch wenn sie Geschenke bringen.«

»Aha!«, sagte Murui, die seinen Worten mit gespanntem Interesse gelauscht hatte. »Allmählich wird mir klar, was du mir mit diesem Beispiel zum Ausdruck bringen willst. Wenn ich das recht interpretiere, dann vergleichst du diese Gesandtschaft Avles mit jenem hölzernen Pferd, da du vermutest, dass deren eigentlicher Auftrag nicht darin besteht, mit dir in ernst gemeinte Verhandlungen zu treten, sondern vielmehr darin, die momentanen Verhältnisse in Rom auszukundschaften.«

»Dein Scharfsinn ist manchmal beängstigend, Murui!«, bestätigte er sie in ihrer Schlussfolgerung, wobei ein leichter Sarkasmus nicht zu überhören war. »Du hast es auf den Punkt gebracht. Meine Befürchtungen werden zusätzlich noch dadurch genährt, dass mir dein Vater unlängst von dem diesjährigen Treffen der Lukomonen im Heiligtum Velthunes berichtet hat. Dabei teilte er mir unter anderem mit, dass mittlerweile die meisten dieser feinen Herren, darunter auch mein lieber Vetter Arnth Tarchna, gegen mein Angebot, Rom dem Städtebund anzugliedern, eine ablehnende Haltung eingenommen haben, und du darfst raten, auf wessen rühriges Betreiben es dazu gekommen ist.«

Muruis große mandelförmige Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, und die zarten Flügel ihrer kleinen, fein modellierten Nase bebten vor zorniger Erregung.

»Avle Vipinas, dieses abgefeimte Aas!«, zischte sie zwischen ihren blutvollen Lippen hervor. »Wenn es so steht, wie sollten wir uns also nun der Gesandtschaft gegenüber verhalten? Sie haben freies Geleit, und wir können sie somit nicht daran hindern, Rom zu betreten.«

»Das habe ich auch nicht vor«, erklärte ihr Tarchunies ruhig. »Im Gegenteil werden wir die Männer mit allen ihnen gebührenden Ehren empfangen. Auch werden wir ihnen für die Dauer ihres Aufenthaltes gestatten, sich frei in der Stadt zu bewegen. Allerdings«, fügte er mit einem boshaften Lächeln hinzu, »werden wir sie dabei natürlich auf Schritt und Tritt beobachten lassen. Sollte auch nur einer von ihnen den Versuch wagen, sich Aufzeichnungen von den Wehranlagen der Stadt zu machen, oder sich gar in Verbindung mit den uns bekannten mutmaßlichen Verschwörern zu setzen, dann werde ich sie inhaftieren und ihnen den Prozess machen lassen.«

»Du würdest sie wirklich hinrichten lassen?«, vergewisserte sie sich, nachdem seine letzten Worte ihr doch einen leichten Schrecken eingejagt hatten. »Bist du noch bei Verstand? Nach allem, was du mir gerade gesagt hast, würden uns daraufhin fast alle Lukomonen den Krieg erklären, und das würde in jedem Fall das Ende Roms bedeuten!«

»Würde es!«, stimmte er ihr grinsend zu. »Aber ich habe gar nicht die Absicht, mir an ihrem Blut die Hände schmutzig zu machen, da sie mir in letzter Konsequenz lebend mehr nützen als tot!«

»Es ist wahrlich nicht ganz leicht, dir in deinen Überlegungen zu folgen«, verwunderte sie sich. »Ehrlich gesagt, erscheinen mir deine Andeutungen ziemlich rätselhaft.«

Tarchunies lachte laut auf.

»Du bist doch sonst nicht so schwer von Begriff«, kicherte er. »Sieh mal, wenn es zutrifft, was ich vermute, dann ist es sowieso nur eine Frage der Zeit, dass die mir feindselig gesinnten Lukomonen eine Allianz bilden und eine Streitmacht gegen mich aufstellen, die dann gegen Rom in Marsch gesetzt wird. Wie du richtig festgestellt hast, hätten wir auch nicht den Hauch einer Möglichkeit, uns allein mit unseren Waffen gegen solch eine Übermacht zur Wehr zu setzen. Wenn dieses Heer erst einmal vor den Toren Roms steht, dann müssen wir etwas in der Hand haben, was sie zwingt, mit uns in Verhandlungen zu treten. Und da kommen nun die gefangenen Gesandten ins Spiel. Sie sind das Faustpfand, dass ich benutzen werde, um mir zunächst, wenn auch keinen Frieden, so doch einen Waffenstillstand zu sichern.«

»Und wenn ihnen das Leben dieser Männer nichts bedeutet?«, wandte sie zweifelnd ein.

»Oh, es wird ihnen etwas bedeuten«, erwiderte er süffisant, »denn du lässt dabei außer Acht, dass Avles Bruder Caile höchstpersönlich diese Gesandtschaft führt. Ich glaube deshalb nicht, dass Avle so einfach den Tod seines Bruders in Kauf nehmen wird.«

»Aber nehmen wir einmal für den Moment an, sie würden sich wirklich auf einen Waffenstillstand einlassen, dann müsstest du doch im Gegenzug die Gefangenen gehen lassen. Fürchtest du nicht, dass sie dann den Vertrag brechen und dennoch angreifen werden?«

»Nein, die Herausgabe der Gefangenen wird keinesfalls Bestandteil dieses Abkommens sein«, entkräftete er kühl ihr Argument. »Ich gedenke diese Leute nämlich so lange als meine Geiseln festzuhalten, bis sie ihre Truppen vollständig abgezogen haben werden und mir des Weiteren unter dem Eid Velthunes zugesichert wird, mich in dessen Heiligtum zu meinen Absichten zu äußern und mit allen Beteiligten einen dauerhaften Frieden auszuhandeln.«

Murui musterte ihren Gemahl mit einem Blick, in dem sich sowohl eine gewisse Hochachtung als auch eine Spur Ungläubigkeit spiegelte.

»Das ist doch wohl nicht dein Ernst!«, meinte sie schließlich und verzog dabei ihre Mundwinkel, als ob sie in eine unreife Zitrone gebissen hätte. »Ich finde es zwar ausgesprochen mutig von dir, dich auf diese Weise deinen Gegnern zu stellen, aber könnte das bei ihnen nicht auch den Anschein erwecken, du würdest als reuiger Bittsteller zu ihnen kommen? Und wenn du ihnen dann auch noch deine wahren Pläne und Absichten offen legst – was du musst, da auch du dem im Namen Velthunes geleisteten heiligen Eid unterworfen bist –, begibst du dich dann nicht in Gefahr, dass alles, was du bisher dafür getan hast, zunichte gemacht wird und sie nun erst recht danach trachten, dir den Thron Roms zu nehmen?«

Tarchunies stand daraufhin wortlos auf und holte für sich und seine Frau zwei Becher Wein. Er reichte ihr einen Becher und hockte sich dann wieder vor sie hin.

Nachdem er an dem Wein genippt hatte, schloss er die Lider seiner bernsteinfarbenen Augen, und die harten Züge seines bartlosen Gesichtes, welches vor allem von einer geraden Nase mit dem über den Flügeln stark verbreiterten Sattel geprägt wurde, entspannten sich. Um seinen Mund, der ihm stets einen mürrischen Zug verlieh, da die untere Lippe sich weiter vorwölbte als die obere, erschien ein versonnenes Lächeln.

»Hast du wirklich angenommen, ich würde mich so leichtfertig in ihre Hände begeben und damit alles aufgeben, wofür ich so lange gearbeitet habe?«, fragte er sie kopfschüttelnd. »Natürlich werde ich, sollte es je dazu kommen, mein Wort halten und mich zu diesem Treffen einfinden, aber es wird mir überlassen sein, zu entscheiden, wann das sein wird. Ich werde jedenfalls nicht dorthin gehen, ohne mir zuvor eine Rückendeckung verschafft zu haben, die sowohl meine Unversehrtheit als auch die Sicherheit Roms in einem ausreichendem Maße gewährleistet.«

»Das ist aber auch das Mindeste, was ich von dir dabei erwartet hätte!«, bemerkte sie mit einem spöttelnden Unterton. »Wenn du mir jetzt nur noch verraten würdest, was du darunter verstehst, verspreche ich dir, geradezu in Verzückung zu geraten, wenn dieser Plan gelingt.«

»Das will ich gerne tun«, sagte er gelassen und wischte sich ein Rinnsal Wein aus dem Mundwinkel. »In diesem Augenblick ist dein Bruder auf dem Weg nach Karthago, um dort mit den Phoiniki über einen Beistandspakt mit uns zu verhandeln.«

»Was könnten wir den Phoiniki wohl für einen Grund bieten, sich ausgerechnet mit uns auf einen solchen Pakt einzulassen?«, unterbrach sie ihn erstaunt.

»Ostia!«, klärte er sie auf. »Schon einige Male sind sie mit der Bitte an mich herangetreten, ihnen in unserem Hafen Anlege- und Handelsrechte einzuräumen, was ich aber bislang immer abgelehnt habe, da ich es mit unseren lieben Vettern nicht verderben wollte. Nun aber, da die Dinge sich so gewandelt haben, besteht für mich kein Anlass mehr, meine Loyalität, die ich dem Städtebund gerade in dieser Beziehung die ganze Zeit über bewiesen habe, aufrechtzuerhalten.«

»Aber die Phoiniki werden doch durch ihre Spione gewiss längst in Erfahrung gebracht haben, dass die Lukomonen eine feindselige Haltung dir gegenüber eingenommen haben«, mahnte sie an. »Sie könnten also deine Notlage dazu ausnützen, an dieses Bündnis, sollte es je zustande kommen, Bedingungen zu knüpfen, die möglicherweise völlig überzogen sind und dich, so du darauf eingehst, in eine Abhängigkeit zu ihnen bringen, aus der du langfristig so ohne Weiteres nicht mehr wirst herauskommen können.«

»Möglich!«, entgegnete er lapidar. »Aber in diesem Falle höchst unwahrscheinlich! Die Phoiniki sind in erster Linie Kaufleute. Das heißt, dass ihr Denken und Handeln vor allem auf Profit ausgerichtet ist. In dem schon so lange währenden Konkurrenzkampf, den sie sich mit den Craeces liefern, ist es ihnen bis heute nicht gelungen, sich einen bedeutenden Handelsposten in diesem Land zu sichern. Wenn ich ihnen nunmehr anbiete, Ostia in diesem Sinne zu nutzen, hätten sie einen ersten, aber nicht zu unterschätzenden Erfolg gegenüber den Kolonien der Craeces wie Cyme oder Pithecoussai gewonnen. Der wichtigste Bestandteil dieses Paktes aber ist es, dass sich beide Seiten verpflichten, sich im Falle eines Angriffes gegenseitig Beistand zu leisten, was bedeutet, dass ich ihnen den Schutz ihrer Handelsniederlassung garantiere, während sie mir, so Rom von Feinden bedroht wird, im Gegenzug Truppen zur Verteidigung bereitstellen müssen. Du siehst also, dieser Vertrag bringt für alle Beteiligten nur Vorteile, ganz abgesehen davon, dass wir damit auch von ihrem Handel profitieren.«

»Sehr schlau!«, würdigte sie seinen Plan und trank ihm anerkennend zu. »Du setzt also auf Zeit – und auf die Hilfe der Phoiniki, um deine ehrgeizigen Träume zu guter Letzt doch noch zu verwirklichen. Das ist zugegebenermaßen zwar ein ungewöhnlicher Weg, aber in unserer Lage ganz offensichtlich der einzig gangbare. Wenn du mit dieser Rückversicherung zu den Lukomonen gehst, werden sie es sich gut überlegen, ob sie an ihrem Vorhaben festhalten, dich zu entmachten.«

»Mehr noch!«, lachte er hämisch. »Es wird aller Wahrscheinlichkeit auch dazu führen, dass ihre Allianz am Ende haltlos zerbrechen wird, denn wenn dieses Bündnis mit den Phoiniki tatsächlich zustande kommt, dann wird damit einer ihrer wichtigsten Lebensnerven auf das Empfindlichste getroffen.«

»Der Seehandel!«, entfuhr es ihr, und sie schlug sich mit der Faust an die Stirn. »Natürlich! Die meisten Städte des Bundes sind vom Seehandel abhängig, der mittlerweile durchweg von den Craeces und Phoiniki betrieben wird. Wenn die Phoiniki demnach zu unseren Bundesgenossen zählen, könnten sie im Ernstfalle mit ihrer mächtigen Flotte die Häfen blockieren …«

»Und jedes Schiff aufbringen, das Güter von dort oder dorthin transportiert«, führte Tarchunies ihren Gedankengang frohlockend zu Ende. »Somit wären die edlen Herren irgendwann durch den versiegenden Reichtum gezwungen, klein beizugeben und an den Verhandlungstisch zurückzukehren.«

»Und die Craeces?«, dämpfte sie seine Euphorie ein wenig. »Die Lukomonen könnten sich doch mit ihnen verbünden, wenn sie sich auf diese Weise bedroht fühlen würden?«

»Das wird nie geschehen!«, erwiderte er selbstsicher. »Phoiniki und Craeces mögen in ihrem Kolonialstreben untereinander zwar die erbittertsten Gegner sein, doch was ihr Verhältnis zu den Lukomonen der Rasna betrifft, stimmen ihre Interessen einhellig überein. In früheren Zeiten, ja noch in den Jugendjahren meines Vaters, hatten die Rasna das Meer, das dieses Land umgibt, beherrscht und waren mit ihren stolzen Flotten für diese beiden Völker sowohl als Händler als aber auch als Piraten ernst zu nehmende Rivalen. Unter diesen Voraussetzungen konnten die Rasna noch die Preise für ihre Rohstoffe, wie etwa für das begehrte Eisenerz, frei nach ihrem Gutdünken diktieren. Nachdem aber die Lukomonen damit begonnen hatten, sich in heillosen Bruderkämpfen um die Vormachtstellung im Städtebund zu streiten, kam der eigene Seehandel mit der Zeit fast gänzlich zum Erliegen, was zur Konsequenz hatte, dass die Fremden ihre Waren seither nahezu ungehindert und nach ihren Bedingungen bei uns umschlagen konnten.

Zu ihrem Vorteil gereichte es ihnen auch, dass die Lukomonen wie auch die übrigen Reichen der Rasna mittlerweile geradezu süchtig nach all den erlesenen Luxusgütern geworden waren, mit denen sie von den Fremden so freigebig beliefert wurden und mit denen sie sich in ihrer eitlen Prunksucht einander immer aufs Neue zu übertreffen suchten. Kurz, Craeces und Phoiniki hatten sehr schnell gelernt, dass sie nur dann ihre für sie durchaus profitablen Geschäfte mit den Lukomonen tätigen konnten, wenn diese weiterhin aufgrund ihrer inneren Zwistigkeiten geschwächt bleiben würden. Daher fürchten sie nun wegen der gegen mich neu geschlossenen Allianz der Lukomonen um ihre Pfründe, weil sie zu Recht annehmen, dass diese Allianz ihren Zusammenhalt auf Dauer wieder erstarken lassen könnte. Das ist der Grund, warum die Craeces sich nicht mit ihnen verbünden, sondern die Phoiniki bei einer etwaigen Blockade sogar eher noch unterstützen würden.«

»Das leuchtet mir ein«, entgegnete sie lächelnd. »Dann wollen wir zu den Göttern beten, dass Pesna mit seiner Mission erfolgreich ist – und hoffen, dass die Gesandten einen Fehler machen.«

»Ha!«, rief er, einer plötzlichen Eingebung folgend, aus. »Warum darauf hoffen und warten? Sie können von mir aus herumspionieren, so viel und wo auch immer sie wollen. Das Wichtigste ist, dass sie so lange unsere ›Gäste‹ bleiben, bis Pesna wieder in Rom ist. In dem Augenblick, wo er mir mitteilt, dass er die Karthager für uns gewonnen hat, lasse ich sie ergreifen und einkerkern. Dann kann das Spiel beginnen.«

»Ach, wie wunderbar!«, schnurrte sie, schmiegte sich lasziv an ihn und begann fordernd sein Glied zu massieren. »Jetzt, wo du alles zu deiner Zufriedenheit geregelt hast, kannst du dich entspannen und mir endlich deine ungeteilte Aufmerksamkeit schenken. Die Nacht ist nämlich noch lange nicht zu Ende!«

Gegen Mittag des nächsten Tages waren Caile Vipinas und seine Männer wie erwartet in Rom eingetroffen. Eine Abordnung des Senats hatte sie schon vor den Toren in Empfang genommen und zum Palast geleitet.

Die Nachricht, dass eine Gesandtschaft aus Velcal nach Rom gekommen war, hatte sich wie ein Lauffeuer unter der Bevölkerung verbreitet, und so säumte jetzt eine dicht gedrängte Menschenmenge ihren Weg hinauf zum Palatin, aus der ihnen unausgesetzt ein jubelnder Sturm der Begeisterung entgegenschlug. Das frenetisch tosende Geschrei der Massen war so gewaltig, dass es selbst in dem festlich hergerichteten Thronsaal des Palastes deutlich zu vernehmen war.

»Es kommt meinem Plan zwar sehr entgegen, dass die Leute ihnen so zujubeln«, wandte sich Tarchunies mürrisch an Laris Papathnas, der mit grimmiger Miene neben ihm stand, »Aber da ich nicht davon ausgehe, dass du sie dafür bezahlt hast, drängt sich mir natürlich die Frage auf, welchen Rückhalt wir überhaupt noch von diesen Menschen zu erwarten haben.«

»So, wie es aussieht, scheint das zersetzende Gift, was Cassius und seine Spießgesellen ständig unter das Volk spritzen, seine Wirkung zu zeigen!«, knirschte Laris, der seine Wut nur sehr mühsam bezähmen konnte. »Warum lässt du mich diese grauhaarige Ratte nicht einfach totschlagen?«

»Dem kann ich mich nur anschließen!«, trat Murui ihm beipflichtend zur Seite. »Ich kann und will deinen zögerlichen Langmut, den du ihm gegenüber zeigst, nicht länger hinnehmen. Es ist doch wohl ganz offenkundig, dass Cassius gemeinsame Sache mit den Verschwörern macht.«

Tarchunies bedachte daraufhin erst sie, dann Laris mit einem zornigen Blick.

»Wagt es nicht noch einmal, mich vor dem ganzen Hof zu kritisieren und euch in Dinge einzumischen, die euch nichts angehen!«, zischte er sie an. »Über Cassius zu richten ist allein meine Angelegenheit! Im Übrigen«, fügte er dann noch süffisant hinzu, »bist sowohl du, meine Liebste, als auch du, mein getreuer Feldherr, mir trotz eurer umtriebigen Bemühungen bis heute den Beweis schuldig geblieben, dass Cassius wirklich Verbindungen zu den Verschwörern pflegt.«

Murui hatte gerade den Mund zu einer Widerrede geöffnet, als der Hauptmann der Wache eintrat und meldete, dass die Gesandtschaft sich schon im Palast eingefunden hätte und vor der Tür wartete.

»Dann führt sie herein!«, befahl Tarchunies, nachdem er und Murui sich in würdevoller Haltung auf ihren Thronsesseln, die etwas erhöht unter einem purpurnen, golddurchwirkten Baldachin vor der der Tür gegenüberliegenden Wand aufgestellt waren, niedergelassen hatten.

Darauf schwangen die beiden Flügel des Portals auf, und zu dem dumpf schmetternden Klang der sechs Lituus kamen Caile und seine vier Begleiter, alle in voller Rüstung und den mit dem bürstenartig aufragenden Rosshaar geschmückten Helm unter der linken Achsel tragend, mit wehenden Mänteln hereingeschritten, wobei der harte Tritt der genagelten Sohlen ihrer Stiefel auf den Marmorfliesen widerhallte. In gebührendem Abstand vor dem Königspaar blieben sie stehen und erhoben den rechten Arm zum Gruß.

»Heil und Segen der Götter, König Tarchunies und Königin Murui!«, sprach Caile und verbeugte sich knapp. »Mein Herr und Bruder, Avle Vipinas, Lukomone von Velcal, lässt euch durch mich seine Ehrerbietung erweisen. Er hat uns zu euch gesandt, damit wir in seinem Namen mit euch darüber beraten, wie das in der Vergangenheit von Missverständnissen getrübte Verhältnis zwischen Rom und Velcal verbessert werden kann. Meine Begleiter sind die Edlen Acle Paca, Rasce Marcna, Laucie Anina und Ranaza Svrlna. Ich selbst bin Caile Vipinas, oberster Feldherr von Velcal.«

»Wie sollte ich deinen Namen nicht kennen, Caile Vipinas, wo dir dein Ruhm, den du dir in so vielen Schlachten erworben hast, vorausgeeilt ist«, erwiderte Tarchunies salbungsvoll die Worte Cailes. »Ich weiß das Anerbieten deines Bruders wohl zu schätzen und zolle ihm dafür meine dankbare Hochachtung. Seid also in Rom willkommen und genießt in aller Freizügigkeit unsere Gastfreundschaft.«

Damit erhoben er und Murui sich von ihren Sesseln und begaben sich, gefolgt von den Gesandten und den übrigen Würdenträgern, die sich anlässlich dieses Empfanges im Palast eingefunden hatten, in den Speisesaal, in dem ein üppig angerichtetes Festmahl auf sie wartete.

In den folgenden Tagen bekamen die Gesandten ausreichend Gelegenheit, sich uneingeschränkt in der Stadt umzusehen und natürlich auch ihre Verhandlungsgespräche mit Tarchunies zu führen. Der König hatte dafür gesorgt, dass bei seinen Gästen keine Wünsche offen blieben, und behandelte sie mit einer solch ausgesuchten Zuvorkommenheit, dass selbst seine engsten Vertrauten ins Staunen gerieten. So wurden sie allabendlich im Palast mit den erlesensten Speisen und Getränken bewirtet, wozu sie von Musikanten, Tänzerinnen und Rhapsoden unterhalten wurden. Tarchunies ließ es sich auch nicht nehmen, sie zu diesen Anlässen jedes Mal mit kleinen, aber kostbaren Geschenken zu verwöhnen.

Caile und seine Begleiter zeigten sich von all den Ehrungen, mit denen der König sie fortwährend geradezu überhäufte, derart beeindruckt, dass in ihnen zu keiner Zeit der Verdacht aufkeimte, Tarchunies könnte etwas anderes damit bezwecken, als sie von seinem guten Willen und seinen lauteren Absichten zu überzeugen, zumal er während der Verhandlungen ständig beteuerte, wie sehr ihm der Frieden mit Velcal und den anderen Rasnastädten am Herzen lag. Davon eingelullt, bemerkten sie auch nicht, dass es Tarchunies immer wieder geschickt verstand, mit solchen angenehmen Unterbrechungen den Verlauf der Verhandlungen in die Länge zu ziehen und somit den Abschluss des Vertrages hinauszuzögern.

Dann aber, am Abend des vierzehnten Tages ihres Aufenthaltes in Rom, ließ Tarchunies schließlich die Maske fallen und zeigte den Gesandten sein wahres Gesicht.

Wie üblich verbrachten sie den Abend in der gewohnten festlichen Runde, als plötzlich ein elegant gekleideter Mann im Saal erschien und sich grußlos und mit einem arroganten Lächeln auf seinen sinnlichen Lippen direkt zu Tarchunies begab, welcher ihn mit hochgezogenen Brauen erwartungsvoll ansah.

Der Fremde beugte sich zu Tarchunies hinab und flüsterte ihm etwas ins Ohr, was ihn offensichtlich mit freudiger Erleichterung erfüllte, denn während er noch der Botschaft lauschte, verzogen sich auch seine Lippen zu einem befriedigten Grinsen, und in seinen Augen glomm unmerklich ein bösartiges Funkeln auf.

Als der Mann seinen Bericht beendet und sich wieder aufgerichtet hatte, um sich mit verschränkten Armen neben seinen Herrn zu stellen, klatschte Tarchunies in die Hände.

Caile entgingen dabei nicht die liebevollen Blicke, die sich Murui und der Fremde einander zuwarfen, wobei ihm auch sogleich die frappierende Ähnlichkeit der beiden auffiel. Sie glichen sich in ihren Gesichtszügen, aber auch in ihren Haaren wie ein Ei dem anderen. Das muss Pesna Arcmsnas sein, dachte er und fragte sich erneut, warum ausgerechnet dieser nach dem König zweitmächtigste Mann in Rom bisher den Verhandlungen ferngeblieben war.

»Meine geehrten Gäste aus Velcal! Ich möchte euch zu meiner großen Freude meinen Schwager Pesna Arcmsnai vorstellen!«, begann jetzt Tarchunies seine Rede und bestätigte damit die Vermutung Cailes. »Eine wichtige Mission hat ihn zu meinem und zu seinem Bedauern für längere Zeit außer Landes geführt, sodass er an unseren Verhandlungen leider nicht teilnehmen konnte. Nun aber ist er erfolgreich zurückgekehrt und hat mir eine überaus frohe Botschaft mitgebracht, die es mir erlaubt, diese Verhandlungen …« – er unterbrach sich kurz, und seine Züge nahmen einen hasserfüllten Ausdruck an – »… sofort abzubrechen!«, fuhr er dann eiskalt und mit schneidender Stimme fort. »Von diesem Moment an betrachtet euch als meine Gefangene, denn ich bezichtige euch der Spionage und der Unterstützung regierungsfeindlicher Elemente in dieser Stadt! Wachen, führt sie ab!«

Nachdem man die Gesandten, die überhaupt nicht begriffen, wie ihnen geschah, fortgeführt hatte, brach bei allen Anwesenden ein wahrer Freudentaumel aus.

Tarchunies küsste Murui und umarmte danach überschwänglich seinen Schwager.

»Morgen wirst du mir die genauen Details des Vertrages mit den Phoiniki erläutern«, sagte er dann und reichte ihm zum Dank spontan seinen goldenen Becher. »Nun aber lasst uns unsere neuen Verbündeten hereinbitten, um mit ihnen gebührend zu feiern!«

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