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Sicherheit:

Mit der Unvollkommenheit Freundschaft schließen

Das kleine Mädchen ist erst sechs Wochen alt. Es ist zwei Uhr früh und sie schreit. Mal wieder. In den letzten sechs Wochen hat Ihre Mutter pro Nacht nicht mehr als zwei Stunden Schlaf bekommen. Als sie am Nachmittag zur Drogerie um die Ecke ging, um noch ein Paket Windeln zu kaufen, hatte sie das Gefühl, dass sie gleich auf dem Bürgersteig zusammenklappen würde und alle anderen dort draußen einfach über sie hinwegsteigen und weitergehen würden. Das wäre in Ordnung gewesen, vielleicht hätte sie dann wenigstens ein bisschen schlafen können. Jetzt versucht ihre Familie zu helfen. Ihr Mann und ihre Schwiegermutter wechseln sich im Wohnzimmer bei dem Versuch ab, Sophie zu beruhigen. Sophies Schreien hört in Anwesenheit anderer tatsächlich auf, allerdings immer nur für kurze Zeit. Hannah wirft sich hin und her und starrt an die Decke. Es nutzt nichts. Sie kann einfach nicht schlafen, wenn ihre Tochter in Not ist.

Sie wirft sich einen Bademantel über, geht in das abgedunkelte Wohnzimmer und signalisiert ihrer Schwiegermutter, ihr das Baby zu geben. Sobald Sophie die Arme ihrer Mutter um sich spürt, beruhigt sie sich. Hannah beginnt, auf einem ausgetretenen Pfad im Raum langsam Kreise zu drehen.

Die Tatsache, dass die Berührung ihrer Mutter die neugeborene Sophie sofort beruhigte, war überraschend für ihren Vater, ihre Großmutter (die ganz allein fünf Kinder großgezogen hat) und am allermeisten für Sophies Mutter Hannah. „Davon hatte mir niemand etwas gesagt!“, rief sie Jahre später aus. In dieser Nacht jedoch folgte ihrer Erleichterung darüber, dass sie das Unbehagen ihres Babys durch ihre bloße Anwesenheit lindern konnte, schon bald ein Anflug von Angst und nicht gerade wenig Unmut.

Diese Art von Macht über das Wohl ihres Kindes zu haben erlegte ihr eine schreckliche Verantwortung auf, oder? Wenn sie Sophies Not lindern konnte, während andere dazu nicht in der Lage waren, was, wenn sie dann nicht jede Minute da wäre? Was, wenn sie einen Fehler machte?

Hannah bekam einen Geschmack von der Unvollkommenheit des Elternseins. Wenn Sie bereits Mutter oder Vater sind, haben Sie vermutlich schon einmal die gleichen widersprüchlichen Reaktionen erlebt: Erleichterung und sogar eine wenig Ehrfurcht davor, dass Ihre bloße Anwesenheit Ihr Kind beruhigen kann (wo haben Sie denn diese Superkraft her?), kombiniert mit einem leichten Widerstand und vor allem mit Angst. Wie sollen Sie dieser wichtigen Aufgabe gerecht werden? Wie um alles in der Welt können Sie gut genug, weise genug, geduldig genug und energiegeladen genug sein, um die Mutter oder der Vater zu sein, die beziehungsweise den dieses wunderbare Kind verdient? Und falls Sie gerade Ihr erstes Kind erwarten, haben Sie sicherlich die gleichen Ängste in Bezug auf Ihre Fähigkeit, die bestmöglichen Eltern zu sein.

Aufgrund dieser nur allzu häufigen Zweifel, Sorgen und Vorurteile darüber, was man zum Elternsein braucht, müssen wir über Bindung und Bedeutung von Sicherheit sprechen. Der Druck auf Eltern – sowohl der äußere als auch der innere –, in der Elternschaft Vollkommenheit zu erreichen (oder zumindest eindeutige Fehler zu vermeiden), sitzt in unseren Herzen und unseren Gedanken wie ein wohlmeinender, aber erdrückender Elefant im Raum. Wir wissen (und uns wird gesagt), dass Elternsein die natürlichste Sache der Welt ist. Darum sollte es auch ganz einfach sein, nicht wahr? Genau zu wissen, was für unsere Kinder am besten ist, sollte Teil unserer genetischen Programmierung sein, stimmt’s? Wir sollten jeden Augenblick genießen, oder etwa nicht? Natürlich wissen wir, dass es nicht ganz so einfach oder unabdingbar ist; und mit anderen frischgebackenen Eltern, erfahreneren Müttern und Vätern und unseren eigenen Eltern oder Großeltern können wir darüber Scherze machen. Doch tief in unserem Inneren erwarten wir von uns selbst als Mutter oder Vater das Allerbeste – weil die in uns angelegten positiven Absichten für unsere Kinder uns sagen, dass diese Rolle einfach so wichtig ist.

Das Herz dieses Buches macht eine einfache Beobachtung aus, die wir in den Jahrzehnten unserer Arbeit mit Eltern immer wieder machen konnten: Alle Eltern wünschen sich das Beste für ihr Kind, und das hat uns zu der Überzeugung geführt, dass es in allen Eltern angelegt ist, ihren Kindern Liebe und Sicherheit zu geben. Selbst wenn dies nicht immer der Fall zu sein scheint – zum Beispiel bei Eltern, die ihre Kinder auf äußerst problematische Arten und Weisen behandeln –, haben wir noch nie eine Mutter oder einen Vater getroffen, der oder die morgens beim Aufwachen darüber grübelt, wie man die Kinder möglichst schlecht erziehen kann.

Und doch machen sich viele von uns Sorgen, dass wir uns als nicht besonders gute (oder sogar schlechte) Eltern herausstellen. Warum?

Wir wissen, dass auch wir nur Menschen sind und in einer unvollkommenen Welt leben. Dennoch fordert uns unser Instinkt, gute Eltern zu sein, dazu auf, beim Aufziehen ihrer Kinder alles zu geben. Zudem stellt die Gesellschaft sehr hohe Ansprüche an uns. Diese zwei Kräfte spielen zusammen und drängen uns dazu, nach Perfektion zu streben. Wir fühlen uns schlecht, wenn wir nicht alles in unserer Macht Stehende tun, um großartige Eltern zu sein, und so geben wir dem Drang nach und messen uns daran, wie genau wir uns an die Erziehungsphilosophie A oder den Elternratgeber B halten. Wir fangen an, gutes Aufwachsen als ein Ziel zu betrachten, als eine Leistung oder ein Produkt (Das perfekte Kind? Das niemals einsame Kind? Das immer glückliche Kind? Das nie wirklich traurige Kind?), anstatt als einen Prozess, der sich von selbst entfaltet (wenn wir ihn nur lassen würden). Wir interpretieren „Fehler“ als Rückschläge anstatt als Lernchancen für unsere Kinder und uns selbst, die die Bindungssicherheit stärken und gute Beziehungen ermöglichen.

Man kann es gar nicht oft genug sagen: Perfektion vorzuleben und anzustreben ist einer gesunden Entwicklung nicht zuträglich. Wenn wir uns selbst unter Druck setzen, immer alles richtig zu machen oder dafür zur sorgen, dass unsere Kinder nie den gleichen Schmerz erleben werden, den wir selbst in unserer Kindheit oder Jugend erlebt haben, erzeugt das in uns eine Angst, die unsere Kinder zwangsläufig spüren. Wenn wir uns zu viel Mühe geben, steht das dem Bedürfnis unsere Kinder entgegen, dass wir Vertrauen in unsere Beziehungen haben, was eine essenzielle Grundlage für Sicherheit im gesamten weiteren Leben ist. Lassen Sie uns also den Elefanten aus dem Raum ins Freie führen. In diesem Kapitel wollen wir Licht auf die verschiedenen heimtückischen Arten und Weisen werfen, wie der Druck, stets „perfekt“, „unfehlbar“ oder „immer ansprechbar“ zu sein, eine sichere Bindung gefährden kann. In unserer Arbeit mit Eltern aus verschiedensten Kulturen, jeden Alters und aus allen möglichen Bevölkerungsgruppen haben wir immer wieder festgestellt, dass das Freilegen dieser falschen Erwartungen und des Umgangs mit Kindern, zu denen sie uns verleiten, vielen Menschen hilft, sich in der Begleitung ihrer Kinder zu entspannen.

Wenn Sie sich im Kontakt mit Ihrem Kind entspannen können, strahlen Sie ein ruhiges, feinfühliges Vertrauen in sich als Eltern aus, das wiederum in Ihrem Kindes das Vertrauen entstehen lässt, dass Sie für es da sind und dass es auf seinem Lebensweg weiteren Menschen begegnen wird, denen es ebenso vertrauen kann. Genau das ist es, worum es beim Kreis der Sicherheit geht. Wir haben ihn entworfen, um den Glauben der Eltern an sich selbst und in ihre Beziehung zu ihrem Kind zu stärken. Auf den nächsten Seiten zeigen wir Ihnen, auf welche Art und Weise der Kreis Ihnen eine solche Unterstützung bietet und was Sie sonst noch im Folgenden erwarten können.

Leben in einer unvollkommenen Welt

Lassen Sie uns zunächst einmal etwas klarstellen. Elternsein ist nicht immer schön. Es ist ein Privileg und eine Freude, aber es ist auch mühevoll, und zuweilen ist es ein verdammt undankbarer Job. Manchmal ist Ihr Kind einfach unglücklich, krank oder plötzlich wahnsinnig schwierig, und ganz gleich, was Sie auch tun, es scheint geradezu darauf zu bestehen, der Fluch Ihrer Existenz zu sein. Heute jedenfalls. Das ist einer der Gründe, aus denen Hannah einen Anflug von Ärger verspürte, als ihr klar wurde, dass ihre Tochter sich von ihrer ersten Minute an bei ihrer Mutter wohler fühlte als bei irgendjemandem sonst.

Diese Reaktion ist völlig normal. Aber wenn Sie denken, alles genau richtig machen zu müssen, bereitet Ihnen das vielleicht ein solches Unbehagen, dass Sie sich einfach nur noch wünschen, dieses Gefühl möge aufhören. Vielleicht gibt es Situationen, in denen Sie Ihr Baby insgeheim beschuldigen, so lästig zu sein. Ein Baby, das die Bindung zu seinen Eltern sucht, tut das in der positivsten Absicht und findet Ihr Gesicht unwiderstehlich, genau wie auch Sie positive Absichten für Ihr Kind haben. Es versucht nicht, Aufmerksamkeit nur um der Aufmerksamkeit willen zu bekommen oder sich und Ihnen das Leben schwer zu machen. Es weiß einfach nicht, was es tun soll, außer nach Hilfe zu schreien und die Verbindung zu suchen, von der in emotionaler Hinsicht sein Leben abhängt. Normalerweise sagt einem das der gesunde Menschenverstand. Aber wenn es einem nicht gelingt, die Unvollkommenheiten und das Chaos des Elternseins zu akzeptieren (einschließlich der unvermeidlichen Momente des Ärgers, der Überforderung und des Wunsches, einfach wegzulaufen), kann einem dieser gesunde Menschenverstand abhandenkommen.

Die andere Möglichkeit, die wir manchmal wählen, besteht darin, uns zu beschuldigen und entweder zu leugnen, dass wir überhaupt Ärger fühlen, oder uns dafür innerlich zurechtzuweisen.

Der Elefant im Raum in Bezug auf Elternschaft ist unsere Ambivalenz: Kinder ins Leben zu führen ist schwierig, und wir erleben dabei mitunter viele unangenehme Gefühle, und doch glauben viele Menschen, das nicht zugeben zu dürfen. Das wurde selten so deutlich wie bei einer Studie aus dem Jahr 2015 und der darin verwendeten Forschungsmethodik, die aufzeigt, dass Erwachsene in Deutschland die ersten zwei Jahre der Elternschaft als stressiger erlebten als eine Scheidung, den Verlust des Partners oder Arbeitslosigkeit. Den Forschern war klar, dass die Eltern fürchteten, man könne schlecht über sie denken, wenn sie sich über die körperliche Erschöpfung, den emotionalen Tumult, die Unterbrechung ihrer intimen Beziehungen und andere Nebenerscheinungen der Elternschaft beschweren. Das Bild der perfekten Mutter oder des perfekten Vaters beinhaltet schließlich keine Unzufriedenheiten mit dem Elternsein. Anstatt also die Eltern direkt zu fragen, wie sich die Elternschaft ihrer Einschätzung nach auf ihr Wohlergehen auswirkte, baten sie sie einfach, ihre Zufriedenheit einzuschätzen, bevor sie ein Kind bekamen, und dann ein weiteres Mal, als das Kind etwa zwei Jahre alt war. Manchmal muss man ein wenig tricksen, um einen solch riesigen Dickhäuter aufzudecken.

Wir brauchen mehr Hilfe…

Es ist also nicht zu leugnen, dass Elternsein Anstrengungen und Ressourcen erfordert und nicht immer nur Spaß macht. Aber welche Botschaft erhalten wir von einer Gesellschaft, die sie so tut, als ob wir in der Lage sein sollten, es ohne Hilfe zu schaffen? In den Vereinigten Staaten wird von Eltern nach der Geburt eines Kindes zu früh erwartet, dass sie an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Eine enorme Zahl von Frauen lebt an der Armutsgrenze. Und wir werden mit der Botschaft bombardiert, dass wir unseren Kindern einen Wettbewerbsvorteil verschaffen müssen, andernfalls würden sie hinter den anderen zurückbleiben und ihres Potenzials für eine glänzende Zukunft beraubt. Ob nun Sie selbst unter diesem Druck stehen oder nicht, Elternsein im einundzwanzigsten Jahrhundert ist eine herausfordernde Angelegenheit. Die implizite Botschaft lautet: Wenn Sie Unterstützung brauchen – und sei es nur etwas Raum zum Durchatmen –, um Ihrem Kind eine sichere Bindung zu ermöglichen, dann muss mit Ihnen etwas nicht stimmen.

Im August 2015 berichtete die Redakteurin der Huffington Post, Emily Peck, über eine Umfrage des US-Arbeitsministeriums aus dem Jahr 2012, nach der fast ein Viertel der Mütter innerhalb von zwei Wochen an ihre Arbeitsstelle zurückkehrten, und zwar hauptsächlich deswegen, weil sie es sich nicht leisten konnten, zu Hause zu bleiben. Je höher der Bildungsgrad der Mutter (und vermutlich je besser der Job infolgedessen) war, desto länger war der bezahlte Mutterschaftsurlaub, was natürlich wenig überraschend ist. Nichts verdeutlicht die Folgen für die Bindung, die diese Trennung von Mutter und neugeborenem Kind hat, besser als die Kellnerin, die sechzig Stunden in der Woche arbeitet und erzählt, wie sie in einen erschöpften Schlaf fiel, während sie ihre Hand auf ihr einen Monat altes Baby gelegt hatte, weil das die einzige Art von Kontakt war, zu der sie noch in der Lage war.

Öffentlicher Protest sowie ein hoffentlich steigendes Verantwortungsgefühl in der Wirtschaft haben in jüngster Zeit dazu geführt, dass einige große Unternehmen ihre Elternzeiten verlängert haben, aber es ist doch bemerkenswert, dass dies vor allem für die Welt der höheren Angestellten gilt, in der Menschen mit Universitätsabschluss beschäftigt und höhere Gehälter gezahlt werden. Was aber ist mit den 42 Millionen amerikanischen Frauen, die der Shriver Report an der Armutsgrenze verortet, den alleinerziehenden Müttern, die unter den kinderkriegenden Frauen unter dreißig über 50 % ausmachen, und der Tatsache, dass praktisch alle befragten alleinerziehenden Mütter sagten, womit ihnen am meisten geholfen wäre, wäre ein gesetzlich vorgeschriebener, bezahlter Mutterschaftsurlaub?

Ob die Mütter mit ihren Kindern zu Hause bleiben möchten oder nicht – sie haben nicht immer die Wahl. Ebenso wenig wie die Väter. Unserer Erfahrung nach spielt es keine Rolle, ob die primäre Bezugsperson die Mutter oder der Vater, ein Mann oder eine Frau, die Großmutter oder der Onkel ist. Das Kind wird zu demjenigen Erwachsenen eine Bindung aufbauen, der zuverlässig für es da ist, und diese – oft sehr sichere – Bindung entwickeln sie auch dann, wenn die Eltern nicht mit ihnen zu Hause bleiben können, bis sie in die Schule kommen. Es ist also nicht so, dass keine Bindung stattfindet, sondern vielmehr einfach so, dass Eltern sich innerlich zerrissen fühlen, weil die Gesellschaft uns zwar vermittelt, dass dies eine äußerst wichtige Aufgabe ist, aber nicht viel tut, um uns darin zu unterstützen.

Anne-Marie Slaughter6 bezeichnete es 2015 als „eine toxische Arbeitswelt“ in einem Land, in dem 57 % der Frauen arbeiten und viele von ihnen Arbeitstage von zwölf bis sechzehn Stunden haben, dafür aber für jeden von einem Mann verdienten Dollar nur 77 Cents bekommen, schließlich ausbrennen und krank werden. Häufige Angstattacken und eine Stressepidemie sind nicht nur Produkt des Elternseins unter all dem Konkurrenzdruck. Viele Frauen und Männer müssen sich zu alledem auch noch um ältere Angehörige, hilfsbedürftige erwachsene Geschwister und andere Familienmitglieder kümmern.

Slaughter ruft uns alle dazu auf, „für eine bessere Versorgung einzutreten“. Wenn die Gesellschaft uns nicht darin unterstützt, für andere zu sorgen und unseren Job zu behalten, so warnt sie, werden unsere Familien und Gemeinden verkümmern und wir werden in der Welt nicht länger konkurrenzfähig sein. Dem möchten wir hinzufügen: Wenn Eltern es sich nicht leisten können, so für ihre Kinder zu sorgen, wie sie es gerne tun würden, dann leidet die Bindung darunter.

…und weniger Ratschläge

Es ist nicht verwunderlich Wunde, dass wir glauben, wir müssten perfekte Eltern sein. Nur allzu oft fühlen wir uns allein auf weiter Flur. Darum sind wir natürlich versucht, nach Anleitungen, Regeln und Garantien zu suchen. Es gibt so vieles, was wir erledigen und erreichen müssen, dass wir manchmal versuchen, zeitraubende Problemlösungsprozesse zu überspringen und schnelle Antworten bei außenstehenden Experten zu suchen. Im November 2015 veröffentlichte die Washington Post einen Beitrag über die steigende Popularität von Psychotherapien mittels Apps und Webseiten, bei denen der Fokus darauf liegt, kurzfristige Lösungen für persönliche Probleme zu finden. Da die Millennials und die Generation X häufiger unter Ängsten und Depressionen leiden als die Generationen vor ihnen, ist es nicht überraschend, dass sie versuchen, eine Lösung zu finden, die weder langwieriger Reflexionen noch andauernden Kontakts bedarf. Aber unserer Erfahrung nach ist Psychotherapie genau wie Elternsein etwas, das auf dem Erleben von Verbundenheit beruht. Der Kurs Kreis des Sicherheit ist so entworfen worden, dass er Eltern das gibt, was Donald Winnicott eine „haltende Umgebung“ nannte – einen sicheren Raum, in dem sie sich verstanden und angenommen fühlen und sich der manchmal schwierigen Aufgabe widmen können, ihren Erziehungsstil eingehender zu erkunden, um herauszufinden, ob sie sich an der einen oder anderen Stelle anders entscheiden wollen.

Amerikaner erleben in den Jahren der Elternschaft großen Stress

Im Jahr 2013 berichtete die American Psychological Association, dass die sogenannten Millennials (heute im Alter zwischen 18 und 33 Jahren) und die Generation X (im Alter zwischen 34 und 47) ihr Stressempfinden auf einer Skala von 1–10 mit dem Wert 5,4 einstufte (wobei 1 für kein Stress und 10 für sehr viel Stress steht) – als ein gesundes Stressniveau allerdings gilt 3,8. Die Erwachsenen in diesen Altersgruppen bekundeten zwar die Absicht, ihren Stress zu verringern, berichteten aber auch, Probleme im Umgang mit Stress zu haben, oft wach zu liegen und sich Sorgen zu machen und regelmäßig gereizt und ärgerlich zu sein. Stress hat einen großen Einfluss auf die Stimmung, die sich natürlich auch auf die Pädagogik auswirkt.

Es gibt Tausende hilfreicher Erziehungsbücher sowie zahlreiche Kurse, in denen man sich über verschiedene Aspekte der Kindeserziehung informieren kann, und die nützliche Prinzipien und Philosophien als unterstützende Grundlage zur Verfügung stellen. Wenn Sie als Eltern Vertrauen in Ihre eigene Fähigkeit haben, so für Ihr heranwachsendes Kind zu sorgen, wie es für Sie und Ihre Familie stimmt, werden Sie von diesen Ressourcen sicherlich guten Gebrauch machen. Es geht uns nicht darum, Sie vor den Ratschlägen anderer zu warnen. Um davon profitieren zu können, brauchen Sie jedoch das Vertrauen, selbst zu entscheiden, welchem Rat Sie folgen und wie Sie ihn umsetzen. Falls Sie versuchen, eine perfekte Mutter oder ein perfekter Vater zu sein, klammern Sie sich vielleicht an den neuesten Erziehungstrend und befolgen dessen Grundsätze, als ob es ein lebensrettendes Rezept wäre. Aber was, wenn Sie „scheitern“? Oder wenn die Tipps und Techniken nicht halten, was sie versprechen? Oder jemand mit einem angeblich noch „besseren“ Konzept daherkommt? Wieder einmal werden Sie als ungenügend verurteilt – von sich selbst oder von jenem unsichtbaren Aufseher, der stets über Ihren Bemühungen schwebt. Möglicherweise ziehen Sie zum nächsten großen Erziehungstrend weiter und drehen eine weitere Runde. Die Überfülle an guten Ratschlägen bietet Ihnen unzählige Wege, die sie ausprobieren können – und allein ihre Anzahl vermittelt die implizite Botschaft, dass Sie perfekte Eltern sein könnten, wenn Sie sich nur besser informieren würden. Es ist nichts falsch daran, über viel Wissen und Können zu verfügen. Aber warum nicht damit anfangen, was Sie bereits wissen? Der Kreis der Sicherheit soll Sie darin unterstützen, mit der Ihnen innewohnenden Fähigkeit zu Weisheit und Liebe in Kontakt zu bleiben.

Übereltern. Überwachung. Überengagement.

Diese Dinge gibt es tatsächlich. Sie sind, zumindest teilweise, das Ergebnis von „Expertenratschlägen“, die die lange Liste dessen, was man tun und lassen soll, noch länger machen (und die unterschwellige Botschaft in sich tragen: „Mach es richtig, ansonsten…“).

Stress. Stress. Stress.

Vielleicht kennen Sie die Geschichte von dem Tausendfüßler, der nicht mehr laufen konnte, weil jemand ihm gesagt hatte, es sei ganz wichtig, dass er einen jeden seiner Schritte zählte. Ganz ähnlich verhält es sich mit vielen Dingen in der Erziehungskultur, einer Kultur, die für Eltern inzwischen fast erdrückend ist, weil die potenziellen Auswirkungen des „nächsten Schritts“ (der ja falsch oder gar verhängnisvoll für das Kind sein könnte) uns an Ort und Stelle erstarren lassen. „Wenn ich X tue, wird es ihm so und so ergehen, und wenn ich Y nicht tue, wird er so und so enden.“ Und so fühlen wir uns zwischen Überwältigung und Ratlosigkeit gefangen, ohne jeglichen Referenzpunkt, auf den wir vertrauen können.

Ein halbes Jahrhundert Entwicklungsforschung hat jedoch zum Glück eine Klarheit gebracht, die mit der Zeit zu immer mehr Eltern durchdringt. Sie sagt sehr wenig darüber, was man tun und lassen sollte; viel mehr bietet sie die Möglichkeit, verschiedene Empfehlungen zu verstehen und dann eigene Entscheidungen zu treffen. Die Bindungstheorie und ihre praktische Anwendung im Kreis der Sicherheit ermöglicht uns, diese Entscheidungen zu treffen, ohne dass wir dazu ein „Zehn-Schritte-Programm zur erfolgreichen Erziehung“ befolgen müssen.

Es mag nicht leicht sein, das zu hören, aber wenn wir unsere Kinder zu emotionaler Gesundheit anleiten wollen, dann erfordert das, dass wir gesunde Entscheidungen treffen. Wichtiger als eine bestimmte Entscheidung ist jedoch, wer wir sind und wie wir uns fühlen, wenn wir diese Entscheidung treffen. Wenn man einfach einer Formel oder einer Anleitung folgt, wie man zu einem zufriedenen Baby kommt, wird das Kind sich dressiert oder manipuliert vorkommen, selbst wenn die besten Absichten dahinterstehen.

Das Problem ist folgendes: Wie kann man wichtige Dinge über Kinderbetreuung lernen, die sich für das Kind tatsächlich positiv auswirken, ohne dabei den Ängsten zu erliegen, die durch einen pädagogischen Ansatz nach dem Motto „richtig versus falsch“ ausgelöst werden? Wenn Sie beim Lesen dieser Seiten nervös werden – oder noch nervöser, als Sie es bereits sind –, haben wir Ihnen keinen Dienst erwiesen. Doch wenn Sie die Bedeutung dessen erkennen, was Sie tun, und es Ihnen außerdem in zunehmendem Maße leichtfällt, Ihrem Kind das zu geben, was es braucht, dann haben wir genau das erreicht, was wir uns erhoffen.

Der Irrweg des Verhaltensmanagements

In Kapitel 1 haben wir erwähnt, dass im zwanzigsten Jahrhundert die Bedeutung von Bindung zugunsten des Behaviorismus heruntergespielt wurde. Das bedeutet nicht, dass Verhalten nicht wichtig ist. Es bedeutet, dass das Verhalten nicht das Problem ist – auch wenn es einem natürlich so vorkommt, wenn man gerade verzweifelt versucht, sein „unmögliches Kind“ dazu zu bewegen, ins Auto zu steigen, weil man mit ihm zum Einkaufen oder in den Kindergarten fahren will. Verhalten ist einfach eine Botschaft. Dennoch liegt in unserer Gesellschaft das Augenmerk oft noch immer auf dem Verhalten des Kindes. Zweifellos ist ein Verhalten, das dem Lernen zuträglich ist, wichtig, sobald das Kind zur Schule geht, und wir alle müssen uns so benehmen, dass wir uns durch die Welt bewegen können, ohne den anderen Menschen und ihren Absichten unnötig in die Quere zu kommen, während wir versuchen, unsere eigenen Ziele zu erreichen. Aber bei sehr kleinen Kindern sollte der Fokus der Fürsorge nicht auf dem Verhalten liegen.

Verhaltensansätze sind wunderbar, wenn sie funktionieren, oft aber ändern sie nur vorübergehend etwas an dem Verhalten, ohne die zugrunde liegenden Probleme zu adressieren, aus denen das Verhalten resultiert. Das liegt daran, dass sie im Wesentlichen ein weiterer Versuch einer schnellen oder oberflächlichen Lösung sind. Wenn wir das Verhalten unserer Kinder erfolgreich verändern, fühlen wir uns dadurch vielleicht gut, weil unsere braven Kinder der sichtbare Beweis unserer Fähigkeiten als Eltern zu sein scheinen – und dieses Gefühl brauchen wir natürlich, wenn wir immerzu nach Perfektion streben und dabei unweigerlich scheitern. Mehr zu der Vorstellung von perfekten Eltern und perfekten Kindern später. Für jetzt mag es genügen zu sagen, dass wir uns durch die Erfahrung emotionaler Verbundenheit, die aus der sicheren Bindung zu unserem Kind resultiert, wahrscheinlich weitaus besser fühlen, als wenn wir sein schlechtes Benehmen „managen“.

Wenn Sie verstehen wollen, wie man unserer Meinung nach Verhalten zutreffender betrachten kann, stellen Sie sich einen Eisberg vor. An der Oberfläche sehen Sie lediglich eine enorme Anhäufung von Eis. Was Sie nicht sehen, ist die Masse, die sich unter der Oberfläche befindet und die oft mehr als 80 % des eigentlichen Eisbergs ausmacht. Stellen Sie sich nun vor, dass das, was Sie an der Oberfläche sehen, die Verhaltensweisen des Kindes sind, und das, was Sie nicht sehen, seine legitimen Bedürfnisse nach Unterstützung und Regulation. Wir haben in vielen verschiedenen Settings (Schulen, Pflegeheimen, Familienberatungen) mit vielen gefährdeten Kindern gearbeitet, und wir haben dabei erlebt, wie wichtig es ist, dass die Bezugspersonen sich stets der legitimen Bedürfnisse bewusst sind, die oft unterhalb der Oberfläche eines bestimmten (negativen) Verhaltens liegen. Einer von uns Autoren erinnert sich, als junger Pflegevater Sternchenkarten, Auszeiten, logische Konsequenzen und weitere verschiedene Formen positiver und negativer Verstärkung mit wenig dauerhaftem Erfolg ausprobiert zu haben, bevor er schließlich dazu überging, sich mit dem Kind, das gerade ausflippte, hinzusetzen und zu sagen: „Wir bleiben jetzt dabei, bis wir auf der anderen Seite ankommen.“ Hatte sich erst einmal eine Beziehung entwickelt, in der das Teilen von Gefühlen entscheidend für die Lebenserfahrung der Kinder war, löste sich das problematische Verhalten auf. Wenn man nur auf das Verhalten reagiert und das Bedürfnis nicht beachtet (das vor den Augen aller verborgen liegt), so mag das unserer Erfahrung nach zwar in kurzfristiger Folgsamkeit resultieren, doch es ist eine verpasste Gelegenheit für eine langfristige Veränderung.

Wir sind der Ansicht, dass Gefühle, die nicht zur Haustür hereingelassen werden, sich in negatives Verhalten verwandeln, das schließlich gewaltsam durch die Hintertür hereinbricht.

Im Laufe der Jahre sind wir zu der Erkenntnis gelangt, dass alle Kinder unter der Oberfläche „weise und abwartend“ sind. Kinder verfügen über eine ihnen innewohnende Weisheit darüber, was sie am meisten brauchen, und häufig warten sie viele Jahre, bis sie schließlich jemanden finden, der ihr eigentliches Bedürfnis erkennt und darauf eingeht.

Eltern oder Freunde?

Nach einer schnellen Antwort suchen, die neuesten Anleitungen befolgen und das Symptom behandeln statt das zugrunde liegende Problem – all dies sind Resultate davon, dass Eltern sich allzu große Mühe geben. Verzweifelt nach einem Weg suchend, sind diese Versuche möglicherweise das Einzige, was einem noch bleibt, wenn es unmöglich ist, den eigenen Erwartungen gerecht zu werden. Wenn Sie glauben, dass die Messlatte himmelhoch ist und Sie sie um jeden Preis erreichen müssen, werden Sie natürlich nach allem greifen, was Ihnen eventuell helfen könnte.

Natürlich besteht Bindung in emotionaler Verbundenheit. Aber für Ihr Kind mit all seinen Bedürfnissen da zu sein ist weitaus mehr als das. Es beinhaltet, die Führung zu übernehmen, wann immer es notwendig ist, und im Eltern-Kind-Paar den Part des oder der Älteren und Weiseren einzunehmen. In den letzten Jahrzehnten gab es viele Diskussionen über neue Erziehungsstile von liberal bis autoritär, wobei die meisten Experten empfehlen, in Bezug auf Autorität die goldene Mitte anzustreben – das heißt, darauf zu vertrauen, dass wir wissen, was in einer gegebenen Situation für dieses bestimmte Kind richtig ist, und keine Angst zu haben, nach dieser Überzeugung zu handeln. Doch die Auflösung des „Generationskonflikts“, den die Babyboomer erlebt haben, mag dazu beigetragen haben, die Grenze zwischen der Rolle eines Elternteils und der eines Freundes zu verwischen, und die Millennials und die Generation X, die heutigen Eltern also, sind die Erben dieses (Miss-)Verständnisses.

Wenn man versucht, mehr Freund als Eltern zu sein, ist das unserer Erfahrung nach oft eine weitere Form von Perfektionismus, und zwar eine, die aufreibende Auseinandersetzungen und den unvermeidlichen Kummer des Kindes fürchtet. Selbstverständlich wünschen wir uns, dass unsere Kinder glücklich sind, und es ist wunderbar, wenn wir ein freundschaftliches Verhältnis zu ihnen haben, aber die Tatsache, dass wir die Älteren und Weiseren – auch „Eltern“ genannt – sind, muss den Rahmen für diese Beziehung bilden. Gesundes Begleiten von Kindern ist keine Demokratie. Um sich sicher und geborgen zu fühlen, müssen die Kinder erleben, dass sie jemandem so wichtig sind, dass er oder sie die Führung übernimmt, selbst dann, wenn das bedeutet, unpopuläre Entscheidungen zu treffen und Disharmonie aushalten zu müssen.

Die Bürde unseres unvollkommenen (chaotischen) Selbst

Der Druck, perfekt zu sein, kommt nicht nur aus der Außenwelt oder ist ein Resultat davon, wie wir die Botschaften der Gesellschaft interpretieren. Unsere Vorstellungen darüber, wie wir als perfekte Eltern für unsere Kinder zu sein haben, kommen auch von innen. Wir alle tragen Erinnerungen, explizite wie implizite, mit uns herum, und sie prägen all unsere Beziehungen. Beim Aufziehen von Kindern sind unserer Ansicht nach nicht Ihre Handlungen das Entscheidende, sondern die Perspektive, aus der Sie Ihre Handlungen betrachten. Wenn man zum Beispiel von Ihnen als Kind erwartet hat, „perfekt“ zu sein, dann übertragen Sie diese Erwartung höchstwahrscheinlich auch auf Ihre eigene Elternschaft. Der Wunsch, dass Ihre Kinder niemals den Schmerz fühlen müssen, den Sie selbst einst gefühlt haben, kann in ungesunder Art und Weise auf Ihnen lasten. Natürlich ist es in gewissem Maße wichtig, was Sie tun. Aber noch wichtiger ist, wer Sie sind, während Sie es tun.

Ihre innere Verfassung überträgt sich auf Ihr Kind genauso, wenn nicht sogar noch mehr als das, was Sie tatsächlich tun. In unseren Kursen weisen wir immer wieder darauf hin, dass Kinder zwischen den Zeilen lesen. Sie achten auf unsere Handlungen, doch noch mehr achten sie auf die innere Verfassung, die hinter unseren Handlungen steht. Wenn Sie zum Beispiel versuchen, Ihr Kind nach einem Sturz zu beruhigen und dabei genau die richtigen Worte finden („Oh je, mein Schatz, das fühlt sich bestimmt gerade ganz schlimm an“), aber insgeheim denken: „Ich bin keine gute Mutter. Ich hoffe, ich mache das richtig, aber ich glaube nicht“, wird sich Ihr Kind wahrscheinlich nicht so rasch beruhigen, wie es ihm ansonsten möglich wäre.

Uns ist bewusst, dass diese Information ziemlich fatalistisch wirken kann: „Wenn ich aus einer nicht gerade idealen Familie komme, wird mein Kind meine Unsicherheit spüren, ganz gleich, wie sehr ich mich auch bemühe.“ Glücklicherweise ist das aber nicht der Fall. Was unsere Kinder spüren, ist unsere tiefe Absicht, ihnen jene Sicherheit zu geben, die sie am meisten brauchen. Unsere positiven Absichten bilden die zwischen den Zeilen versteckte Botschaft, die für sie am wichtigsten ist: Wir beabsichtigen stets, ihnen das Gute zu geben, das sie brauchen, in einem Kontext, der niemals perfekt ist. Unsere Kinder brauchen keine Perfektion, sondern sie müssen darauf vertrauen können, dass wir ihre legitimen Bedürfnisse erfüllen wollen, und das schließt mit ein, nach einem klaren und stimmigen Weg zu suchen, diese Bedürfnisse zu verstehen.

Oft schränkt unsere Geschichte unseren Blick ein

Manchmal machen uns die Lektionen, die wir in unserer Kindheit gelernt haben, blind dafür, was unsere Kinder brauchen, und das selbst dann, wenn wir zur Orientierung eine Karte wie den Kreis der Sicherheit haben. Wenn wir in unserer eigenen Kindheit nicht das Glück einer sicheren Bindung hatten, kann es besonders wichtig, aber auch besonders schwierig sein, uns im Hinblick auf unser pädagogisches Verhalten zu öffnen. Haben Sie in der Intimität Erfüllung gesucht, aber nicht wirklich gefunden? Haben Sie das Gefühl, dass Sie immer irgendetwas davon abhält, die Art von Leben zu führen, die Sie sich erhofft haben? Natürlich wäre es eine grobe Verallgemeinerung, zu sagen, dass eine unsichere Bindung hinter allem steht, womit Sie unzufrieden sind, aber Bindung hat einen solch starken Effekt auf jeden Aspekt unseres Lebens, dass Unsicherheit in der frühen Kindheit bei den Enttäuschungen, die wir als Erwachsene erleben, durchaus eine Rolle spielen kann. Dieses Buch lädt Sie dazu ein, Ihren eigenen Bindungsstil und dessen Auswirkungen auf Ihr Leben zu erforschen.

Perfektes Kind → perfekte Eltern?

Eine häufige Nebenwirkung von perfektionistischer Erziehung ist der Wunsch nach dem perfekten Kind. Dieses Phänomen steht mit einem bestimmten Bindungsstil in Zusammenhang und wird durch implizite Erinnerungen an die Bindung an unsere Eltern angetrieben, die wir nun in unsere eigene Elternschaft hineintragen. Wie jene Erinnerungen zu unserem Vermächtnis werden, wenn wir uns nicht bewusst sind, wie sie im Hintergrund unserer Elternschaft die Fäden ziehen, werden wir in Kapitel 5 noch ausführlicher besprechen. Doch das Muster des perfekten Kindes sehen wir, wohin wir auch blicken. Wenn man die Reaktionen auf Amy Chuas Buch Battle Hymn of the Tiger Mother aus dem Jahr 2011 betrachtet, wird einem klar, mit welcher Ernsthaftigkeit viele Eltern in den Erfolgen ihres Kindes eine Reflexion davon sehen, wie gut sie ihre „Aufgabe“ als Eltern gemacht haben. Das Buch war ursprünglich als Kommentar zu unserer Kultur gedacht, wurde dann aber zum Gegenstand einer hitzigen Debatte darüber, ob es richtig ist, wenn wir als Eltern Perfektion von unseren Kindern verlangen. Die Vorstellung, dass ein erfolgreiches Kind mit erfolgreichen Eltern gleichbedeutend ist (egal, ob es um die Manieren des Kindes, seine sportlichen Leistungen, seine Intelligenz oder seine äußere Erscheinung geht), ist weitaus verbreiteter – und augenscheinlich überzeugender –, als wir es uns oft eingestehen wollen.

Dann gibt es da noch den Impuls, unsere Kinder als etwas „Besonderes“ zu betrachten. Auch er steht mit einem bestimmten Bindungsstil im Zusammenhang, der in Kapitel 5 erläutert wird. Er kann sich, wie in Kapitel 1 erwähnt, darin ausdrücken, dass wir jedem Gefühl des Kindes absoluten Vorrang einräumen, weil wir annehmen, unser Kind sei nicht imstande, Frustration oder Ärger auszuhalten. Wir werden noch ausführlicher darauf eingehen, wie unsere Versuche, unsere Kinder übermäßig zu beschützen und ihnen möglichst alle Schwierigkeiten und Probleme aus dem Weg zu räumen, sie der Fähigkeiten berauben, die sie brauchen, um Resilienz zu entwickeln. Dabei handelt es sich um eine Reihe von Fähigkeiten, die nur im Kontext gemeinsamer Problemlösung und verständnisvoller Unterstützung und unter nicht idealen Umständen gelernt werden können. Dieser Impuls kann sich aber auch darin ausdrücken, dass wir das Kind überschätzen und glauben, es sei außergewöhnlich begabt und seinen Altersgenossen überlegen. Wie in Kapitel 1 erwähnt, stärkt es nicht das Selbstwertgefühl eines Kindes, wenn man ihm sagt, es sei besser als die anderen; stattdessen verstärkt es seine narzisstischen Tendenzen. Eine sichere Bindung, die auf dem Vertrauen des Kindes in die Liebe der Eltern beruht, stärkt sein Selbstwertgefühl.

Natürlich besteht eine der drängendsten Sorgen von Eltern darin, dass ihre Kinder „zurückbleiben“ könnten. Zwar wüssten viele von uns noch nicht einmal, wie sie die Frage „Hinter was zurückbleiben?“ beantworten sollten, doch hält uns die vage Vorstellung, ein wichtiges Ziel verfehlt zu haben, wenn wir unsere Kinder nicht antreiben, in dieser Sorge gefangen. Oft dreht sich diese Sorge um die kognitive Entwicklung. Werden unsere Kinder intelligent und gebildet genug sein und ausreichend gute Leistungen in der Schule erbringen, um später da anzugelangen, wo sie hinwollen (oder wo wir sie gerne sähen)? Die Debatte darüber, worauf in der Früherziehung besonders Wert gelegt werden sollte, tobt weiter: auf die soziale Entwicklung, die emotionale Intelligenz, die Fantasie und die Kreativität oder die intellektuellen Fähigkeiten? In den Vereinigten Staaten konzentrieren wir uns noch immer hauptsächlich auf Letzteres, und das, obwohl die Länder, die wir auf dem Marktplatz der Erwachsenen als unsere größten Konkurrenten ansehen, in den ersten Schuljahren eher das Spielen und die sozialen Interaktionen als wichtig erachten – und deren Kinder in den höheren Klassen bessere kognitive und sonstige Leistungen erbringen. In diesen Ländern wird die Bedeutung des Spiels für die kognitive, soziale und emotionale Entwicklung von Kindern erkannt. Betrachten Sie die Beziehung zu Ihrem Kind als dessen ersten Spielplatz: ein Platz, an dem es die Welt erforschen kann, sicher und ohne jene Einschränkungen, die durch Angst oder das Ausklammern von bestimmten Gefühlen entstehen.

Die Sorge um die kognitiven Fähigkeiten unserer Kinder ist normal, aber sie ist auch symptomatisch dafür, dass man sich auf den Horizont in der Ferne konzentriert anstatt auf das, was jetzt und hier in diesem Augenblick passiert. Für ganz kleine Kinder ist das Hier und Jetzt das Einzige, was es gibt, und sind sie vollauf damit beschäftigt. Die in diesem Buch besprochenen Themen haben viel mit genau dieser Frage zu tun: Wie können Eltern der emotionalen Sicherheit Priorität einräumen und nach dem Spruch „Jetzt gut, immer gut“7 ihren Kindern das geben, was sie brauchen? Hier ist eine kurze Faustregel: Je mehr sich die Kinder in ihren primären Beziehungen zu Beginn ihres Lebens sicher und geborgen fühlen, desto entspannter und resilienter werden sie sein, wenn sie sich später im Leben verschiedenen Herausforderungen und Gelegenheiten gegenübersehen.

Wie ermöglichen wir unseren Kindern also eine sichere Bindung?

Die gute Nachricht für Eltern ist, dass Elternschaft nicht kompliziert sein muss. Wenn wir uns an unseren (bereits tief in uns angelegten) Fähigkeiten orientieren, können wir die sogenannte Aufgabe des Elternseins viel eher als das Geschenk beziehungsweise Privileg angehen, das es in Wirklichkeit ist. Und wenn wir dem authentischen Wunsch vertrauen, unseren Kindern das zu geben, was für sie am besten ist, sowie der enormen Fähigkeit der Kinder, genau das aus uns hervorzuholen, kann das Elternsein fast schon zum Kinderspiel werden.

Sie wissen vermutlich inzwischen, dass wir hier nicht von einer Art Einfachheit nach dem Motto „Schlafe aus, fühle dich nie überfordert, Elternsein ist so leicht wie eine Sommerbrise“ sprechen. Vielmehr wollen wir sagen, dass die „harte Arbeit“ des Elternseins zu etwas viel Angenehmerem wird, wenn wir als Eltern erst einmal unseren positiven Absichten vertrauen und über ein einfaches visuelles Bild verfügen, das uns ermöglicht, die Bedürfnisse unseres Kindes in eine klare und verständliche Landkarte zu übersetzen.

Erinnern Sie sich an Lei und ihren Vater aus Kapitel 1. Denken Sie an Baby Sophie und seine Mutter. In jenen einfachen, natürlichen Interaktionen können Sie den ursprünglichen Instinkt des Kindes erkennen, nach Fürsorge zu suchen, und den in ähnlicher Art und Weise angeborenen Instinkt der Eltern, Fürsorge zu geben. Obgleich es in den ersten Tagen und Wochen eines Babys nicht so offensichtlich ist, kann man bereits kurze Zeit nach der Geburt sehen, wie das Kind anfängt, die Welt zu erkunden. Oder gehen Sie auf einen beliebigen Spielplatz, und Sie werden dort den gleichen Austausch beobachten können, der zwischen Lei und ihrem Vater stattfand: Lei möchte loslaufen, um ihre Welt und ihre Fähigkeit, mit ihr zu interagieren, zu erkunden; ihr Vater ist da, um ihr das zu ermöglichen. Und das ist Sophie fünf Monate später:

Hannah arbeitet am Esszimmertisch an ihrem Computer, während Sophie sich in ihrem Laufgestell im Raum herumschiebt. Wenn sie gurrt und plappert, schaut Hannah auf und sie lächeln einander an. Dann klingelt das Telefon. Es ist Hannahs wichtigster Kunde, der wissen möchte, wie das Projekt läuft. Während Hannah den Fortschritt in allen Details schildert, wird Sophies Stimme höher; schließlich steigert sich das Plappern zu einem schrillen Kreischen. Das kleine Mädchen weint nicht und ist auch nicht wütend, aber ihre Stimme ist so fordernd, dass Hannah sofort hinüberschaut und ein Lachen unterdrücken muss, als ihr Kunde verwundert fragt: „Was ist das denn, etwa Ihr Hund?“

In diesem zarten Alter ist Sophie bereits sicher genug gebunden, um zu wissen, dass sie sich darauf verlassen kann, dass Hannah da ist, während sie auf eigene Faust den Raum unsicher macht. Diese Unterstützung bei ihren Erkundungen ist so wichtig, dass sie ihr „Sirenenlied“ anstimmt, um die Mutter zurückzurufen, wenn sie bemerkt, dass die Aufmerksamkeit der Mutter sich von ihr abgewendet hat. Wenn die Mutter sich nicht wieder und wieder als zuverlässig herausgestellt hätte, hätte Sophie es möglicherweise gar nicht erst versucht. (Ein Jahr später löst Sophie einen Autoalarm aus, als sie von ihrem Buggy aus ihr Sirenenlied ausprobiert. Hannah glaubt, dass Sophie herausfinden wollte, ob fremde Passanten darauf auch so reagieren wie ihre Eltern. Und natürlich tun sie das.)

Sophie konnte ihre Mutter erkennen, lange bevor sie ihren eigenen Namen kannte oder auch nur irgendetwas von den Worten verstand, mit denen die aufmerksame Familie versuchte, sie zu beruhigen. Möglicherweise hat sie die Bedeutung der Bindung zwischen ihnen begriffen, bevor ihre Mutter dies tat. So sieht eine aufkeimende sichere Bindung aus. Es ist zwar nicht immer nur angenehm (bleiben Sie dran, wenn Sie wissen wollen, wie es mit Sophie weiterging), und doch ist die tiefe Schönheit dieser Bindung in der ganzen Menschheitsgeschichte in Poesie und Kunst zum Ausdruck gebracht worden.

Die gute Nachricht für uns alle ist, dass Bindung einfach geschieht. Die Frage ist nicht, ob ein Kind eine Bindung entwickelt, sondern von welcher Qualität diese Bindung ist. Die Frage ist nicht, ob die Mutter oder der Vater die Bedürfnisse des Kindes erfüllen und sein Unbehagen lindern wollen, sondern ob sie wissen, wie sie das tun können (oder ob sie die Bedürfnisse aus Gründen, die wir später besprechen, nicht sehen können). Wir haben festgestellt, dass, selbst wenn der Bindungsinstinkt der Bezugsperson gestört ist, der des Kindes stark bleiben kann.

Es ist manchmal kaum zu glauben, aber schon mit geringer Hilfe schaffen es viele Eltern, den widrigsten Umständen zu trotzen. Die meisten Eltern in unseren ersten Gruppen zum Kreis der Sicherheit hatten mit einer Vielzahl von aktuellen und vergangenen Problemen zu kämpfen, die Palette reichte von Armut über mangelnde Bildung bis hin zu früheren Missbrauchserlebnissen und erst kürzlich zurückliegender Drogensucht. Daraus ergeben sich sehr schwierige Rahmenbedingungen, die laut Alan Sroufe einen starken Effekt ausüben: „Die Entwicklung des Kindes ist untrennbar mit der Fürsorge verbunden, die es umgibt. Ebenso ist die Fürsorge, die die Bezugspersonen geben können, von der Art des Stresses und der zur Verfügung stehenden Unterstützung im Umfeld abhängig.“ Wenn dieser Stress sehr groß ist, wie zum Beispiel für alleinerziehende jugendliche Mütter und andere Menschen, die sich die größte Mühe geben müssen, um es durch den Tag zu schaffen – und auch für viele „normale“ Eltern heutzutage –, ist es schwer, die Bedürfnisse eines Kindes feinfühlig zu erfüllen oder mit der Kohärenz und dem Verständnis zu reagieren, die notwendig sind.

Über zwanzig Jahre lang haben wir mit ehemalig obdachlosen jugendlichen Eltern gearbeitet, die kaum in der Lage zu sein schienen, die Herausforderungen der Elternschaft zu bewältigen. Viele kamen unter Tränen in unseren Kurs – voller Angst, dass sie den Kreislauf aus Missbrauch und Vernachlässigung fortsetzen würden, den sie selbst als Kinder erlebt hatten. Mithilfe eines elternfreundlichen Ansatzes, der die Entwicklung einer gesunden Bindung anregt, sind viele dieser Teenager sehr erfolgreiche Eltern geworden, die absolut fähig sind, sich selbst und ihre Kinder auf dem Weg dahin zu unterstützen, was Bindungsforscher „erarbeitete Sicherheit“ nennen. Wir haben immer wieder erlebt, wie Eltern sich trotz ausgesprochen schlechter Voraussetzungen mit den liebevollen und fürsorglichen Instinkten verbinden, mit denen sie auf die Welt kamen, und ihren Kindern authentische und beständige Sicherheit geben.

Was ist mit denjenigen unter uns, die es nicht mit Herausforderungen dieses Ausmaßes zu tun haben? Würde Lei ein langes, gesundes und glückliches Leben führen, wenn ihr Vater die Zeit, die er seiner Tochter widmet, darin investieren würde, sie mit der bestmöglichen Bildung, einem behaglichen Zuhause und den nahrhaftesten Lebensmittel zu versorgen, den direkten Kontakt mit ihr aber einem Kindermädchen und anderen Erwachsene überließe? Das ist durchaus möglich. Auf die Entwicklung eines Kindes haben viele verschiedene Variablen Einfluss. Wenn Lei von frühester Kindheit an ein Kindermädchen, ein Großelternteil oder jemand anderen aus der Familie gehabt hätte, der sich auf eine Art und Weise um sie gekümmert hätte, wie wir es in der Spielplatzszene gesehen haben, hätte sie trotzdem eine sichere Bindung zu einer primären Bezugsperson, die die Grundlage für eine gesunde Entwicklung bildet. Und, wie bereits gesagt, sie hätte noch immer eine Bindung an ihre Eltern, aber wahrscheinlich eine weniger sichere als die an den Menschen, der ihre Betreuung hauptsächlich übernimmt. Die Bedeutung einer innigen und beständigen Verbindung zu einem anderen Menschen ist nicht zu unterschätzen.

Wenn Lei mit keinerlei Bezugspersonen ein Interaktionsmuster von der Art hätte wie das mit ihrem Vater im Park gezeigte, würde sie sich vielleicht zu einem Kind entwickeln, das abseits in einer Ecke sitzt und so tut, als ob es mit sich selbst zufrieden sei, während alle anderen spielen. Sie hätte vielleicht Schwierigkeiten, Freundschaften zu schließen, weil sie nicht wüsste, wie man jemanden tröstet, der sich wehgetan hat, oder nicht verstünde, dass es normal ist, manchmal unterschiedlicher Meinung zu sein. Sie würde möglicherweise das Selbstbild entwickeln, „so besonders zu sein, dass sie sich über nichts ärgert“ oder „zu anders, um dazu zu gehören“. Und hinter alledem wäre sie sehr einsam.

Glücklicherweise passieren Szenen wie die im Park oft ganz von selbst. Und wenn die Dinge sich die meiste Zeit so entfalten, wird sich das Selbst des Kindes gut und gesund entwickeln. Die allermeiste Zeit über müssen Sie nicht Ihr Gehirn anstrengen, um eine sichere Bindung zu Ihrem Baby zu erzeugen. Wir könnten es nicht besser auf den Punkt bringen als Robert Karen:

Sie müssen nicht reich oder schlau oder begabt oder lustig sein; Sie müssen nur da sein, im doppelten Sinne des Wortes. Für Ihr Kind ist alles andere unwichtig, es spielt höchstens insofern eine Rolle, wenn es Ihnen ermöglicht, etwas von sich selbst zu geben. Darüber hinaus müssen Sie keine hervorragende Mutter sein, sondern, um es mit Winnicotts berühmten Worten zu sagen, bloß eine „ausreichend gute“ Mutter.

Eine solide Faustregel für alle Eltern: Gut genug ist – nun ja – gut genug.

Schauen Sie, wie es Sophie und Hannah fünf Jahre später ergeht: Sophie kommt nach der Schule nach Hause gestürmt und ruft, sie wolle sich einen großen Vogel tätowieren lassen: „So einen wie Bellas Babysitter!“

Hannah schnaubt und lacht: „Ja, das klingt ganz toll.“ Sophie bricht in Tränen aus, lässt ihren Rucksack fallen und läuft in ihr Zimmer. Hannah seufzt und hebt den Rucksack auf, aus dem eine (zumindest für eine Fünfjährige) kunstvolle Zeichnung eines Vogels mit großen Flügeln (oder ist es eher ein Drache?) hervorschaut. Sie geht ins Zimmer ihrer Tochter, setzt sich aufs Bett und sagt: „Hey, mein Schatz, das ist ja wirklich schön.“ Stille. „Vielleicht können wir Körperfarben kaufen.“ Noch mehr Stille. „Bellas Babysitter ist richtig cool, was?“ Sophie nickt heftig und fängt an, begeistert die Geschichten wiederzugeben, die die Fünfundzwanzigjährige über den Phoenix erzählt hat, der auf ihrem Arm „lebt“.

Sophie hat die Erfahrung gemacht, dass ihre Mutter versteht, was sie braucht, auch wenn sie selbst es nicht ausdrücken kann. Darum tut es auch so weh, wenn die Mutter es manchmal nicht sofort kapiert. Zum Glück tut sie das aber normalerweise früher oder später und die Welt ist wieder in Ordnung.

Zahlreiche Ansätze und Programme sind mit dem Ziel entwickelt worden, Eltern und Kindern eine nähere, empathischere Beziehung zu ermöglichen, und sie alle haben ihre Stärken. Wir haben den Kreis der Sicherheit mit der spezifischen Absicht entwickelt, die Erkenntnisse aus der jahrzehntelangen Bindungsforschung so verständlich wie möglich zu machen, damit Eltern eine sichere Bindung zu ihren Kindern aufbauen können. Unser Ansatz soll Folgendes bieten:

• Ihnen ermöglichen, die legitimen Bedürfnisse Ihres Kindes zu verstehen

• Ihnen ermöglichen, Ihre Haltung gegenüber diesen Bedürfnissen zu verstehen (und ob manche sich akzeptabler anfühlen als andere)

• Ihnen bewusst machen, warum Sie bestimmte Bedürfnisse begrüßen, mit anderen aber Schwierigkeiten haben

• Ihnen den Teil Ihrer selbst zugänglich machen, der bereit ist, Ihr Unbehagen zu überwinden, um den Bedürfnissen Ihres Kindes Priorität einzuräumen

In den folgenden Kapiteln erfahren Sie mehr darüber, wie man eine sichere Bindung entwickelt und wozu das gut ist. Dabei liegt allem, was wir besprechen, die Einladung an Sie zugrunde, zu vertrauen: sich selbst, Ihrer inneren Weisheit, Ihrer Absicht, Ihr Bestes zu tun, und auch Ihrer Neugier, herauszufinden, was Ihnen dabei möglicherweise im Weg steht. Wir haben immer wieder festgestellt, dass das Vertrauen der Eltern dazu führt, dass auch die Kinder vertrauen können – darauf, dass die Eltern da sind und ihnen in ihren emotionalen Bedürfnissen helfen, die für kleine Kinder so verwirrend sein können, und darauf, dass Sie die Führung übernehmen in all den Momenten Tag für Tag, in denen die Unterstützung eines älteren und weiseren Menschen gefragt ist. Der Kreis der Sicherheit soll dazu dienen, dieses gegenseitige Vertrauen und eine sichere Bindung zu entwickeln, und zwar auf die nachfolgend beschriebenen Arten und Weisen, die den Rahmen für den Rest des Buches bilden.

Von Perfektionismus und Selbstanschuldigungen Abschied nehmen

Stellen Sie sich einen Augenblick lang vor, alle Eltern der Welt hätten diese einfache Tatsache gemeinsam: Wir alle haben genau zwölf Schwächen. Diese Schwächen sind keineswegs bei allen Eltern die gleichen. Zwar haben viele von uns ähnliche Strukturen, die in ähnliche Muster passen, doch zugleich sind wir in unserer „Verkorkstheit“ auch erstaunlich einzigartig.

Stellen Sie sich nun vor, jemand käme daher und sagte Ihnen, dass diese Schwächen kein wirkliches Problem darstellen… es sei denn, Sie haben auch noch „die dreizehnte Schwäche“, die es nahezu unmöglich macht, mit den anderen zwölf umzugehen. Worin besteht nun diese dreizehnte Schwäche? In der Überzeugung, dass Sie die anderen zwölf nicht haben sollten. Und das hat es mit der dreizehnten Schwäche auf sich: Sie beinhaltet stets eine Anschuldigung. Diese Anschuldigung gründet in der Illusion, dass es „eine Lösung“ für unsere Unvollkommenheit oder unsere Probleme als Eltern gibt und dass wir sie längst kennen sollten. Die verdeckte (und heimtückische) Botschaft dabei lautet: „Unvollkommenheiten haben in der Erziehung nichts zu suchen.“ (Viel Glück dabei.)

So viel ist klar: Wir alle haben als Eltern unsere Schwierigkeiten. Jeder von uns. Niemand ist perfekt. Tatsächlich ist jeder Versuch, perfekt zu sein, seinem Wesen nach ein Zeichen von Unvollkommenheit. Wenn wir unsere Schwächen als Eltern bekämpfen, verwandeln sie sich in Stein und sitzen uns mit einem Gewicht im Nacken, das wir kaum tragen können. Dann verfallen wir entweder in Scham und Anschuldigungen und schimpfen fortwährend mit uns selbst, oder wir tun so, als ob wir keine Fehler machten, und finden unweigerlich jemand anderen, den wir beschuldigen können (unsere Kinder, unsere Partner, unsere eigene Kindheit). Wenn wir unsere unvermeidlichen Schwächen respektieren und den Fehlern, die wir als Eltern machen, mit Liebenswürdigkeit, Akzeptanz und Verständnis begegnen können, verändert sich etwas. Für uns und auch unsere Kinder entstehen neue Möglichkeiten und freudige Überraschungen.

Anschuldigungen haben noch nie jemandem dabei geholfen, eine bessere Mutter oder ein besserer Vater zu werden. Wir können uns selbst mit mehr Freundlichkeit begegnen, wenn wir verstehen, dass Elternsein eine außerordentlich herausfordernde Aufgabe ist, dass wir alle Fehler machen und dass das, was wirklich zählt, unsere Absicht ist, das zu tun, was für unsere Kinder am besten ist. Wie wir immer wieder sagen: Kinder sind ausgesprochen gut darin, zwischen den Zeilen zu lesen. Sie spüren es, wenn wir ängstlich und selbstkritisch sind. Und sie spüren es auch, wenn wir uns dafür respektieren, dass wir unter oftmals schwierigen Umständen unser Bestes tun.

Ein freundlicher Umgang mit uns selbst unterstützt uns darin, zu den Menschen, die wir am meisten lieben, ebenfalls freundlich zu sein. Wenn wir bereit sind, jene zwölf unvermeidlichen Schwächen anzuerkennen, bekommen unsere Kinder wahrscheinlich das, was sie am allermeisten brauchen. Aus diesem Grund ist dieses Buch als eine „haltende Umgebung“ konzipiert (dazu werden Sie in Kapitel 4 noch mehr lesen). Eine sichere Basis, auf der Sie erforschen können, welche Kräfte Sie in Ihrem Elternsein antreiben, ermöglicht Ihnen, das allgegenwärtige Hindernis des Perfektionismus zu überwinden.

Entspanntes Selbstvertrauen

Wenn Sie aus der permanenten Unsicherheit heraus, ob Sie womöglich etwas falsch machen, schwer an Ihrer Elternrolle arbeiten, wird das höchstwahrscheinlich nicht dazu beitragen, dass Ihr Kind sich sicherer fühlt. Liebevolle Begleitung, die Sicherheit vermittelt, hat in Wirklichkeit damit zu tun, dass wir in Bezug auf unsere Entscheidungen (zumindest einigermaßen) entspannt sind, sowie darauf vertrauen, dass wir die Dinge gut genug machen und uns im Bereich dessen bewegen, was gut für unser Kind ist. Die Frage, die Ihnen durch dieses Buch zur Gewohnheit werden kann, ist die gleiche Frage, die auch Ihr Kind Ihnen unausgesprochen stellt: „Geht es hier um Ihr Bedürfnis, ein guter Vater oder eine gute Mutter zu sein, oder um das tatsächliche Bedürfnis Ihres Kindes in diesem Moment?“ Unsere Kinder wissen fast immer, was unter der Oberfläche los ist: „Sind Sie unsicher und tun das, was auch immer Sie gerade tun, vor allem deswegen, um bloß keinen Fehler zu machen – oder konzentrieren Sie sich darauf, was gerade wirklich gebraucht wird?“ Oder, wie ein Kind es vielleicht eher formulieren würde: „Kannst du dich (bitte) abregen und darauf vertrauen, dass du in Ordnung bist und wir einen Weg durch diesen Schlamassel finden werden?“ Was so viel heißt wie: „Wenn du darauf vertraust, dass du gut genug bist, kann ich mich beruhigen und den Trost bekommen, den ich in meiner Not am meisten brauche.“

Eine neuere Studie aus Deutschland zeigt, dass die Kinder von entspannten Eltern, die ihre Kinder weder überwachen noch sich zu sehr auf sie konzentrieren, weniger ängstlich sind. Für ein Kind fühlt es sich in der Tat überfordernd an, wenn es zu sehr im Fokus steht und die Eltern bei allem mitmischen. Babys und kleine Kinder scheinen den Unterton unseres Verhaltens genauso wahrnehmen zu können wie das Verhalten an sich. Wenn wir ängstlich sind, spüren sie das auf ihre eigene Art und Weise. Die besagte Studie verweist darauf, wie wichtig, wenn nicht gar von zentraler Bedeutung es ist, Eltern dabei zu unterstützen, ihre eigenen Gefühle regulieren zu können, damit sie selbstsicher und gelassen mit ihrem Kind umgehen können.

Unserer Erfahrung nach gelingt das am besten dadurch, dass man Eltern hilft, die Landschaft des Elternseins zu verstehen und mithilfe einer einfachen Landkarte (dem Kreis der Sicherheit, der im folgenden Kapitel dargestellt und ausführlich beschrieben wird) zu realisieren, dass es wichtige Themen gibt, die man erkennen und mit denen man umgehen muss, aber niemals aus Angst oder Unsicherheit oder dem Druck heraus, alles „genau richtig zu machen“. „Ich reagiere auf diese Weise, weil ich darauf vertraue, dass es wichtig ist, und nicht, weil es sich so anfühlt, als würde ich meinem Kind irreparablen Schaden zufügen, wenn ich das nicht tue.“

Den Kreis im Blick behalten

Wenn unsere Fähigkeit, ruhig und selbstsicher auf unsere Kinder einzugehen, von einem aufreibenden Alltag eingeschränkt wird, was ja sehr oft der Fall ist, sind wir nur allzu leicht vom gegenwärtigen Moment abgelenkt und sehen nicht, was das Kind gerade von uns braucht. Vielleicht will es eine Weile im Arm gehalten und getröstet werden? Oder seiner Fantasie und Lebenslust folgen und hinausgehen, um die Welt zu erkunden, in dem Vertrauen, dass jemand da ist und auf es wartet, falls es Angst bekommt? Während wir hastig versuchen, zehntausend Dinge auf einmal zu erledigen und dabei noch „gute“ Eltern zu sein, fragen wir uns manchmal: „Warum braucht mein Sohn gerade jetzt Trost?“ oder: „Warum rennt meine Tochter herum wie von der Tarantel gestochen, wenn es Zeit ist, ins Bett zu gehen?“ Selbstverständlich ist es sinnvoll, sich zu fragen, was hinter bestimmten Bedürfnissen steckt, damit wir das zugrunde liegende Problem lösen können. Aber zuerst müssen wir herausfinden, was das eigentliche Bedürfnis ist. Dazu können wir uns den Kreis der Sicherheit, vollständig dargestellt in Kapitel 3, einprägen, sodass wir ihn abrufen können, wann immer wir verwirrt sind und nicht wissen, was unser Kind gerade will. Wenn wir das Bedürfnis unseres Kindes anerkennen und akzeptieren, können wir unser Kind in seiner Einzigartigkeit besser verstehen.

Mit-Sein: Sich auf die Gefühle und Bedürfnisse des Kindes einstimmen

Bei vielen Menschen führt der Druck, „es richtig zu machen“, dazu, dass sie permanent etwas tun, ob sie nun die neuesten Erziehungstipps lesen, nach der besten Schule suchen oder das Verhalten der Kinder managen. Das Gegenmittel dazu, sich auf diese Weise hauptsächlich auf die Zukunft zu konzentrieren („Was braucht mein Kind, um später erfolgreich zu sein?“), ist das, was wir Mit-Sein nennen („Was braucht mein Kind jetzt gerade?“). Es ist ein Zustand der feinfühligen Einstimmung, in dem wir an der emotionalen Erfahrung unseres Kindes teilhaben (ohne sie aber völlig zu übernehmen), ihm helfen, schwierige Gefühle zu verstehen und zu regulieren, und bei ihm sind, während es sie durchlebt. Mit-Sein bedeutet, die Ruhe zu bewahren – und nicht zu versuchen, etwas an der Erfahrung des Kindes zu ändern, sondern sie stattdessen anzunehmen und ihm zu zeigen, dass wir bei ihm sind, als ein Mensch, der manchmal ganz ähnliche Gefühle erlebt. Mit-Sein erfordert einige Übung von uns leistungsorientierten Menschen, aber es trägt viel dazu bei, eine sichere Bindung zu entwickeln. Kapitel 4 ist diesem Thema gewidmet.

Die Hände auf dem Kreis halten: Feinfühlig auf das Kind eingehen, aber auch die Führung übernehmen

Tatsächlich schließen sich diese beiden Dinge nicht aus. Eine der wichtigsten „Regeln“ im Kreis der Sicherheit lautet: Wann immer möglich, folgen Sie den Bedürfnissen Ihres Kindes; wann immer notwendig, übernehmen Sie die Führung. Um herauszufinden, welche Reaktion jeweils die beste ist, müssen wir mit dem Kind sein und uns zugleich auch daran erinnern, dass wir als Eltern größer, stärker, weiser und stets gütig sein sollten. Zuallererst sind wir Eltern, nicht Freunde. Wenn wir die Führung übernehmen und unseren Kindern helfen, einen Weg durch ihre momentanen Schwierigkeiten zu finden, können sie besser mit unangenehmen Gefühlen umgehen. Wenn wir den Kindern vertrauen und sie ermutigen, können Probleme gemeinsam gelöst werden. Mit der Karte des Kreises der Sicherheit fällt es uns leichter, die Bedürfnisse unseres Kindes zu erahnen, und wenn wir durch Mit-Sein gut auf sie eingestimmt sind, erkennen wir eher, an welcher Stelle des Kreises das Kind sich befindet. Das Thema „Mit-Sein“ und die Frage, was es heißt, größer, stärker, weiser und gütig zu sein, stehen in Kapitel 4 im Vordergrund.

Unser eigenes Gepäck sortieren

Eine der wichtigsten Entdeckungen, die wir in unserer Arbeit gemacht haben, ist, dass viele Eltern Schwierigkeiten damit haben, bestimmte Bedürfnisse auf dem Kreis zu erkennen und auf sie einzugehen. Oft sind sie sich ihrer eigenen Reaktionen gar nicht bewusst, weil diese Reaktionen ihre Wurzeln in der eigenen Kindheit und den eigenen Bindungserfahrungen haben. Damit wollen wir nicht etwa andeuten, dass an allem, was Sie tun, Ihre Eltern die Schuld tragen. Vielmehr haben wir an uns selbst festgestellt, dass der Versuch, den Bindungsstil unserer eigenen Eltern zu verstehen, uns ermöglicht hat, mehr Empathie und Mitgefühl für sie und die Schwierigkeiten, mit denen sie zu tun hatten, zu entwickeln. Fühlen Sie sich womöglich deswegen dazu angetrieben, das „perfekte“ Kind großzuziehen, weil Ihre Eltern so viel Wert auf Perfektionismus gelegt haben? Kommen unangenehme Gefühle in Ihnen auf, wenn Ihr Kind auf mehr Unabhängigkeit drängt, weil Ihre eigenen Eltern es gar nicht zu mögen schienen, wenn Sie zu weit von ihrer Seite wichen, als Sie noch klein waren? Wie tief Sie bei der Erforschung Ihres eigenen Bindungsstils gehen wollen, bleibt natürlich Ihnen überlassen. In Kapitel 5 finden Sie eine Einführung dazu, wie Ihr Bindungsstil hinter den Kulissen die Fäden Ihres eigenen Elternseins zieht. In Kapitel 6 erfahren Sie dann etwas darüber, wie wir diese Botschaften in Bezug auf bestimmte Bedürfnisse an unsere Kinder weitergeben und wie diese mit uns kooperieren, indem sie jene Bedürfnisse vermeiden, die uns unangenehm sind, und auf diese Weise dafür sorgen, dass wir weniger ängstlich und mehr für sie da sind. Wenn wir verstehen, wie unsere Kinder mit ihrem Verhalten versuchen, Bedürfnisse vor uns zu verstecken, die uns unangenehm sind, kann uns das dabei helfen, unsere verdeckten Botschaften zu überschreiben und die sichere Bindung zu entwickeln, die wir uns wünschen.

Alles Gute auf Ihrem Weg zu einer sicheren Bindung

Wir schreiben dieses Buch, weil wir aus erster Hand wissen, warum Bindung eine so wichtige Rolle spielt. Diese Erkenntnisse stammen zum einen aus jahrzehntelanger klinischer Arbeit mit Erwachsenen, in der es für unsere Klienten entscheidend war, immer wieder auf die zentralen Überzeugungen zurückzukommen, die sie in Bezug auf sich selbst und andere während ihrer frühen Jahre gebildet hatten, und diese nach und nach zu verändern.

Aber es wird noch ein bisschen persönlicher. Als Begründer des Kreises der Sicherheit haben wir uns auch nach unseren eigenen Bindungserfahrungen gefragt, sowie danach, wie sie sich auf unser jeweiliges Leben auswirken. Wie sich dabei herausstellte, kommen wir alle aus Familien, die mal mehr, mal weniger mit genau den gleichen Themen zu tun hatten, die wir heute Eltern verständlicher machen wollen. Das bedeutet, dass diese Arbeit in weiten Teilen auch auf persönlichen Erfahrungen beruht, da wir stets versuchten, aktuelle Forschungsergebnisse in einen Zusammenhang zu bringen mit unserem eigenen Verständnis davon, wie wesentlich eine gesunde Bindung ist.

Wie Sie während der Lektüre dieses Buches immer wieder feststellen werden, liegt der Fokus darauf, wie bereichernd und wertvoll eine sichere Bindung ist: Diese Fähigkeit, die innerhalb einer bestimmten Art von Beziehung erlernt wird, ermöglicht uns, Freude zu empfinden, wenn uns gute Dinge widerfahren, und Resilienz zu entwickeln, wenn wir es mit schwierigen Situationen zu tun haben. Bindungssicherheit lohnt sich sehr: Ist sie gefestigt, schenkt sie uns ein tiefes Vertrauen und ermöglicht uns in emotionaler, intellektueller und zwischenmenschlicher Hinsicht ein gelingendes Leben und damit ein beständiges Gefühl der Erfüllung.

Das ist die gute Nachricht, die Sie auf den folgenden Seiten erwartet. Eine schlechte Nachricht gibt es nicht, was aber nicht bedeutet, dass der Weg zu einer sicheren Bindung immer glatt und geradlinig verläuft. In den Anfängen unserer Beschäftigung mit der Bindungsforschung erschien es uns sogar oft als äußert schwierige Angelegenheit, wenn uns klar wurde, was für eine sichere Bindung notwendig ist und was in unserer eigenen Kindheit wohl gefehlt hat. Diese Erkenntnisse können zunächst ziemlich hart sein, doch uns führten sie schließlich zu der Einsicht, dass unsere eigenen Eltern ihr Bestes taten, allerdings nicht in der Lage waren zu erkennen, was nicht gut funktionierte und wie ein effektiverer Weg hätte aussehen können. Mit diesem Buch wollen wir nun Ihnen helfen zu erkennen, was bei Ihnen gut funktioniert und an welchen Stellen Sie vielleicht wirklich Schwierigkeiten haben, ausreichend gute Eltern zu sein. Wir hoffen, dass Sie es als eine haltende Umgebung empfinden werden, während Sie Ihren eigenen Weg gehen.

Wenn uns in unserer Arbeit mit Eltern, die auf der Straße leben, drogenabhängig oder obdachlos sind und andere Schwierigkeiten haben, Gefühle der Hoffnungslosigkeit zu überwältigen drohten, kam stets ein Moment, in dem wir beispielsweise mitansahen, wie eine der jungen Mütter – quasi ein Kind, das ein Kind aufzieht – ihr Kleines mit großer Zärtlichkeit in den Arm nahm oder zutiefst liebevoll anlächelte und dieses mit einem Lächeln antwortete. Und in diesen Momenten wussten wir: Zumindest das ist echt.

Eines der größten Geschenke, das uns die Bindungsforschung gemacht hat, ist die Bestätigung, dass unsere Welt tatsächlich stimmig ist. Unter aller Komplexität (und all den überdrehten Reaktionen darauf, wenn das Leben uns „zu viel“ ist) liegt eine schlichte Einfachheit, eine Wahrheit, der wir zu vertrauen gelernt haben: Ohne das „Und“ ist niemand glücklich. Jedes Herz sehnt sich nach der Liebe, um die es seinem Wesen nach weiß.

6 Anne-Marie Slaughter ist eine US-amerikanische Politikwissenschaftlerin. International wurde sie durch ihren Aufsatz Why Women Still Can’t Have It All zum Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ bekannt. Darin entlastet sie die Frauen von der Verantwortung für diese Vereinbarkeit und fordert gesellschaftliche Veränderungen zur Verbesserung der Bedingungen. A.d.Ü.

7 „Win now and win later“, wörtlich: „Gewinne jetzt und gewinne später“ (Win now and win later. The 20 principles of happily achieving ist ein bekanntes, 1999 bei Harper-Collins von Andrew Meikle publiziertes Buch über Selbstverwirklichungs- bzw. Erfolgsstrategien)

Aufwachsen in Geborgenheit

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