Читать книгу Geliebte Herrin - Bertrice Small - Страница 10

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Lady Jane Devers bedachte ihren Gatten mit einem schiefen Seitenblick und flüsterte leise: »Sie hat einen dunkelhäutigen Fremden als Diener, Shane? Man hat uns nicht gesagt, dass sie mit solchen Leuten verkehrt.«

»Wenn der Mann solch eine bedeutende Position innehat, Jane, dann genießt er das Vertrauen der Herzogin und des Herzogs«, flüsterte Shane Devers zurück. »Und jetzt sei still, bevor du William noch alles vermasselst. Das Mädchen ist eine reiche Erbin.«

»Das war ich auch einmal«, gab sie frostig zurück.

»Kein Vergleich mit diesem Mädchen«, konterte er, als sie den Rittersaal betraten. Er war ein hoch aufgeschossener Mann mit eisengrauem Haar und dunkelblauen Augen, das Gesicht faltig und vom Wetter gegerbt, die gewaltigen Pranken die eines Pferdezüchters.

Seine Gattin war zierlich, mit feinem Blondhaar, hellblauen Augen und frischer Gesichtsfarbe, wenngleich sie ihren rosigen Wangen mit etwas Rouge nachgeholfen hatte, um jugendlicher zu wirken. Ihre Robe mutete altmodisch an: ein glockenförmiger, knöchellanger Rock über einer Krinoline mit Wespentaille und eng geschnürter Korsage. Ihr Gewand war nachtblau und von erlesener Qualität, gleichwohl blieb Lady Jane nicht verborgen, dass die Herzogin eindeutig mehr hermachte als sie. Sie hätte vor Wut schreien mögen. Warum hatte sie sich nicht informiert, was Lady Leslie tragen würde? Allerdings hatte sie fest angenommen, dass die aus Schottland angereiste Dame auch nicht modischer gekleidet wäre als sie.

Der prüfende Blick ihres Gegenübers ließ Jasmine innerlich triumphieren. Lady Jane schien schon jetzt tief beeindruckt. Fabelhaft! Sie hatte sich noch kein Bild von William Devers gemacht, aber Jasmine war der festen Überzeugung, dass sie seiner herrschsüchtigen Mutter gemeinsam die Stirn bieten würden, sollte er tatsächlich ihr Schwiegersohn werden. Sie lächelte huldvoll. »Willkommen auf Erne Rock, Sir Shane, Lady Jane und Master William. Ich darf Euch mit meinem Gemahl, James Leslie, dem Herzog von Glenkirk, bekannt machen sowie mit meiner Tochter, Lady Fortune Mary Lindley.«

Sir Shane und sein Sohn verneigten sich vor den Gastgebern, Lady Jane machte einen Hofknicks. Ihre Begrüßung wurde mit einer Verbeugung und zwei Knicksen erwidert. Dann sagte Sir Shane: »Ich bedanke mich für die Einladung, Eure Hoheit. Ich war schon immer neugierig, wie es auf Erne Rock aussieht.«

»Aber ich dachte, Eure verstorbene erste Frau sei eine Cousine der Maguires auf Erne Rock gewesen«, sagte Jasmine honigsüß.

»Sie war näher mit Conor Maguire und seinem Clan verwandt, obschon die Maguires auf Erne Rock einen gemeinsamen Urgroßvater mit ihr haben«, führte er aus.

»Aha«, bekräftigte Jasmine. Dann lächelte sie zu dem anziehenden jungen Mann an der Seite seines Vaters.

»Dies ist mein Sohn und Erbe William«, bemerkte Sir Shane. Seine Frau stupste ihn unsanft an. »Und meine Gemahlin, Lady Jane«, beeilte er sich hinzuzufügen.

»Überaus angenehm, Eure Hoheit«, flötete Jane Devers. Ihr Blick heftete sich auf Fortune. Das Mädchen war auffallend hübsch, und das auf so augenfällige Weise mit ihrem flammenden Schopf. Sie sah beinahe irisch aus. »Ich freue mich, Euch kennen zu lernen, meine Liebe«, sagte sie einschmeichelnd. »Meine geschätzte Stieftochter ist auch eine Mary.«

»Man nennt mich nicht Mary«, entgegnete Fortune, »sondern Fortune, Madam, denn meine Mutter hielt es für eine glückliche Fügung, dass sie mich in der Nacht empfing, bevor mein Vater ermordet wurde.«

Jane Anne Devers atmete geräuschvoll ein. Besaß das Mädchen denn keinen Anstand, dass sie Begriffe wie empfangen gebrauchte? Rasch fasste sie sich wieder. »Fortune ist ein ungewöhnlicher Name, meine Liebe, aber wenn Ihr daran gewöhnt seid, dann werden wir Euch natürlich auch so rufen.«

»Ich finde, es ist ein wunderschöner Name«, warf William Devers ein, fasste Fortunes Hand und küsste diese. »Euer ergebener Diener, Mylady Fortune.« Seine hellblauen Augen auf sie geheftet, lächelte er gewinnend, zwei Reihen ebenmäßiger, weißer Zähne entblößend.

»Sir«, antwortete sie, ihn genauso freimütig fixierend. Blaue Augen, kastanienfarbene Haare mit einem sanften Goldschimmer. Zum Glück war er größer als sie – schließlich wusste Fortune, dass sie groß war für ein Mädchen. Sein Gesicht und seine Hände waren gebräunt, also verbrachte er viel Zeit an der frischen Luft. Er schien gut gebaut und trainiert.

»Ich hoffe, ich entspreche Euren Vorstellungen, Mylady«, murmelte er leise und nur für ihre Ohren bestimmt.

»Ihr macht einen guten ersten Eindruck, Sir«, gab sie zurück.

William Devers lachte befreit. Er mochte keine schüchternen oder zimperlichen Frauen, aber genau das hatte er erwartet. Diese Fortune Lindley erstaunte ihn. Er fand es wesentlich amüsanter, eine Wildkatze zu zähmen, als sich mit einem Schoßhündchen abzugeben; auch wenn sein Vater ihm immer wieder erklärt hatte, dass eine Frau vergöttert, beschützt und nach den Vorstellungen ihres Gemahls geformt werden müsse. Dies stellte Shane Devers sich indes wesentlich vergnüglicher vor, wenn die besagte Dame temperamentvoll wäre. Und Fortune Lindley war augenscheinlich ein feuriges Füllen.

»Was haltet Ihr von einem Begrüßungstrunk?«, fragte Jasmine in die Runde. »Adali, bitte lass ein Fässchen von dem roten Archambault anstechen. Er reift nun schon seit einigen Jahren in unserem Weinkeller und müsste hervorragend sein. Und bring uns etwas Gebäck.«

Adali verbeugte sich. »Sehr wohl, meine Prinzessin.« Dann huschte er hinaus.

»Euer Diener«, erkundigte sich Jane Devers, unfähig, ihre Neugier zu bezähmen, »er ist ein Fremder?«

»Adali ist seit meiner Geburt bei mir. Er ist halb Inder und halb Franzose. Ich wurde in Indien geboren. Wenn Ihr Adali für fremdländisch haltet, dann stamme auch ich aus einem fernen Land, denn mein Vater war der Herrscher von Indien, Akbar der Großmogul, meine Mutter eine englische Adlige irischer Abstammung. Sie war seine vierzigste und letzte Gattin. Ich kam mit sechzehn Jahren nach England und war bereits Witwe. Mein zweiter Mann war Fortunes Vater, der Marquis von Westleigh, und der Herzog ist mein dritter Gemahl. Unsere Eheschließung wurde von König James und Königin Anne arrangiert, Gott sei ihren guten Seelen gnädig«, schloss Jasmine. So! Daran sollte Lady Jane genug zu knabbern haben.

Aber so leicht gab Jane Devers nicht auf. »Drei Ehemänner, meine Güte! Ich fand immer, einer sei schon mehr als genug, Madam. Wie viele Kinder habt Ihr denn noch außer Fortune?« Wieder lächelte sie zu der jungen Frau.

»Also«, überlegte Jasmine, und James Lesley hielt den Atem an, da er ihren durchtriebenen Blick bemerkte. »Drei von Lindley, zwei Mädchen und einen Jungen; drei Jungen und ein Mädchen, das gestorben ist, von meinem Jemmie.« Sie bedachte ihren Gemahl mit einem zärtlichen Blick. »Ach, und natürlich mein Sohn von dem verstorbenen Prinzen Henry. Er war mein Geliebter zwischen meinem zweiten und meinem dritten Gatten. Ein reizender junger Mann, soweit ich mich entsinne. Unser Sohn, Charlie Stuart, ist der Herzog von Lundy.«

»Ihr habt einen Bastard zur Welt gebracht?«, empörte sich Jane Devers entsetzensbleich.

»Madam!«, blaffte ihr Gemahl, bestürzt über ihre Ausdrucksweise.

»Die königlichen Stuarts haben noch nie mit ihren Gunstbeweisen gegeizt, nicht wahr, Jemmie?« Jasmine strahlte ihn an. »Überdies wird kein Abkömmling eines Stuart als minderwertig erachtet. Der König vergöttert seinen Neffen, Lady Jane. Charlie geht am Hof ein und aus und wird von der königlichen Familie genau wie jeder andere Stuart behandelt. Sein Großvater war so froh über seine Geburt – er war das erste Enkelkind des verblichenen Monarchen –, dass er die Grafschaft meines Großvaters de Marisco in ein Herzogtum umzuwandeln gedachte, sobald Charlie sein Erbe anträte, und so ist es auch geschehen. Ah, Adali. Kommt, Lady Jane, Sir Shane. Dieser Wein stammt von dem Gut der Familie meines Großvaters de Marisco in Frankreich.«

William Devers’ Augen funkelten vor Belustigung. Er hoffte nur, dass seine zukünftige Frau genauso amüsant wäre wie ihre Mutter. Er hätte beinahe laut aufgelacht, als seine Mutter, die Regeln des guten Anstands verletzend, den ihr gereichten Silberkelch nahm und einen ordentlichen Schluck trank, bevor ein Toast ausgesprochen war. Zeit seines Lebens hatte er versucht, sie aus der Fassung zu bringen – es war ihm nie geglückt. Selbst sein älterer Bruder Kieran vermochte es nicht, sie in der Öffentlichkeit zu provozieren. Absolut grandios, die Talente seiner zukünftigen Schwiegermutter!

»Auf die Kinder«, sagte Jasmine, ihren eigenen Kelch hebend. »Wir wollen hoffen, dass sich diese Verbindung in der Tat als eine Fügung des Himmels erweist.«

»Auf die Kinder«, wiederholten Sir Shane und der Duke of Glenkirk.

Zögernd hob Jane Devers ihren Weinpokal. Sie war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob sie diese Lady Fortune Lindley wirklich zur Schwiegertochter haben wollte. Ihr eigener Bruder hatte eine reizende Tochter, Emily Anne Elliot, die hervorragend zu William passen würde. Gott sei Dank war noch nichts unterzeichnet! Sie hatte noch Zeit, ihren geliebten Jungen vor dieser verhängnisvollen Fehlentscheidung zu bewahren. Kein Geld der Welt konnte eine Schwiegertochter wettmachen, deren schamlose Mutter einen Bastard geboren hatte! Dann presste sie leise stöhnend eine Hand auf ihr Herz, da der Priester in Begleitung von Reverend Steen den Saal betrat.

»Cousin!«, rief Jasmine. »Komm und trink Wein mit uns. Ihr auch, Reverend. Adali, zwei weitere Pokale.«

»Cousin? Shane! Sie hat den Priester ihren Cousin genannt!«, zischelte Lady Jane ihrem Gemahl verzweifelt zu. »Wenn sie Protestantin ist, wie kann sie dann einen katholischen Priester zum Cousin haben?«

»Ich war auch katholisch, bevor ich dich geheiratet habe, meine Liebe«, erinnerte er sie. »Viele dieser angloirischen Familien setzen sich aus katholischen und protestantischen Angehörigen zusammen. Reg dich nicht unnötig auf, Jane. Soweit ich sehe, ist sie genau die Richtige für unseren William Schau, er und das Mädchen kommen recht gut miteinander aus. Er wird sie im Sturm erobern, meine Liebe.«

»Ich bin mir nicht mehr sicher bei diesem Mädchen. Die lose Moral ihrer Mutter gibt mir zu denken. Vielleicht wäre Emily Anne doch besser geeignet für meinen William. Was, wenn diese Fortune Lindley so ist wie ihre Mama? Ich darf gar nicht daran denken, wie unglücklich sie unseren Sohn machen würde.«

»Zugegeben, das Mädchen ist ein Energiebündel, aber es ist doch nicht verwerflich, wenn junge Menschen temperamentvoll sind, Jane«, antwortete er.

»Wieso vermochte sie weder in England noch in Schottland einen Gemahl zu finden? Beantworte mir das, Shane! Vielleicht hat sie bereits einen schlechten Ruf, um den wir hier in der Provinz nicht wissen. Und wenn wir davon erfahren, ist es zu spät!« Aufgebracht leerte sie ihren Pokal.

»Adali, noch etwas Wein für Lady Jane«, sagte Jasmine betont freundlich.

»Sei nicht so hart zu ihr«, murmelte James Leslie liebevoll zu seiner Frau. »Du hast die Ärmste schon ganz schön in die Knie gezwungen.«

»Es ist ein Fehler«, zischte Jasmine. »Ich möchte nicht, dass meine Tochter den Sohn dieser Frau heiratet. Du weißt ja gar nicht, was ich heute Morgen erfahren habe.«

»Du wirst es mir sicherlich noch verraten«, schmunzelte der Herzog. »Vergiss Lady Jane, Schätzchen, und konzentrier dich auf deine Tochter. Sie und der junge William kommen ganz gut miteinander aus. In ein paar Monaten wird sie zwanzig, und sie hat bereits ein halbes Dutzend überaus achtbarer junger Männer in England und in Schottland abgewiesen. Jeder von ihnen trug einen Titel! Wenn ihr dieser junge Mann hier gefällt, dann soll es eben so sein.«

»Wir werden sehen«, seufzte Jasmine, ihr Augenmerk in der Tat auf William Devers und ihre Tochter geheftet. Bis auf die hellblauen Augen hatte er keinerlei Ähnlichkeit mit seiner Mutter. Zum Glück, fand Jasmine. Er war offenbar recht charmant, aber davon ließ Fortune sich gewiss nicht beeindrucken. Wie dem auch sein mochte, sein Interesse an dem Mädchen schien aufrichtig, und Jemmie hatte freilich Recht. Fortune hatte sich ungeahnt kritisch verhalten bei der Wahl eines Gemahls. Ich werde ihnen ein Haus in England kaufen, entschied Jasmine. Sie müssen ja nicht unbedingt hier auf Erne Rock leben. Vielleicht irgendwo in der Umgebung von Queen’s Malvern, oder bei Cadby, wo Henry seinen Adelssitz hat. Dann könnte ich sie jedes Jahr sehen und Fortune genauso zur Seite stehen wie India. Das ist es! Zur Vermählung werde ich ihnen ein wunderschönes Anwesen in England schenken, zusätzlich zu Maguire’s Ford.

»Du hast wieder diesen seltsam entrückten Blick«, stellte ihr Gemahl fest. »Was führst du jetzt wieder im Schilde, Jasmine, mein Schatz?«

»Ach nichts«, murmelte sie zurück. »Ich überlege mir gerade, wie ich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden kann, Jemmie.«

»Der Allmächtige stehe uns bei«, seufzte er.

Einmal mehr verwandelte Jasmine sich in die perfekte Gastgeberin. »Werte Lady Jane«, hob sie an, »natürlich kennt Ihr unseren guten Samuel Steen. Und dies ist mein Cousin, Pater Cullen Butler.«

»Mylady.« Der Priester verbeugte sich höflich.

Sie nickte knapp und wandte sich dann ab.

»Schön, Euch wieder zu sehen, Shane Devers.« Cullen Butler ging über die Blasiertheit der Frau hinweg. Er wusste um ihren Ruf und war nicht im Geringsten verstimmt. Wie quälend musste es für sie sein, mit ihm im selben Raum zu sitzen, dachte er boshaft. Ich muss mich für meine üble Gesinnung bestrafen, beschloss er. Drei Ave Maria mindestens.

»Vater«, begrüßte ihn Sir Shane, »vermutlich habt Ihr Kieran in letzter Zeit einmal gesehen.« Es klang beinahe bitter.

»Gewiss, ich sehe ihn«, lautete die Antwort. Müßig, Salz in diese Wunde zu streuen. Er war nicht verantwortlich für Kieran Devers’ Entscheidungen, genauso wenig wie die Kirche.

»Die jungen Leute scheinen gut miteinander auszukommen«, bemerkte der Reverend aufgeräumt.

»Ganz recht«, pflichteten ihm die Umstehenden bei.

»Die beiden sind ein schönes Paar, nicht wahr?«, fuhr Reverend Steen Fort.

Zustimmendes Gemurmel schloss sich dieser Feststellung an.

»Zu einer guten Beziehung sollte mehr gehören als nur zwei hübsche Gesichter«, sagte Lady Jane scharf.

»Da bin ich voll und ganz Eurer Meinung«, betonte Jasmine.

»Vielleicht«, warf Cullen Butler ein, »würde Lady Fortune Master William gern zu einem Ausritt über das Gut einladen.«

»Eine gute Idee!«, befand Fortune. Sir Shane dünkte sie ein angenehmer Zeitgenosse, für Lady Jane indes mochte sie sich trotz aller Schmeicheleien nicht erwärmen. Sie wartete nur auf die Gelegenheit, mit dem attraktiven William Devers allein zu sein, um herauszufinden, ob er ihr gefiele. Ob der Funke zwischen ihnen überspringen könnte. »Habt Ihr Lust, mit mir auszureiten?«, fragte sie ihn.

»Ich habe kein Pferd, wir sind mit der Kutsche hier.« In seiner Stimme schwang Enttäuschung.

»Wir haben massenhaft Pferde«, lachte Fortune. »Adali, lass zwei Pferde für uns satteln, Ich werde mich nur eben umziehen gehen. Es ist dir doch Recht, Mama?«

»Aber gewiss doch.« Jasmine nickte zustimmend, hatte sie doch Verständnis für das Ansinnen ihrer Tochter.

Fortune stürmte aus der Halle, kehrte wenige Minuten darauf zurück und rief William Devers zu: »Nun kommt schon, William!« Dann war sie wieder verschwunden.

Er folgte ihr und grinste, da er noch eben mitbekam, wie seine Mutter ihr Entsetzen über Fortunes Reitkostüm bekundete.

»Eure Tochter reitet im Herrensattel? In Hosen?«

William hörte die Antwort der Herzogin nicht mehr, vermutete jedoch, dass sie kurz und bündig wäre. Er jedenfalls fand Fortunes Reithosen überaus anziehend. Sie waren nicht weit, sondern ziemlich eng anliegend, betonten ihre wohlgeformten Beine und ihre Kehrseite. Dazu trug sie ein ärmelloses dunkelblaues Seidenwams über einer weißen Bluse mit Ballonärmeln. Das Ganze war recht apart.

Der Stallbursche führte zwei Pferde am Zaumzeug, einen prächtigen Apfelschimmel, den Fortune sogleich bestieg. Das andere Tier war ein großer, kräftiger, schwarz glänzender Wallach. William nahm die Zügel in Empfang und schwang sich in den Sattel.

»Er heißt Oberon«, rief Fortune William zu. »Kommt! Folgt mir!

Er trabte hinter ihr über den kleinen Burghof, über die Zugbrücke und durch das Dorf, bis er schließlich zu ihr aufschloss. »Ihr reitet keine Stute?«

»Nein, Rory Maguire, unser Gutsverwalter, findet, dass Thunder und ich wie füreinander geschaffen sind. Ich mag temperamentvolle Pferde wie dieses. Reitet Ihr gern?«

»O ja. Über Rechnungsbüchern brüten, wie mein Vater es tut, macht mir keinen Spaß.«

»Dafür haben wir einen Gutsverwalter«, meinte Fortune.

»Habt Ihr denn nicht Bedenken, dass er Euch bestehlen könnte? Immerhin ist er ein Ire.«

»Genau wie Ihr«, gab sie zurück. »Zumindest väterlicherseits.

»Ich habe mich immer als Engländer gesehen.«

»Ihr wurdet in Irland geboren. Ihr lebt in Irland. Euer Vater ist Ire. Also seid Ihr Ire«, entgegnete Fortune mit entwaffnender Logik. »Meine Herkunft ist dagegen etwas komplizierter. Mein Vater war Engländer. Mein Stiefvater ist Schotte. Meine Mutter ist Halbinderin, halb irischer, englischer und französischer Abstammung. Ich bin die Nichte des derzeitigen Großmoguls, und meine Leslie-Halbbrüder sind mit dem osmanischen Sultan verwandt. Wir haben einen ausgesprochen verwirrenden, verworrenen, umfassenden und unübersichtlichen Familienstammbaum, William Devers.«

»Ihr seid überaus faszinierend«, sagte er. »Ich habe noch nie ein Mädchen wie Euch getroffen. Warum wollt Ihr mich heiraten?«

»Ich weiß gar nicht, ob ich das will«, gestand Fortune freimütig. »Ich muss noch den Mann finden, den ich liebe, denn eine Liebesheirat setze ich voraus. Vermutlich klingt das alles sehr romantisch und töricht, aber so empfinde ich eben, William Devers.«

Meine Freunde nennen mich Will«, meinte er gedehnt. »Ich hoffe, Ihr werdet Euch in mich verlieben, Fortune, denn ich glaube, ich fühle mich bereits sehr zu Euch hingezogen. Ihr seid so lebhaft und unternehmungslustig!«

»Wie schön, das aus Eurem Munde zu hören, Will.« Sie lächelte und rief dann: »Oh, schaut doch! Das ist der Baum, an dem meine Mutter den Mörder meines Vaters hat aufknüpfen lassen. An diesem Ast hier.« Sie deutete darauf. »Es heißt, dass meine Mutter gnadenlos befohlen hat, ihn mit dem Gürtel meines Vaters daran aufzuhängen, und dass sie zugesehen hat, wie er starb. Eigentlich wollte er Mama töten. Sie und Vater waren ausgeritten und machten eine kurze Rast, um mit meiner Schwester India zu plaudern, die damals noch ein kleines Mädchen war. Sie wollte auf Mamas Pferd gehoben werden, und gerade als Mutter sich zu ihr hinunterbeugte, wurde der Schuss abgefeuert. Mein Vater starb an ihrer Statt. Die Männer kamen von den Feldern gestürzt, weil sie den Feuerstrahl einer Muskete wahrgenommen hatten. Sie rannten so schnell sie konnten und überwältigten den Übeltäter. Es war der frühere Gutsverwalter, den Mama entlassen hatte, und er gestand rundheraus, dass er ihr nach dem Leben getrachtet habe.«

»Warum hatte sie ihn entlassen?« William war neugierig.

»Er war ein grausamer, scheinheiliger Mensch. Er hat die Dorfbewohner von Maguire’s Ford vertrieben, weil sie Katholiken waren und er dort ausschließlich Protestanten ansiedeln wollte. In seinen Augen war Mama viel zu fortschrittlich für eine Frau und mein Vater von ihr besessen.«

»Ihr haltet es für nicht richtig, die Katholiken zu vertreiben.« Das war eine Feststellung.

»Nein, gewiss nicht. Warum sollte man ehrliche, hart arbeitende Menschen aus ihren Häusern verjagen, nur weil sie andersgläubig sind?«, gab Fortune zu bedenken.

»Sie würden uns töten, wenn sie Gelegenheit dazu hätten«, erwiderte er.

»Das weiß ich, aber Ihr würdet nicht anders handeln«, ereiferte Fortune sich. »Meint Ihr, ich bin ein Hohlkopf, Will Devers? Auf beiden Seiten ist Rachsucht und Frömmelei mit im Spiel. Ich kenne das Problem und glaube, die Engländer wären gut beraten, wenn sie Irland regierten und alle in Frieden leben ließen. Aber nein, sie müssen immer ihre Belange durchsetzen, und dagegen wehren sich die Iren aufs Härteste. Völlig verrückt.«

»Für ein junges Mädchen seid Ihr sehr gut informiert, bemerkte er, als sie sich von dem Galgenbaum entfernten.

»Schätzt Ihr es denn nicht, wenn eine Frau gebildet ist, Will?«

»Mir hat man immer vermittelt, dass der Platz einer Frau im Haus ist, wo sie über Gesinde und Kinder wacht. Sie ist verantwortlich für deren Wohlergehen, und sie hat ihren Gemahl in jeder Hinsicht zu erfreuen und ihm ein friedliches Heim zu bereiten.«

»Muss eine Frau für all das ungebildet sein?«, fragte Fortune todernst. Sie ließ ihn nicht aus den Augen, gespannt, ob er auch wahrheitsgetreu antwortete.

»Meine Mutter hat meine Schwestern in sämtlichen Haushaltsdingen unterwiesen«, setzte er an.

»Können sie lesen? Oder rechnen? Oder andere Sprachen sprechen als ihre eigene? Kennen sie die Geschichte ihres Landes, wissen sie, wo die Neue Welt auf der Landkarte verzeichnet ist? Können sie die Sterne am nächtlichen Himmel benennen, Will?« Fortune harrte seiner Antwort.

»Wozu sollte all das gut sein?«, überlegte er laut.

»Wenn man nicht lesen und schreiben kann, wie kann man da die Haushaltsbücher führen? Wenn man des Rechnens nicht kundig ist, wie kann man dann sicher sein, dass der Verwalter einen nicht betrügt? Wenn man fremde Sprachen kennt, vermag man mit den Franzosen, den Italienern, den Deutschen zu plaudern. Kurzum, es ist doch vergnüglich, sich Wissen anzueignen, Will. Wissen ist Macht. Alle Frauen in meiner Familie haben Unterricht genossen. Und so gedenke ich auch mit meinen Söhnen und Töchtern zu verfahren. Ihr könnt doch lesen und schreiben, oder?«

»Aber natürlich!«, erwiderte er hastig. »Meine Schwestern indes nicht. Mary, Colleen und Lizzie sind bereits verheiratet. Sie brauchen kein solches Wissen, wie Ihr es beschreibt. Meine Mutter ganz bestimmt nicht. Sie war das einzige Kind meines Großvaters Elliot und hat alles geerbt. Mein Vater suchte eine Erbin als Ehefrau, da er zwar viel Land, aber kaum Geld besaß. Und meinem Großvater schwebte ein Schwiegersohn mit viel Grundbesitz und Vieh vor. So werden Ehen gestiftet, Fortune. Da spielt es keine Rolle, ob die Braut gebildet ist oder nicht. In erster Linie ist es ihre Mitgift und dann ihr Charme, mit dem sie sich einen Gemahl angelt.«

»Ich ziehe es trotzdem vor, eine gebildete Frau zu sein. Die Ehemänner in meiner Familie stromern nicht herum, weil ihre Frauen viel zu interessant sind, im und auch außerhalb des Schlafgemachs«, brüstete sich Fortune stolz. »Es wird gemunkelt, dass Euer Vater eine Mätresse hat.«

Er errötete. »Junge Damen sollten über solche Dinge nicht reden, geschweige denn davon wissen.« Dann schmunzelte er. »Ihr nehmt kein Blatt vor den Mund, was?«

»Hättet Ihr mich gern anders? Spröde und affektiert, wie so viele Mädchen auf der Jagd nach einem Gemahl?«, forschte sie.

»Nein«, antwortete er zu seiner eigenen Verblüffung, denn ihm gefiel ihre Offenheit. Seiner Mutter gewiss nicht, aber schließlich war es auch nicht ihre Lebensentscheidung, sondern seine. Ein Mädchen wie diese Fortune Mary Lindley hatte er freilich noch nie getroffen, und sie faszinierte ihn doch außerordentlich. »Wie alt seid Ihr?«, fragte er sie.

»Neunzehn. Und Ihr?«

»Dreiundzwanzig.«

»Seht Ihr den Hügel dort?«, fragte sie. »Kommt, wir machen ein Wettrennen!« Und fort war sie mit ihrem Wallach, wie eine Amazone galoppierte sie durch das Gelände. Ihr Haar löste sich aus dem Nackenknoten und umwehte sie ungestüm.

William Devers nahm die Verfolgung auf. Diese rothaarige Schönheit mit der unverblümten Ausdrucksweise faszinierte ihn nicht nur, sie erregte ihn. Er konnte die Hochzeitsnacht kaum erwarten, denn er hatte bereits entschieden, dass sie seine Gemahlin werden würde. Selbst wenn sie völlig mittellos wäre, würde er sie begehren. Unter diesen Umständen vielleicht nicht als Ehefrau, aber dennoch würde er sie besitzen wollen.

Fortune machte keinerlei Anstalten, ihn das Wettrennen gewinnen zu lassen. Das war nicht ihre Art. Sie spielte, um zu gewinnen. Thunder flog über den Waldboden, indes gewahrte sie, dass der schwarze Wallach dicht hinter ihr war. Der nasskalte Wind schlug ihr unangenehm ins Gesicht. Der Himmel verfinsterte sich, und es würde bald regnen, überlegte Fortune, als Thunder den höchsten Punkt der Anhöhe erreichte und unvermittelt auf einen weiteren Reiter traf, der aus entgegengesetzter Richtung gekommen war. Die beiden Pferde hielten abrupt an.

»Kieran!«, hörte sie William Devers, der hinter ihr den Gipfel erstürmte. »Das ist Lady Fortune Lindley. Fortune, dies ist mein Halbbruder, Kieran Devers.«

Der Reiter, groß, schlank und dunkelhaarig, musterte sie unverhohlen. »Ihr seid eine anziehende Range, wie ich sie nur selten gesehen habe«, sagte er und streckte seine Hand aus, um eine Locke ihres flammend roten Haars zu erhaschen.

»Und Ihr seid ein verblendeter Narr, wie ich gehört habe«, erwiderte Fortune ärgerlich.

Lachend wandte er sich an William: »Und, akzeptiert deine Mutter sie, Willy?«

»Sie akzeptiert meine Mitgift«, konterte Fortune, »aber Ihr seid zu voreilig, Master Devers, denn das Verlöbnis ist noch nicht arrangiert. Es wird erst stattfinden, wenn ich es will.«

»Heirate sie nicht, Willy«, riet dessen älterer Bruder. »Sie ist eine Nummer zu groß für dich, das sehe ich.« Dann lachte er wieder, da er Fortunes bitterböse Miene gewahrte. »Ich denke, deine Cousine Emily Anne Elliot passt besser zu dir als diese Wildkatze.«

»Kieran!«, sagte William scharf. Er wandte sich zu Fortune, das Gesicht zornesrot. »Mein Bruder beliebt zu scherzen. Er hat einen recht eigenwilligen Sinn für Humor. Bitte, seht es ihm nach. Er meint es nicht böse.«

»Gewiss nicht«, betonte Kieran Devers mit einem süffisanten Lächeln in ihre Richtung. »Ganz bestimmt nicht, Mylady Fortune.«

Sie funkelte ihn an, entdeckte das durchtriebene Glitzern in seinen Augen. Dunkle Augen. Tiefgrüne Augen. Und er sah verflixt gut aus. Anziehender noch als sein jüngerer Bruder. Er hatte etwas Draufgängerisches an sich, verglichen mit Wills wohlerzogenen Manieren. Sie wäre nie auf die Idee gekommen, die beiden für Brüder zu halten – Halbbrüder, korrigierte sie sich. William Devers hatte viel Ähnlichkeit mit seinem Vater. Groß, stattlich und muskulös, mit den hellblauen Augen und den kastanienfarbenen Haaren der Mutter. Er hatte eine wohlgeformte Nase, schmale Lippen und auseinander stehende Augen in einem vollen Gesicht. Sein Bruder Kieran war hingegen noch reckenhafter, mit einem schmalen Gesichtsoval, energischer Kinnpartie, sinnlichen Lippen und einer Nase, als wäre sie aus Granit gemeißelt. Er wirkte schroff und abweisend, wohingegen sein Halbbruder der Inbegriff des zivilisierten Gentlemans zu sein schien. Ein Mann wie Kieran Devers konnte einem ganz schön gefährlich werden.

»Kieran, wieso bist du hergekommen?«, erkundigte sich William.

»Ich dachte, es wäre der Sache vielleicht förderlich, wenn wir die glückliche Familie mimen. Dann könnte sich der Duke of Glenkirk vergewissern, dass mich die Ländereien unseres Vaters weiß Gott nicht interessieren. Sie gehören dir, meinen Segen hast du, kleiner Bruder. Mylady«, wandte er sich an Fortune, »dann steht William Devers wenigstens nicht mittellos da bei seiner reichen Erbin. Zufrieden?« Die grünen Augen maßen sie spöttisch.

»Sein Vermögen bedeutet mir nichts«, empörte sich Fortune. »Mit meinem eigenen Geld könnte ich den Besitz der Devers’ aus Lisnaskea gleich mehrfach erwerben. Ich suche einen Mann, den ich lieben kann, Ihr ungeschlachter Flegel!« Darauf riss sie Thunders Kopf herum und galoppierte in Richtung Burg.

»Ui! Welch ein Temperamentsbündel!«, meinte Kieran Devers bewundernd. »Du darfst dich glücklich schätzen, wenn du sie für dich gewinnst, Willy. Rotes Haar und heißblütig! Sie ist gewiss eine Tigerin im Bett, du Satansbraten. Ich wage zu bezweifeln, ob du sie überhaupt verdienst. Deiner Mama gefällt sie gewiss nicht. Sie zieht Emily Anne vor, da bin ich sicher, aber die bedauernswerte Emily Anne ist leider keine reiche Erbin, nicht wahr?«, feixte er.

»Fortune ist das hübscheste Mädchen, das ich je gesehen habe, und so verdammt gebildet. Sie sagt immer, was sie denkt«, meinte William.

»Ist mir schon aufgefallen«, erwiderte Kieran mit einem kleinen Lächeln.

Die beiden Brüder ritten den Bergrücken hinunter und über die Felder zurück ins Dorf. Sobald sie die Hauptstraße von Maguire’s Ford erreichten, riefen etliche junge Frauen Kieran Devers Grußworte zu, und er begrüßte sie alle mit Namen, lächelnd und immer einen Scherz auf den Lippen. William hob fragend eine Braue. Er hatte gar nicht gewusst, dass Kierans Eskapaden, wie seine Mutter sie umschrieb, sich auch auf Maguire’s Ford erstreckten. Im Burghof wurde Kieran von einem rothaarigen Herrn begrüßt.

»Kieran, mein Junge, wie geht’s?«, wollte Rory Maguire wissen. »Und dies muss Euer jüngerer Bruder sein. Angenehm, Master William, ich bin Rory Maguire, der Gutsverwalter Ihrer Hoheit, der Herzogin.«

»Rory, Ihr seht wie immer fabelhaft aus, und ja, das ist der kleine Willy«, erwiderte Kieran Devers und saß ab.

»Vorhin wart Ihr nicht im Saal«, meinte William.

»Nein, Sir. Aus Respekt vor den Gefühlen Eurer Mutter, denn wir wissen doch, wie sie empfindet. Ich dachte mir, Pater Cullen, der Cousin von Lady Jasmine, ist bereits das Höchstmaß dessen, was sie erträgt.« Er zwinkerte verschmitzt.

William Devers lachte. »Ganz recht«, bekräftigte er. Er entschied, dass er diesen Burschen Maguire mochte. Seine Mutter hatte freilich gesagt, dass, sobald er Herr auf Erne Rock wäre, sein Cousin, James Dundas, sich hervorragend als Gutsverwalter eigne, und James war ein guter Protestant. Gleichwohl, Fortune hatte ihn zum Nachdenken gebracht mit ihrer Frage, warum man gute, fleißige Menschen einzig wegen ihrer Religion diskriminieren solle. James Dundas hatte keine Ahnung von Pferden und fürchtete sich offen gestanden sogar vor ihnen. Er wäre ein erbärmlicher Verwalter auf einem Gestüt wie diesem. William glitt aus dem Sattel und murmelte: »Komm schon, Kieran, wir wollen Mutter überraschen.« Wieder prustete er vor Lachen.

Jane Anne Devers war in der Tat überrascht, als ihr Stiefsohn in Begleitung seines Halbbruders den Rittersaal betrat. Immerhin war er manierlich gekleidet und schien guten Mutes. Sie hoffte inständig, dass er nicht mit irgendwelchen kleinen Gemeinheiten aufwartete. »Kieran, mein lieber Junge«, säuselte sie, als er zu ihr trat.

»Madam, bezaubernd wie eh und je.« Kieran Devers verbeugte sich vor Lady Devers und küsste ihre Hand. Darauf verbeugte er sich genauso galant vor der Herzogin von Glenkirk, die neben seiner Stiefmutter saß. »Ich bin Kieran Devers, Mylady. Ich hoffe, Ihr seht mich nicht als Eindringling, doch meine Neugier war einfach zu groß, verzeiht mir. Ich bin gekommen, um das Werben meines Bruders William um Eure reizende Tochter zu unterstützen, die ich unlängst kennen lernen durfte.« Er küsste Jasmines Hand.

»Herzlich willkommen auf Erne Rock, Kieran Devers«, begrüßte sie ihn. »Adali, bring Master Devers einen Pokal mit Wein. Ihr bleibt doch, Sir?« Jasmine wies ihm einen Sessel am Kamin zu. Er ist ein attraktiver Teufel, dachte sie dabei im Stillen. Was hat er vor? Oder ist er wirklich nur neugierig? Sie lächelte ihm zu. »Seid Ihr schon einmal auf Erne Rock gewesen? Wie ich hörte, war Eure Mutter vor ihrer Eheschließung mit Eurem Vater eine Maguire.«

»Dies ist mein erster Besuch«, erwiderte Kieran. »Habt Dank«, wandte er sich an Adali, der ihm ein Tablett mit einem Weinkelch anbot.

»Wir haben Kieran auf unserem Ausritt getroffen«, warf William ein.

»Das hat er bereits dargelegt, liebster William«, bemerkte Lady Jane nachsichtig. Gute Güte! Musste William sich ausgerechnet vor der Herzogin wie ein hirnloser Tölpel gebärden? »Ich bin sicher, er kann nicht bleiben, vor allem nachdem seine Neugier jetzt befriedigt ist. Wo ist Fortune?«

»Unfug! Euer Stiefsohn muss wenigstens über Nacht bleiben«, wandte Jasmine ein. »Ich bin für meine Gastfreundschaft bekannt, meine geschätzte Lady Jane. Ein Familienfest wäre doch ganz reizend. Ich hoffe doch, zu gegebener Zeit auch Eure Töchter kennen zu lernen.«

»Colleen ist als Einzige in Irland«, erwiderte Lady Jane. »Mary und meine Bessie leben in England auf den Anwesen ihrer Gatten. Colleens Gemahl besitzt außerhalb von Dublin, im östlichen Irland, ein kleines Gut. Sie wird als Einzige zur Hochzeit kommen können.«

»Wenn es eine Hochzeit gibt«, versetzte Jasmine.

Kieran Devers gewahrte, wie seine Stiefmutter blass wurde. Dann war es also noch nicht beschlossene Sache, wie Jane Anne Devers geprahlt hatte. Interessant. Immerhin, die junge Dame war ausgesprochen begehrenswert, allein schon wegen ihres Reichtums, ganz zu schweigen von ihrer Schönheit; indes war Jane Anne sicher gewesen, dass die Leslies allein deshalb nach Irland kämen, weil sie aus irgendeinem unerfindlichen Grund in England keinen Bräutigam für ihre Tochter gefunden hatten. Wollte man seiner Stiefmutter glauben, dann war ein Engländer ohnedies am erstrebenswertesten als Gemahl. Sie hatte englische Ehegatten für seine ältere Schwester Moire gefunden, die sie seit der Heirat mit seinem Vater stets Mary rief, und auch für Bessie, ihre eigene Tochter. Bei Colleen war ihr das nicht geglückt, denn diese hatte sich in Sir Hugh Kelly verliebt. Allerdings hatte Hugh eine englische Mutter und er war Protestant, und deshalb hatte Jane Anne dieser irischen Eheschließung letztlich ihren Segen gegeben.

»Natürlich wird es eine Hochzeit geben«, entgegnete William lächelnd. »Ich beabsichtige, Fortune ganz und gar für mich zu gewinnen. Sie ist ein wunderbares Mädchen, und ich bete sie an!«

»Wen betet Ihr an?«, erkundigte sich Fortune, die in ihrem lindgrünen Gewand den Saal betrat, ihr Haar sorgsam frisiert unter einem hübschen goldfarbenen Netz.

»Euch natürlich, wen sonst?«, meinte William naiv.

Fortune lächelte. »Ihr seid ein Narr, Will Devers«, schalt sie ihn, indes in sanftem Ton, wie Kieran bemerkte.

Na denn, Brüderchen, lass deinen Charme spielen, dachte er bei sich. Doch als er abermals zu Fortune Lindley blickte, die sich von einem zerzausten Wildfang in eine elegante junge Dame verwandelt hatte, schwante ihm schlagartig, dass sie in der Tat eine Nummer zu groß für seinen jüngeren Bruder wäre. Eine Eheschließung zwischen den beiden würde William in eine unhaltbare Position drängen. Er wäre hin- und hergerissen zwischen seiner energischen Mutter, die immerfort über ihn bestimmt hatte, und einer eigenwilligen jungen Ehefrau, die ihr Leben offenbar hervorragend meisterte und das auch von ihm erwarten würde. Die unausbleibliche Fehde zwischen den beiden Frauen würde seinen Halbbruder, einen wirklich umgänglichen, netten jungen Mann, innerlich zermürben.

Aha, meldete sich eine innere Stimme zu Wort, also das nimmst du zum Vorwand. Gib es ruhig zu, Kieran Devers, diese Lady fasziniert dich, und du möchtest sie für dich gewinnen. Nun, du könntest sie vom Fleck weg haben, wenn sie nichts als die Kleider am Leib besäße. Aber so ist es nun einmal nicht, was? Sie ist eine reiche Erbin und empfindet sich womöglich als zu fein für deinesgleichen. Fortune Lindley ist eine stolze Jungfer, aber auch eine Romantikerin. Sie hat in deinem Beisein betont, dass sie nur aus Liebe heiraten würde, aus keinem anderen Grund, sagte die innere Stimme. Aber er, der Habenichts, könnte niemals eine Erbin ehelichen. Andere Männer vielleicht schon, aber wenn Lady Fortune Lindley ihren Stolz hatte, dann Kieran Devers nicht minder.

»Williams Bruder wird über Nacht unser Gast bleiben«, erklärte Jasmine ihrer Tochter. »Ist das nicht reizend, Liebes?«

Fortune sagte nichts, sondern lächelte nur schwach. Ihr Blick indes bekundete, dass sie das alles andere als reizend fand. Wie konnte dieser Eindringling es wagen, sich in ihre kleine Gruppe zu stehlen, wo sie doch unbedingt mehr über William erfahren wollte? Fortune war kreuzunglücklich. William Devers schien ihr ein netter junger Mann, aber er hatte derart altmodische Ansichten, eine grässliche Mutter und einen Draufgänger zum Bruder. Er versetzte ihr Herz nicht in Schwingungen, wie sie das von der Liebe ihres Lebens erwartet hatte. Sein älterer Bruder weckte mehr Gefühle in ihrer Brust als Will.

Fortune seufzte. Heiliger Strohsack! Sie sah verstohlen zu Kieran Devers, der ihren Blick peinlicherweise auffing und ihr zuzwinkerte. Eine tiefe Röte schoss in ihre Wangen, und sie senkte rasch den Kopf. Es war undenkbar! Kieran Devers war völlig unpassend, schlimmer noch, er war ein praktizierender Katholik. Will Devers war ihm bei weitem vorzuziehen als Ehekandidat. Eines Tages würde er das väterliche Erbe antreten, und wenn er auch ein bisschen hinterwäldlerisch war, das würde sie ihm schon austreiben. Weder in Schottland noch in England hatte sie einen Gemahl gefunden. Und in ein paar Monaten würde sie zwanzig werden. Wenn nicht William Devers, wer dann?, sinnierte Fortune. Ganz gewiss nicht dieser dunkeläugige Draufgänger – sein Halbbruder.

Kieran Devers war kein verlässlicher Mensch, dessen war sie sicher. Schließlich hatte er das väterliche Erbe ausgeschlagen, und das einzig aus religiösen Beweggründen. Welcher Mann konnte ein solcher Narr sein? Ein aufrichtiger, meldete sich zaghaft ihr Gewissen zu Wort. Das mag ja sein, dachte Fortune bei sich, aber ich will kein so turbulentes Dasein, dass ich nie weiß, was der nächste Tag bringen wird. Und ein ebensolches Leben würde eine Frau an der Seite von Kieran Devers führen. Ich suche Beständigkeit und nicht das Abenteuer.

»Mama, darf Will heute Abend beim Nachtmahl neben mir sitzen?«, fragte Fortune ihre Mutter in einschmeichelndem Ton. Je eher sie und William Devers sich näher kamen, umso rascher würden sie heiraten können.

»Natürlich«, erwiderte Jasmine, die sich insgeheim über ihre Tochter wunderte. Sie hatte bemerkt, wie Kieran Devers mit Fortune tändelte – zu deren großer Bestürzung. Die Miene ihrer Tochter war plötzlich so nachdenklich geworden. Worüber hatte sie gegrübelt? Sollte Fortune auf eine Verbindung mit William drängen, obwohl sie sich eigentlich nicht sicher war, konnte das ihre Tochter nur ins Unglück stürzen, schloss Jasmine.

Ich werde William zu ihrer Rechten und Kieran zu ihrer Linken platzieren, entschied Jasmine. Fortune hatte noch unlängst betont, sie werde nur aus Liebe heiraten, obwohl sie eine Eheschließung vordem wesentlich nüchterner betrachtet hatte. Was war mit ihrem praktisch veranlagten, vernunftgeprägten Kind geschehen? Nun, besser sie liebte den Falschen, als dass sie mit dem Richtigen unglücklich würde. Wenn Fortune sich zu Kieran hingezogen fühlte, dann sollte sie sich zu ihren Gefühlen bekennen und nicht den jungen William heiraten, nur weil er die richtige Wahl wäre. Ihre Tochter konnte ein wahrer Dickschädel sein. Außerdem – Jasmine lächelte kaum merklich – war ein solcher Teufelskerl ein reizvollerer Liebhaber als ein wohlerzogener Gentleman. Ich darf nicht zulassen, dass sie einen Fehler macht, entschied Jasmine. Ich darf es einfach nicht!

Wenn Jemmie allerdings ihr Tun aufdecken würde, wäre er fuchsteufelswild, obwohl er Fortune erlaubt hatte, über ihr Lebensglück selbst zu entscheiden. Sie würde ihm die Wahrheit so lange wie möglich vorenthalten müssen. »Adali«, rief sie ihren Majordomus. »Bring Master Kierans Sachen hinauf. Gewiss können er und sein Bruder sich eine Kammer teilen. Erne Rock ist sehr beengt, aber wunderschön für ein junges Paar und dessen Kinder. Meint Ihr nicht, Lady Jane?«

»Ich hatte gedacht, William und seine Frau würden mit uns in Mallow Court leben. Schließlich erbt William es eines Tages, nicht wahr, Kieran?«

»In der Tat, Madam, so verhält es sich«, bekräftigte er launig.

»Wenn es eine Hochzeit gibt«, betonte Jasmine, Lady Devers’ einmal mehr einen kleinen, schmerzvollen Dämpfer versetzend. »Ich denke, das junge Paar sollte ein eigenes Heim haben. Fortune muss wahrlich nicht bei der Familie ihres Gemahl leben. Sie wird Erne Rock in Irland besitzen, und überdies gedenken der Herzog und ich, ihr ein schmuckes Anwesen in England zu kaufen, entweder in der näheren Umgebung ihres Bruders bei Cadby oder in Queen’s Malvern, wo ihr Halbbruder residiert.« Sie schenkte ihrem Gegenüber ein strahlendes Lächeln. »Wir möchten sie bei Hof einführen.«

»Mama, du weißt doch, dass ich das höfische Leben verabscheue«, widersprach Fortune.

»Aber du musst Kontakte knüpfen, Liebes, wenn deine Zucht erfolgreich sein soll«, gab Jasmine zu bedenken. »Schließlich kannst du deinen Lebensunterhalt nicht gänzlich von deinem Anteil an unserer Handelsgesellschaft bestreiten. Du hast doch hoffentlich nicht gedacht, dass ich dich nach Irland mitnehme, um dich hier zu lassen?«

»Das war mir nicht bewusst«, murmelte Fortune, verwirrt über die Worte ihrer Mutter.

James Leslie und Sir Shane betraten den Rittersaal. Sie hatten sich in die Bibliothek zurückgezogen, um einen Ehevertrag zu erörtern, sollte eine Heirat zwischen ihren Kindern zustande kommen. Kieran Devers erhob sich und begrüßte seinen Vater, der ihn wiederum James Leslie vorstellte. Der Herzog mochte ihn sogleich, erkannte er in dem jungen Mann doch einen so unverbesserlichen Kelten, wie er selbst einer war. Sicher, der Junge war ein Narr, dass er sein Erbe für die Kirche ausschlug, andererseits musste man seine Überzeugung bewundern und dass er an seinem Glauben festhielt.

»Und, zufrieden mit der von Euch getroffenen Wahl, mein Junge?«, erkundigte sich der Herzog.

»Gewiss, Euer Gnaden«, erwiderte Kieran, wohl wissend, welche Antwort man von ihm erwartete. »Mallow Court gehört meinem Bruder, und ich überlasse es ihm gern.«

»Aber Ihr bleibt.« James Leslie war wissbegierig.

»Erst einmal«, meinte Kieran gedehnt. »Ich fühle, dass irgendwo auf dieser Welt eine andere Herausforderung meiner harrt, Sir. Also warte ich geduldig ab, denn sie wird sich mir noch rechtzeitig stellen.«

James Leslie nickte. Merkwürdigerweise verstand er genau, was der junge Mann meinte. Darin waren die Iren noch prophetischer als die Schotten. Wenn Kieran Devers einer Offenbarung harrte, würde er sie letztlich auch bekommen.

»Das Diner ist angerichtet, Mylord«, sagte Adali. »Mylady bittet umgehend zu Tisch.«

»Gentlemen«, der Duke straffte sich und geleitete seine Gäste an die Festtafel.

Geliebte Herrin

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