Читать книгу Geliebte Herrin - Bertrice Small - Страница 6

Prolog Ulster 1630

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Gütiger Himmel, sie würde herkommen! Sie würde nach Maguire’s Ford zurückkehren! Es war zwanzig Jahre her, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte, aber er erfuhr dennoch alles Wissenswerte über sie, denn ihr Cousin, der Priester, hatte ihm ihre Briefe nie vorenthalten. Sie hatte dem verblichenen Prinzen Henry Stuart einen königlichen Bastard geboren. Wie hätte ein Mann – selbst ein Prinz – sie nicht lieben können? Sie hatte wieder geheiratet, einen Schotten, und diesem drei Söhne geschenkt. Ihre älteste Tochter aus zweiter Ehe war vermählt und hatte zwei Kinder. Sie hatte so viel erlebt in diesen zwanzig Jahren, ihm dagegen war nur die Erinnerung an sie geblieben. Damit hatte er sich stets abgefunden – bis jetzt. Er fuhr sich mit seiner kräftigen Hand durch das dichte Haar, das immer noch von einem warmen Kupferton war, doch längst nicht mehr so glänzte wie vor all den Jahren. Seine Augen, blau wie die Fluten des Lough Erne, hatten einen besorgten Ausdruck angenommen. Warum ausgerechnet jetzt? Warum musste sie nach Maguire’s Ford zurückkehren, wo ihm doch erst seit kurzem schmerzlich bewusst war, dass er keine Familie gegründet hatte? Seufzend legte er ihren an ihn gerichteten Brief beiseite.

»Rory. Rory Maguire!« Pater Cullen Butler hatte die Halle betreten, ein zusammengerolltes Pergament in der Hand. »Jasmine kehrt zurück nach Ulster!«, sagte er aufgeregt. »Ich hätte nie gedacht, dass ich sie zu meinen Lebzeiten noch wiedersähe. Gott und seine himmlischen Heerscharen seien gepriesen!« Die Jahre hatten es gut gemeint mit Cullen Butler. Einmal abgesehen von seinem schneeweißen Haupthaar, waren seine Züge jugendlich markant. Die blauen Augen strahlten.

»Ich kann nicht hier sein, wenn sie kommt«, wandte Maguire ein.

»Aber das müsst Ihr«, befand der Geistliche sachlich, während er sich einen ordentlichen Whiskey aus der Karaffe auf dem Büfett einschenkte. »Ihr seid ihr Verwalter, Rory Maguire. Sie hat Euch Maguire’s Ford vor vielen Jahren anvertraut, und jetzt kehrt sie zurück. Gewiss erwartet sie, Euch hier anzutreffen. Eure Gefühle müsst Ihr hintanstellen, Mann. Ich weiß, es war einfacher, als Ihr sie nicht jeden Tag sehen musstet… aber sie bleibt ja gewiss nicht lange. Allenfalls ein paar Monate. Hat sie Euch geschrieben, warum sie kommt?« Er schlürfte seinen Whiskey.

Rory Maguire schüttelte den Kopf. »Nein«, entgegnete er. »Das hat sie nicht.«

»Lady Fortune Mary Lindley, die jüngere ihrer Töchter, die in Maguire’s Ford geboren wurde, soll hier einen Gemahl finden. Anscheinend gefällt ihr in England oder Schottland keiner. Mich dünkt, sie ist eine eigenwillige Jungfer. Praktisch schon ein spätes Mädchen, aber überaus widerspenstig.« Der Priester grinste. »Klingt mir sehr nach ihrer Mutter in dem Alter, und ich muss es schließlich wissen, denn ich war ihr Lehrer.« Er lachte auf, dann wurde er wieder ernst. »Jasmine möchte ihr Maguire’s Ford als Mitgift mitgeben, Rory.« Der Geistliche ließ sich in einen Sessel vor dem Kaminfeuer sinken und bedeutete seinem Gegenüber, seinem Beispiel zu folgen.

Rory Maguire setzte sich und fuhr sich abermals durch das Haar. »Dann ist es sicher besser, wenn ich gehe«, erwiderte er. »Das Mädchen wird vermutlich einen neuen Gutsverwalter einstellen wollen – beziehungsweise ihr Gemahl.«

»Aber, aber, davon war bislang nie die Rede«, beruhigte ihn der Geistliche. »Und es ist unwahrscheinlich, dass man Euch durch einen Fremden ersetzt. Jasmine weiß, dass Eure Familie hier das Sagen hatte, bevor Conor Maguire und seine Leute mit den Grafen fortgingen. Bis heute sieht man in Euch den Lord of Erne Rock Castle, Rory.«

»Aber nur, weil die englische Besitzerin nicht hier residiert«, erinnerte Maguire den Geistlichen.

»Jasmine würde Euch nach all der Zeit nicht vertreiben«, erklärte Cullen Butler. »Ich kenne meine Cousine. Schließlich habe ich sie aufgezogen.«

»Wir haben sie lange Jahre nicht mehr gesehen«, antwortete Rory. »Diese Frau ist die Mutter eines Sohnes, der einen König zum Onkel hat. Und was ist mit ihrem schottischen Gatten? Bestimmt wird er ein Wörtchen mitzureden haben, Pater.«

»James Leslie zollt seiner Frau sehr großen Respekt und pflegt sich nicht in ihre Angelegenheiten einzumischen«, erwiderte der Geistliche überzeugt. »Aber genug jetzt, Rory Maguire. Sie werden Anfang Mai hier eintreffen.«

»Sie? Wie viele kommen denn?« Rory leerte seinen Kristallbecher in einem Zug und goss sich einen weiteren Whiskey ein.

»Jasmine, ihr Gemahl und Lady Fortune«, führte der Geistliche aus.

»Und ihre Diener?«, erkundigte sich Rory.

»Ach ja, Adali und die kleine Rohana. Toramalli ist inzwischen verheiratet und will bei ihrem Mann bleiben, um den jungen Lord Patrick zu beaufsichtigen, der mit seinen Brüdern in Glenkirk weilt. Ein weiser Entschluss. Das Anwesen wird ihm später gehören, von daher kann er sich schon einmal ein Bild von seiner zukünftigen Verantwortung machen.«

»Erne Rock wird sie wie früher willkommen heißen«, sagte Rory leise lächelnd. »Am besten schaffe ich meine Habseligkeiten zurück ins Torhaus.«

»Mhm.« Der Priester nickte. »Das wäre sicherlich besser. Vermutlich werdet Ihr von nun an dort wohnen müssen. Soweit ich mich entsinne, hat Jasmine es Euch übereignet. Ich glaube, meine Cousine möchte, dass Fortune in Irland lebt. Sie steht mit Pfarrer Steen in Verbindung, wegen geeigneter protestantischer Familien. Natürlich gibt es nur eine, die er und ich einhellig vorgeschlagen haben. Die Devers von Lisnaskea. Sir Shanes Sohn und Erbe ist ein netter junger Mann im passenden Alter. Er ist dreiundzwanzig, und Lady Fortune wird in diesem Sommer zwanzig.«

»Wie könnt Ihr eine protestantische Eheschließung befürworten, Vater? Um Himmels willen, Ihr selbst habt das Mädchen getauft!«

Cullen Butler zuckte die Schultern. »Rom ist weit weg, mein Sohn«, sagte er gelassen. »Wir wissen beide, dass Lady Fortune Lindley einen Protestanten heiraten muss, will sie Maguire’s Ford bekommen. Überdies ist ihr Stiefvater ein anglikanischer Schotte, und Jasmine hat genau wie meine Tante Skye – Gott sei dieser guten Seele gnädig! – ihre eigenen Glaubensvorstellungen. Wenn Fortune die Tochter ihrer Mutter ist, dann wird sie alle gleichberechtigt und verständnisvoll behandeln. Vor zwanzig Jahren lebten noch keine Protestanten in diesem Dorf, und heute haben sie hier sogar eine eigene Kirche. Wir kommen alle miteinander aus, weil Samuel Steen und ich es so wollen. Meine Tante Skye, eine geborene O’Malley, zitierte gern Königin Bess, die da sagte: ›Es gibt nur einen Herrn Jesus Christus. Alles andere ist Unfug.‹ Tut mir Leid, aber ich finde, die verflixte Frau hat Recht, auch wenn mich Rom schon allein für den Gedanken exkommunizieren würde, geschweige denn, dass ich ihn laut äußern dürfte. Ich liebe die Kirche, sonst hätte ich nicht mein Leben in ihre Dienste gestellt. Trotzdem, Rory, auch die Kirche kann zuweilen irren. Und nicht nur unsere, auch die der Protestanten. Wie manche Christen ihre Intoleranz rechtfertigen und dabei auch noch glauben können, dass Gott auf ihrer Seite stehe, ist mir schleierhaft! Ich jedenfalls befürworte eine protestantische Eheschließung zwischen Lady Fortune Lindley und Sir Shane Devers’ Sohn, auch wenn ich das nicht öffentlich kundtue. Wäre es nicht schön, ein junges Paar auf Erne Rock zu haben und, mit Gottes Willen, vielleicht auch Kinder?«

»Ihr werdet sentimental auf Eure alten Tage, Cullen Butler«, seufzte Rory Maguire mitfühlend.

Der Priester lachte auf. »Es erstaunt mich, dass ich mit meinen Sechzig nur zehn Jahre älter bin als Ihr, Rory Maguire, mit Eurem flammend roten Schopf. Und jetzt mag ich nichts mehr davon hören, dass Ihr Maguire’s Ford verlassen wollt, einverstanden?«

»Ich werde bleiben, bis man mir anderes anrät«, murmelte der Gutsverwalter. »Zum Teufel, ich wüsste auch gar nicht, wohin ich gehen sollte«, bekannte er betrüblich grinsend, dann fasste er sich. »Aber es wird nicht einfach werden, sie wieder zu sehen.«

»Nein, das sicherlich nicht«, räumte der Geistliche ein. »Verhaltet Euch doch einfach so wie früher, Rory Maguire, wie wäre das?«

Maguire seufzte tief. »Gewiss, aber dann würde ich genau wie damals alles tun, nur um sie zufrieden zu stellen, Pater.«

Der Gottesmann nickte bekräftigend, leerte sein Glas und erhob sich. »Ich muss mich auf den Weg machen und die Vesper lesen.« Er stellte den Kristallbecher auf die Anrichte neben Maguires. »Ich werde Euch Beistand leisten, Rory Maguire, der Herr segne Euch.« Er machte das Kreuzzeichen und eilte aus dem Saal.

Rory Maguire starrte in die Kaminflammen Jasmine würde nach Maguire’s Ford zurückkehren. Vom ersten Augenblick an, da sie am Arm ihres Gatten anmutig über die Laufplanke der Cardiff Rose geschritten war, hatte er sich in sie verliebt. Sie war die schönste Frau, die er in seinem ganzen Leben gesehen hatte. Und sie hatte Eamon Feeny, den schleimigen, kleinen Verwalter, auf Anhieb durchschaut. Als sie nach einigen Tagen in Maguire’s Ford eingetroffen waren, hatte sie erfahren, dass Feeny die katholischen Dorfbewohner vertrieben hatte. Jasmine hatte den hinterhältigen Speichellecker sogleich entlassen und nach Belfast geschickt.

Doch Eamon Feeny war Monate später zurückgekehrt, seine schwarze Seele voller Rachsucht. Er hatte ein Attentat auf Jasmine verübt, aber stattdessen ihren Gemahl getötet. Sie hatten ihn noch am selben Tag gefasst. Jasmine, grausam wie ein keltischer Krieger, hatte ihn kurzerhand an den Galgen gebracht. Als der Unhold seinen letzten Atem ausgehaucht hatte, war sie, überwältigt von ihrer Trauer, zusammengebrochen. Man hatte schon befürchtet, sie werde sterben, da sie Tage lang nicht aus ihrer Ohnmacht erwacht war. Schließlich waren ihr Diener Adali, der Inder mit dem blütenweißen Turban, und ihr Cousin, der Geistliche, an Rory herangetreten. Sie hatten ihm erzählt, dass sie in ihrem Kummer und Herzeleid nach ihrem Gemahl rufe, und dass sie fürchteten, sie werde sich noch selbst ins Grab bringen, es sei denn, man könne sie vielleicht glauben machen, Rowan Lindley habe noch einmal das Bett mit ihr geteilt.

Ihr Vorschlag hatte ihn über die Maßen entsetzt. Es war schon schlimm genug gewesen, dass der Diener diesen überbracht hatte, aber dass auch der Pater Derartiges unterstützt hatte! Indes hatten sie ihm versichert, sie werde andernfalls vor Kummer sterben … Nun, es war den Versuch wert, haue Rory Maguire sich überlegt. Er hatte seine Skrupel niedergekämpft, begehrte er sie doch über alles. Er hatte von Menschen und Tieren gehört, die sich zu Tode getrauert hatten. Also war er in jener Nacht, unterstützt von seinen beiden Mitverschwörern, heimlich in ihr Schlafgemach geschlüpft. Er hatte die bewusstlose Frau zärtlich geliebt. Darauf war sie in einen tiefen, erquickenden Schlaf gefallen. Und er war mit gebrochenem Herzen seiner Wege gegangen. Obschon Jasmine überlebte, sollte sie niemals von ihrer einzigen gemeinsamen Liebesnacht erfahren. Und er durfte auch nicht darauf hoffen, dass sie ihn je lieben oder spüren würde, wie tief er für sie empfand.

All die Jahre hatte diese entsetzliche Bürde auf seinem Gewissen gelastet. Sicher, der Priester und Adali hatten dieses Geheimnis mit ihm geteilt, aber das tröstete ihn nur wenig. Ihre Zuneigung für Jasmine war ganz anderer Natur. Er, Rory Maguire, trug den Großteil der Schuld. Er fragte sich, wie sie reagieren würde, sollte sie jemals erfahren, dass er in jener stillen Stunde ihr Geliebter gewesen war. Vermutlich wäre sie schockiert. Auch bezweifelte er, dass ihr derzeitiger Ehemann allzu begeistert wäre. Dank ihrer Unkenntnis hatte er auf dem ehemaligen Besitz seiner Familie bleiben und die früheren Ländereien der Maguires verwalten können. Besser, sie blieb unwissend und er verhielt sich wie ein 50-jähriger Mann und nicht wie ein verliebter Schulbengel. Jasmine würde ihn niemals lieben. Es hatte nicht sollen sein. Dies war ihm seit langem bewusst. Gleichwohl, die nächsten Monate würden die härtesten in seinem ganzen Leben werden, aber er würde sie durchstehen. Er musste es schaffen – nicht nur für sich, sondern auch für Jasmine.

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