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Prolog

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England, 1760

»Sie ist mir versprochen?« Fassungslos blickte Valerian Hawkesworth, der Herzog von Farminster, seine Großmutter an. »Was um alles in der Welt meint Ihr damit, Großmama?«

Die erst kürzlich verwitwete Herzogin von Farminster sah ihrem einzigen Enkel tief in die blauen Augen und wiederholte das zuvor Gesagte. »Als du noch ein kleiner Junge warst, Valerian, hat man dich mit der Tochter eines Freundes deines Vaters – einem entfernten Verwandten – verlobt. Die Hochzeit soll stattfinden, sobald das Mädchen sein siebzehntes Lebensjahr erreicht. In drei Wochen wirst du nach St. Timothy segeln und deinen Anspruch auf die Hand des Mädchens geltend machen. Eine Zuckerrohrplantage auf den Westindischen Inseln ist als Mitgift schließlich nicht zu verachten. Außerdem wird es für dich höchste Zeit, für den Fortbestand unseres Geschlechts zu sorgen.«

»Ich soll eine Frau aus den Kolonien heiraten?«, fragte der Herzog verächtlich, woraufhin seine Großmutter ihm tadelnd erwiderte: »Jetzt tu doch nicht so hochnäsig! Gewiss ist die Kleine genauso gut erzogen wie die dummen Gänschen, mit denen du dich sonst abgibst. Und was ihr an Umgangsformen noch fehlen mag, um in unseren Kreisen zu bestehen, bringe ich ihr schon bei. Sie wird dir eine großartige Herzogin sein, mein lieber Junge, und sich zweifellos sehr viel leichter ins Landleben einfinden als manch andere. Da sie bisher auf einer einsamen Insel gewohnt hat, fällt es ihr gewiss nicht schwer, sich damit zu begnügen, auf unserem Landsitz in Herefordshire zu bleiben und dir einige Söhne und Töchter zu schenken.«

»Warum erfahre ich eigentlich erst jetzt von dieser Vereinbarung?«, fragte der Herzog seine Großmutter, während er darüber nachdachte, dass eine Reise zu den Westindischen Inseln mehrere Wochen in Anspruch nehmen würde. Dann wäre er auch noch gezwungen, eine Weile dort zu bleiben, bevor er das Mädchen heiraten und die Rückreise nach England antreten konnte. Alles in allem würde er wahrscheinlich drei oder vier Monate von zu Hause fort sein. Dadurch verpasste er die Jagdsaison. »Höllenfeuer und Verdammnis!«, fluchte er nun leise vor sich hin, woraufhin ein Lächeln den Mund der alten Dame umspielte.

Aber gleich darauf wurde sie wieder ernst und fuhr fort: »Dein Vater hat dieses Arrangement getroffen, lange bevor er mit deiner Mutter und Schwester ums Leben kam. Außer ihm wusste nur noch dein Großvater davon. Aber er schob die Angelegenheit von sich und erzählte mir erst kurz vor seinem Tod von dieser Abmachung. Damals kamen wir überein, dass es längst überfällig sei, dich zu verheiraten.«

Fragend zog der Herzog eine Augenbraue hoch, aber seine Großmutter ließ sich nicht beirren. »Und es schien uns das Beste, an dieser Vereinbarung festzuhalten. Ich habe deinen zukünftigen Schwiegervater Robert Kimberly vor einigen Wochen davon in Kenntnis gesetzt, dass du Ende März bei ihm eintriffst, um deine Braut zu ehelichen.«

Der Herzog seufzte, als seine Großmutter ihm eine in Leder gebundene Dokumentenmappe reichte, in der sich eine Abschrift der Heiratsvereinbarung befand. Er überflog das mit einer gut leserlichen Schrift bedeckte Pergament. Dem Papier war tatsächlich zu entnehmen, dass er mit der am sechsten April des Jahres 1743 geborenen Mistress Charlotte Kimberly verlobt war. Das Mädchen würde in wenigen Wochen seinen siebzehnten Geburtstag feiern, der in dem Dokument als ihrer beider Hochzeitstag festgesetzt worden war.

Stirnrunzelnd heftete Valerian Hawkesworth nun den Blick auf seine Großmutter. »Wie sieht sie aus?«

Die alte Dame schüttelte den Kopf. »Das kann ich dir leider nicht sagen, mein lieber Junge. Auch ich habe das Mädchen noch nie zu Gesicht bekommen. Doch ich bin sicher, dass es besonders liebreizend ist«, fuhr sie beschwichtigend fort, als sie den aufrührerischen Blick ihres Enkels sah. »Robert Kimberly und seine zweite Frau Emily sind auf ihrer Hochzeitsreise hierher gekommen. Soweit ich mich entsinne, war Emily ein sehr hübsches Mädchen und Robert ein stattlicher Mann. Ihr Nachwuchs ist sicherlich nicht unansehnlich, Valerian.«

»Mh.«

»Kurz bevor sie England wieder verließen, entdeckte Emily, dass sie guter Hoffnung war, woraufhin dein Vater und ihr Gatte dieses Eheversprechen aufsetzten. Natürlich wusste man zum damaligen Zeitpunkt noch nicht, ob Mistress Kimberly mit einem Mädchen oder Jungen niederkommen würde. Aber die beiden Männer beschlossen, dass Roberts erstgeborene Tochter deine Gattin werden solle. Wenn du genau hinsiehst, Valerian, wirst du feststellen, dass dein Vater den Namen des Mädchens nachgetragen hat. Der Rest des Dokuments ist in einer ganz anderen Handschrift gehalten.

Zwei Jahre nach der Geburt ihrer Tochter starb Mistress Kimberly im Kindbett. Auch das Kind, ein Sohn, fand dabei den Tod. Deine Eltern, mein lieber Valerian, und deine Schwester kamen kurz darauf bei jenem Schiffsunglück ums Leben. Die ganze Angelegenheit geriet in Vergessenheit, bis mir dein Großvater wenige Monate vor seinem Tod davon erzählte. Er bat mich, dafür Sorge zu tragen, dass unser Teil der Vereinbarung eingehalten wird.«

Erneut seufzte der Herzog, aber seine Großmutter ging nicht darauf ein und erzählte weiter. »Obgleich Robert Kimberly schließlich wieder heiratete, bekam er keine weiteren leiblichen Kinder. Dadurch wird seine Tochter Charlotte eines Tages Alleinerbin der Insel sein. Du kannst also wirklich keinen Einwand gegen diese Liaison vorbringen, Valerian, zumal dein Herz nicht anderweitig gebunden ist.«

»Das stimmt«, musste Valerian wohl oder übel zugeben, doch dann fiel ihm ein: »Ihr erwähntet, Großmama, dass dieses Mädchen und ich weitläufig verwandt seien. Inwiefern?«

»Wenn ich mich recht entsinne...«, setzte die alte Dame an, hielt dann aber inne und gab schließlich zu bedenken: »Eigentlich müsste ich die Familienbibel zu Rate ziehen, um ganz sicher zu gehen... Aber ich will dir erzählen, was ich noch weiß.

Dein Urahn, der erste Herzog von Farminster, erhielt seinen Herzogstitel anlässlich der Wiedereinsetzung von König Charles. Der Herzog ist mit dem König aufgewachsen und ihm ins Exil gefolgt. Die beiden waren einander durch Freundschaft, Loyalität und den merkwürdigen Zufall verbunden, am gleichen Tag geboren zu sein. Der Herzog von Farminster hatte einen jüngeren Bruder und zwei jüngere Schwestern. Als er ins Exil ging – damals noch als Graf von Farminster – ließ er seine Geschwister zurück. Sein Bruder sollte sich um die Ländereien kümmern, und die beiden Mädchen wurden verheiratet; das ältere ehelichte einen Kimberly, das jüngere einen Meredith. Beide Männer waren König Charles treu ergeben und blieben in England, um sich für die Wiedereinsetzung ihres Königs stark zu machen. Als es so weit war, wurden die Schwager deines Urahns vom König entlohnt und erhielten die Insel St. Timothy als Anerkennung ihrer Dienste. Daraufhin wanderten sie aus, um Zuckerrohr anzubauen. Der letzte Kimberly ... Robert... ah, jetzt erinnere ich mich ... also dein zukünftiger Schwiegervater ... heiratete in zweiter Ehe die letzte Meredith: Emily. Ihrer beider Tochter wird eines Tages Erbin der Insel sein und ist dir zur Frau versprochen.«

»Emily Kimberly ist also im Kindbett gestorben, und Robert hat wieder geheiratet«, stellte Valerian fest. »Was wisst Ihr noch, Großmama?«

»Nichts mehr, mein lieber Junge. Alles Weitere erfährst du auf St. Timothy.«

»Vielleicht ist das Mädchen auch tot«, gab der Herzog zu bedenken.

Doch seine Großmutter machte ihm diese Hoffnung sogleich zunichte. »Dann hätte man uns davon unterrichtet.«

»Nicht unbedingt«, wandte der Herzog ein. »Schließlich wäre diese Allianz beinahe in Vergessenheit geraten, hätte sich Großvater nicht kurz vor seinem Tod daran erinnert.«

»Das ist wohl richtig. Aber bedenke, Valerian, ein Herzog mag die unbedeutende, wenn auch vermögende Tochter eines Pflanzers auf den Kolonien vergessen. Doch die Familie dieses Mädchens wird sich mit Sicherheit daran erinnern, dass ihre Tochter einem Herzog versprochen wurde und damit eines Tages die Möglichkeit hat, Herzogin zu werden. Nein, Valerian, du kannst deinem Schicksal nicht entrinnen. In drei Wochen wirst du mit der Royal George in See stechen. Man erwartet dich auf St. Timothy.«

»Wie kam es, dass mein Vater freundschaftliche Beziehungen zu diesem Robert Kimberly unterhielt? Sicherlich haben die Familien ihren Kontakt über all die Jahre nicht aufrechterhalten.«

»Doch, bis zu einem gewissen Grad schon.«

Überrascht blickte Valerian seine Großmutter an, die auch sogleich fortfuhr: »Robert Kimberly ging als junger Mann nach Oxford, wo er das erste Mal mit deinem Vater zusammentraf. Die beiden teilten zwei Jahre eine Unterkunft, bis Robert nach St. Timothy zurückkehrte, um seine erste Frau zu ehelichen: Caroline Meredith, Emilys ältere Schwester. Die Ehe blieb kinderlos. Als Caroline starb, heiratete Robert Emily, die ihm eine Tochter – deine Verlobte – gebar. Von der dritten Gemahlin Roberts weiß ich nichts.

So, und jetzt hör auf, dich zu grämen, lieber Junge. Du brauchst ja nicht länger auf St. Timothy zu bleiben, als die Hochzeitsvorbereitungen nun einmal dauern.« Beruhigend tätschelte die alte Herzogin ihrem Enkel den Arm. »Versichere die Familie des Mädchens einfach, dass ihre Tochter als deine Herzogin ein wundervolles Leben haben wird, und dann kehrst du nach England zurück, um für Nachwuchs zu sorgen. Du hast dich lange genug ausgetobt, Valerian. Jetzt ist es an der Zeit, deine Pflicht als Herzog von Farminster zu tun. Ich erwarte meinen ersten Urenkel innerhalb eines Jahres«, fügte sie noch hinzu, und ihr Enkel lachte laut.

»Ich werde mein Bestes tun, Großmama«, versprach er dann, »aber damit es funktioniert, sollte meine Braut schon hübsch sein.«

»Das ist sie bestimmt, Valerian.«

»Dieses Mädchen mag hübsch sein, aber sie kann Euch bestimmt nicht das Wasser reichen, Großmama«, erklärte Valerian augenzwinkernd und sah lächelnd zu seiner Großmutter hinunter.

»Schmeichler!«, tat Mary Rose Hawkesworth das Kompliment ab, erwiderte aber Valerians Lächeln. In ihrer Jugend hatte sie als große Schönheit gegolten und war für ihr Alter immer noch äußerst attraktiv. Sie verfügte über die gleichen dunkelblauen Augen wie ihr Enkel und hatte einen rosigmilchigen Teint, der hervorragend mit dem ehemals blonden und jetzt schlohweißen Haar harmonierte.

»Und was tue ich, wenn sie doch nicht hübsch sein sollte, Großmama?«

»Ach, mein Junge, nachts sind alle Katzen grau, und wenn du sie schön streichelst, schnurren sie auch brav«, entgegnete die alte Dame unverhofft direkt und amüsierte sich dann über den verwunderten Gesichtsausdruck ihres Enkels.

Paradies der Sehnsucht

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