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3. Kapitel

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Am nächsten Morgen weckte Browne, der Kammerdiener des Herzogs, seinen Herrn ziemlich früh, weil dieser es so angeordnet hatte.

Obwohl es draußen schon hell wurde, konnte man die Sonne noch nicht sehen. Doch bereits um diese Uhrzeit war es recht warm und zur Abwechslung ging kein Wind. Rasch nahm der Herzog ein Bad und zog sich an. Er wollte mit George und Aurora ausreiten, um die Insel zu inspizieren, bevor die Sonne zu stark brannte. George hatte ihm erklärt, dass es bereits um zehn Uhr morgens zu heiß für ihn würde, weil er die Hitze nicht gewöhnt war.

»Ein bisschen Tee, Sir?« Browne reichte dem Herzog eine Tasse. »Der Koch war so freundlich, ihn nach meinen Anweisungen zuzubereiten. Die Teevorräte der Familie sind recht schmackhaft. Wir mögen hier zwar fernab jeglicher Zivilisation sein, aber es ist eigentlich gar nicht so schlecht, von der Hitze einmal abgesehen. Ich habe die ganze Nacht kaum ein Auge zugetan.«

»Bis wir wieder abreisen, hast du dich daran gewöhnt, Browne«, sagte Valerian Hawkesworth lächelnd, trank in großen Schlucken das aromatische Getränk und stellte die leere Tasse dann auf einen kleinen Tisch.

»Master George hat Euch diese Kopfbedeckung heraufschicken lassen, Sir.« Browne reichte seinem Herrn einen breitkrempigen Strohhut und bemerkte: »Nicht besonders kleidsam, Milord.«

Achselzuckend stülpte Valerian den Hut über, nahm seine Gerte und verließ das Schlafzimmer. In der luftigen Eingangshalle erwarteten George und Aurora ihn bereits. Er war ein wenig überrascht, Miss Spencer-Kimberly in Hosen zu sehen, und fragte: »Reitet Ihr denn nicht im Damensattel?«

»Natürlich nicht, Euer Gnaden! Das Gelände auf der Insel ist wild und rau und kein künstlich angelegter Londoner Park. Reiten denn alle feinen englischen Ladys im Damensattel und lassen dabei die Beine in einem merkwürdigen Winkel über dem Sattelknauf baumeln? Das ist doch äußerst unbequem. Ich glaube fest, dass Cally aus diesem Grund niemals Gefallen am Reiten gefunden hat. Sie ist sehr empfindlich und fühlt sich bei diesem unnatürlichen Sitz einfach unsicher. Trotzdem konnte ich sie nie dazu überreden, rittlings auf einem Pferd zu sitzen. Das war ihr nicht damenhaft genug«, fügte Aurora noch hinzu und sah den Herzog herausfordernd an.

Dabei war er geneigt, ihrer Stiefschwester beizupflichten, sagte aber geschickt das Thema wechselnd: »Ich denke, Ihr solltet mich nicht länger Euer Gnaden nennen, Miss Spencer-Kimberly, wo wir doch bald verschwägert sind. Ich werde Euch jedenfalls Aurora nennen, und Ihr dürft Valerian zu mir sagen.«

»Oh, darf ich das wirklich?«, fragte Aurora übertrieben freundlich und ahmte Calandras Augenaufschlag nach.

»Benimm dich Schwester!«, schimpfte George. »Valerian ist deine scharfe Zunge und neckende Art nicht gewohnt.« Entschuldigend lächelnd wandte er sich dann an den Herzog. »Ich fürchte, sie ist eine ziemliche Furie. Papa wusste auch nie, was er dagegen unternehmen sollte. Er war mit beiden Mädchen viel zu nachsichtig, entsprechend verzogen sind sie.«

»Ich wüsste schon, was ich mit ihr getan hätte«, sagte der Herzog, und seine dunkelblauen Augen blickten unnachgiebig. »Ich gehe einmal davon aus, dass Aurora noch nie eine starke Hand auf ihrem Hinterteil verspürt hat. Das kuriert störrische Stuten und zänkische Weibsbilder gleichermaßen.«

George sah Auroras Augen wütend aufblitzen und erklärte schnell: »Wir müssen jetzt los! Bevor wir’s uns versehen, steht die Sonne hoch am Himmel!«

Während die drei zu den Stallungen hinübergingen, sagte Valerian: »Ich weiß vom Zuckerrohranbau nur, dass nachher Zucker dabei herauskommt. Ihr müsst mir unterwegs unbedingt mehr davon erzählen, George.«

»Der Zuckerrohranbau ist mit sehr viel Arbeit verbunden«, fing George an, nachdem sie aufgesessen waren. »Auf dieser Seite der Insel haben wir vier große Felder und auf der anderen ebenfalls, die einst den Merediths gehörten. Wir bepflanzen sie abwechselnd und ernten alle achtzehn Monate. Bevor die eine Seite erntereif ist, pflanzen wir auf der anderen neu. In der Zwischenzeit müssen die brach liegenden Felder vom Unkraut befreit und gedüngt werden. Zuckerrohr entzieht dem Boden reichlich Nährstoffe. Während der Regenzeit, üblicherweise zwischen Mai und Dezember, wird gepflanzt, während der trockenen Jahreszeit, gewöhnlich zwischen Januar und Mai, geerntet. Wir haben immer zu tun.«

»Und woher bekommt Ihr die Setzlinge?«, wollte der Herzog nun wissen.

»Wir vermehren selbst und benutzen dazu Ableger aus der Spitze der ausgereiften Pflanze. Unser Großvater pflanzte noch in langen Gräben, aber mittlerweile werden auf allen Plantagen Löcher für die einzelnen Pflanzen gegraben. Dadurch bleibt die Feuchtigkeit länger im Boden, und die Erde trocknet nicht so schnell aus. Wenn das Zuckerrohr erst einmal gesetzt ist, muss es ständig gedüngt werden. Das geschieht mit den Rückständen aus dem Zuckerherstellungsprozess der Vorernte. Auch regelmäßiges Ausschneiden ist notwendig, wenn man einen guten Ertrag erzielen will.«

»Wie viele Sklaven habt Ihr?«

George dachte einen Augenblick nach und sagte dann lächelnd: »Ich weiß es nicht, auf jeden Fall genug, um die Arbeit zu machen.«

»Und wie viele Sklaven müsst Ihr jedes Jahr zukaufen?« Sie näherten sich gerade den Feldern, auf denen bereits schwarze Männer und Frauen das Zuckerrohr schnitten und bündelten. »Man hat mir erzählt, die Sterblichkeitsrate der Schwarzen auf Zuckerrohrplantagen sei wegen der außerordentlich harten Arbeitsbedingungen sehr hoch.«

»Auf St. Timothy ist sie relativ niedrig«, meldete sich nun Aurora zu Wort, »von altersbedingten Todes- und Unfällen einmal abgesehen. Papa verabscheute es, Sklaven zu halten. Wäre es ihm möglich gewesen, hätte er die Plantage mit Saisonkräften geführt. Aber das war nun einmal nicht realistisch. Also tat er das nahe Liegendste, ernährte seine Leute gut und sorgte für ordentliche Unterkünfte. Einen der ihren haben wir zum Doktor ausbilden lassen. Unsere Feldsklaven arbeiten hart, aber sie sind nicht überarbeitet, und sonntags können sich alle auf St. Timothy ausruhen – Freie, Leibeigene und Sklaven.

Folglich bringen unsere schwarzen Frauen ihre Kinder lebend zur Welt, und die Kleinen lernen von ihren Eltern die Feldarbeit. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann hier das letzte Mal ein Sklave gekauft wurde. Auf den benachbarten Inseln und Plantagen ist das ganz anders. Nach dem englischen Gesetz hat ein Sklave überhaupt keine Rechte. Sein Herr kann ihn grundlos töten und begeht damit offiziell noch nicht einmal eine Straftat. Das ist furchtbar! Die armen Menschen müssen rund um die Uhr. schuften, bis sie tot umfallen, und ihren Besitzern ist das völlig egal. Die Sklavenhändler kommen ja auch regelmäßig von Afrika herüber und bringen neue Ladungen Unglücklicher, die dann genauso aufgerieben werden, bis man sich ihrer, ohne einen Gedanken darüber zu verlieren, entledigt. Das ist einfach skandalös! Aber so etwas gibt es auf St. Timothy nicht.«

Aurora hatte ihre kleine Rede so leidenschaftlich geführt, dass es den Herzog richtig überraschte. Er war bisher nur davon ausgegangen, dass seine zukünftige Schwägerin eine spitze Zunge hatte und verzogen war. Aber anscheinend schlug in ihrer Brust auch ein gutes Herz. Da er ebenfalls kein Freund der Sklaverei war, gefiel ihm das.

»Letztlich gereicht es uns auch zum Vorteil, unsere Leute menschlich zu behandeln«, fuhr nun George fort. »Sie sind gewöhnt, zusammenzuarbeiten und haben sich in verschiedene Mannschaften aufgeteilt, die bei der Ernte zu ihrer eigenen Belustigung gegeneinander antreten. Wenn das Zuckerrohr eingebracht ist, bekommen alle eine Belohnung, aber die fleißigste Mannschaft erhält den Löwenanteil. Das ist bestimmt besser, als die Leute sich zu Tode arbeiten zu lassen, um dann neue Sklaven anlernen und in die Gemeinschaft integrieren zu müssen. Ein weiterer Vorteil unserer Art, mit Sklaven umzugehen, liegt darin, dass wenigstens schon die dritte Generation auf St. Timothy geboren wurde. Dadurch sehnen sie sich nicht nach Afrika zurück, so wie ihre Vorfahren, und haben keinen Anlass mehr zur Rebellion. Mittlerweile ist St. Timothy unser aller Zuhause, ob schwarz oder weiß.«

Nachdem sie einen Augenblick angehalten hatten, um über ein halb abgeerntetes Feld zu blicken, fragte Valerian seinen Schwager in spe: »Wie viele Stunden wird täglich auf den Feldern gearbeitet?«

»Von sechs Uhr morgens bis mittags, weil die Sonne dann zu heiß brennt. Danach wieder so etwa ab zwei Uhr bis Sonnenuntergang.«

»Gibt es viele, die vorgeben, krank zu sein?«

George schüttelte den Kopf. »Wenn einer der Feldarbeiter den Doktor aufsucht, dann nur, weil er sich verletzt hat oder ernstlich erkrankt ist. Unsere Leute sind ehrlich, und ihre Familien würden ihnen auch nicht erlauben, zu simulieren.«

»Und laufen viele davon?«

Aurora schüttelte den Kopf. »Wo sollten sie auch hin? Wenn ein Schwarzer keine Papiere vorzeigen kann, die beweisen, dass er freigekauft wurde, geht man davon aus, es handele sich um einen entlaufenen Sklaven. Er wird ins Gefängnis geworfen, bis man seinen Besitzer gefunden hat, und wenn das nicht möglich ist, wird er weiterverkauft. So lange ich zurückdenken kann, ist noch keiner von St. Timothy fortgelaufen. Die Menschen wissen, dass sie hier viel sicherer sind und auch besser behandelt werden als anderswo auf den Kolonien.«

Mittlerweile ritten sie über die Felder, auf denen ihnen die Arbeiter zuwinkten, und näherten sich einer kreisförmig angeordneten Häusergruppe.

»In diesen Gebäuden befindet sich die Zuckerrohrpresse, das Sudhaus und die Raffinerie«, erklärte George. »Das Zuckerrohr wird so kurz wie möglich oberhalb des Bodens gekappt, und dann in etwa meterlange Stücke geschnitten, gebündelt und zur Presse gebracht – nachdem vorher die Blätter abgezogen wurden selbstverständlich. In der Presse zerhacken die Sklaven das Zuckerrohr, um ihm den Saft zu entziehen. Dann wird der Saft gekocht und gefiltert, bevor man ihn kristallisieren lässt. Einen Teil der Melasse, die beim Ausfiltern des Saftes entsteht, brennen wir zu Rum. Das ist ein besonders langwieriger und heißer Arbeitsvorgang, den nur die stärksten Männer bewältigen können.«

»Ihr stellt Rum nur für Euren Eigenbedarf her?«

George nickte.

»Wäre es denn möglich, mehr zu machen?«

»O ja, das war immer mein Ziel!«, erklärte George begeistert. »Jenseits der Inseln gibt es einen hervorragenden Absatzmarkt dafür. Wir müssten dazu nur eine Abfüllanlage errichten, aber Papa wollte das nie. Doch ich glaube, wir benötigen dringend ein zweites Standbein, um Rücklagen zu bilden. Es braucht uns nur eine Ernte wegen des Hurrikans auszufallen, und wir können nicht mehr neu pflanzen, weil uns die geldlichen Mittel fehlen, um Ableger zuzukaufen. Wenn ich das Papa gegenüber ansprach, sagte er immer, um die Abfüllanlage bauen zu können, müssten wir ein Stück Land beleihen. Und er wollte nicht, dass auch nur ein Teil der Insel in die Hände von Geldeintreibern geriet.«

»Hättet Ihr denn genug Sklaven, George, um im großen Stil Rum zu brennen und abzufüllen? Oder müsste man welche hinzukaufen?«

»Wir könnten einige der Männer dazu ausbilden, den Herstellungsprozess zu überwachen, und das Abfüllen in Flaschen könnten junge Frauen und Mädchen übernehmen. Neue Sklaven auf die Insel zu bringen, birgt zu viele Probleme, Valerian.«

»Ich glaube, ich bin bei Eurer Unterhaltung ziemlich überflüssig«, warf nun Aurora ein. »Ich gehe lieber schwimmen, George, bevor die Sonne zu hoch am Himmel steht.«

»Ihr schwimmt?«, fragte der Herzog entgeistert.

»Ja, im Meer«, antwortete Aurora frech, riss die Zügel ihres Pferdes herum und galoppierte über die Felder zurück.

»Kann Eure Schwester wirklich schwimmen?«

George nickte. »Wie ein Fisch und sogar noch besser als ich, wie ich zu meinem Leidwesen gestehen muss. Aurora ist ein kräftiges und gesundes Mädchen, Valerian, und eine wunderbare Kameradin, wenn ich das als Bruder so sagen darf. Sie kann auch mit Pistolen umgehen.«

»Gütiger Gott!«, rief der Herzog. »Ist Calandra auch so?«

George lachte. »Nein, nein. Calandra hasst schwimmen beinahe genauso wie reiten, und wenn sie eine Pistole sieht, ist sie der Ohnmacht nahe. Aber sonst ist sie für alles zu haben und hat Aurora und mir in all den Jahren in nichts nachgestanden. Zudem spielt sie Klavier und singt wie ein Vögelchen. Sie hat ein wundervolles Augenmaß und malt ganz herrliche Landschaftsminiaturen. Diese Talente stehen einer zukünftigen Herzogin auch viel besser an, als schwimmen und schießen, würde ich sagen. Aber meine Schwestern sind beide prächtige Mädchen!«

»Ich hatte auch einmal eine Schwester«, sagte Valerian nun, während sie weiterritten. »Sie hieß Sophia und ertrank auf der Rückreise von Frankreich mit meinen Eltern im Ärmelkanal. Meine Mutter war Halbfranzösin. Als ihr Vater starb und sie meinen Vater heiratete, kehrte ihre Mutter nach Frankreich zurück. Meine Eltern hatten Sophia zu einem Besuch dorthin mitgenommen, aber auf der Rückreise, als sie schon in Küstennähe waren, zog ein furchtbarer Sturm auf. Das Schiff sank, und alle an Bord fanden den Tod. Sophia war erst acht. Aber ich erinnere mich trotzdem noch ganz genau an sie.« Er lächelte. »Allerdings auch nur, weil ich ihr Porträt in der Ahnengalerie so oft betrachtet habe. Sie war ein hübsches Mädchen und, soweit ich mich erinnere, ganz schön aufgeweckt. Einmal ließ sie alle Hühner frei, weil sie den Gedanken nicht ertragen konnte, dass sie irgendwann im Kochtopf landeten. Sie hatte ein gutes Herz.«

George nickte verständnisvoll. »Cally und Aurora haben einmal einen Truthahn, der in den Ofen sollte, aus denselben Gründen befreit.«

Die beiden Männer ritten weiter, und George führte seinen Begleiter die hügelige Bergkette hinauf, die inmitten der Insel verlief. Dann zeigte er Valerian die Felder auf der anderen Seite und das alte Plantagenhaus der Merediths, das nun Aurora gehörte. Von ihrem Aussichtspunkt aus konnte Valerian über die ganze Insel und aufs Meer hinaus sehen.

»Welche Insel ist das dort drüben?«, fragte er dann. »Sie sieht noch ziemlich unberührt aus.«

»St. Vincent. Dort leben ausschließlich Karibikindianer. Sie lassen uns in Ruhe und wir sie. Sie haben schon so viel an die Briten, Franzosen, Spanier und Holländer verloren, dass sie nun einfach nur in Ruhe gelassen werden wollen.«

»Und wo liegt Barbados?«

George drehte sich um und wies aufs Meer hinaus. »Heute kann man es nur schwach erkennen, weil es ein bisschen diesig ist. St. Timothy liegt zwischen den beiden Inseln.«

Valerian Hawkesworth ließ den Blick über die Insel schweifen, die bei Sonnenschein aussah wie ein Smaragd auf einem glitzernden blaugrünen Tuch. So etwas Schönes hatte er noch nie gesehen, geschweige denn, sich vorstellen können. Auf einem nahe stehenden Baum machte er dann mehrere mittelgroße Vögel aus, die ein leuchtend grünes Gefieder mit saphirblauen Schwanzfedern und Flügelspitzen aufwiesen. Jeder Vogel verfügte zudem über ein hellorangenes Federkrönchen und einen gekrümmten beigefarbenen Schnabel.

Der Herzog deutete auf den kleinen Schwarm. »Was sind das für Vögel, George?«

»Es handelt sich um eine Papageienart. Sie sind hübsch, nicht wahr?«

»Solche Vögel gibt es bei uns nicht. Oh, natürlich weiß ich, was Papageien sind. Aber die, die man in England hält, haben üblicherweise ein blau-gelbes oder weißes Gefieder. So bunte habe ich noch nie gesehen.«

»Es scheint sie tatsächlich nur hier zu geben«, sagte George. »Aber sie gehen nicht an die Zuckerrohrpflanzen und richten auch sonst keinen Schaden an. Deshalb lassen wir sie in Frieden.«

Als sie die Hügel wieder hinabritten und die Felder erreichten, kam ein groß gewachsener, ordentlich gekleideter Schwarzer auf sie zu und rief etwas.

»Was gibt’s denn, Isaac?«

»Ihr werdet im Büro gebraucht, Sir. Man hat mich geschickt, um Euch zu suchen. Könnt Ihr gleich mitkommen?«

George wandte sich Valerian zu. »Ich muss gehen. Wenn Ihr wollt, sehen wir morgen die Bücher durch.«

»Können wir das nicht heute Nachmittag machen?«

»Ich glaube, Cally wäre dann beleidigt«, entgegnete George augenzwinkernd, und Valerian lachte.

»Ihr habt Recht. Ich muss mich immer erst wieder daran erinnern, dass ich bald ein verheirateter Mann bin, und nicht länger nur an mich denken kann.«

George nickte. »Folgt einfach dem Weg, um zum Haus zurückzukehren. Ihr könnt es gar nicht verfehlen. Es gibt nur eine einzige Abzweigung, und die führt zum Strand. Ihr haltet Euch einfach weiter geradeaus.«

»Ich werde mich schon zurechtfinden«, sagte der Herzog noch und ritt davon. Doch als er an einen schmalen Pfad kam, der rechts abging, lenkte er sein Pferd dort entlang. St. Timothy war so faszinierend, dass er Lust hatte, die Insel ein bisschen auf eigene Faust zu erkunden, so wie er früher als kleiner Junge durch die Wälder und über die Wiesen Englands gestreift war. Er wollte ein bisschen am Strand entlangreiten und ging davon aus, dass er sich schon nicht verirrte.

Eine Zeit lang wurde der Wald um ihn herum immer dichter, lichtete sich dann aber wieder, und Valerian konnte bereits leise die Brandung hören. Als er gerade auf den weißen Strand hinausreiten wollte, fiel sein Blick auf etwas im Wasser. Ein Kopf. Dann entdeckte er Auroras angepflocktes Pferd und einen Stapel Kleider neben einer Decke.

Badete dieses Mädchen etwa nackt? Das würde ihn überraschen und vielleicht sogar schockieren, obwohl sich Valerian da nicht sicher war. Er wusste, dass er nun eigentlich kehrtmachen und zum Hauptweg zurückreiten sollte, aber das wollte er nicht. Stattdessen hielt er sich weiter im Schatten der Bäume und beobachtete, wie sich Aurora dem Strand näherte.

Schließlich stellte sie sich hin, und seine Frage, ihre Badekleidung betreffend, war beantwortet. Sie stand bis zu den Knien im kristallklaren Wasser, war völlig nackt und wohl das schönste Geschöpf, das Valerian so gesehen hatte. Während sie auf den Strand zulief, nahm sie das Haar zusammen, um es auszuwringen. Dann legte sie sich bäuchlings auf die Decke und breitete es zum Trocknen aus.

Valerian saß ganz still im Sattel, wagte kaum zu atmen und hoffte, dass sein Pferd nicht schnaubte und ihn verriet. Nach einer Weile drehte sich Aurora auf den Rücken und breitete wieder das Haar aus. So blieb sie eine Zeit lang liegen.

Was tue ich hier eigentlich?, dachte Valerian. Ich benehme mich wie ein kleiner Junge, der den Milchmägden beim Baden zusieht

Und doch war es ihm unmöglich, Aurora aus den Augen zu lassen. Sie hatte wunderbar lange Beine und war am ganzen Körper leicht gebräunt. Zwischen ihren Schenkeln kräuselten sich verlockend goldbraune Löckchen. Wie gerne hätte Valerian seine Finger da hineingegraben und Auroras weiblichste aller Stellen erforscht.

Jetzt stand sie auf, und Valerian maß begierig ihre Brüste. Sie waren klein und vollkommen und ihre Knospen standen keck hervor. Auroras schmale Taille ging in überraschend wohl geformte Hüften über, die vielleicht eine Idee üppiger waren, als er es unter ihren weiten Röcken vermutet hätte. Nun drehte sie sich um und bückte sich nach ihrem Unterhemd. Ihre Pobacken waren so herrlich geformt, dass Valerian sie am liebsten gestreichelt hätte.

Auf einmal wurde ihm irgendwie unbehaglich im Sattel, und erst da bemerkte er, wie eng ihm die Hose saß. Er war so erregt, dass es beinahe wehtat, und dachte verärgert: Gütiger Gott! Dieses junge Weib ist bald meine Schwägerin, und trotzdem sitze ich hier und beobachte es heimlich wie ein verderbter Bastard. Wie kann ich Aurora jemals wieder in die Augen sehen?

Mittlerweile hatte sie die Kniebundhosen angezogen und war gerade dabei, auch noch Strümpfe und Schuhe überzuziehen.

Plötzlich wurde Valerian richtig böse auf sie. Dieses liederliche kleine Frauenzimmer! Das war ganz allein ihre Schuld! Welche ehrbare Frau badete schon für aller Augen sichtbar nackt im Meer? Er konnte nur hoffen, dass sie in England keinen Skandal hervorrief. Er würde dieser Landpomeranze so schnell wie möglich einen ehrbaren Gatten besorgen müssen.

Aber irgendwie machte es ihn noch wütender, sich Aurora mit einem anderen Mann vorzustellen. Valerian wendete nun schnell sein Pferd, bevor Aurora noch entdeckte, dass er sie beobachtete und womöglich Calandra davon erzählte. Er wollte nicht, dass sich seine Braut aufregte, nur weil er für ein paar Minuten schwach geworden war.

Die Zeit verging wie im Flug. Die Morgen verbrachte Valerian mit George, erfuhr von ihm, wie man eine Zuckerrohrplantage leitete und sah die Bücher durch. Dabei stellte er fest, dass die Mitgift seiner Braut äußerst gewinnträchtig war. Die Kimberlys, und Robert im Besonderen, waren sehr vorsichtig mit ihrem Geld umgegangen. Den mit dem Zucker erwirtschaftete Erlös hatten sie auf mehrere Londoner Konten verteilt angelegt. Robert Kimberly hatte großzügig für seine Witwe und seine beiden Stiefkinder gesorgt.

Sowohl George als auch Aurora gaben eine gute Partie ab, und Valerian ging davon aus, dass es ihm nicht schwer fallen würde, einen geeigneten Gatten für seine zukünftige Schwägerin zu finden. Vorausgesetzt natürlich, sie benahm sich. Aber abgesehen von ihrem Hang zum Nacktbaden, konnte er kaum weitere Fehler an ihr entdecken, höchstens vielleicht noch ihre spitze Zunge. Ohnehin war das Meer, das England umgab, im Allgemeinen viel zu kalt zum Schwimmen.

Valerian verbrachte die Nachmittage und Abende mit Calandra, ihrer Mutter und Schwester und begann allmählich, sich wie Hans im Glück vorzukommen. Seine zukünftige Gattin war äußerst liebreizend, wenn auch manchmal ein wenig einfältig. Aber das war ja zu erwarten gewesen. Sie hatte ihr ganzes Leben auf St. Timothy verbracht. Die Insel war zwar sehr schön, bot aber keinerlei kulturelle Anreize. Calandra konnte natürlich lesen und schreiben, aber sie hatte ihm eingestanden, dass ihr das Rechnen schwer fiel. Sie sprach ein wenig Französisch, stickte und malte wunderbar. Wie George gesagt hatte, verfügte sie zudem über ein ganz liebliches Stimmchen und spielte gut Klavier. Alles in allem wäre sie ein Gewinn für Farminster. Seine Großmutter würde ihr den letzten Schliff verpassen, und dann wäre Calandra in seinen Kreisen durchaus vorzeigbar, auch wenn er sich krampfhaft bemühen musste, ein gemeinsames Gesprächsthema zu finden.

Dagegen war es wesentlich interessanter, mit seiner zukünftigen Schwägerin zu plaudern. Jedes Buch in der Bibliothek ihres Vaters hatte sie wenigstens zweimal gelesen. Sie sprach fließend Spanisch und Französisch, da sie zusammen mit George mehrere Jahre von einem Privatlehrer unterrichtet worden war. Latein hatte sie sich selbst beigebracht. Zudem konnte sie eine Bilanz lesen. Ihre Reit- und Schwimmkünste hatte Valerian ja schon beobachten dürfen, und eines Nachmittags hatte sie sogar ihren Bruder beim Zielschießen ausgestochen.

Aurora verfügte aber über keine der typisch weiblichen Fähigkeiten und konnte weder singen, noch Klavier spielen wie ihre Stiefschwester, geschweige denn malen oder sticken. Sicherlich hätte sie Calandras Gefühle niemals verletzt, indem sie darüber die Nase rümpfte, aber es war offensichtlich, dass sie weder Zeit noch Geduld für derlei Zeitvertreibe aufbrachte. Doch obwohl Aurora und Calandra unterschiedlicher nicht hätten sein können, mochten sie einander sehr.

Mittlerweile war Calandras Brautkleid fertig geworden, und die Dienerinnen nähten nun emsig an den Gewändern, die sie tragen sollte, bis ihre schicke Londoner Garderobe so weit war. Aurora und George wollten dem Brautpaar erst in acht Monaten folgen. Wenn sie in England ankamen, wäre es dort bereits Winter, und sie würden beide warme, modische Kleidung brauchen. Valerian hatte sich Auroras Maße geben lassen und versprochen, ihr ihre Garderobe für die Überfahrt nach England rechtzeitig zukommen zu lassen. Auch George sollte von seinem zukünftigen Schwager großzügig ausgestattet werden.

»Schickt mir Nachricht, sobald Ihr wisst, mit welchem Schiff Ihr nach England kommt«, sagte Valerian eines Nachmittags beim Tee. »Ich empfehle die Royal George oder ihr Schwesterschiff die Queen Caroline. Bei Eurer Ankunft in England lasse ich Euch dann mit meiner Kutsche abholen.«

»Ihr seid so freundlich zu meinen Kindern, Valerian«, sagte Oralia, und Valerian schlug ihr zum wiederholten Male vor: »Wollt Ihr nicht mitkommen, Ma’am? Wir würden uns glücklich schätzen, Euch auf Hawkes Hill willkommen zu heißen. Mit ein bisschen Glück ist Calandra bis dahin guter Hoffnung und würde ihre Mutter gewiss gerne um sich haben.«

Aber Oralia schüttelte den Kopf. »Weder steht mir der Sinn nach einer langen Seereise, noch habe ich den Magen dafür«, sagte sie lachend.

»Dann müssen wir Euch oft besuchen kommen, damit Ihr Eure Enkel seht«, erklärte Valerian großzügig, woraufhin Oralia strahlte und Calandra kicherte.

Mittlerweile machte sich Valerian ein wenig Sorgen wegen Calandra. Wie oft waren sie nun schon im Garten des Plantagenhauses spazieren gegangen? Zehn Mal? Zwanzig Mal? Und Calandra hatte ihm höchstens gestattet, ihr die Hand zu halten. Sobald er versucht hatte, seine Verlobte zu küssen, waren seine Lippen bestenfalls mit ihren Wangen in Berührung gekommen, weil sie immer gleich den Kopf abgewandt hatte.

Wenn sie ihm schon einen unschuldigen Kuss verwehrte, was würde dann erst geschehen, wenn er sein Recht als Gatte einforderte? Valerian ging davon aus, dass Aurora seinem Werben längst erlegen wäre. Er wusste auch nicht, warum er darüber nachdachte, aber es war nun einmal so. Gleich darauf schob er den Gedanken allerdings beschämt von sich. Sicherlich würde Oralia ihrer Tochter über kurz oder lang die ehelichen Pflichten einer Frau erklären, und dann wäre es an ihm, seiner Braut den praktischen Gesichtspunkt dessen darzulegen.

Am Abend vor der Hochzeit erschien Oralia denn auch in Calandras Schlafzimmer. Da Aurora zugegen war, sagte sie: »Ich denke, es ist das Beste, wenn du uns jetzt allein lässt, mein Kind.«

»Ach, lass mich doch bleiben, Mama! Bestimmt willst du mit Cally über den körperlichen Aspekt ihrer bevorstehenden Heirat sprechen. Da du wahrscheinlich nicht bei mir bist, wenn ich heirate, sollte ich es mir vielleicht jetzt anhören.«

»Aber du reist doch erst in einigen Monaten nach England«, entgegnete Oralia, »da haben wir noch Zeit genug, um darüber zu reden.«

»Ich würde es aber lieber jetzt zusammen mit Cally hören, Mama.«

»Oh, bitte, lass sie dableiben«, bettelte nun auch Calandra, und Oralia zuckte unschlüssig mit den Schultern. Das Thema war unangenehm genug. Eigentlich gar keine schlechte Idee, es ein für alle Mal abzuhandeln.

»Nun gut«, sagte sie schließlich und fing an zu erzählen: »Die Ehe hat viele Facetten. Eine gute Frau respektiert ihren Mann, sie führt ihm den Haushalt und steht ihm, wenn er es wünscht, mit Rat und Tat zur Seite. Aber ihre vorrangigste Pflicht ist es, ihrem Gatten Kinder zu gebären. Dazu muss sie ihren Körper mit dem seinen vereinen und seinen Samen in ihrem Leib aufnehmen. Für manche Frau ist das eine angenehme Pflicht, und sie genießt es vielleicht sogar, wenn ihr Mann zudringlich wird.«

»War es bei dir so?«, fragte Aurora geradeheraus, und Oralia errötete, bevor sie leise erklärte: »Mit deinem Vater schon.«

»Und mit meinem nicht?«

Verlegen biss sich Oralia auf die Lippe, bevor sie ihrer Tochter eingestand: »Dein Vater war später nicht mehr so nett zu mir wie Robert Kimberly.«

»Warum nicht?«

»Nun, auch wenn der liebe Gott die Männer grundsätzlich gleich erschaffen hat, gibt es die unterschiedlichsten Möglichkeiten, ihrer Gattin beizuwohnen. Darauf müsst ihr gefasst sein, meine Kinder. Aber, Cally, ich glaube, dein Herzog ist freundlich und geduldig. Du musst dich ihm nur vorbehaltlos hingeben und darfst ihn nicht zurückweisen. Er hat ein Anrecht auf deinen Körper.«

»Und was macht er dann mit mir?« Callys Neugierde war geweckt.

»Jeder Mann hat ein ... äh... äh ... ein...«

»Glied?«, kam Aurora ihr zu Hilfe.

»Woher, um alles in der Welt, weißt denn du das?« Ihre Stiefmutter rang nach Atem.

»Als George und ich als Kinder nackt im Meer badeten, habe ich es bei ihm gesehen«, sagte Aurora gelassen. »Es war allerdings ein bisschen klein.«

»Es wird größer, wenn ein Junge zum Mann heranreift«, erklärte Oralia und dachte, dass das wohl die unangenehmste Unterhaltung war, die sie in ihrem ganzen Leben hatte führen müssen.

»Was hat es jetzt mit diesem ... äh ... Glied auf sich, Mama?«

»Damit schläft ein Mann seiner Frau bei, Cally.«

»Und wie soll das gehen?«

»Der weibliche Körper verfügt über eine entsprechende Öffnung«, fuhr ihre Mutter umständlich fort. »Sie befindet sich zwischen euren Beinen. Während die Lust des Mannes steigt, schwillt sein Fortsatz an und wird... äh... steif. Dann kann er damit in euren Körper eindringen, den er, wenn er ein umsichtiger Mann ist, zuvor dafür vorbereitet hat.«

»Und wie?« Callys Wissensdurst war verständlicherweise unersättlich.

»Er streichelt dich«, sagte Oralia, und Cally fragte ungläubig: »Wie eine Katze?«

»Du weißt jetzt, was du wissen musst«, erklärte Oralia schnell, um das ihr unangenehme Thema endlich abzuschließen. »Valerian wird dir alle weiteren Fragen beantworten.«

Aber Calandra ließ nicht locker. »Und wie kommt ein Baby in meinen Bauch?«

»Dein Gatte gibt mittels seines Gliedes seinen Samen in deinen Körper ab. Wenn du zu diesem Zeitpunkt fruchtbar bist, was nicht immer der Fall ist, geht der Samen auf und entwickelt sich zu einem Säugling. Es dauert üblicherweise neun Monate, bis ein Kind auf die Welt kommt. Wenn es so weit ist, gelangt es auf dem gleichen Weg aus deinem Körper, auf dem es hineingekommen ist.«

Aber Calandra war immer noch nicht zufrieden. »Und woher weiß ich, ob es ein Junge oder Mädchen wird?«

»Das weiß man erst, wenn das Kind auf die Welt kommt«, sagte ihre Mutter. »So, ich glaube, das reicht jetzt! Calandra, Aurora, es wird Zeit fürs Bett. Morgen ist ein sehr wichtiger Tag für dich, Calandra. Du heiratest und verlässt St. Timothy als Herzogin von Farminster. Du brauchst deinen Schlaf.«

»Bitte lass Aurora noch ein wenig bleiben, Mama«, bettelte Calandra. »Für lange Zeit ist es der letzte Abend, den wir gemeinsam verbringen können, und wenn wir uns wieder sehen, wird alles ganz anders sein.«

Oralia nickte verständnisvoll, stand auf und verließ das Zimmer.

Nachdem ihre Mutter gegangen war, sagte Calandra nervös kichernd: »Ich frage mich, wo er mich wohl streicheln wird. Das hört sich alles so lächerlich an.«

»Ich glaube, dass Männer die Brüste einer Frau am liebsten haben. Wahrscheinlich wird er dich dort streicheln«, sagte Aurora und fragte dann: »Hast du dich schon einmal selbst berührt, Cally?«

»Nein! Du etwa?«

Aurora nickte, öffnete die Schleifen ihres Nachtgewandes und stand bald mit bloßem Oberkörper vor ihrer Schwester. »Mach du auch deine Schleifen auf!«, wies sie sie dann an.

Widerwillig leistete Calandra ihr Folge und flüsterte: »So etwas habe ich noch nie getan. Ist das nicht ungehörig?«

»Kann schon sein«, entgegnete Aurora, die mittlerweile ihre kleinen festen Brüste umfasst hielt. »Mach es mir nach, Cally.«

Calandras Brüste waren ein wenig größer, leicht kegelförmig und verfügten über große Brustwarzen. Schüchtern wog sie ihre Brüste in Händen, während sie Aurora zusah, die angefangen hatte, sich die Brustwarzen mit den Daumen zu reiben.

Calandra tat es ihr gleich, und unter der Berührung richteten sich ihre Brustwarzen auf. Aber es kitzelte eher als alles andere, und Calandra konnte dem Ganzen nichts abgewinnen. Aurora dagegen, schloss die Augen, schob das Nachthemd hoch und vergrub die Finger in den dichten Löckchen ihrer Schambehaarung. Dabei steckte sie einen Finger zwischen die Schamlippen und fing an, die Hand hin und her zu bewegen.

Mit großen Augen sah Calandra ihr zu und fragte schließlich erschrocken: »Was tust du denn da?«

»Mach es mir nach«, flüsterte Aurora nur und seufzte leise. »Mh, das ist ein wunderbares Gefühl. Wenn ein Mann das mit mir macht, kann ich es kaum erwarten, zu heiraten!«

»Es widerstrebt mir, das zu tun!«, sagte Calandra. »Ich kann das nicht.«

»Doch ... doch ...«, murmelte Aurora, fing an zu stöhnen und schien einen Moment kaum ansprechbar. Dann seufzte sie laut auf und sagte: »War das schön! Komm schon, Cally, versuch es auch. Danach fühlst du dich wunderbar.«

Nervös befolgte Calandra Auroras Anweisung, und schon bald durchlief ihren Körper ein ungeahntes Kribbeln, das ihr aber nicht besonders gefiel. Ihre Finger benetzte eine feucht-klebrige Flüssigkeit, die aus ihrem Körperinneren zu kommen schien. Dann erschauderte sie ein wenig, rief: »Oh, oh!«, und Aurora fragte keck: »Und, wie war’s?«

»Ich glaube nicht, dass mir das gefallen hat«, sagte Calandra und stand vom Bett auf, um zur Waschschüssel hinüberzugehen und sich die Finger zu schrubben. »Wo hast du das überhaupt gelernt?«, fragte sie dann angewidert.

Aurora zuckte die Schultern. »Das weiß ich eigentlich auch nicht so genau. Eines Tages hab’ ich’s einfach gemacht, und es hat mir gefallen. Valerian wird dich wahrscheinlich auch so anfassen. Ich glaube, diese klebrige Flüssigkeit, die dann austritt, ist das, was Mama meinte, als sie sagte, er würde deinen Körper vorbereiten, bevor er dir beiwohnt. Wenn du da unten feucht bist, kann das Glied wahrscheinlich leichter eintreten, weil es dann besser rutscht.«

»Ich finde das ganz eklig und werde es bestimmt nicht tun!«, rief Calandra aus.

»Oh, jetzt stell dich doch nicht so an, Cally! Natürlich wirst du es tun. Das musst du sogar, wenn du ein Baby bekommen willst, und das ist, wie Mama schon gesagt hat, deine vorrangige Pflicht. Die Hawkesworths erwarten einen Erben. Wahrscheinlich gefällt es dir besser, wenn Valerian dich streichelt, als wenn du es dir selbst machst. Hat er dich schon einmal geküsst?«

»Das würde ich niemals zulassen!«

»Nun, nach der Heirat wird dir wohl nichts anderes übrig bleiben«, erklärte die praktisch veranlagte Aurora, stand ebenfalls auf und band sich das Nachthemd wieder zu. »Ich gehe jetzt schlafen, Herzchen. Träum schön, kleine Schwester. Bis morgen dann.«

»Aurora!«

An der Tür wandte sich Aurora noch einmal um, und Calandra sagte: »Ich hab' dich so lieb!«

»Ich dich auch«, erwiderte Aurora und fügte hinzu: »Ich werde dich vermissen«, bevor sie das Zimmer verließ, um noch einmal hinunter auf die Terrasse zu gehen.

In der Eingangshalle standen bereits Calandras Koffer. Die Hochzeit sollte gleich als Erstes am nächsten Morgen stattfinden, sobald die Royal George eingelaufen war. Nach einem Hochzeitsfrühstück würden die Neuvermählten und ihre beiden Diener dann ihre Reise nach England antreten. Der Pfarrer sollte mit dem Boot nach Barbados zurückgebracht werden, und der Tag würde weitergehen wie jeder andere, nur dass Cally dann nicht mehr auf der Insel wäre. Aurora seufzte und atmete tief die im Vergleich zum Tag frische Abendluft ein, bevor auch sie sich in ihr Schlafzimmer zurückzog.

Am nächsten Morgen waren alle schon sehr früh auf den Beinen. Die Badewannen wurden gefüllt und alle an der Hochzeit Beteiligten nahmen ein Bad. Man servierte den Tee in den Schlafzimmern, und Calandras Kammerzofe war vor Aufregung so schlecht, dass sie sich zweimal übergeben musste.

»Was ist denn mit dir los?«, fragte Martha, die ein wenig älter war als Sally.

»Ich fahre heim!«, rief Sally. »Ich sehʼ England wieder und werd' Zofe bei 'ner Herzogin!« Sallys Leibeigenschaft, die der Preis für ihre Überfahrt gewesen war, hatte schon vor einigen Jahren geendet. Sie hatte immer Heimweh nach England gehabt, aber nie die Mittel für eine Rückreise besessen. Nun bot sich ihr mit Calandra diese Möglichkeit und sie war furchtbar aufgeregt. »Erzähl mir nich’, Massa ’enry, dass du nich’ auch froh wär’s, England wieder zu sehen.«

»Du bleibst bestimmt nicht lange Kammerzofe einer Herzogin, wenn du nicht ordentlich sprechen lernst, Mädchen«, entgegnete Martha streng. »Ich dachte, in den letzten zehn Jahren hätten wir dir beigebracht, richtig zu reden. Die Dienerin einer Herzogin muss sich fast genauso gewählt ausdrücken können wie ihre Herrin. Oder willst du in London wieder in dem gleichen Sumpf landen, aus dem du gekommen bist?«

»Jesus und Maria, nein!«, rief Sally entsetzt und blickte richtig panisch drein. »Vielleicht wär’s besser, ich blieb gleich da, auf St. Timothy.«

»Jetzt sei nicht blöd!«, sagte Martha energisch. »Denk einfach nur daran, ordentlich zu sprechen, und guck dir von den Dienern der Hawkesworths so viel ab, wie du kannst. Auf See hast du Zeit genug, dich mit Browne, dem Kammerdiener des Herzogs, gut zu stellen. Damit meine ich aber nicht, dass du ihm schöne Augen machen sollst. Hast du verstanden?«

Sally nickte.

»Und wenn in England irgendjemand deine Autorität infrage stellt und versucht, dir deine Stellung streitig zu machen, sei unnachgiebig und erinnere sie daran, dass du Euer Gnaden schon umsorgt hast, als sie noch ein Kind war. Es wird kaum jemand wagen, dagegen anzugehen. Sei freundlich zu den anderen Bediensteten, aber traue keinem, bevor du nicht ganz genau weißt, wie der Hase läuft. Die Großmutter des Herzogs wird eine ihrer Dienerinnen bevorzugen. Stell dich gut mit der Frau und behandle sie mit Respekt. Mit einer so starken Verbündeten hast du dann nichts mehr zu befürchten.«

»Oh, Martha, ich werde dich vermissen!« In Sallys grauen Augen standen Tränen.

»Stell dich nicht so an!«, sagte Martha barsch, aber auch ihr war ein wenig nach Heulen zu Mute. Wenn Sally abreiste, hätte sie niemanden mehr, mit dem sie reden konnte. Aber sie würden sich ja in einigen Monaten wieder sehen. Martha blickte zum Fenster hinaus und rief: »Sieh nur, da kommt die Royal George! Gleich wird sie im Hafen festmachen, und die Braut ist noch nicht fertig!«

Rasch holten sie Calandras Hochzeitsgewand aus der Kleiderkammer. Es bestand aus herrlich fallendem cremefarbenem Satin. Der großzügige Ausschnitt war mit einer kleinen Spitzenbordüre besetzt, die sich in breiterer Ausführung auch an den Dreiviertelärmeln wiederfand. Der Rock teilte sich vorn und gab den Blick auf ein Brokatunterkleid frei, das mit einem winzigen Blumenmuster aus Goldfäden bestickt war. Auf Hüfthöhe erhielt der Rock Volumen durch Volants und Rüschen und sprang dann über dem Brokatunterkleid und den zahlreichen gestärkten Unterröcken auf. Calandras dunkles Haar war zu einem Knoten zusammengenommen, und eine lange Locke fiel ihr seitlich über Gesicht und Schulter.

Außer tropfenförmigen Perlenohrringen und einem kleinen Goldkreuz an einer feinen Kette trug sie keinen Schmuck. Vorsichtig steckte sie nun ihre bestrumpften Füße in cremefarbene Brokatpantöffelchen, die mit kleinen goldfarbenen Seidenrosen besetzt waren, und betrachtete sich im Spiegel.

Calandra Hawkesworth, Herzogin von Farminster – das klang mächtig nobel, dachte sie und drehte sich. Ja, sie sah aus wie eine Herzogin. In England würde sie ein großer Erfolg werden. »Ich bin schön«, erklärte sie nun laut, aber mehr zu sich selbst.

»Das seid Ihr, Missy, und das sage ich nicht nur einfach so.« Martha, die Sally beim Ankleiden der Braut zur Hand gegangen war, lächelte. »Aber vergesst in England nicht, dass nur schön ist, wer Gutes tut, Miss Calandra. Dass mir keine Klagen kommen!«

Oralia, die in diesem Augenblick das Zimmer betrat, blieb unvermittelt stehen, als sie ihre Tochter sah, und griff sich gerührt ans Herz. »Oh, mein Gott, mein Liebling, du siehst ganz wunderbar aus, richtig edel!«, rief sie und drückte Calandra einen kleinen Strauß weißer Orchideen in die Hand. Dann fragte sie: »Wo ist Aurora?«

»Hier bin ich, Mama.« Aurora war gerade durch die Verbindungstür zwischen ihrem und Calandras Schlafzimmer hereingekommen. Ihr Kleid sah fast genauso aus wie das ihrer Schwester, nur dass es aus roséfarbener Seide bestand. Das vorn sichtbare Unterkleid war aus cremefarbenem Brokat und mit winzigen Vergissmeinnicht bestickt. Die dazu passenden Schuhe zierten rosa Stoffröschen. Auroras goldbraunes Haar war aufgesteckt und zu beiden Seiten des Gesichts baumelte ihr eine Locke. Auch Aurora trug nur ein Goldkreuz, das gleiche wie ihre Schwester.

»Wie schön ihr ausseht!«, sagte Oralia zufrieden und reichte ihrer Stieftochter einen Strauß rosa Hibiskusblüten mit Farnblättern.

Da steckte George den Kopf zur Tür herein und verkündete: »Kapitän Conway und Reverend Edwardes sind eingetroffen, und der Bräutigam wartet ungeduldig, dass die Damen fertig werden.«

»Du kannst mich schon einmal hinunterbegleiten, George«, sagte seine Mutter, »dann kommst du zurück und holst deine Schwestern.« Sie bedeutete Sally und Martha, mit ihr das Zimmer zu verlassen, und die beiden Mädchen waren für einen Augenblick allein.

»Bist du sicher, Aurora, dass es dir nicht Leid tut, mir den Herzog abgetreten zu haben?«, fragte Calandra. »Das war wirklich ganz lieb von dir und so großzügig. Aber Papa wäre damit sicher nicht einverstanden gewesen.«

»Nein, es tut mir nicht Leid«, versicherte ihr Aurora, »und Papa würde vor allem wollen, dass ich glücklich bin. Das weißt du auch. Aber nun werde erst einmal du glücklich, Cally.«

»Oh, da mache ich mir keine Sorgen! Ich werde Herzogin sein und in England leben und kann’s kaum erwarten, dort hinzukommen und in die feine Gesellschaft aufgenommen zu werden!«

»Und was ist mit Valerian? Denkst du gar nicht an ihn?«, fragte Aurora ein wenig besorgt wegen Calandras kindlicher Einstellung.

»Valerian? Nun, er wird mein Gatte sein. Was sollte es da sonst noch geben?«, entgegnete Calandra. »Wir kommen bestimmt gut miteinander aus.«

George kam wieder herein. »Kommt, Kinder! Es wird Zeit«, sagte er, und die drei verließen Calandras Schlafzimmer. Aurora ging ganz langsam voran, damit alle genug Zeit hatten, die Braut zu bewundern. Natürlich waren nur die Diener, der Kapitän und der anglikanische Priester zugegen. In seiner schwarzen Robe stand er mit dem Rücken der geöffneten Haustür zugewandt; links von ihm der Herzog, einfach, aber elegant in hellbeige Kniebundhosen nach Reitermanier gekleidet. Dazu trug er weiße Strümpfe, einen schwarzsamtenen Gehrock und eine helle, schwarz bestickte Brokatweste. Seine Schuhe schmückten silberne Schnallen, den Hemdkragen und die Manschetten üppige Spitzenvolants.

Als Aurora bei dem Geistlichen ankam, trat sie einen Schritt nach links und drehte sich um, damit sie ihre Stiefschwester sehen konnte.

Cally bewegte sich äußerst anmutig, ihre kleine Hand ruhte auf Georges Arm. Als sie Reverend Edwardes erreichten, trat Valerian vor, und George legte Calandras Hand in die seines zukünftigen Schwagers. Daraufhin stellte er sich an den Platz, den Valerian zuvor eingenommen hatte, da ihm nicht nur die Aufgabe des Brautführers zukam, sondern zusammen mit Aurora auch die des Trauzeugen.

»Liebes Brautpaar, wir haben uns heute im Angesicht Gottes und der Christen hier versammelt, um euch zu vermählen«, fing Reverend Edwardes auf die für Geistliche typische Art an zu sprechen, und Aurora überlegte, wie lange es her war, dass sie eine Kirche von innen gesehen hatte.

Zur Beerdigung ihres Vaters war Reverend Edwardes von Barbados herübergekommen, und davor? Aurora konnte sich nicht mehr erinnern. Ihr Vater hätte auf St. Timothy gerne ständig einen Pfarrer gehabt, aber die Sklaven hatten ihre eigene Religion, und es wäre vermessen gewesen, den Pfarrer nur für die eigene fünfköpfige Familie und ihre Diener anzustellen. Deshalb schickte man eben nach dem Geistlichen, wenn man ihn wirklich brauchte. Nicht gerade ideal, dachte Aurora nun und beschloss, in England jeden Sonntag in die Kirche zu gehen.

England! Was mochte sie dort wohl erwarten?

Die nächsten Minuten schweiften Auroras Gedanken hierhin und dorthin, bis sie schließlich Reverend Edwardes sagen hörte: »Und hiermit erkläre ich Euch zu Mann und Frau.« Dann legte er Valerians und Auroras Hände aufeinander und fuhr fort: »Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden. Amen.« Lächelnd wandte er sich daraufhin an Valerian: »Ihr dürft die Braut jetzt küssen, Euer Gnaden.«

Mit Rücksicht auf Calandras Schüchternheit streifte Valerian nur ganz sacht ihre Lippen. Aber auch darüber schien sie sehr erschrocken.

Doch dann wurde sie schon von ihrer Mutter umarmt, die gleich darauf auch den Herzog in die Arme schloss und mit Tränen in den Augen sagte: »Ich freue mich so für euch beide!«

Danach gratulierten George, Aurora, Kapitän Conway und die Diener den Neuvermählten, bevor man sich zum Hochzeitsfrühstück ins angrenzende Esszimmer begab. Während man zu Tisch saß, wurden die Koffer aus dem Haus auf einen Karren geladen und zum Hafen hinuntergebracht.

Als auch der letzte Koffer an Bord war, erhob sich Kapitän Conway und erklärte zu Valerian gewandt: »Ich möchte Euch nicht drängen, Euer Gnaden, aber je früher wir Anker lichten, desto eher erreichen wir England.«

»Gewiss doch«, pflichtete ihm der Herzog bei, erhob sich ebenfalls und zog auch Cally mit sich hoch. »Du wirst dich sicher noch umziehen wollen, meine Liebe«, erklärte er dann und fuhr zu Sally gewandt fort: »Bring deine Herrin nach oben, und dass du mir nicht herumtrödelst!«

»Bestimmt nicht, Euer Gnaden«, sagte Sally, die man zusammen mit Martha ebenfalls zu Tisch gebeten hatte, da die beiden Frauen der Familie schon so viele Jahre treue Dienste geleistet hatten.

Die frisch gebackene Herzogin von Farminster kehrte in erstaunlich kurzer Zeit zurück und erklärte atemlos: »Ich bin fertig!« Sie trug ein elegantes Reisekleid aus Seidentaft, der mit einem fröhlichen Blumenmuster bedruckt war. Dazu passten die blauen Bänder ihres breitkrempigen Strohhuts genauso wie die Spitzenhandschuhe.

Oralia fing an zu weinen, und sowohl ihre Tochter als auch ihre Stieftochter eilten zu ihr, um sie zu trösten. »Ich weiß, dass ich mich ganz kindisch benehme«, sagte sie schluchzend, »aber...«

»Nein, Mama«, widersprach Calandra, »du musst deine Entscheidung einfach noch einmal überdenken, und George und Aurora im Herbst nach England begleiten.«

Oralia schüttelte den Kopf. »Ich fahre doch nicht gerne mit dem Schiff, und schon gar nicht so weit. Wenn du Kinder bekommen hast, Cally, bringst du sie einfach einmal nach St. Timothy, damit ich sie sehen kann, bevor ich sterbe.«

»Aber, Mama«, wandte nun auch Aurora ein, bemüht, sich ein Lächeln zu verbeißen, »zum Sterben bist du doch noch viel zu jung. Du hast bestimmt noch viele Jahre vor dir. So, und nun gib Cally deinen Segen und einen Kuss, damit sie aufbrechen kann!«

Oralia seufzte, befolgte aber den Rat ihrer Stieftochter, und küsste zuerst Calandra und dann ihren neuen Schwiegersohn, zu dem sie noch sagte: »Passt mir gut auf meinen Schatz auf!«

»Das werde ich, Ma’am«, versprach er.

Calandra umarmte ihre Geschwister und schließlich auch Martha, bevor sie zu allen gewandt erklärte: »Ich freue mich schon, wenn ihr kommt.«

Grinsend hielt George ihr die Hand hin. »Zusammen«, sagte er dann, woraufhin Calandra erwiderte: »Für immer«, und Aurora hinzufügte: »Wie ein Mann«, und damit ihren Treueschwur aus Kindertagen besiegelte.

Verwundert sah Valerian Hawkesworth sie an, und die drei lachten.

»Eure Gattin wird Euch erklären, was es damit auf sich hat«, kam Oralia ihm zu Hilfe. »Und nun geht, bevor ich Euch nicht mehr fortlasse!« Dabei hielt sie sich das Taschentuch an den Mund.

Der Herzog geleitete seine Braut hinaus und half ihr in die offene Karosse. Sie winkten noch einmal, und dann ging es auch schon hinunter zum Hafen. Kapitän Conway, Browne und Sally folgten in einer anderen Kutsche.

»Ich weiß nicht, ob ich das ertrage«, sagte Oralia leise.

»Grämt Euch nicht, Ma’am«, sagte Reverend Edwardes. »Es ist Gottes Wille, dass eine Tochter ihr Elternhaus verlässt, um zu ihrem Gatten zu gehen. Und Eure Tochter hat es unglaublich gut getroffen. Dafür solltet Ihr dem Herrgott dankbar sein!«

Oralia nickte und tupfte sich eine Träne weg, während Aurora schnell sagte: »George, wärst du so freundlich, unseren Gast hinunter zum Boot zu bringen, damit Franklin ihn nach Barbados zurücksegeln kann? Der Wind ist heute ziemlich kräftig.« Zum Reverend gewandt, fuhr sie fort: »Wahrscheinlich könnt Ihr noch zum Mittagessen zu Hause sein. Es war sehr freundlich von Euch, nach St. Timothy zu kommen, um meine Schwester mit dem Herzog von Farminster zu vermählen. Aber wir wollen Euch nicht länger von Euren anderen Pflichten abhalten, Reverend Edwardes.« Dabei lächelte sie honigsüß.

»Ich bin sehr froh, dass ich kommen durfte, Miss Aurora«, entgegnete er. »Ich hoffe, dass ich auch Euch bald mit einem netten jungen Mann vermählen kann. In meiner Gemeinde befinden sich mehrere geeignete Kandidaten, unter denen womöglich einer ist, der Euch zusagt.«

»Wenn mein Bruder und ich nächstes Jahr von England zurück sind, komme ich vielleicht einmal nach Barbados und besuche Euch.«

»Ihre verehrte Frau Mutter wird die Trennung von Eurer Schwester doch verkraften?«, fragte der Geistliche noch, aber Aurora versicherte ihm: »Mama kommt darüber hinweg.«

»Es ist hart, eine Tochter zu verlieren, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Meine gute Gattin und ich haben in den vergangenen vier Jahren vier Töchter verheiratet.«

»Kommt, Sir«, sagte George nun lächelnd, dem längst klar war, dass Aurora den Reverend so schnell wie möglich loswerden wollte, damit Oralia nicht noch etwas sagte, das sie verraten könnte. Deshalb nahm er den anglikanischen Geistlichen nun beim Arm, raunte seiner Stiefschwester zu: »Ich kümmere mich darum, dass er für seine Mühen entlohnt wird«, und schob den Mann zur Tür hinaus.

Paradies der Sehnsucht

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