Читать книгу City Vampire - Beth St. John - Страница 7
Kapitel 4
ОглавлениеElaine folgte der Wegbeschreibung, die der Mann ihr gegeben hatte. Die Gegend war abgelegen und das ehemalige Industriegebiet offensichtlich schon sehr lange verlassen; die Straßen waren marode, die Gebäude verwittert. Die Fassaden bröckelten und sie fand kaum ein Fenster, das noch nicht eingeschlagen war. Das Wetter verschlechterte sich zusehends, während sie sich ihrem Ziel näherte. Dunkle Wolken zogen am Himmel über ihr auf und verliehen den verwahrlosten Bauten etwas sehr Bedrohliches.
Elaine schauderte.
Sie fand das Gebäude, das der Fremde gemeint haben musste. Still und einsam lag es zu ihrer Rechten, eine zerrissene Plane diente als Ersatz für die Eingangstür und flatterte wild im erstarkenden Wind. Sie parkte ihren Wagen, dann schlug sie den Kragen ihrer Jacke hoch und stieg aus. Das herannahende Gewitter trieb altes Laub und Staub vor sich her und Elaine konnte schon die ersten feinen Tropfen auf ihrem Gesicht spüren. Langsam ging sie auf den Eingang zu. Die im Wind tanzende Plane machte klatschende Geräusche, als sie von einer starken Böe erfasst wurde. Elaine schob sie beiseite und trat vorsichtig ein. Der Boden war vom Schutt und Dreck der Jahre übersät und sie musste Acht geben, wo sie hin trat.
„Hallo?“, rief sie und bemühte sich, ihre Stimme fest klingen zu lassen. „Ist da jemand?“
Doch sie erhielt keine Antwort. Verunsichert ging sie tiefer in das alte Gebäude hinein. War sie tatsächlich am richtigen Ort? Was, wenn sie den Mann falsch verstanden hatte? Ihr brach der kalte Schweiß aus. Sie würden Mathis töten, wenn sie nicht rechtzeitig käme.
„Hallo? Ich bin Elaine Moreau! Sie hatten mich hierher bestellt! Wo sind Sie, verdammt?“ rief sie, lauter diesmal. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie ging weiter und fluchte im Stillen, dass sie keine Taschenlampe eingesteckt hatte. Ihr Handy lag noch im Wagen, das half ihr gerade auch nicht weiter. Doch zurückgehen wollte sie jetzt nicht. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als die Zähne zusammen zu beißen und sich vorsichtig einen Weg zu bahnen, tiefer hinein in diesen unheimlichen Bau, tiefer hinein in die Dunkelheit. Über einen kurzen Flur gelangte sie in einen großen Raum, in dem früher Maschinen gestanden haben mussten. Die schweren Geräte hatten ihre Spuren auf dem alten Boden hinterlassen. Durch ein eingeschlagenes Fenster auf der anderen Seite wehte erbarmungslos der Wind herein und brachte kalten Regen mit sich.
Es war fast dunkel, obwohl es noch früh am Abend war. Elaine erschauerte. Sie spürte, wie die kleinen Härchen in ihrem Nacken sich aufstellten und es packte sie das unheimliche Gefühl, beobachtet zu werden.
Elaine fuhr herum.
Undeutlich sah sie den Umriss eines Gesichts, nur etwa einen Meter von dem ihren entfernt. Sie öffnete den Mund zu einem Schrei, doch jemand packte sie grob und presste ihr eine behandschuhte Hand auf den Mund. Elaine schlug wild um sich, doch sie wurde von eisernen Armen umfasst. Sie spürte, wie der Boden unter ihren Füßen verschwand, als man sie hochhob und mitnahm. Der Mann, dessen Gesicht sie gesehen hatte, folgte mit wenigen Metern Abstand – bereit einzugreifen, falls es Elaine gelingen sollte, sich aus dem stählernen Klammergriff zu befreien. Sie gab den Kampf auf. Was nun geschehen sollte, würde geschehen.
Vor einer Treppe, die in unsichtbare Tiefen hinab führte, setzte der Mann sie unsanft auf dem Boden ab.
„Vorwärts“, sagt er barsch und versetzte ihr einen Stoß in den Rücken. Elaine gehorchte widerwillig. Vorsichtig stieg sie die altersschiefen und ausgetretenen Stufen hinab. Die Treppe machte eine Wendung und plötzlich war sie bereits ganz unten angelangt; Elaine wäre fast gefallen, als der letzten Stufe keine weitere folgte. Sie taumelte kurz, fing sich aber wieder. Ein schwacher Lichtschein am Ende des schmalen Flurs wies ihr die Richtung.
„Weiter“, drängte der Mann hinter ihr und stieß sie erneut in die Rippen.
„Ich gehe ja schon“, murmelte Elaine wütend und ging weiter. Dann trat sie durch die geöffnete Tür. Der schwache Lichtschein, den sie schon von der Treppe aus wahrgenommen hatte, verstärkte sich zu einem schummerigen Zwielicht, ausgehend von einer mit Tüchern abgedunkelten Neonröhre an der Decke. Eine Gestalt stand am Ende des Raums, groß, dunkel und bedrohlich. Sie hatte Elaine den Rücken zugewandt. Elaine wartete schweigend und die beiden Männer, die sie hergebracht hatten, taten es ihr gleich. Still und mahnend flankierten sie sie.
Dann, mit einer Ruhe, die nur großem Selbstbewusstsein entspringen konnte, drehte sich die große Gestalt um. Trotz des dämmerigen Lichts konnte Elaine die scharfen Gesichtszüge des Mannes erkennen. Seine Schläfen waren grau, er wirkte erhaben und grausam zugleich. Sein perfekt sitzender Anzug und der teure Siegelring an seiner rechten Hand ließen vermuten, dass er kein einfacher Krimineller war, der nur Geld erpressen wollte. Langsam machte er einen Schritt auf sie zu und sah sie mit dunklen Augen an. Bei Elaines Anblick verzog er den Mund zu einem raubtierartigen Grinsen, es erinnerte Elaine an einen Hai und unwillkürlich wich sie zurück. Die Reaktion ihrer Bewacher erfolgte prompt – beide machten einen Schritt auf sie zu, nahezu synchron. Jeglicher Versuch zu fliehen wäre zwecklos, aber Elaine hatte gar nicht vor zu fliehen. Sie wollte Mathis zurück. Und sie war bereit, alles dafür zu geben.
„Elaine Moreau“, sagte der Mann rau. „Ich bin hocherfreut, Ihre werte Bekanntschaft zu machen.“
Elaine erkannte die Stimme, mit ihm hatte sie telefoniert. Das war Jerome. Sie erwiderte seine Begrüßung nicht.
„Wo ist mein Bruder?“, fragte sie stattdessen.
„Aber, aber“, sagte Jerome und machte eine abwehrende Geste. „Immer eines nach dem anderen, nicht wahr?“ Er kam noch ein paar Schritte näher und beugte sich ein wenig vor. „Sie brennen sicherlich vor Neugier, nehme ich an?“
„So würde ich es nicht gerade nennen“, antwortete Elaine sarkastisch. „Aber ich frage mich doch, was sie von mir wollen. Ich bin Kellnerin und mein kleiner Bruder geht noch zur Schule. Wir haben keine reichen Eltern, also: Was soll das Ganze?“
„Oh, soweit ich informiert bin, sind Sie mitnichten bloß eine Kellnerin. Oder sagen wir, sie verkaufen sich mit dieser Tätigkeit weit unter ihrem Wert. Habe ich nicht Recht?“ Er grinste wölfisch.
Elaine stockte für einen kurzen Moment der Atem. Sie wusste, worauf er hinaus wollte. „Ich bin raus aus dem Geschäft“, sagte sie barsch. „Über ein Jahr schon.“
„Das ist für mich kein Problem“, entgegnete Jerome und winkte ab. „Ich bin sicher, Sie sind nicht zu sehr aus der Übung. Sie waren schließlich die Beste ihres Fachs. Also, hier mein Vorschlag: Sie erledigen zwei kleine Aufträge für mich – keine große Sache für eine Frau Ihres Formats. Solange bleibt Mathis mein Gast. Keine Sorge, ihm wird es an nichts mangeln. Sollten Sie jedoch ablehnen oder die Polizei hinzuziehen…“ Er ließ das Ende des Satzes ungesagt. „Nun, Sie wissen sicherlich, was ich meine. Aber was reden wir hier – dazu wird es nicht kommen, nicht wahr?“ Er lachte wieder und klatschte in die Hände.
Elaine wollte etwas erwidern, aber die Worte blieben ihr im Halse stecken. Sie schluckte die in ihr aufkeimende Übelkeit hinunter.
„Machen Sie sich keine Sorgen, ich habe bereits gut für Sie recherchiert“, sagte Jerome nun viel sachlicher. Er ging zu einem kleinen Tisch an der Wand und nahm einen braunen Umschlag zur Hand. Dann reichte er ihn Elaine.
„Kommen wir also zum Geschäftlichen. Der erste Auftrag. Das Objekt meiner Begierde – es handelt sich um ein Gemälde – ist im Besitz eines privaten Kunstsammlers. Die Adresse und einen Bauplan seiner Villa finden Sie in dem Umschlag. Die Sicherheitsvorkehrungen sind nicht der Rede wert, wie Sie feststellen werden. Sie haben schon ganz andere Fälle gemeistert – das weiß ich aus sicherer Quelle.“ Er lachte gurrend.
Elaine nahm den Umschlag entgegen. Sie wollte nicht hineinschauen. Nicht jetzt. „Ich will mit Mathis sprechen“, sagte Sie zornig. „Solange ich nicht sicher sein kann, dass es ihm gut geht, mache ich gar nichts.“
Jerome zog die Augenbrauen hoch. „Sie sollten doch inzwischen bemerkt haben, dass Sie nicht in der besten Position sind, um Forderungen zu stellen, oder?“
Elaine sagte nichts, sondern starrte Jerome bloß mit festem Blick an.
Schließlich zuckte er die Schultern. „Ach, warum nicht.“ Er griff in die Tasche seines Mantels und zog ein Mobiltelefon hervor. Er wählte eine Nummer und schon nach kurzem Klingeln wurde am anderen Ende abgehoben.
„Hol mir den Jungen ans Telefon“, sagte er ohne ein Wort der Begrüßung. Dann reichte er das Handy an Elaine weiter.
Mit zitternden Fingern nahm sie es entgegen.
„Mathis?“, flüsterte sie. „Mathis, hörst du mich?“ Ein Knacken erklang in der Leitung, als das Telefon weitergereicht wurde. Dann sagte eine jungenhafte Stimme: „Elaine, bist du das?“
Vor Erleichterung sank Elaines Herz bis in die Kniekehlen. „Mathis, mein Gott, du lebst! Geht es dir gut?“
„Ja“, sagte Mathis. Er klang erschöpft. „Es geht mir gut. Was soll das alles? Wann darf ich wieder nach Hause?“
„Bald, ich verspreche es“, sagte Elaine und schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter. „Tu einfach, was sie sagen, ja? Alles wird gut.“
„Aber – was wollen die von uns?“ Mathis schluchzte.
Elaine kämpfte gegen die Tränen an, die ihr in die Augen schießen wollten. „Ich muss nur eine Kleinigkeit erledigen, dann darfst du wieder nach Hause. Ich verspreche dir, alles kommt wieder in Ordnung. Hörst du? Dir wird nichts geschehen.“
„Genug jetzt“, bestimmte Jerome und nahm Elaine das Telefon aus der Hand. „Sie wissen jetzt, dass es Ihrem Bruder gut geht. Sie sollten nach Hause fahren und mit den Vorbereitungen beginnen!“
„Sie sprachen von zwei Aufträgen“, sagte Elaine eisig.
„Erst erledigen Sie diesen. Wenn Sie mir das Gemälde bringen, nenne ich Ihnen die Details zu dem zweiten.“ Er sah ihr direkt in die Augen. „Sie finden eine Nummer in dem Umschlag, unter der Sie mich erreichen können.“ Er ergänzte: „Sie erledigen diese zwei Kleinigkeiten für mich und Ihr Bruder kehrt unbeschadet heim. Ich werde mein Wort halten. Haben wir uns verstanden?“
Elaine hielt seinem Blick stand. „Ja“, sagte sie. „Das haben wir.“