Читать книгу Wikipedia und der Wandel der Enzyklopädiesprache - Bettina Eiber - Страница 31

3.3.5 Sprachlich-stilistische Merkmale

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Ebenso wie der Artikelaufbau können die sprachlich-stilistischen Merkmale von WikipediaartikelnWikipediaartikel je nach Untersuchungskorpus variieren. In ihrer Studie untersuchen Emigh/Herring (2005) englischsprachige Artikel1 aus den OnlineenzyklopädienEnzyklopädie– Online-~ Wikipedia und Everything2. In ein Zusatzkorpus werden die mit den Wikipediaartikeln verlinkten Nutzerdiskussionen und Artikel zu denselben Stichwörtern aus der Onlineversion der Columbia Encyclopedia gegeben. Die Artikel werden hinsichtlich des Grads sprachlicher FormalitätFormalität analysiert, wobei die sprachlichen Merkmale Kontraktionen (I’m, don’t, he’s, etc.) und Personalpronomina (I, we, you, he/she, they), größere Artikellänge und kürzere WortlängeWortlänge auf einen eher niedrigeren Grad an sprachlicher Formalität hindeuten. Die nominalen Suffixe -ment, -(t)ion, -ity, -ism, -ance/-ence, -age, eine eher kürzere Artikellänge und eine größere WortlängeWortlänge zeigen dagegen einen höheren Grad an sprachlicher Formalität an (cf. Emigh/Herring 2005: 5). Werden nur die beiden Merkmale Artikellänge und WortlängeWortlänge berücksichtigt, so ergibt sich ein geringerer Grad an sprachlicher Formalität in den Wikipediaartikeln als in den Artikeln der Columbia Encyclopedia. WikipediaartikelWikipediaartikel sind durchschnittlich länger, haben aber durchschnittlich kürzere Wörter. In der Columbia Encyclopedia ist es genau umgekehrt. Werden alle Merkmale ausgewertet und einer Faktorenanalyse unterzogen, so ergeben sich keine statistischen Unterschiede zwischen Artikeln aus Wikipedia und der Columbia Encyclopedia. Allerdings zeigt sich eine Verteilung der nominalen Suffixe je nach StichwortStichwort, wobei im Artikel zum Golfspieler Ben Hogan am wenigsten Nomina mit den untersuchten Suffixen auftreten, im Artikel Karl Marx schon deutlich mehr und im Artikel Corporation am meisten (cf. Emigh/Herring 2005: 7). Die exemplarische Analyse des Artikels String Theory zeigt in Wikipedia und in Columbia Encyclopedia einen vergleichbaren Grad an sprachlicher FormalitätFormalität. Somit kommen Emigh/Herring auf der Basis des von ihnen gewählten Korpus und der ausgewerteten Merkmale zu folgendem Schluss:

Surprisingly, Wikipedia is statistically indistinguishable from the print encyclopedia in terms of the formality features measured in this study (Emigh/Herring 2005: 9).2

Sie schätzen WikipediaartikelWikipediaartikel deswegen als „case of genre reproduction“ (Emigh/Herring 2005: 9) ein und kontrastieren die an traditionellen PrintartikelnPrintartikel orientierten WikipediaartikelWikipediaartikel mit den DiskussionsseitenDiskussionsseite in Wikipedia, aber auch mit der OnlineenzyklopädieEnzyklopädie– Online-~ Everything2, die deutliche Spuren der InformalitätInformalität trägt und deswegen als neues Internetgenre betrachtet wird.

Einen Vergleich zwischen Artikeln aus Britannica und der englischen Version der Wikipedia nimmt Elia vor. Ihr Korpus enthält pro Enzyklopädie eine Zufallsstichprobe aus 100 Artikeln, wobei jeweils zehn Artikel aus den Kategorien Kunst, Biografie, Kultur, Gesellschaft, Geografie, Geschichte, Mathematik, Philosophie, Wissenschaft und Technik ausgewählt worden sind.3 Das Korpus enthält durch dieses Verfahren Artikel von unterschiedlicher Qualität und in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Ausgeschlossen sind jedoch Artikel im Anfangsstadium und StubsStub (cf. Elia 2008: 64). Die Artikel werden vorwiegend quantitativ hinsichtlich ihres Grades an sprachlicher FormalitätFormalität untersucht. Dabei werden die folgenden dreizehn Merkmale ausgezählt, die als Indikatoren eines eher hohen Grads an sprachlicher Formalität gelten: Länge der WörterWortlänge in Buchstaben, SatzlängeSatzlänge, lexikalische Dichtelexikalische Dichte (tokens/types), NominalisierungenNominalisierung (anhand von Suffixen), Einsatz des Gerundiums und des Partizip Präsens, definite und indefinite Artikel, Nomina, Adjektive, Präpositionen, PassivformenPassivform, Konjunktionen und Konnektoren. Insgesamt ergibt die Summe aller Merkmale etwas höhere relative Frequenzen in den Britannicaartikeln (79,80 %) als in den WikipediaartikelnWikipediaartikel (76,10 %) (cf. Elia 2008: 270). Um den Grad an sprachlicher InformalitätInformalität zu bestimmen, werden insgesamt zehn sprachliche Merkmale im Korpus abgefragt: Orts- und Zeitangaben, Personalpronomina, Demonstrativa, Indefinitpronomina, abschwächende und verstärkende Formulierungen, Modalverben, die Frequenzen geläufiger Vollverben, Verneinungen, Interrogativsätze und Kürzungen. Die Frequenzen in diesem Set zeigen insgesamt in beiden Enzyklopädiekorpora gleich niedrige Ergebnisse (beide 7,5 %), woran ersichtlich wird, in welchem Maße sprachliche Mittel, die den sachlich-neutralen Stil der Enzyklopädieartikel beeinträchtigen würden, vermieden werden (cf. Elia 2008: 271). Die Ergebnisse aus den beiden Sets sprachlicher Merkmale zeigen somit, dass Britannicaartikel etwas höhere Frequenzen an sprachlichen Mitteln enthalten, die auf einen hohen Formalitätsgrad hindeuten, während Mittel der sprachlichen InformalitätInformalität in beiden Korpora in gleichem Maße nur gering ausgeprägt sind.

Ein anderes Korpus liegt der Studie von Tereszkiewicz (2010) zugrunde, die ausschließlich Artikel der englischsprachigen Wikipedia analysiert, die mit dem Buchstaben U beginnen. Diese Vorgehensweise ergibt ein Korpus von 968 Artikeln unterschiedlicher Länge und Qualität. Die Analyse der Artikel zeigt teilweise erhebliche Abweichungen von den diskurstraditionellen Normen eines Enzyklopädieartikels. So stellt Tereszkiewicz auf der Diskursebene fremde DiskursmusterDiskursmuster und narrative Elemente fest.4 Auf der Textebene zeigen sich unvollständige Artikel, zirkuläre Definitionen und ein Mangel an KohäsionKohäsion und KohärenzKohärenz. Zudem treten teilweise eine abweichende SatzgliedstellungSatzgliedstellung auf. In der Lexik fallen die Verwendung eines inadäquaten Vokabulars, eine ausschweifende Darstellung, HeckenausdrückeHeckenausdruck, umgangssprachliche Ausdrücke und idiomatische Formulierungen auf. Ebenso werden sprachliche Mittel verwendet, die subjektive Standpunkte transportieren oder sich stärker am Leser orientieren. Nicht zuletzt sind Fehler in OrthografieOrthografie und InterpunktionInterpunktion in den Artikeln zu finden. Diese Abweichungen können je nach Artikel unterschiedlich häufig sein, was Tereszkiewicz (2010) zu der Annahme führt, dass sich WikipediaartikelWikipediaartikel auf einem Kontinuum vom konventionellen Artikel (23 %) über unkonventionelle Artikel (65 %) bis hin zu antienzyklopädischen Artikeln (12 %) anordnen lassen, wobei letztere die InformationsfunktionInformationsfunktion eines Enzyklopädieartikels aufgrund ihrer Unverständlichkeit nicht mehr erfüllen:

Consequently, Wikipedia offers a collection of texts ranging from an expository presentation of information, through an involved and interactive expression of personal views, to unintelligible and obscure texts (Tereszkiewicz 2010: 168).

Angesichts der Tatsache, dass die meisten Artikel im Korpus der mittleren Kategorie angehören und somit deutliche Abweichungen von den diskurstraditionellen MusternDiskursmuster zeigen, stuft Tereskiewicz WikipediaartikelWikipediaartikel als eine neu entstehende Diskurstradition ein:

Its in-between composite structure places Wikipedia among the emergent genres, in which the conventional genre characteristics undergo far reaching changes due to the affordances of the new internet technologies (Tereszkiewicz 2010: 170).

Insgesamt demonstrieren die drei Studien zu Artikeln der englischsprachigen Wikipedia, dass sich je nach Merkmal und Korpus unterschiedliche Befunde ergeben. Während Herring in ihrer Studie keinerlei statistisch signifikante Unterschiede zwischen sprachlich-stilistischen Merkmalen von Print- und Wikipediaartikeln feststellt, zeigt sich im Korpus Elias ein etwas höherer Grad sprachlicher FormalitätFormalität der Britannicaartikel. Gravierende Abweichungen stellt Tereszkiewicz fest, was jedoch auch daran liegt, dass sie beispielsweise StubsStub in das Korpus integriert, die sehr viel deutlicher den Produktionsprozess eines Wikipediaartikels reflektieren als mehrfach bearbeitete oder gar prämierte Artikel.

Während zu den englischen Wikipediaartikeln bereits Korpusanalysen vorliegen, beschränken sich Untersuchungen sprachlich-stilistischer Merkmale in deutschen Wikipediaartikeln auf exemplarische Analysen. Fandrych/Thurmair (2011) analysieren den deutschen Wikipediaartikel zum Stichwort Kritik. Im Gegensatz zu PrintartikelnPrintartikel fallen die Ausschreibung aller Tokens von Kritik, die weniger starke nominale Verdichtungnominale Verdichtung und tabellenförmige Auflistungen auf (cf. Fandrych/Thurmair 2011: 107).

Augustin vergleicht den Artikel Mannheim in der gedruckten Brockhausenzyklopädie von 2006 mit dem Wikipediaartikel von 2011 (cf. Augustin 2016: 14). Beide Texte weisen Verdichtungsmerkmale wie komplexe Attribuierungen und Nominalphrasen auf. In keinem der beiden Textauszüge finden sich anaphorische Pronomina, weil diese für Enzyklopädieartikel nicht diskurstraditionell sind. Im Unterschied zum PrintartikelPrintartikel macht jedoch der Wikipediaartikel seltener Gebrauch von Strategien der nominalen Verdichtungnominale Verdichtung. Zudem wird auf EllipsenEllipse und AbkürzungenAbkürzung verzichtet, was mit dem vermehrten Platzangebot in Wikipedia zusammenhängen dürfte. Der Brockhausartikel ist insgesamt auch kürzer (cf. Augustin 2016: 14).

Eine Analyse des Artikels zum Stichwort Euro in der französischen und italienischen SprachversionSprachversion (der Wikipedia)– italienische der Wikipedia nimmt Reutner vor. Punktuell werden zusätzlich die deutsche und die englische Version des Artikels hinzugezogen (cf. Reutner 2013b; cf. ebenso Reutner 2014a zum italienischen Euroartikel). Zudem werden die Wikipediaartikel zum Stichwort Euro Artikeln zum Stichwort Lira aus den italienischen Printenzyklopädien Enciclopedia Italiana (1934), Enciclopedia Hoepli (1955), Grande Dizionario Enciclopedico UTET (1969) und der Enciclopedia Treccani (2010) gegenübergestellt. Einige der analysierten Unterschiede lassen sich auf ein vermehrtes Platzangebot in Wikipedia zurückführen. In allen untersuchten WikipediaartikelnWikipediaartikel wird das KopulaverbKopulaverb in der Definition gesetzt, und nicht, wie in den Artikeln der untersuchten gedruckten Werke, ausgelassen, wobei lediglich in Enciclopedia Italiana von diesem Prinzip abgewichen wird (cf. Reutner 2014a: 694). Ebenso wird in den Wikipediaartikeln weitestgehend auf AbkürzungenAbkürzung verzichtet. Der logische Zusammenhang zwischen Sätzen wird im italienischen Artikel explizit durch KonnektorenKonnektor versprachlicht (cf. Reutner 2014a: 696), selbst wenn diese teilweise unpassend eingesetzt werden (cf. Reutner 2014a: 695). Im französischen Artikel finden sich trotz des Platzangebots und entgegen der Forderung nach vollständigen Sätzen im Stilblatt elliptische SätzeEllipse. Allerdings sind im französischen Artikel auch komplexe Hypotaxen festzustellen, die einem lakonischen LexikonstilLexikonstil zuwiderlaufen (cf. Reutner 2013b: 242). Ebenso finden sich im italienischen Wikipediaartikel HervorhebungskonstruktionenHervorhebungskonstruktion, die zwar syntaktisch aufwändiger, dafür aber auch expressiver sind (cf. Reutner 2014a: 695). Von einem sachlich-nüchternen LexikonstilLexikonstil weichen zudem Vermutungen ab, die im französischen Artikel verwendet werden und durch Formulierungen wie fr. il est possible que oder fr. semble-t-il versprachlicht werden. Auffällig sind auch rhetorische Fragenrhetorische Frage und Hervorhebungen durch die Verfasser in Formulierungen wie fr. il est à souligner. Obwohl Erläuterungen in ParenthesenParenthese für Enzyklopädieartikel diskurstraditionell sind, weisen französische Wikipediaartikel teilweise überdeutliche und damit redundante Erläuterungen auf. Die häufigen Wortwiederholungen, die zwar aufgrund des Anspruchs der Präzision diskurstraditionell sein können, wirken an einigen Stellen ungeschickt. Nicht diskurstraditionell ist die witzige Geschichte zur Bezeichnung ecu im italienischen Wikipediaartikel zum Stichwort Euro, die mit einem Spannungsbogen erzählt wird und einem narrativen Vertextungsmuster folgt (cf. Reutner 2013b: 246, 2014a: 695). Insgesamt zeichnen sich die untersuchten Wikipediaartikel im Vergleich zu den PrintartikelnPrintartikel durch eine geringere Informationsdichte, eine schwächere syntaktische Komplexitätsyntaktische Komplexität, eine geringere lexikalische Elaboriertheit, Wortwiederholungen und eine punktuelle EmotionalitätEmotionalität aus. Diese Merkmale sind dem größeren Platzangebot, einer stärkeren Orientierung am Leser, aber auch der unterschiedlichen Kompetenz der Wikipediaautoren geschuldet. Allerdings zeigt jede Sprachversion kulturspezifische Ausprägungen der genannten Tendenzen, wobei Stilideale der angloamerikanischen Sprachversion, wie Klarheit und Kürze, an Einfluss gewinnen (cf. Reutner 2013b: 247).

Weitere Beschreibungen zur sprachlich-stilistischen Gestaltung italienischer Wikipediaartikel liegen zudem mit d’Achille/Proietti (2011) und Tavosanis (2011: 129–134) vor. In ihrer korpusbasierten Studie weisen d’Achille/Proietti (2011) auf die Vollständigkeit der Definitionssätze in den untersuchten Wikipediaartikeln hin und auf die Regel, dass das Lemma im fortlaufenden Text nicht abgekürzt wird. Zudem ist es jedoch im Italienischen möglich, dass das Subjekt nicht ausgedrückt wird (soggetto sottointeso), was dazu führen kann, dass in italienischen Artikeln, rein sprachstrukturell bedingt, die wörtliche Wiederaufnahmewörtliche Wiederaufnahme des Lemmas, die diskurstraditionell ist, in einigen Sätzen entfallen kann. Des Weiteren stellen d’Achille/Proietti einen geringeren Grad an lexikalischer Dichtelexikalische Dichte und sprachlicher FormalitätFormalität fest (cf. d’Achille/Proietti 2011: 100). In dieses Bild passen die häufigen Wortwiederholungen und „stilemi propri del parlato“ wie beispielsweise der Ausdruck tipo + X (d’Achille/Proietti 2011: 104). Im Bereich der Syntax weisen die untersuchten Wikipediaartikel ebenso wie die gedruckten Artikel keine Ausrufe- und Fragesätze auf. HervorhebungskonstruktionenHervorhebungskonstruktion treten mit geringer Frequenz auf. Vom traditionellen Stilideal der Kürze und Präzision weichen in den italienischen Wikipediaartikeln Schachtelsätze ab, die nicht immer logisch präzise konstruiert sind. Zudem finden sich auch SatzabbrücheSatzabbruch (cf. d’Achille/Proietti 2011: 103). Desgleichen ist die Reihung mehrerer Relativsätze auffällig, wobei die Relativpronomina che und il quale alternieren. Anstelle von Nebensätzen werden auch Konstruktionen mit einem participio passato oder einem gerundio eingesetzt, die kondensierend wirken. Allerdings ist ebenso festzustellen, dass anstatt von ParenthesenParenthese, wie sie in gedruckten Artikeln verwendet werden, in den Wikipediaartikeln Hypotaxen bevorzugt werden (cf. d’Achille/Proietti 2011: 106). Von der Norm abweichend sind syntaktisch uneinheitliche Aufzählungen (cf. d’Achille/Proietti 2011: 102).5 Im Bereich der Tempusformen fallen der Einsatz des futuro storico sowie eine Unsicherheit in der Aspektunterscheidung auf, was in einer unpräzisen Verwendung des imperfetto, passato prossimo und presente storico (cf. d’Achille/Proietti 2011: 102) resultiert. In der Grafie sind ein verstärkter, von der Norm abweichender, Gebrauch der Großschreibung, eine schwankende Akzentsetzung und häufige TippfehlerTippfehler zu konstatieren. Zudem setzen die italienischen Wikipediaartikel im Unterschied zu PrintartikelnPrintartikel Konnektoren ein, selbst wenn teilweise nicht gänzlich passende Ausdrücke gewählt werden (cf. d’Achille/Proietti 2011: 103). Die beobachteten Abweichungen gegenüber dem Modell der PrintartikelPrintartikel fallen im italienischen Wikipediakorpus insgesamt stärker auf als in den ausgewählten Artikeln der französischen, englischen und deutschen Sprachversion:

dai sondaggi effettuati, però, ci sembra che le voci in francese, in inglese e in tedesco risultino meno lontane dalle caratteristiche canoniche della voce enciclopedica tradizionale, sia a livello testuale, sia per l’aderenza allo standard linguistico (d’Achille/Proietti 2011: 107).

Die vorgestellten Studien zeigen insgesamt, dass WikipediaartikelWikipediaartikel in ihren sprachlich-stilistischen Merkmalen einerseits an das Modell von PrintartikelnPrintartikel anknüpfen, andererseits auch abweichende Merkmale aufweisen, die durch die Kommunikationsform WikiWiki und die darin ausgehandelten sprachlichen Praktiken bedingt sind.

Die folgenden Ergebnisse aus den vorgestellten Studien untermauern die sprachlich-stilistischen Gemeinsamkeiten zwischen Print- und Wikipediaartikeln. In deutschen Wikipediaartikeln findet Augustin (2016: 14) beispielsweise einen Verzicht auf anaphorische Pronominaanaphorisches Pronomen, wie ihn auch Hoffmann (1988: 142) für gedruckte Artikel feststellt. Dies hängt mit der Fixierung des Themas auf das Artikelstichwort zusammen, das im Artikel permanent wiederholt wird. In den italienischen Wikipediaartikeln stellen d’Achille/Proietti (2011: 100) einen Verzicht auf Frage- und Ausrufesätze fest (nicht jedoch Reutner (2013b: 243), die auf rhetorische Fragenrhetorische Frage hinweist), der ebenfalls diskurstraditionell ist und mit der InformationsfunktionInformationsfunktion einhergeht. Zudem weisen d’Achille/Proietti (2011: 100–102) auf die syntaktische Komplexitätsyntaktische Komplexität in den Wikipediaartikeln hin, die durch PartizipialkonstruktionenPartizipialkonstruktion, aber auch verschiedene Nebensatztypen erzeugt wird. In ausführlicheren Printenzyklopädien spielt dieses Merkmal ebenfalls eine Rolle, denn Fandrych/Thurmair (2011: 91) betonen, dass die Diskurstradition LexikonartikelLexikonartikel teilweise ein erhebliches sprachliches Niveau des Lesers voraussetzt.

Die sprachlich-stilistischen Unterschiede zwischen Print- und Wikipediaartikeln lassen sich auf ein vermehrtes Platzangebot zurückführen, das zu einem weniger ökonomischen Einsatz sprachlicher Mittel führt und mit dem Ziel einhergeht, die Informationen für Laien verständlich aufzubereiten. So wird in der englischen, deutschen, französischen und italienischen Sprachversion ein vollständiger Definitionssatz mit KopulaverbKopulaverb verwendet, das in den Definitionen der Printenzyklopädien zumeist ausgespart wird. Zudem wird in vielen Sprachversionen das Stichwort im fortlaufenden Text zumeist ausgeschrieben wie auch auf weitere AbkürzungenAbkürzung häufig verzichtet wird (cf. Fandrych/Thurmair 2011: 107; Reutner 2013b: 245; d’Achille/Proietti 2011: 99; Augustin 2016: 14). Den Artikeln wird sprachübergreifend ein geringerer Grad an sprachlicher Verdichtungnominale Verdichtung zugeschrieben, die in deutschen PrintartikelnPrintartikel häufig durch erweiterte Nominalphrasen erreicht wird (cf. Fandrych/Thurmair 2011: 108–111). Das größere Platzangebot führt außerdem zu einer verstärkten Explizitheit. So stellen d’Achille/Proietti (2011: 103) einen vermehrten Gebrauch von KonnektorenKonnektor fest, welche die Sinnzusammenhänge verdeutlichen, und Reutner (2013b: 244) verweist auf eine Überdeutlichkeit in der Darstellung und die häufigere Verwendung von illustrativen Beispielen. Der untersuchte französische Wikipediaartikel enthält zudem eine Reihe von subjektiv gefärbten Vermutungen und Hervorhebungen, die typisch für einen Vortragsstil sind. Ebenfalls auf das vermehrte Platzangebot, aber auch auf ein reduziertes stilistisches Bewusstsein, lassen sich die häufigen Wortwiederholungen in der italienischen SprachversionSprachversion (der Wikipedia)– italienische zurückführen (cf. Reutner 2013b: 245; d’Achille/Proietti 2011: 104).

Neben sprachlichen Merkmalen, die dem erhöhten Platzangebot geschuldet sind, lassen sich auch deutliche Abweichungen von der sprachlichen Norm erkennen, die durch die mangelnde redaktionelle Kontrolle der Artikel oft über viele Versionen hinweg bestehen bleiben. In der französischen Version stellt Reutner (2013b: 241) unvollständige Sätze fest. In der italienischen Version fallen stärker als in anderen Sprachversionen fälschliche Großschreibungen, Schwankungen in der Akzentsetzung, TippfehlerTippfehler, syntaktische Brüche, syntaktisch unzusammenhängende Aufzählungen nach Doppelpunkt und umgangssprachliche Ausdrücke auf (cf. Reutner 2014a: 695; d’Achille/Proietti 2011: 100–108). Derartige sprachliche Abweichungen ermittelt Tereszkiewicz (2010: 113) auch für ihr Set an englischen Artikeln, während weitere Studien zu englischen Wikipediaartikeln (cf. Emigh/Herring 2005: 9; Baron 2008: 124; Elia 2008: 7) keinerlei signifikante Abweichungen ergeben.

WikipediaartikelWikipediaartikel sind zudem offen für Diskursmuster aus anderen Diskurstraditionen. Reutner (2013b: 246) stellt in italienischen Artikeln narrative Muster fest, Tereszkiewicz (2010: 109) erkennt ebenfalls narrative Muster, aber auch werbende und instruierende Muster. Daraus lässt sich ableiten, dass Wikipediaartikel offensichtlich stärker zur Mischung von Diskursmustern neigen.

Wikipedia und der Wandel der Enzyklopädiesprache

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