Читать книгу Weil Schottlands Herz für die Freiheit schlägt - Bettina Reiter - Страница 9
4. Kapitel
ОглавлениеDie Reise zum Glamis Castle war anstrengend. Vor allem, weil ihnen das Wetter zu schaffen machte. Dichter Schneefall hatte das Passieren vieler Wege unmöglich gemacht und sie zu tagelangen Aufenthalten mitten in der Wildnis gezwungen. Dabei hatten sie gegen frostklirrende Kälte angekämpft und Mühe gehabt, Brennholz zu finden. Der Knappe Gunnar hatte sein Bestes getan, doch die Erschöpfung war ihm allmählich anzusehen.
Als der Winter die eisigen Klauen gelockert hatte, beherrschten sintflutartige Regenfälle die Tage und Nächte. Einhergehend mit starkem Wind, der sich nicht selten zu einem Sturm auswuchs. Manchmal hatte sich Jodie gefragt, ob sich Himmel und Erde gegen sie verschworen hatten, weil sie wortlos vom Vater gegangen war. Ohne ihn anzusehen, ohne sich noch einmal umzudrehen. Nur von ihrer Mutter, William und John hatte sie sich verabschiedet.
Anfangs hatte sie keinen Gedanken an den Vater verschwendet. Zu überwältigt von den Eindrücken, die sie bekam. Ob von der Landschaft oder den Dörfern, durch die sie reisten. Und da war dieses erhebende Gefühl von Freiheit gewesen. Es war neu und aufregend. Bis das Wetter verrücktspielte. Ab da ging es nur noch ums Überleben und alles andere trat in den Hintergrund.
Seit einiger Zeit war die Landschaft karger geworden und von der Euphorie nichts mehr übrig. Sogar mit Gunnars Schweigsamkeit konnte Jodie immer schlechter umgehen. Weil sie zu viel Zeit zum Nachdenken hatte. Vor allem über den Vater. Jetzt bereute sie es, dass sie ohne ein Wort gegangen war, denn trotz allem: Er war ihr Vater. In vielen Nächten hatte sie wachgelegen. Geplagt von ihren Gewissensbissen, der Sorge um die Mutter und um ihre Brüder. Dementsprechend ausgelaugt fühlte auch sie sich mittlerweile.
„Ist Euch kalt?“, brummte Gunnar.
„Es geht schon.“ Bis auf die Haut durchnässt kauerte Jodie in eine Decke gewickelt nahe dem Feuer. Sie wollte nicht jammern, obwohl sie entsetzlich fror. Wenigstens war sie satt. Es war Ende Februar und die ersten Kreuzottern verließen ihr Winterquartier. Eine hatte Gunnar untertags gefangen und am Spieß gebraten. Ihre Vorräte waren längst aufgebraucht. Am Tag und die halbe Nacht reisten sie, um die verlorene Zeit aufzuholen. Den Rest verbrachten sie auf ausgekühlter Erde.
Jodie zog die Decke enger. Nicht nur wegen der Kälte. Die Geräusche aus den Wäldern waren unheimlich, ob es der Ruf eines Wolfes oder der einer Eule war.
„Habt Ihr noch Hunger?“, erkundigte sich Gunnar in seinen schlohweißen Bart hinein und fuhr sich über die Glatze. Sein löchriger Hut lag neben ihm.
„Nein.“ Sie hatte gelernt, in kurzen Sätzen zu sprechen.
Über ihr spannte sich eine graue Decke, die Gunnar am Karren festgemacht hatte. Das andere Ende hing über zwei lange Stöcke. Weit genug weg, um kein Feuer zu fangen, obwohl das Gewebe an manchen Stellen angesengt war. Der Wind zerrte am groben Leinenstoff. Es begann zu nieseln. Manchmal zischte es, wenn Tropfen auf die glühenden Steine fielen, die das Lagerfeuer umkreisten.
Der Schimmel wieherte. Gunnar hatte ihn bei der nahen Fichte festgezurrt.
„Hab’ schwarze Schlangen gesehen.“ Ein Tropfen platschte auf Gunnars fleischige Nase. „Rotschenkel hab’ ich erspäht, außerdem wächst Süßgras in Überzahl. Die Bäume sind niedrig, schlecht im Wuchs. Fichten und Kiefern.“
Jodie blickte sich um, doch der Schein des Feuers reichte nicht weit. „Was meinst du damit?“
„Manchmal bildet es sich in Senken. Ist ja ein Fluss in der Nähe.“
Ein Geräusch schreckte Jodie auf. Wie das Blubbern von Luft aus einem leeren Becher, den man unter Wasser hielt. „Was ist das?“ Sie rückte ein Stück zur Seite und spähte über das Gras.
„Frosch, ich sag’s ja.“ Gunnar stocherte mit einem Zweig im Feuer herum. „Da.“ Mit dem Kopf deutete er zu ihrer linken Seite. Jodie erblickte das Tier und hüllte sich tiefer in die Decke. „Der hat mehr Angst als Ihr.“ Der Frosch hüpfte weg. Gunnar legte den Zweig neben das Feuer, klopfte sich auf die ledernen Beinlinge und legte sich der Länge nach hin. Bis zur Stirn zog er die Decke hoch und schnarchte kurz darauf.
„Gute Nacht, Gunnar“, flüsterte Jodie und legte sich ebenfalls hin. Der Wind spielte mit ihren Haaren und den Flammen. Sie nagte an ihrer Unterlippe und dachte an Glamis. Daran, was sie erwarten würde, vor allem wer. Gunnar hatte davon gesprochen, dass Bruce ein Weiberheld sei. Hoffentlich füllte ihn das so aus, dass er sie nicht weiter beachtete. So schnell wie möglich wollte sie ihren Auftrag hinter sich bringen und … langsam wurden Jodies Lider schwer. Ausgiebig gähnte sie und drehte sich zur Seite.
„Aufwachen!“
Jemand rüttelte unsanft an ihrer Schulter. Jodie wollte den Kopf heben, aber ein stechender Schmerz im Nacken hinderte sie daran. Verschlafen öffnete sie die Augen. Gunnar beugte sich im schwachen Licht des Feuers über sie. Die Überdachung war fort, und ihre Decke. Schneidender Wind fegte über sie hinweg und riss an ihren Kleidern. Der Schimmel wieherte panisch. Dann setzte schwallartiger Regenguss ein. Die Tropfen schmerzten auf ihrer Haut. Das Feuer verlöschte binnen Sekunden.
„Auf der Stelle fort von hier, ehe die Erde aufweicht!“ Gunnar lief zum Pferd. „In der Nähe muss auch ein Moor sein. Wir sollten zusehen, dass wir aus dem Sumpfgebiet herauskommen, sonst sind wir verloren“, brüllte er über die Schulter hinweg. Jodie versuchte die Nackenschmerzen zu ignorieren und rappelte sich hoch.
„Aber man kann kaum etwas sehen“, erwiderte sie in derselben Lautstärke, um sich gegen das Heulen des Windes zu behaupten. Hart klopfte ihr Herz gegen die Brust. Die Kleider klebten an ihrem Körper, ebenso wie die Haare in ihrem Gesicht. Gunnar zog das Pferd hinter sich her und spannte es vor den Karren. Im seichten Mondlicht war seine Gestalt nur schemenhaft zu sehen.
„Klettert auf den Karren, schnell.“
Umgehend befolgte sie Gunnars Anweisung und tastete sich hinauf. Kurz darauf mühte sich der Schimmel durch die morastige Erde. Die Räder ächzten. Jodie saß hinter dem Knappen und hätte sich am liebsten an ihn gepresst.
Plötzlich geriet der Karren in Schieflage.
„Festhalten!“, befahl Gunnar, als Jodies Kiste plötzlich rumpelnd hinunterrutschte.
„Meine Truhe.“ Sie kroch an den Rand des Karrens. Es stank faulig. Nach Aas und Verwesung, feuchten Holzrinden und Dung. Die säuerliche Schärfe erschwerte ihr das Atmen. Auf einmal kippten sie zur Seite. Gellend schrie sie auf. Das Pferd wieherte.
„Springt hinunter“, brüllte Gunnar. „So springt doch!“
Jodie tat es, ohne nachzudenken. Doch in der nächsten Sekunde strampelte sie hilflos mit den Armen, weil sie immer tiefer ins Moor sank. Schluchzend tastete sie um sich. Todesangst überkam sie. Tränen strömten über ihr Gesicht. Da war nichts, woran sie sich festhalten konnte. Das Wiehern des Pferdes ging in ein Gurgeln über. Blitze zerrissen die Dunkelheit. Ein tosender Donner folgte dem nächsten.
„Hilfe“, gellte sie und merkte, wie ihre Kräfte nachließen. „Gunnar! Warum hilft mir denn niemand? Gunnar, wo bist du?“ Als das Moor bist zur Brust reichte, gab sie entkräftet auf.
Im selben Augenblick hörte sie Hufgetrampel.
„Ihr begebt Euch nur selbst in Gefahr, Ian“, hörte Jodie einen Mann brüllen. Die Sträucher bogen sich im Sturm. „Wir haben Wichtigeres zu tun.“
„Aber ich habe den Hilferuf deutlich gehört.“
Ein Blitz fuhr hernieder.
Zwei dunkle Gestalten zügelten ihre Pferde. Jodie bog den Kopf zurück, weil der Schlamm ihr Kinn berührte.
„Haltet durch“, hörte sie, „und fasst nach meiner Lanze.“
Unter Aufbietung ihrer letzten Kräfte streckte sie die Arme hoch und spürte etwas Hölzernes. Verzweifelt hielt sie sich daran fest und nahm das Ächzen des Mannes wahr. Dann verstärkte sich das Ziehen. Der Regen malträtierte sie. Ein Donnerhall ließ die Erde erbeben. Unvermittelt wurde sie mit Schwung nach vorne gerissen und spürte festen Boden unter sich. Tränen der Erleichterung liefen über ihr Gesicht. Heftig atmend ruhte sie bäuchlings aus und zitterte am ganzen Körper.
„Lasst uns verschwinden, Ian, es wird bald hell.“
„Wir können sie nicht hier liegenlassen.“
„Aber auch nicht mitnehmen. Bitte seid vernünftig!“
Die Stimmen klangen wie hinter einer Nebelwand.
Jodie wollte etwas sagen, aber ihre Zunge gehorchte ihr nicht. Mit Mühe hob sie den Kopf und sah die Umrisse der Männer im Schein des Blitzes, die wieder auf den Pferden saßen.
„Bleibt hier, bis der Tag anbricht“, forderte einer ihrer Retter. Ein Blitz erhellte sein Gesicht, das schulterlange Haar. „Erst dann solltet Ihr Euren Weg fortsetzen. Mehr kann ich leider nicht für Euch tun.“
„Ian, beeilt Euch!“
Jodie brachte kein Wort über die Lippen, aber als sie davongaloppierten, begann sie zu schluchzen. Sie war allein. Mutterseelenallein.
„Hier bist du.“
Sanft berührte William seine Mutter an der Schulter. Sie saß auf der Bank in der Familienkapelle. Ihr Blick war starr auf die Madonnenstatue beim Altar gerichtet. Vier Kerzen brannten davor. Golden legte sich das Licht über das blaue Kleid der Heiligen Jungfrau. Gerade als William wieder gehen wollte - um die Mutter nicht bei der Andacht zu stören - fasste sie nach seiner Hand und rückte zur Seite. „Bleib.“
Er setzte sich und betrachtete sie verstohlen.
„Du machst dir zu viele Sorgen um mich, mein Sohn.“
„Kannst du Gedanken lesen?“
„Dein Blick sagt genug. Warum bist du noch hier, William?“
„Gehe ich dir schon auf die Nerven?“
„Kannst du Gedanken lesen?“, konterte sie. „Also? Was hält dich in Elderslie?“
„Du“, antwortete er.
„Ich?“ Sie bedachte ihn mit einem zweifelnden Blick.
„Seit Jodies Fortgang bist du noch einsilbiger geworden.“
„Das Los einer Mutter. Sei froh, dass du ein Mann bist, aber das ist eben der Lauf des Lebens. Auch du wirst mir fehlen, wenn du wieder in den Kampf ziehst.“
„Das hat Zeit.“
„Ich kenne dich gut genug um zu wissen, dass du die Tage zählst.“
„Du bist wichtiger.“
Jetzt lächelte sie. Die Grübchen auf ihren Wangen vertieften sich. „Du willst mir nicht allen Ernstes weismachen, dass ich wichtiger bin als Schottland.“
„Doch, genauso ist es“, bestätigte William.
Prüfend schaute sie ihn an. „Du hast mich nie belogen und tust es auch jetzt nicht.“ William senkte den Blick und dachte an den unheilvollen Abend zurück. Daran, dass sie nach wie vor nicht wusste, dass sich der Vater hinter Lügen versteckte, um besser dazustehen. „Es ist schön, dass du so denkst, William. Aber du musst deinen eigenen Weg gehen. Auch wenn ich mir nicht vorstellen will, was dich erwartet. Trotzdem, du musst tun, was du tun möchtest.“
„Das mache ich doch gerade.“
Regen prasselte gegen die Rundbogenfenster. Die Buntglasrosette hinter dem Altar erhellte sich, kurz danach krachte es ohrenbetäubend. William spielte mit dem Silberkreuz, das an seiner Kette hing. Er hatte den Schmuck in Lanark erstanden, nachdem er vom Tod der Unbekannten erfahren hatte. Seitdem hatte er die Kette nicht mehr abgelegt.
„Ach William, du hältst es hier doch kaum aus. Dein Vater und du … ihr streitet jeden Tag oder schweigt euch an. Könnt ihr das Kriegsbeil nicht endlich begraben?“
„Vater und ich sind zu verschieden.“ Die eigene Stimme im Widerhall der kleinen Kapelle zu hören, reizte ihn auf einmal wie gleichzeitig Wut in ihm hochstieg. „Wie kannst du es neben ihm aushalten? Mit dieser Kälte, die er an den Tag legt?“
„Ganz einfach: Ich erinnere mich an den Beginn unserer Liebe.“ Ihre Augen schimmerten feucht. „Noch habe ich uns nicht zur Gänze aufgegeben. Sollte dir eines Tages die große Liebe begegnen, wirst du mich verstehen können.“
William hatte sofort das Bild der Fremden vor Augen. „Du magst ihn lieben, Mutter, aber wie sieht es bei ihm aus? Er müsste zu dir halten, denn du hast nichts verbrochen. Wir alle nicht.“
Das Seufzen schien aus den Tiefen ihres Herzens zu kommen. „Manchmal will man das Beste und erreicht nur das Gegenteil. Sieh mich an. Ich habe Jodie vieles verboten. Aus gutem Grund wie ich dachte. Im Nachhinein könnte ich mich vierteilen, denn wie soll sie sich in der Fremde zurechtfinden? Außerdem plage ich mich damit herum, dass ich lange Zeit nichts von ihr hören werde. Es wäre anders wenn sie schreiben könnte. Mit meinem Verhalten habe ich auch mich selbst um vieles gebracht.“
„Ich hätte Lowland ebenso Lesen und Schreiben beibringen können.“
„Du warst doch kaum zuhause.“
Er fuhr sich mit beiden Händen über den seegrünen Mantel, weil er schwitzte. „Vielleicht wäre es leichter für euch gewesen, wenn ich hiergeblieben wäre.“
„Gott bewahre“, warf sie lächelnd ein, „du kannst ziemlich anstrengend sein. Nicht auszudenken, hätte ich dich jeden Tag um mich gehabt.“
Lachend legte er den Arm um ihre Schulter und zog sie an sich. „Sicher, Mutter. In Wahrheit hast du dir bestimmt die Augen nach mir ausgeweint.“
„Träum weiter, Winzling.“
Ihr gemeinsames Lachen hatte etwas Befreiendes, aber plötzlich wurde die Pforte aufgeschmettert. Eisiger Wind fuhr herein. Blair und Graham eilten im Laufschritt auf sie zu. William sprang hoch und ging ihnen entgegen.
„Was ist geschehen?“ William schaute Blair an, der den Gurt um seine Kutte enger schnürte, als wüsste er nicht wohin mit den Händen. Er war Benediktinermönch. Sie hatten sich in Dundee kennengelernt. Kurz bevor er seine Ausbildung abgebrochen hatte. „Und was machst du hier?“
„Ich habe das Kloster verlassen.“ Blair strich sich über den Kopf. Bisher hatte William ihn nur mit Tonsur gekannt, nun sprossen braune Haare. „Die Stille ist vorbei, William.“ Wegen dem fehlenden Schneidezahn nuschelte er etwas. „Jetzt beginnt der Sturm und ich möchte an deiner Seite kämpfen.“
Die Mutter trat neben William.
„Verzeiht unseren Überfall.“ Blair wollte ihre Hand ergreifen, aber sie schüttelte den Kopf.
„Meine Hand könnt ihr ein anderes Mal küssen“, wies ihn die Mutter zurück. „Also verliert keine Zeit und erzählt weiter.“
„König Edward hat Balliol zu sich zitiert“, erklärte Williams bester Freund Graham, dessen aschblondes Haar inzwischen schulterlang war. Ein brillanter Bogenschütze und exzellent im Umgang mit dem Schwert. Jung, drahtig und wenn nötig geschmeidig wie ein Tiger, wenn er den Feind anschlich. Ein Ritter und treuer Verehrer Schottlands. „Angeblich soll ihm Balliol wegen den Steuern Rede und Antwort stehen. Nun ist durchgesickert, dass Edward gegen Frankreich in den Krieg ziehen will, mit Balliol an seiner Seite.“
„Nur über meine Leiche!“, stieß William aus. Graham und Blair grinsten.
„Dasselbe hat unser König auch zu Longshanks gesagt“, fuhr Graham fort, dessen Augen zwei verschiedene Farben hatten. Grün und Blau wie die See.
„Dem nicht genug.“ Blair fasste sich ans stoppelige Kinn. „Wenn unsere Quellen recht haben, ist Balliol eine Waffenbrüderschaft mit Frankreich eingegangen. Longshanks Truppen rücken bereits Richtung Berwick-upon-Tweed vor. Er ist fest entschlossen, Balliol zu stürzen und im Tower einzukerkern.“
„Dann befinden wir uns ab jetzt im Krieg.“ William schaute beide durchdringend an. „Edward wird alles versuchen, um die Herrschaft über Schottland zu bekommen. Jetzt erst recht, nachdem unser König ins feindliche Lager übergelaufen ist.“
„In einigen Tagen treffen sich unsere Anhänger nahe den südlichen Wäldern. Wir müssen umgehend aufbrechen“, riet Blair.
William nickte und schaute seine Mutter an, die ihre Hand auf seine Brust legte.
„Darunter schlägt das Herz Schottlands“, flüsterte sie mit zitternder Stimme. „Wo immer dein Weg hinführt, er soll im Sieg enden. Aber ich hoffe, dieser Weg führt auch wieder zu mir zurück. Gott schütze dich, mein Junge.“ Sie schaute Blair und Graham an. „Gott schütze euch alle. Und nun geht.“
William nahm sie fest in seine Arme. „Pass auf dich auf, Mutter.“
„Das werde ich.“ Sie machte sich von ihm los. „Geh. Nun mach schon.“
Ein letzter Blick, dann eilte William mit seinen Gefährten aus der Kapelle. Die Pforte schlug zu. Der Morgen graute. Tief sog William die kühle Luft ein, dann hob er das Silberkreuz an und küsste es. Nie zuvor hatte er sich stärker gefühlt, um für die Freiheit Schottlands zu kämpfen.
Jodies Mund fühlte sich wie ausgedörrt an. Mit Mühe konnte sie die Augenlider heben. Die Landschaft war in gleißendes Sonnenlicht getaucht. Wilde Gräser kitzelten sie im Gesicht. Ameisen krochen über ihre Hände. Ächzend richtete sie sich auf.
Ihr Kleid, die Haut, überall prangte getrockneter Schlamm, der sich stückweise von ihr löste oder aufbrach wie Risse in entwässerter Erde. Eingeholt von der Erinnerung an die vergangene Nacht, wischte Jodie beinahe hysterisch die Ameisen fort und klopfte sich auf Kleid und Arme. Gleichzeitig überblickte sie die vor ihr liegende Umgebung. Suchte nach Gunnar, dem Pferd und der Karre. Aber das Moor in der weitläufigen Senke lag stumm vor ihr. Wie ein lautloser Mörder. Als sie aufstehen wollte, blitzte etwas neben ihr auf. Jodie bückte sich. Es war ein Fürspan. Sie hob ihn auf. Im Silber war ein schwarzer glänzender Stein eingearbeitet. Nachdenklich drehte sie den Schmuck hin und her, in den sich das Sonnenlicht verfing. Der Fürspan schien kostbar zu sein. Ob ihn einer ihrer Retter verloren hatte? Schnell schob sie den Schmuck in die seitlich eingenähte Tasche ihres Kleides und blickte sich neuerlich um.
Die Karre musste am Stein aufgefahren sein, auf dem sie stand. Irgendwo vor ihr lag vermutlich Gunnar im Moor begraben. Sie machte das Kreuzzeichen und riss sich zusammen, um nicht in Tränen auszubrechen oder durchzudrehen. Sie hatte eine Heidenangst, denn ab jetzt war sie auf sich alleingestellt.
Weshalb war Gunnar geradewegs auf die Senke zugefahren? Kaum zu Ende gedacht, schalt sie sich eine Närrin. Woher hätte er das wissen sollen? Nur, dass ein Moor in der Nähe war, schien er geahnt zu haben. Nun ergaben seine kryptischen Andeutungen Sinn. Er hatte die Natur wie sich selbst gekannt. Armer Gunnar. So still er im Leben gewesen war, so still war auch sein Grab. Aber es half nichts, sie musste von hier weg.
Ihr Blick fiel auf die kaputte Truhe in ihrer Nähe, bevor sie sich neuerlich umsah. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel. Jodie hielt sich die flache Hand über die Augen. Eigentlich hatte sie keine Wahl und musste den einzigen Weg gehen, der sie aus dem Moor hinausführte. Schnell lief sie zur Truhe und kniete sich zu ihr hin. Vom Deckel war nur noch die Hälfte übrig. Sie hob ihn hoch und ließ ihn nach hinten fallen. Das Scheppern des Holzes erschreckte sie, obwohl sie darauf gefasst gewesen war.
Kurz wich ihre Angst und machte der Erleichterung Platz. Ihr Kästchen war zwar aufgesprungen, aber wie es aussah war noch alles da. Hastig sammelte sie die Andenken ein und legte den Fürspan dazu. Dann stellte sie das Kästchen neben sich.
Im nächsten Augenblick zog sie ein Kleid nach dem anderen aus der Truhe. Sie waren alle nass! Entsetzt blickte sie dann auf die durchgeweichten Papiere und begann bitterlich zu weinen. Was nun? Zurückkehren? Aber Glamis lag näher als Elderslie. Die wenigen Tage bis zum Castle würde sie leichter bewerkstelligen können als eine wochenlange Rückreise.
Jodie wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Die Kiste konnte sie unmöglich bis Glamis schleppen. Sie war viel zu schwer und ohnehin beschädigt. Entschlossen warf sie die Papiere neben die Truhe und nahm drei Kleider an sich. Dann hob sie das Kästchen auf und ging los. Mit den Ereignissen und der Todesangst im Nacken. Wären die Männer nicht gekommen, hätte sie das nicht überlebt.
Allmählich brach der Abend herein. Jodies Füße schmerzten vom langen Marsch, auch ihr Hinken war stärker geworden. Keine Menschenseele hatte sie getroffen und sie fragte sich laufend, ob sie den richtigen Weg gewählt hatte. Außerdem plagte sie fürchterlicher Durst.
Irgendwann hörte sie plötzlich Wasserplätschern und begann zu laufen, was ihr die letzten Reserven abverlangte. Als sie vor einem Fluss stand, war sie völlig außer Atem. Trotzdem ging sie weiter, weil ihr eine Ansammlung hoher Sträucher aufgefallen war. Vor Einbruch der Dunkelheit musste sie eine geschützte Stelle finden.
Bei den Sträuchern angelangt, zwängte sie sich durch die dichten Zweige und legte ihre Sachen auf den kiesigen Untergrund. Am Fluss stillte sie dann ihren Durst und zog die schmutzigen Kleider aus. Als sie ins kalte Wasser stieg, bekam sie eine Gänsehaut. Auch, weil sie sich plötzlich beobachtet fühlte, aber das war bestimmt nur Einbildung. Trotzdem wusch sie sich nur kurz und zog sich das braune Wollkleid an, das auf ihrer Haut klebte. Nachdem sie die lehmbeschmutzten Unterkleider sowie das Gewand gewaschen und über Zweige gehängt hatte, schlüpfte sie wieder in ihr Versteck.
Mit angezogenen Beinen saß Jodie da, und horchte. Als dicht hinter ihr Zweige knackten, schrak sie zusammen. Das tat sie sogar, als es in ihrem Bauch rumorte. Mit den Sträuchern im Rücken fühlte sie sich zwar einigermaßen sicher, trotzdem ließ sich die Furcht nicht vertreiben. Vor Wegelagerern, Engländern oder wilden Tieren.
Dann wartete sie. Auf die Dämmerung. Auf die Dunkelheit. Auf die Nacht.
Der Himmel schien ein letztes Mal aufzuflammen, bevor die Sonne hinter einem dicht bewaldeten Hügel versank. Die Düsterkeit zog langsam über die Baumkronen heran und betäubte das Glitzern des Flusswassers. Dann war es dunkel um sie herum, aber am Himmel leuchteten unzählige Sterne und der Vollmond zog seine Bahn. Zweige und Äste wirkten wie mit Raureif überzogen.
Die Stunden vergingen. Mit ihnen wanderte der Mond. Die Kälte wurde unerträglich, trotzdem übermannte sie Müdigkeit. Aber die Furcht hielt sie wach, denn die Geräusche hatten sich verändert. Unbekannte Schreie gellten durch die Dunkelheit. Dann wiederum ein Fauchen, als würde ein Tier seine Beute verteidigen.
Jodies Herz klopfte bis zum Hals. Ein kalter Schauer jagte den nächsten. Sie tastete neben sich. Als sie das Kistchen spürte, hob sie den Deckel an und wühlte darin. Williams Stein erfühlte sie zuerst und legte ihn sich auf den Schoß. Als sie auch Molly erhaschte, ließ sie den Deckel geräuschlos sinken. Mit Tränen in den Augen drückte sie den Sandstein und Molly an ihre Brust. „Du wirst es schaffen“, flüsterte sie, während sie zum Mond hochblickte und auf den Morgen wartete.
Edwards Schritte hallten durch die kleine Kapelle hinter dem Hochaltar der Westminster Abbey. Dabei stellte er sich vor, dass er über die Leichen zahlloser Franzosen hinwegstieg und als Krönung über Balliols. Aber ob der schottische König tot oder lebendig war, er hatte ihn bereits besiegt. Genauso wie die Einwohner von Berwick-upon-Tweed.
„Mit deinem Handeln hast du die Schotten endgültig gegen England aufgehetzt“, regte sich sein Bruder auf, der sich gegen den Krönungsstuhl lehnte. Die Sitzfläche und die Hinterwand waren vertäfelt. Das Dunkelholz glänzte. Nur am Fußteil unter dem Sitz war es etwas heller oder abgeblättert. Vier Löwenfiguren postierten sich rund um den Thron. Zwei vorne, zwei hinter dem Stuhl, mit starrem Blick in alle Himmelsrichtungen.
„Als hätte ich das nötig gehabt.“ Edward blieb vor dem Grabmal ´Edward des Bekennersˋ stehen und stemmte die Hände in die Hüften. „Balliol sitzt im Tower und jedem, der sich mir in den Weg stellt, wird dasselbe blühen. Ich dulde keinen Vasall, der mir in den Rücken fällt.“
„Du hast Balliol wie einen Bittsteller behandelt, nicht wie einen Vasall. Und ich will gar nicht daran denken, wie hart du in Berwick vorgegangen bist. War das Gemetzel wirklich nötig?“ Edmund wollte sich in Bewegung setzen, aber er stieß mit dem Fuß gegen einen der Löwen, verzog schmerzhaft das Gesicht und hob den Fuß an. Wie gelenkig sein Bruder plötzlich war.
„Harte Widerstände erfordern noch härtere Gegenmaßnahmen“, belehrte Edward ihn voller Schadenfreude, weil sein Bruder umgehend die Quittung für seine Belehrungen erhalten hatte. Edmund wurde sichtlich alt, was ihn gleichzeitig weich machte. Andererseits war er angesichts der letzten Ereignisse mutig genug ihm die Stirn zu bieten. Aber man eroberte kein Land mit guten Worten. „Der Sieg gibt mir recht“, hielt Edward an seiner Meinung fest. „Balliol, der Klerus und die Adeligen haben sich ergeben und nun befindet sich Schottland unter meiner Befehlsgewalt.“ Der Widerstand dieses derben Volkes hatte an Intensität gewonnen. Deswegen hatte er umgehend handeln müssen.
„Soweit ich weiß, schließen sich immer mehr Aufständische zusammen.“ Noch immer rieb sich Edmund den Fuß. Sein Haar war zerzaust, weil er sich unaufhörlich an den Kopf griff, seitdem Balliol eingekerkert war. „Ein gewisser Andrew de Moray und dessen Vater sind in aller Munde. Von diesem William Wallace hört man auch vermehrt. Moray und Wallace haben übrigens weder das erste noch das zweite Treugelöbnis unterzeichnet.“
„Dann sieh zu, dass man sie gefangen nimmt!“ Edward schlug sich mit der Faust gegen den Spangenharnisch, der seinen Oberkörper schützte. Das metallische Geräusch ließ Edmund zusammenzucken. Ängstlich schaute er zum Grabmal, als würde er befürchten, dass der Tote zum Leben erwachte.
„Ich mache bereits, was ich kann“, räumte Edmund ein. „Moray und sein Vater sollen sich in der Nähe von Dunbar aufhalten.“
„Und dieser Wallace?“
„Bisher gibt es keine Spur von ihm.“
„Dann wird er nicht so wichtig sein wie du behauptest. Ich habe jedenfalls noch nichts von ihm gehört und das wird vermutlich so bleiben.“
„Wenn du dich da nicht irrst. Wallace soll ein außerordentlicher Kämpfer sein. Noch dazu erzählt man sich, dass er größer ist als du.“
„Dann müsste er ein Riese sein. Meine Güte, Edmund, das klingt eher nach einem Märchen als nach der Wirklichkeit.“ Edward lachte. „Die Schotten und ihre Mythen. Vielleicht erfinden sie Männer wie diesen Wallace, um uns einzuschüchtern. Verzweifelt genug sind sie ja.“
„Robert Bruce kennt ihn angeblich.“
„Woher weißt du das?“
„Er hat es mir erzählt, als wir Tee getrunken haben.“
„Ihr habt Tee getrunken?“, hallte es durch die Kapelle. „Wann?“
„Nach seiner Rückkehr aus Irland“, kam es verwundert zurück. „Du hast ihn doch selbst getroffen, als er die Roll unterschrieben hat.“
So ein Halunke! Versteckte sich hinter seiner dringenden Abreise und trank dann in aller Seelenruhe mit seinem Bruder einen Tee. „Das klingt nach einem netten Stelldichein. Seit wann seid ihr euch so nahe?“
„Ich mag den Burschen.“
„Du magst ihn?“, erboste sich Edward. „Seine Unterschrift ist die Tinte nicht wert. Bruce ist und bleibt ein Schotte und damit Teil dieses engstirnigen Volkes.“
„Trotzdem wird er den Teufel tun und es sich mit dir verscherzen. Erst recht jetzt, da Schottland keinen König mehr hat.“
„Stimmt. Robert mag es gern bequem. Deswegen wartet er lieber darauf, dass ich ihn wie ein Kleinkind auf den Thron setze als dass er um ihn kämpft.“
„Immerhin verhindert seine Einstellung unnötiges Blutvergießen.“
„Das musste jetzt kommen. Insofern wundert es mich nicht, dass du dich mit Bruce so prächtig verstehst“, machte sich Edward lustig. „Trotzdem, Bruce ist unberechenbar. Wer sagt mir, dass er nach seiner Thronbesteigung nicht doch gegen England vorgeht?“
„Dein Kleinkind? Wovor hast du Angst?“
„Stimmt“, murmelte Edward, „wovor habe ich Angst? Bruce ist keine Gefahr, genauso wenig wie dieser ominöse Wallace. Aber um darauf zurückzukommen, was hat dir Bruce über ihn erzählt?“
„Nicht viel. Anscheinend sind sie sich in Salisbury zum ersten Mal begegnet. Ihr Kennenlernen soll in einer handfesten Auseinandersetzung geendet haben. Seitdem sind sie erbitterte Feinde. Aber anderen Quellen zufolge soll Wallace bereits viele von unseren Landsleuten auf dem Gewissen haben. Er verabscheut nicht nur Bruce, sondern auch uns Engländer.“
„Du siehst mich etwas überrascht“, spottete Edward, „im Allgemeinen werden wir von den Schotten verehrt.“
„Wallace eilt sein Ruf weit voraus. Männer wie ihn darf man nie unterschätzen.“
„Willst du mich verunsichern?“ Edward stöhnte unwillig auf. „Oder dazu überreden, dass ich mich aus Schottland zurückziehe, ehe meine Truppen gegen diesen Wallace als Verlierer vom Feld gehen?
„Weder das eine noch das andere. Davon abgesehen hast du dir von mir noch nie etwas sagen lassen.“ Edmund hustete. Seit Tagen kränkelte er vor sich hin. In der Kapelle war es kälter als draußen, denn die Märzsonne hob die Temperaturen an. Eine gute Zeit, um sich mit Krieg abzulenken. Edward mochte weder den Frühling noch den Sommer. Allesamt Monate für Weiber, die sich kaum vor Entzücken halten konnten, wenn sie eine Rose erblickten. Der raue Herbst und der harte Winter, das waren Jahreszeiten für echte Männer.
„Da gibt es noch etwas, das du wissen solltest.“ Edmunds Schultern sanken herab und er war wieder ganz der alte Duckmäuser.
„Kommt jetzt endlich das, was du mir mit ermüdender Einleitung die ganze Zeit über sagen wolltest?“
„Nun ja, ich weiß, dass es dir nicht gefallen wird. Deswegen habe ich gezögert. Aber du wirst es so oder so erfahren.“
Edwards Sinne schärften sich. „Raus mit der Sprache.“
„Wallace macht sich lustig über dich“, kam Edmund sofort zur Sache, womit er Edwards ganze Aufmerksamkeit hatte.
„Inwiefern?“
Sein Bruder achtete darauf, nicht erneut gegen den Löwen zu prallen und sorgte für einigen Abstand zum Thron. Oder galt der Abstand ihm? „Wallace schlachtet den Tod deiner Frau aus.“
„Was soll das heißen?“ Edward kniff die Augen zusammen und wartete auf Edmunds Antwort. Doch seinem Bruder schien es die Sprache verschlagen zu haben im Wissen, dass niemand das Andenken seiner verstorbenen Frau in den Schmutz ziehen durfte. „Sag schon!“, brüllte Edward durch das Gotteshaus, weil er die Geduld verlor.
„Wallace hat irgendwie erfahren, woran Eleonore tatsächlich starb. Damals, als sie dich ins Heilige Land begleitete und du von einem vergifteten Dolch verletzt wurdest, da hat sie das Gift mit dem Mund herausge…“
„Ich weiß, woran sie starb!“, tobte Edward. Seine Zähne knirschten, die Hände ballten sich zu Fäusten. Aus gutem Grund hatten sie die Todesursache seiner Frau geheim gehalten. Damit ihn niemand verhöhnte oder noch schlimmer: Ihm die Schuld an ihrem Tod geben konnte. „Das hätte Wallace nicht tun dürfen“, zischte Edward. „Es kommt einer Kriegserklärung gleich. Sein Name hat sich mir soeben eingebrannt. Ich werde ihn vernichten. Ich werde sie alle vernichten. Alle, bis keiner mehr übrig ist!“
Wie ein Tiger im Käfig durchquerte er die Kapelle und hatte nicht übel Lust, mit der Faust auf das Grabmal zu schlagen. Aber dann fiel sein Blick auf den Thronsitz. Seine mit Metallplatten verstärkten Handschuhe lagen darauf. Edward nahm sie an sich. Sie waren heillos zerkratzt, hatten ihn aber stets sicher durch jede Schlacht geführt. Diesmal würde es nicht anders sein. Verdammt sollten die Schotten sein. Vor allem dieser Wallace, mit dem er ab heute nicht nur eine politische, sondern auch eine private Rechnung offen hatte. „Diesen Abschaum werde ich jagen, bis er seine Schuld mit dem Tod bezahlt hat.“ Zornesbebend nahm Edward auf dem Thron Platz. „Aber bis dahin begnüge ich mich mit dem Stone of Scone. Wir werden ihn stehlen“, verkündete er im nächsten Atemzug.
Sein Bruder bekam erneut einen Hustenanfall. „Das ist nicht dein Ernst“, entgegnete er heiser, nachdem er sich wieder im Griff hatte.
„Und ob. Ich werde den schottischen Krönungsstein nach Westminster überführen lassen.“
„Zu welchem Zweck?“
„Zu welchem wohl?“, blaffte Edward ihn an. „Um den jämmerlichen Findling unter dem englischen Thronstuhl einbauen zu lassen.“ Eine Vorstellung, die seinen Zorn milderte, denn im Gegensatz zum schottischen erlaubte das englische Zeremoniell eine Krönung im Sitzen. „Die Tatsache, dass der englische König mit seinem Arsch auf ihrem heiligen Stone of Scone sitzt, wird den Schotten die Gedärme umdrehen.“ Edwards schallendes Lachen hallte durch die Westminster Abbey. Es dauerte, bis er sich beruhigt hatte. Sein Bruder war ernst geblieben, aber schwarzen Humor hatte er noch nie verstanden. Nicht einmal stinknormalen. „Eine Kriegsbeute, genau nach meinem Geschmack“, spornte sich Edward selbst an. „Seit der Schlacht in Berwick nennt man mich den ´Hammer der Schottenˋ. Darauf bin ich stolz, und gemäß meinem Glauben sage ich“, er hob die rechte Hand zum Schwur, „bleibe treu.“