Читать книгу Snørgl der Waldwicht - Betty Kamer - Страница 7
Gosi der Baumeister
Оглавление„Hallo“, sagte Betty leise, nachdem sie endlich wieder ihre Augen aufgeschlagen hatte. „Habe ich lange geschlafen?“
„So könnte man sagen“, lächelte Stubbur sie an und war sicherlich genauso erleichtert wie ich, als sie wieder zu sich kam. Stubbur hatte unsere Wichtenfreunde und auch die Tiere wieder nach Hause geschickt, damit Betty sich in Ruhe erholen konnte. Er und ich hingegen hatten den ganzen Tag neben ihr Wache gehalten und sie nicht aus den Augen gelassen. Noch etwas erschöpft schloss sie erneut ihre Augen und… schnarchte sogar ein wenig.
„Woher wusstest du, was ihr helfen würde?“ flüsterte ich Stubbur zu.
„Es ist schon sehr viele Jahre her, da entdeckte ich an einem recht kalten Frühlingsmorgen, ich denke es waren sicherlich nicht mehr als 5 Grad, eine junge Hummel. Sie war sehr schwach und bat mich um Hilfe – genau wie unsere Betty.“
„Wie bitte?“, unterbrach ich ihn verwundert. „Die können bei so einer kalten Temperatur überleben? Ich wusste gar nicht, dass das geht. Von Bienen weiß ich, dass sie erst bei Temperaturen ab 10 Grad Celsius ausfliegen.“
„Da hast du recht. Hummeln erzeugen die zum Fliegen notwendige Körpertemperatur durch Vibration ihrer Brustmuskulatur. Doch hör weiter zu: Die junge Hummel erzählte mir, dass sie eine Jungkönigin war, die nach überstandener Winterruhe nun ein neues Volk gründen wolle. Dazu müsse sie einen geeigneten Platz für das Nest finden. Ich wunderte mich, da ich nicht wusste, dass Hummeln Nester haben. So fragte ich sie, wie diese Nester denn bei den Hummeln aussehen würden. Sie erklärte mir, dass dies zum Beispiel eine kleine Erdhöhle oder ein Mauseloch wie bei den Erdhummeln sein kann. Sie selbst bevorzugt eine Moosschicht oder auch einen hohlen Baumstamm. Als Königin sammelt sie Nektar und Pollen, die sie zu sogenanntem ‚Bienenbrot‘ verarbeitet. Dieses Bienenbrot legt sie in eine aus Wachs gefertigte Zelle und darauf später ihre Eier.“
„Woher hat sie denn das Wachs? Von einer Kerze? Wie soll ich mir das denn vorstellen?“, fragte ich Stubbur und musste bei dem Gedanken lächeln, wie eine Hummel vor einer Kerze sitzt und darauf wartet, dass das Wachs herunterläuft.
„Ich stellte fast die gleiche Frage, lieber Snørgl. Sie hat mir daraufhin erklärt, dass dieses Wachs nichts mit Kerzen zu tun hat, sondern sie und später auch die Hummelarbeiterinnen, die aus den Larven entstehen, dieses Wachs ausscheiden. Übrigens heißen die männlichen Hummeln, genau wie bei den Bienen, Drohnen.“
„Wie bitte? Sie scheiden das Wachs aus? Du meinst, so wie wir auf der Toilette? Das ist eklig!“ lachte ich nun.
„Das ist ganz und gar nicht eklig“, hörten wir Betty leise sagen und als wir uns erstaunt zu ihr umsahen, lächelte sie. Doch kurze Augenblicke später war sie bereits wieder eingeschlafen.
„Sie hat recht“, fuhr Stubbur wieder an mich gewandt fort. „Die Natur hat die Hummeln mit Wachsdrüsen ausgestattet, über die sie an ihrer Bauchseite das Wachs ausscheiden. Mit ihren Mundwerkzeugen modellieren sie das Wachs in sogenannte Brutzellen oder sie dichten das Nest damit ab, um es vor Wärmeverlust zu schützen.“
„Uih, wie interessant. Was die alles können.“
Beeindruckt sah ich zu dem schlafenden Geschöpf und spürte, wie sehr ich dieses kleine Wesen in mein Herz geschlossen hatte. Hoffentlich wurde sie wieder gesund.
„He Leute, wie geht es denn unserer kleinen Patientin? Besser hoffe ich“, flüsterte Gosi - er hatte zusammen mit den anderen meine Wohnung verlassen, um Betty in Ruhe schlafen zu lassen. Nun war er wieder zurückgekehrt und ich wunderte mich als ich sah, dass er voller Sägespäne war und nach frischem Harz und Moos roch.
„Ich habe eine Überraschung für die kleine Betty. Doch davon erzähle ich euch gleich.“ Und an Stubbur gewandt sagte er: „Entschuldige, ich habe euch unterbrochen. Erzähle doch bitte weiter, lieber Stubbur.“
Und so erzählte Stubbur, was ihm die junge Hummelkönigin noch erklärt hatte.
„Als Nahrungsquelle für sich, die Larven und die geschlüpften Hummeln baut die Königin außerdem einen kleinen Topf, den sie mit Honig füllt. Um die Eier warm zu halten, setzt sich die Königin nach der ersten Eiablage bei Bedarf zum Brüten darauf. Das Töpfchen hat sie zuvor in die Nähe der Eier platziert. Während des Brütens kann sie nun jederzeit mit dem Rüssel Honig aufnehmen, ohne dass sie die Eier zur Nahrungsaufnahme verlassen muss.“
„Und warum hat sie dich dann um Hilfe bitten müssen?“ fragte nun Gosi interessiert.
„Nun, nach dem Verlassen des Nestes, in dem sie überwintert hatte, war sie schon sehr lange Zeit unterwegs. Hummeln, müsst ihr Wissen, fliegen täglich in bis zu 18 Stunden bis zu 1000 Blüten an, um Nahrung zu suchen. Doch zu dieser Jahreszeit konnte sie noch nicht genug Blüten finden. Sie war, ebenso wie unsere Betty hier, am Ende ihrer Kräfte und brauchte dringend Nahrung.“
Ganz in Gedanken kratzte ich mich am Hinterkopf.
„Also hat sie dir damals gesagt, was du tun musst, um ihr zu helfen?“ fragte ich ihn.
„Stimmt. Da ich keinen Honig hatte, bat sie mich um ein Schälchen Zuckerwasser. Als ich es ihr brachte, konnte sie das Wasser mit ihrem Rüssel, der so ungefähr 13 mm lang ist, trinken, wodurch sie wieder zu Kräften kam. Einige Zeit später flog sie davon. Leider habe ich sie nie mehr wiedergesehen. Aber das, was sie mir damals erzählte, hat nun unserer Betty das Leben gerettet.“
Puh, da musste ich tatsächlich erst einmal schlucken. Stubbur und Gosi sahen mich erstaunt an. Doch bevor sie etwas sagen oder fragen konnten, wandte ich mich an Gosi.
„Wieso bist du denn voller Sägespäne?“
Gosi sah an sich hinunter und klopfte sich die Späne von der Kleidung.
„He, was machst du denn da? Du krümelst meinen ganzen Moosteppich voll. Lass das!“ entfuhr es mir und weil ich über sein entsetztes Gesicht lachen musste, entspannte er sich wieder. Denn ich glaube, es war ihm unangenehm.
„Ich habe für das Hummelmädchen eine kleine Überraschung. Sie kann bis sie wieder zu Kräften kommt schlecht in dieser Blüte auf deinem Tisch liegen bleiben. Da dachte ich mir, ich baue ihr rasch ein eigenes Zuhause, in dem sie mit anderen Insekten zusammen wohnen kann, solange sie möchte. Kommt mit hinaus vor die Tür, dann zeige ich es euch. Wir bekommen ja mit, wenn sie wach wird.“
Na, das war ja wirklich eine gelungene Überraschung, denn ich hatte mir noch gar keine Gedanken darüber gemacht, wo wir Betty unterbringen sollten, bis es ihr wieder besser ging und sie weiterfliegen konnte. Insgeheim hoffte ich aber, dass sie noch eine Weile bei uns bleiben würde.
Gemeinsam traten wir vor meine Wohnung und bestaunten Gosis Meisterwerk.