Читать книгу Leben mit Borderline - Sag mir mal wie's richtig geht - Betty Paessler - Страница 6
2 Sag mir mal wie's richtig geht
ОглавлениеDiese Frage ist so vielseitig in sich und auf die verschiedensten Lebenssituationen und -bereiche übertragbar. Auch im Zusammenhang mit dem Leben als oder mit einem Borderliner.
So kann diese Frage von, als auch an einen Menschen mit Borderline-Störung gestellt worden sein. Um die Beantwortung geht es mir in diesem dritten Teil. Ich habe mich mit dieser Frage, die meist aus tiefster Verzweiflung herausgestellt wird, eingehend befasst.
Doch gibt es eine Gebrauchsanleitung für Borderliner? Mach es so oder lass das sein? Ich denke, dass es vornehmlich darum geht, das Wesen eines Borderliners zu verstehen, um sich 'einer Handhabung' bewusst zu werden.
Als ich in Therapie kam dachte ich zunächst, ich würde eine geschriebene Anleitung erhalten, wie ich zukünftig mit meinem Leben oder besser gesagt mit meiner Erkrankung umgehen müsse. Doch niemand gab mir die sehnsüchtig erhoffte Anleitung in die Hand, um mein scheinbar im Chaos zu versinkendes Leben in den Griff zu bekommen.
Niemand diktierte mir die nächsten Schritte, niemand zeigte mir, wie ich meine Füße künftig auf den Boden zu setzen hatte.
Doch ich bekam alle Materialien in die Hand, die es mir möglich machen sollten, einen für mich persönlich zum Erfolg führenden Bauplan zu zeichnen. Die Grundlage, die ich mit in die Therapie brachte, war in den verschiedensten Grautönen gezeichnet. Bekanntlich erhält man die Farbe grau aus den Farben schwarz und weiß. Genau den Farben also, die das Leben eines Borderliners ausmachen. Daraus ließ sich weder ein Bauwerk mit festem Fundament noch die einfache Skizze eines Zukunftsortes zeichnen. Und schon nach kurzer Zeit stellten alle Therapieteilnehmer die gleiche Frage, um die es in diesem Teil gehen soll:
Sag mir mal, wie's richtig geht!
Zunächst einmal musste ich mir darüber im Klaren werden, was ich von dieser Therapie erwartete. Um was ging es hier eigentlich? Sicherlich nicht ums Gesund werden. Den Zahn haben sie uns gleich zu Beginn gezogen: Borderline ist nicht heilbar, aber man kann lernen, damit zu leben.
Na toll.
So was wollte ich gar nicht hören. Akzeptieren konnte ich es schon zweimal nicht. Entweder ich war krank oder nicht. Was sollte es denn dazwischen geben? Für mich gab es eh nur schwarz oder weiß, gut oder böse. Will ich oder will ich nicht. Auf der Farbpalette meines Lebens gab es da nicht besonders viel Auswahl, um ein schönes Bild meines Lebens zu zeichnen. Was ich wollte gelang mir schon gleich gar nicht erst zu formulieren.
Und wie in den ersten beiden Teilen zuvor schon beschrieben, erwachte in mir das Verlangen nach Wissen und Erklärungen. Nur so konnte ich für mich an die 'Sache' herangehen. Denn in meinem tiefsten Innern konnte ich noch immer nicht akzeptieren, dass ich krank sein sollte. Anders vielleicht. Schwieriger. Lebensunfähiger als andere. Ja, das konnte sein. Aber ich war sicher nicht krank oder nicht normal.
Eine meiner Stärken war die Dissoziation. Ich machte mir zu Nutze, dass ich mich komplett von mir und einer Situation, in der ich mich befand, distanzieren konnte. Ungewollt und nicht beabsichtigt, aber erfolgreich. Aber bitte nicht falsch verstehen: ich kann diesen Zustand nicht künstlich herbeiführen, aber ich wusste, dass mir das so passieren würde – und ich habe es zugelassen. Denn wenn ich in die Gruppentherapie ging (und nur dort und nicht in der Einzelstunde) gelang es mir, mich selbst als meinen Auftrag zu sehen. In dieses Denken habe ich mich absolut hineingesteigert. So konnte ich 'die Arbeit' in dieser Therapiezeit als Notwendigkeit betrachten, um meiner Person behilflich zu sein, den Borderliner zu verstehen und gegen ihn anzugehen.
Ich hörte zu, nahm teil, beantwortete gestellte Fragen, analysierte das Verhalten meiner Person und suchte nach neuen Ansätzen, um mir ein Zusammenleben mit meinem Borderliner zu ermöglichen.
So und nicht anders war mein Plan. Mein Auftrag.
Die schwierigste Zeit in unserem Leben
ist die beste Gelegenheit,
innere Stärke zu entwickeln.
(Dalai-Lama)