Читать книгу Leben mit Borderline - Sag mir mal wie's richtig geht - Betty Paessler - Страница 7

3 Achtsamkeit

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Auch in diesem Buch werde ich wieder auf die Achtsamkeit eingehen, denn ohne sie wäre es mir nicht möglich gewesen, meinen Borderliner in Ketten zu legen und in ein tiefes Verlies zu verbannen. Ohne Achtsamkeit wäre mir ein Leben in Frieden mit mir selbst nicht möglich. Ohne sie wäre ich nicht da, wo ich heute stehe. In Einklang mit mir selbst und mit erhobenem Kopf. Ich wende den Blick nicht zur Seite und stehe für mich selbst ein. Für mich und für meine psychische Erkrankung. Durch Achtsamkeit ist es mir möglich, rechtzeitig zu erkennen, wenn an dem Tor zum Verlies gerüttelt wird; wenn nach den Schlüsseln gesucht wird, um mich durch den Borderliner in mir wieder klein zu bekommen. Ich vernehme die Schritte auf den steinernen kalten Treppen, die hinab führen an den Ort, wo er sein Dasein fristet. Denn ja, er existiert noch, doch ich bin sein Wächter. Nie wieder wird er mich beherrschen, denn ich kenne seine hässlichen Seiten und die Spuren, die er hinterlässt. Nie wieder werde ich ihm gestatten, seine kalten schwarzen Hände nach meiner Seele auszustrecken. Viel zu lange hat er mein Leben beherrscht und mich so qualvoll leiden lassen. Doch sein größter und wirksamster Feind ist die Achtsamkeit:

Achtsamkeit (im engl. Mindfulness) ist ein Moment passiver Geistesgegenwart, in dem ein Mensch hellwach den gegenwärtigen Zustand seiner direkten Umwelt, seines Körpers und seines Gemüts erfährt, ohne von Gedankenströmen, Erinnerungen, Fantasien oder starken Emotionen abgelenkt zu sein, ohne darüber nachzudenken oder diese Wahrnehmung zu bewerten. (Wikipedia)

Achtsamkeit im buddhistischen Sinne ist ein Übungsweg. Das Konzept der Achtsamkeit geht auf den legendären Buddha zurück. Er lebte vor etwa 2500 Jahren – sein Name war Siddhartha Gautama, ein Sohn aus einem altindischen Königsgeschlecht.

Bereits als junger Mann verließ er Heim und Familie, um herauszufinden, warum Menschen leiden und wie dieses Leid zu mindern sei. Im Laufe von Jahrzehnten, die bis heute überliefert sind, vermittelte er seine Erkenntnisse. Durch Übungsmethoden erforschte er systematisch seinen Geist und gelangte zu der Einsicht, dass menschliches Leid aus Unwissenheit entsteht und auf welche Weise dieses Leid überwunden werden kann.

Die Achtsamkeit

Historisch betrachtet ist die 'Achtsamkeit' also vor allem in der buddhistischen Lehre und Meditationspraxis zu finden. In unserem westlichen Kulturkreis ist das Üben von Achtsamkeit insbesondere durch den Einsatz im Rahmen verschiedener Psychotherapien bekannt geworden.

In der Buddha-Lehre hat die Achtsamkeit (sati) einen zentralen Stellenwert. Sie ist der wichtigste Faktor, um Einsicht zu entwickeln. Einsicht ist notwendig, um Befreiung vom Leiden zu erreichen. Achtsam sein bedeutet, sich des Körpers und des Geistes, wozu Gefühle, Gedanken sowie sprachliche und körperliche Handlungen gehören, in jedem Augenblick vollkommen bewusst zu sein. Die Achtsamkeit muss verbunden sein mit einer reinen, klaren Wahrnehmung der Fülle an Erscheinungen, die sich im Augenblick zeigen, ohne diese zu beurteilen. Man kann diese Fähigkeit üben, indem man ruhig sitzt, aber auch bei allen Aktivitäten in Körper, Sprache und Geist während des gesamten Tages im alltäglichen Geschehen, sei es im Beruf, bei der Hausarbeit, bei der Versorgung der Familie, bei der Gartenarbeit, beim Zusammensein mit Freunden, beim Spaziergang und bei den vielen anderen Handlungen und Begegnungen des Tages. Die Übungen während des stillen Sitzens und die während der vielfältigen alltäglichen Beschäftigungen unterstützen sich gegenseitig. (cetovemutti-theravada.org)

In diesem Kapitel möchte ich auf eine Form der Achtsamkeit eingehen, die es täglich zu trainieren gilt. Die Grundlage hierfür gibt ein überarbeiteter Fragebogen von Steven Hayes und Frank Bond:

Unheilsame Gedanken

bemerken und gegensteuern

Kontrolle von Gedanken und Gefühlen

Zur kenntlichen Darstellung habe ich vor die negativen Gedanken ein 'n' gesetzt und vor den positiven Gegengedanken ein 'p'.

n) Ich muss meine Gedanken und Gefühle im Griff haben, um im Leben erfolgreich zu sein.

p) Es ist für mich nicht nötig, meine Gefühle zu kontrollieren, um im Leben erfolgreich zu sein.

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n) Angst ist etwas Schlechtes.

p) Angst ist weder gut noch schlecht. Es ist nur ein unangenehmes Gefühl.

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n) Negative Gedanken und Gefühle sind schädlich, wenn ich sie nicht kontrolliere oder loswerde.

p) Negative Gedanken und Gefühle sind nicht schädlich, auch wenn sie sich unangenehm anfühlen.

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n) Ich habe vor einigen meiner starken Gefühlen Angst.

p) Ich habe keine Angst vor Gefühlen, ganz gleich, wie stark sie sind.

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n) Um etwas Wichtiges zu tun, muss ich Zweifel loswerden.

p) Ich kann etwas Wichtiges tun, auch wenn ich Zweifel habe.

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n) Wenn negative Gedanken und Gefühle auftauchen ist es wichtig, diese so rasch als möglich in den Griff zu bekommen oder loszuwerden.

p) Der Versuch, negative Gedanken und Gefühle in den Griff zu bekommen oder sie loszuwerden, führt oft zu Problemen. Wenn ich ihnen einfach gestatte da zu sein, dann werden sie sich ganz natürlicherweise ändern.

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n) Die beste Methode, mit negativen Gedanken und Gefühlen umzugehen, ist zu verstehen, woher sie kommen; danach kann ich dieses Wissen benützen, um sie loszuwerden.

p) Die beste Methode, mit negativen Gedanken und Gefühlen umzugehen, ist sie zur Kenntnis zu nehmen und sie sein zu lassen, ohne sie verstehen oder beurteilen zu müssen.

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Wer nie scheitert,

entwickelt sich nicht

und kann auch nicht glücklich werden,

denn ihm fehlt die Erfahrung

der eigenen Stärke.

(Martin Seligman, Psychologe)


Leben mit Borderline - Sag mir mal wie's richtig geht

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