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Amora, den 22.11.2010

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Geliebter Nick,

ich habe mich echt gefreut, wie ein Schnitzel in der Pfanne, als ich die erste Hauspost von dir bekam.

Danke auch für deinen süßen Gruß. Ich fürchte, bei mir beschwert die verführerische Marzipanpraline eher den Hüftspeck als den Brief. Ich muss zugeben, ich habe heute kalorienmäßig schon gesündigt. Du weißt, ich hatte mein monatliches Frauentreffen. Diesmal waren wir bei Mona eingeladen und die backt immer so superleckere Kuchen, da kann ich einfach nicht widerstehen. Heike hat uns wieder den ganzen Nachmittag von ihrem »Ex« vorgejammert, einfach schrecklich der Typ. Also wenn ich diesen ganzen Beziehungsstress der anderen so höre, ist es mir fast peinlich, dass wir nach über 25 Jahren noch so glücklich wie am ersten Tag miteinander sind. Wir hatten aber auch einige Klippen zu umschiffen, bis wir endlich im Hafen der Ehe vor Anker gehen durften.

Ich konnte mir damals bildlich vorstellen, wie deinen Eltern buchstäblich die Kinnlade heruntergeklappt ist, als sie realisieren mussten, dass aus ihrem geliebten Sohn weder ein Priester – tja, eine Privataudienz beim Papst, das wäre was gewesen – noch ein Lehrer am Gymnasium werden würde.

Was für ein Teufel war nur in dich gefahren, dass du ihren Wunschvorstellungen so eine Abfuhr erteiltest?

Ein windiger »Schreiberling« ist doch nichts wert, damit kann man als Eltern nicht viel Staat machen, und dazu noch eine Schwiegertochter – das war der reinste Staatsbankrott!

Kein Wunder, dass dich dieser Stress flachgelegt hat und du dir eine Auszeit im Krankenhaus nehmen musstest. Du hast es sicher nur der Fürsprache deiner schrulligen, aber liebenswerten Tante Hella zu verdanken, dass deine Eltern dich damals nicht enterbten.

Meine Erzeuger haben auch nicht gerade die große Lobes- und Dankeshymne angestimmt, als ich ihnen meine Zukunftspläne mitteilte. Zuerst waren sie noch euphorisch, als ich, die verlorene Tochter, mit Sack und Pack wieder vor ihrer Haustüre stand, aber dann ging es mit den Schimpftiraden auch schon los. Sätze, wie »Und dafür haben wir dich all die Jahre studieren lassen«, wobei sie mich doch förmlich zum Studium gedrängt hatten, musste ich mir ständig anhören. Beliebt war auch:»Du hättest doch besser Theologie studieren sollen, Pastoralreferentin wäre der ideale Beruf für dich gewesen!« Diesen Spruch hatten sie drauf, seitdem ich in unserer Pfarrgemeinde für drei Jahre die Kinder- und Jugendgruppe geleitet hatte und während dieser Zeit auch noch im Pfarrgemeinderat vertreten war.

Auch mit der Wahl meines zukünftigen Ehemanns hatten sie ihre Probleme. Warum warst du kein berühmter Arzt oder wenigstens ein anerkannter Staatsanwalt? Der einzige Trost für sie war, dass ihre Tochter keine alte Jungfer werden würde und sie so vielleicht in den Genuss einiger Enkelkinder kommen könnten.

Unsere Hochzeit hatten wir ursprünglich als Traumhochzeit à la Lady Di und Prinz Charles geplant, schließlich sind wir füreinander auch Prinz und Prinzessin. Wie im Märchen träumten wir von einer 8-spännigen weißen Kutsche, einem diamantbesetzten Brautkleid mit 10 Meter langer Schleppe, mindestens sechs kleinen süßen Brautmädchen, einem Meer von weißen und roten Rosen und einem prächtigen Schloss, in dem die Feier stattfinden sollte.

In der Realität hätte dies allerdings nicht so recht zu unserem Kloster Marienfelde und Pater Anselm gepasst.

So haben wir uns entschieden, im kleinsten Kreis, also nur mit Pater Anselm und Schwester Maria als Trauzeugin – die hilfsbereite Nonne aus der Küche – in der wunderbaren Klosterkapelle zu heiraten.

Unsere Eltern und die übrige »bucklige Verwandtschaft« wollten wir, nach all dem Zirkus, am schönsten Tag unseres Lebens nicht dabei haben.

Wir haben sie mit dem Versprechen vertröstet, irgendwann mal eine kleine Nachfeier zu veranstalten.

Die Trauungszeremonie wird uns wohl ewig in Erinnerung bleiben. Vor Aufregung hast du mich mehrmals hintereinander »Aurora« genannt, so dass Pater Anselm ganz verwirrt seinen Notizzettel noch mal von vorne bis hinten nach dem richtigen Namen durchgeforstet hat.

Beim Austausch der Ringe hatte ich so zittrige Hände, dass mir dein Ring auf den Boden gefallen ist. Er hüpfte mit einem »Kling« auf und davon.

Schwester Maria hat sich aufopfernd auf die Suche gemacht und ist auf allen vieren durch die Kapelle gerutscht.

Unter der Kniebank der hintersten Reihe hat sie ihn dann endlich erwischt.

Wir sind dabei am Altar fast an unserem unterdrückten Lachen erstickt. Glücklicherweise hat unsere liebe Trauzeugin nichts davon mitbekommen, jedenfalls hat sie beim Schluss-Segen richtig herzzerreißend geweint und uns anschließend, als wären wir ihre eigenen Kinder, schluchzend an ihre voluminöse Brust gedrückt.

Nach einer champagnerseligen, wundervollen Hochzeitsnacht in einem nahegelegenen Romantikhotel sind wir am nächsten Tag, mit kurzem Zwischenstopp zu Hause, in die Flitterwochen gestartet. Dies sollte unsere erste gemeinsame Tour werden – hoffentlich keine Tortur!

Als Ziel hatten wir uns, wie könnte es auch anders sein, Paris, die Stadt der Liebe, ausgesucht. Mangels Kleingeld, und weil so eine lange Fahrt auch viel abwechslungsreicher ist, fuhren wir mit der Bahn. Was sind schon neun Stunden in einem schwankenden, stickigen, völlig überfüllten Zugabteil mit unbequemen Sitzen, nach Knoblauch stinkenden oder schnarchenden Mitreisenden und kreischenden Kindern, wenn man frisch verliebt ist.

In der französischen Hauptstadt angekommen, fühlten wir uns, als wären wir in 80 Tagen um die Welt gereist. Die Fahrt mit dem Taxi zum Hotel war das nächste Highlight. Ich weiß noch, dass wir schon nach einem Zettel kramten, um unser Testament zu machen, aber dann sind wir, welch ein Wunder, doch unfallfrei vor unserem Quartier gelandet.

Das gebuchte Hotelzimmer hatte zwar die Größe einer Sardinenbüchse, und das Bett war so klein wie ein Kinderbett, doch was macht das schon, wenn man sich auf Hochzeitsreise befindet.

Abgesehen von der schäbigen Unterkunft war unser Aufenthalt in Paris einfach traumhaft. Du denkst sicher auch noch gerne daran zurück. Tagsüber haben wir uns die Schuhsohlen durchgelaufen, von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten. Ich weiß schon gar nicht mehr, was wir alles gesehen haben. Du wolltest jedenfalls unbedingt auf den Eiffelturm hinauffahren. Wir haben uns stundenlang in der Schlange an der Kasse angestellt, und als wir endlich an der Reihe waren, bist du plötzlich ganz bleich geworden, denn dein Portemonnaie war restlos leer.

Du hast der Dame im Kassenhäuschen irgendwas von einem Überfall erzählt und gefragt, ob denn ein frisch vermähltes Paar nicht ein paar Freikarten bekommen könnte. Dein umwerfender Charme, oder lag es doch eher an deinem Schulfranzösisch, hat bei dem »alten Drachen« jedenfalls keinen Eindruck gemacht.

Die Ursache für die Ebbe in deinem Geldbeutel war natürlich nicht ein Diebstahl, sondern mein ausgiebiger Einkaufsbummel im berühmten »Lafayette«. Du hattest schon Blasen an den Füßen und deshalb in einer netten Sofa-Ecke Zuflucht gesucht, während ich die Schätze des Konsumtempels inspizierte. An dem todschicken Seidentuch mit »Paris-Motiv« konnte ich einfach nicht vorübergehen, und die ausgeflippte Krawatte war wie für dich gemacht.

Leider war ich im Kopfrechnen noch nie so gut und die Preise doch ziemlich gesalzen. Die Verkäuferin war sogar so lieb, mir ein paar Francs nachzulassen. Ich hab ihr erzählt, die Krawatte wäre mein Hochzeitsgeschenk für dich, sonst hätte ich noch Schulden machen müssen.

Nach einer »Beichte« meinerseits und einem dicken Versöhnungskuss haben wir uns dann auf den Weg zurück ins Hotel gemacht, um unser Geld aufzufüllen und die erworbenen Souvenirs in Sicherheit zu bringen.

Beim zweiten Anlauf Richtung Eiffelturm hat uns dann das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht. Als wir zwei Tage später wieder vor dem Kassenhäuschen standen, ging ein richtiger Wolkenbruch hernieder und wir flüchteten uns ins nächste Café. Wir haben dann ein paar Fotos vom berühmtesten Turm Frankreichs gemacht und uns vorgenommen, irgendwann mal wieder herzukommen und die Fahrt nach »oben« nachzuholen.

Die Nächte in Paris waren immer besonders schön. Wir saßen in romantischen Bistros, schlürften herrlichen Rotwein, naschten französische Spezialitäten und genossen ausgiebig das einmalige Flair dieser Weltstadt. Den absoluten Höhepunkt unserer Reise sollten wir jedoch am letzten Abend erleben – bei einem Besuch im weltberühmten »Moulin Rouge«!

Dank deiner lieben Tante Hella, die zur Hochzeit einen großzügigen Scheck geschickt hatte, konnten wir uns diesen Luxus leisten. Es war ein einmaliges, unvergessliches Erlebnis. Wir fühlten uns wie in die dreißiger Jahre zurückversetzt und waren in Gedanken vereint mit Nick und Nora Charles. Voller Vorfreude auf ein atemberaubendes, spritzig-erotisches Bühnenspektakel betraten wir den prachtvollen, im Stil der Belle Epoque ausstaffierten und in warmes Rot getauchten Cabaret-Saal und nahmen an dem uns zugewiesenen Tisch Platz. Die Kellner waren im Frack und bedienten uns sehr zuvorkommend mit einer Verbeugung.

Wir schwelgten gerade in einer anderen Sphäre, da huschte etwas an meinem Bein vorbei unter unseren Tisch. Ich traute meinen Augen kaum, es war eine ausgewachsene graue Maus.

Ich konnte nicht mehr an mich halten und stieß einen spitzen Schrei aus, der jeder Theaterdiva würdig gewesen wäre.

Die Gäste um uns herum sahen mich entsetzt an, und die Kellner liefen alle gleichzeitig herbei. Ein Glück, dass mein Französisch etwas holprig klang und somit nicht das ganze Publikum den Grund meiner Aufregung verstand.

Du hast erst mal mich, dann die aufgescheuchten Kellner sowie den herbeigeeilten Manager beruhigt. In deiner coolen, lässigen Art hast du dann sehr erfolgreich mit den Herren verhandelt. Wir wurden zum besten Tisch mit direktem Blick zur Bühne gebeten, bekamen eine exquisite Flasche Champagner, das aktuelle Programmheft und ein hübsches Opernglas gratis. Was so eine kleine Maus alles bewirken kann. Wir mussten uns beherrschen, nicht lauthals loszulachen, und hatten für den Rest des Abends ein seliges Grinsen im Gesicht!

Mit uns war es eben von Anfang an nicht eintönig. Ich bin mal gespannt, welche Anekdoten du noch von unseren Flitterwochen gespeichert hast. So, nun muss ich aufhören. Wie du weißt, beginnt in einer halben Stunde mein Gymnastikkurs. Ich wollte eigentlich schwänzen, aber nach der Kuchenschlacht heute Nachmittag muss ich dringend was für meine Figur tun. Ich liebe dich!

Bussi,

deine Nora

Post für Dich aus Amora!

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