Читать книгу Die 50 besten Morde oder Frauen rächen anders - Birgit Ebbert - Страница 11

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8 - Von weit oben fällt man tief, Björn

»Ist diese Aussicht nicht unglaublich!«, säuselte Vindicta und zeigte vom Fernsehturm auf die Bäume und Häuser, die sich unter ihnen ausbreiteten. Der Mann neben ihr nickte nur, sein Kopf sackte immer wieder auf die Brust, als wollte er im Stehen einschlafen.

Vindicta fasste seinen Arm und lenkte seine Hand mit dem Champagnerglas auf die Brüstung zu. Nur ein kleiner Stoß und das Champagnerglas sauste in die Tiefe. Sie blickte über das Stahlgeländer und ahnte mehr, als dass sie es sah, wie das Glas auf dem Boden zerschellte.

»Und nun zu dir, Björn«, sagte sie dann. Seine glasigen Augen verrieten ihr, dass er kaum mitbekommen würde, was sie zu sagen hatte.

»Du wolltest immer hoch hinaus!«, begann sie. »Da bist du nun. Aber du hast nicht daran gedacht, dass man von weit oben sehr tief fällt. Je höher man steigt, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man wieder aufsteht, wenn man fällt.« Sie atmete einmal tief durch. Der Mann war schwerer, als sie erwartet hatte.

»Wir sind auf einer Höhe von ungefähr 200 Meter«, fuhr Vindicta fort. »Ich fürchte, nach einem Sturz aus dieser Höhe wirst du nicht wieder aufstehen, Björn.«

Sie sorgte dafür, dass der Mann sich über das Geländer beugte und ging in die Hocke. Sie umfasste die Unterschenkel des Mannes und schob sie schwer atmend nach oben, bis die Schwerkraft ihn über das Geländer zog.

Zufrieden griff sie nach ihrem Champagnerglas, das sich durch den blauen Stiel von dem des Mannes abhob, in das sie ein Betäubungsmittel getan hatte.

Ulrike reagiert überrascht, als ich in der Videothek nach dem Horrorfilm mit der Auswahl an abartigen Todesformen frage.

Der junge Mann hinter der Theke dagegen erkennt mich gleich als Fachfrau. »Der ist doch verboten«, raunt er mir zu und sieht sich um, als stünde die ganze Videothek voller Polizisten. Dabei ist außer Ulrike und mir weit und breit niemand in dem Laden.

Ich frage mich wieder einmal, ob diese Videotheken nur Geldwaschunternehmen sind. Wann immer ich in den letzten zehn Jahren einen solchen Shop betreten habe, war ich die einzige Kundin.

Eine Videothek werde ich also keinesfalls eröffnen, darin hat mich das Erlebnis bestätigt.

Der junge Mann mit seinem in die Brauen rasierten H, A oder chinesischen Schriftzeichen kennt zwar den Film, weiß auch, dass er verboten ist, kann ihn mir aber nicht ausleihen oder sonst wie beschaffen. Nicht einmal einen Tipp hat er für mich.

»Ehrlich gesagt, ist der Film megaout«, erklärt er mir und sieht mich dabei an, als wollte ich eine Eintrittskarte für die Rede des deutschen Kaisers kaufen.

»Was willst du denn mit so einem Scheiß?«, quetscht Ulrike mich aus, als wir wieder vor dem Laden stehen.

Jetzt vergewissere ich mich, ob es keine professionellen Zuhörer gibt.

»Ich plane einen Mord«, flüstere ich ihr zu. Wen ich ermorden will, behalte ich für mich. Ulrike ist zwar meine beste Freundin, aber eben eine absolute Männerfanatikerin. Wenn sie hört, dass ich einen Mann umbringen will, ist sie imstande, ihn zu warnen.

»Was?« Ich wusste es. Sie schreit mich mitten auf dem Parkplatz an.

»Ich recherchiere für eine Story«, beeile ich mich zu erklären und zwinkere ihr zu. Das habe ich gut abgebogen. Ich habe ihre soziale Ader total vergessen, die urplötzlich zum Vorschein kommen kann.

»Ich dachte schon«, entspannt sie sich und hakt sich bei mir unter. »Hast du jetzt alles?«

Mir scheint es besser, mit dem Kauf des Voodoo-Buches bis nach dem Cafébesuch zu warten, um ihre Nerven zu schonen.

»Habe ich dir eigentlich von Sven erzählt?«

Das war klar! Kaum sitzen wir im Café, schildert sie die ganze Geschichte von dem Ex-Peter und dem neuen Sven erneut. Wie er ihr Auto repariert, ihr dabei tief in die Augen gesehen und so liebe Komplimente gemacht hat.

Diese Frau ist unfassbar. Für einen KFZ-Mechaniker, der ihr in die Augen sieht und um den Mund redet, lässt sie den Inhaber einer gut gehenden Boutique sausen. Ist ihr denn nicht klar, wo bei den Männern die wahren Werte sitzen?

Mir würde das nicht passieren. Nicht, dass ich einen gut aussehenden KFZ-Mechaniker von der Bettkante stoßen würde, wenn er mich vorher mit gutem Essen und Geschenken weich gekocht hätte. Aber ich würde für ihn nicht die Hauptquelle meines Kleiderschrankes aufgeben!

Die Schwärmerei über Sven dauert etwa eine Stunde, dann klingelt zum Glück Ulrikes Handy.

An ihrem Säuseln erkenne ich, dass das Gesprächsthema Nr. 1 sich am anderen Ende der Leitung befindet.

»Du, ich muss jetzt auch«, signalisiere ich ihr. Den Kaffee wollte sie ohnehin bezahlen.

»Wir telefonieren«, hauche ich schon im Stehen und sause aus dem Café direkt in die Buchhandlung gegenüber.

Ich sehe auf die Uhr. Nicht mehr lange bis zum Ladenschluss, für eine aufwändige Suche reicht die Zeit nicht.

»Guten Tag, haben Sie auch Bücher über Voodoo?«, störe ich eine der Buchhändlerinnen, die so in die Reinigung ihrer Fingernägel vertieft ist, dass sie zusammenzuckt.

»Worüber?«, fragt sie genervt zurück und wirft einen auffälligen Blick auf ihre Armbanduhr, während sie versucht ohne Aufhebens die Nagelfeile zu entsorgen.

Ich freue mich diebisch, als ich sehe, wie sie sie mangels Handtasche in den Mülleimer wirft. Eine teure Glasfeile. Das geschieht ihr recht. Sie kann froh sein, dass sie einen Arbeitsplatz hat. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich während der Arbeitszeit meine Nägel gereinigt hätte.

»Voodoo-Zauber«, wiederhole ich langsam und sehr deutlich. Jetzt sieht sie mich entgeistert an.

»Wofür das denn?«, will sie fassungslos wissen.

Na, wozu schon, du alte Kuh, denke ich und erkläre freundlich lächelnd: »Ich möchte meinen Ex-Mann verhexen.«

Fast hätte ich »Ex-Chef« gesagt, aber das könnte mich irgendwann womöglich verraten. Ich habe schließlich kein Interesse daran, wegen Mordes an einem Eisberg, den die Welt nicht braucht, die besten Jahre meines Lebens hinter Gittern zu verbringen.

Für Männermord hat die Tusse Verständnis. Sie schwingt sich von ihrem Hocker und geht zum PC, um das Stichwort Voodoo einzugeben.

»V Doppel-o, d Doppel-o«, buchstabiere ich. Nur zur Vorsicht. Voodookult gehört schließlich nicht zum Allgemeinbildungskanon von Wer wird Millionär und ähnlichen Quizsendungen.

»Wir haben ein Buch vorrätig, es kostet allerdings 29 Euro 90.«

Ich hole tief Luft. Soviel von meinem kostbaren Geld, um mich an dem Eisberg zu rächen.

»Wollen Sie es mitnehmen?«

Ich nicke schnell, ehe ich es mir anders überlege. Notfalls gibt es dort sicher Anregungen, wie ich meinen ehemaligen Kollegen ein bisschen Pein bereiten kann.

Den Büchereibesuch schenke ich mir für heute. So eilig ist das Zusammentragen von qualvollen Tötungsarten für den Eisberg auch wieder nicht.

Mit einem Buch über Voodookult, einem Dartbrett samt Pfeilen und einem schlechten Gewissen, weil ich meinen täglichen Selbstauftrag noch nicht erledigt habe, trudele ich in meiner vereinsamten Wohnung ein.

Wenn wenigstens ein Kanarienvogel zwitschern würde. Nur das moderne Haustier, der Anrufbeantworter, blinkt mich freundlich an.

Um wenigstens einen Selbstauftrag zu erledigen, schreibe ich als erstes zwei neue Zettel für die Auftragswand »Eisbergfoto aus dem Internet« und »Dartscheibe aufhängen – mit Foto«.

Schnell erledige ich den ersten Auftrag. Meine Laune steigt von Minute zu Minute aus Vorfreude darauf, mit den schön gefiederten, spitzen, nagelneuen Dartpfeilen auf das grobkörnige, hakennasige Gesicht des Eisbergs zu werfen.

Das Telefonklingeln erwischt mich genau in dem Moment, als ich genüsslich das vergrößerte Eisbergfoto mit flüssigem Klebstoff auf der Dartscheibe befestige.

»Ja«, melde ich mich, nachdem ich die Freisprechanlage eingeschaltet habe und konzentriere mich darauf, das Foto genau in die Mitte zu kleben.

»Karsten Denker, störe ich Sie?«

Es ist halb neun abends. Arbeitet Herr Schwapp.de um diese Zeit etwa noch?

»Ich wollte mich erkundigen, ob Sie sich meine Website schon angesehen haben.«

Das habe ich natürlich total vergessen. Man ist wirklich ständig mit Nichtstun beschäftigt, wenn man arbeitslos ist. Ist aber trotzdem nett, dass der Typ anruft. Dementsprechend zerknirscht und kleinlaut gebe ich mich am Telefon.

»Hallo, Herr Denker, es tut mir leid, aber ich bin nicht dazu gekommen. Diese ganzen Behördengänge.« Gute Ausrede! »Arbeiten Sie um diese Zeit noch, Sie Ärmster?« Gegenfragen sind immer gut, um vom Thema abzulenken und Mitleid wirkt bei Männern auch prima.

»Nein, nein, ich bin zu Hause und habe gerade ins Forum geschaut. Da war es so ruhig, da dachte ich, rufst du an, vielleicht arbeitet sie schon am Konzept für eine Website.«

Eigentlich kann ich es als Erfolgserlebnis werten, wenn ein wildfremder Mann meine Telefonnummer aus dem Büro mit nach Hause nimmt.

»Das ist aber nett. Soweit bin ich nicht. Dazu muss ich mir Ihre Seite anschauen. Geben Sie mir Ihre E-Mail-Adresse, dann melde ich mich.«

Ganz schön wagemutig für meine Verhältnisse, aber ich brauche endlich wieder ein bisschen Dynamik in meinem Leben. Dieses ewige Warten, auf einen Job, beim Arbeitsamt, auf einen Gerichtstermin, auf die Zeitung mit den Stellenausschreibungen, das nervt auf Dauer.

»Sie finden sie auch auf der Website, sie ist ganz einfach: kd@karsten-denker.de, wie lautet denn Ihre?«

Hey, das könnte etwas werden, zumindest prescht er vor. Ich gebe ihm meine Mail-Adresse.

»Wo wohnen Sie eigentlich?« Die Frage ist wohl erlaubt, nachdem wir schon die E-Mail-Adressen ausgetauscht haben.

»Gleich bei Ihnen um die Ecke! In Castrop-Rauxel.«

Zum Glück halte ich das Telefon fest in der Hand. »Ein Schwabe in Castrop-Rauxel? Sie wollen mich auf den Arm nehmen?«

»Für einen Job tut ein Mann fast so viel wie für eine Frau«, lautet seine rätselhafte Antwort, mit der er mich und meine völlig verklebte Dart-Scheibe allein lässt.

Die 50 besten Morde oder Frauen rächen anders

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