Читать книгу Die 50 besten Morde oder Frauen rächen anders - Birgit Ebbert - Страница 5

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2 - Ein Solo für den Solisten

Vindicta saß am Fenster ihres Lieblingscafés und wartete. Der Schaum auf ihrem Cappuccino war nur noch eine hellbraune Decke auf dem dunklen Kaffee, als sie endlich ihr Signal empfing.

»Zahlen«, rief sie und legte den Rechnungsbetrag zuzüglich des üblichen Trinkgelds auf den Tisch.

Vor dem Café sah sie ihn auf den ersten Blick. »Ich weiß nicht, was soll es bedeuten«, spielte er auf seiner Klarinette.

Vindicta zuckte bei den falschen Tönen. Das würde ein Ende haben. Sie sprach den Mann an: »Ich würde sie gerne für ein Geburtstagsständchen engagieren. Ganz spontan. Geht das?«

Der Mann nahm die Klarinette vom Mund und strahlte sie an. »Gerne, gerne!«, antwortete er, noch ehe sie ihm ein Honorarangebot gemacht hatte.

»Dann kommen Sie gleich mit«, bat Vindicta und wandte den Kopf ab, damit der Mann ihr zufriedenes Lächeln nicht sah.

Sie lotste ihn in ein Treppenhaus, das zu dieser Zeit leer war. Kaum war die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen, da bat sie ihn, zu spielen. Er sah sie verwundert an, kam ihrer Bitte jedoch nach.

Als er die Klarinette an den Mund setzte, gab Vindicta ihr von unten einen Stoß und rammte die Klarinette in seinen Mund. Obwohl das Blut schon in Strömen herausschoss, hörte Vindicta nicht auf. Sie drückte wieder und wieder gegen das Instrument, bis der Mann zusammenbrach.

Rasch verließ sie das Haus und kehrte in einem anderen Bistro ein, um sich den wohlverdienten Champagner zu bestellen.

Pah, das wäre noch schöner, wenn mich so ein hergelaufener Eisberg, der nur aus Wasser besteht und nicht einmal Hirn hat, unterkriegen könnte.

Nach einer halben Heulstunde stifte ich meinem nassen Plüschfrosch Fridolin eine Fahrt im Wäschetrockner. Kurze Zeit später grinst er mich zufrieden an. Gemeinsam hören wir die CD von Juliane Werding Du schaffst es.

Der Eisberg wird merken, was er davon hat, auf mich zu verzichten. Ist dem eigentlich klar, dass das Unternehmen nur dank meiner Kreativität heute da ist, wo er es vorgefunden hat?

Nun werde ich meine Kreativität eben anders einsetzen.

Bei dem Gedanken an die fiesen Tötungsarten, die mir bereits eingefallen sind, läuft ein wohliger Schauer über meinen Rücken. Vermutlich war ich in einem früheren Leben Henker.

Wo ist eigentlich dieses ekelige Buch Der Henker von sonst was, das ich als Teenager gelesen habe. Da gab es Foltermethoden, gegen die die heutigen Splatterfilme reinste Kindermärchen sind.

Am besten gefällt mir die Vorstellung, den Eisberg irgendwo anzubinden und ihm scheibchenweise die Haut aufzuschlitzen. Der Gedanke fühlt sich gut an.

Wo ist nur dieses verdammte Henker-Buch? Wie hieß der Autor?

Ich beginne die zwanzig Bücherregale in meiner Wohnung abzusuchen. Auf Brett zweiunddreißig fällt mir Erich Kästners Fabian in die Hände. Das gehört mir überhaupt nicht. Das habe ich mir vor Jahren von meiner damaligen Freundin Caroline geliehen. Warum ist die Freundschaft eigentlich auseinandergegangen? Wegen des Buches, das ich nicht zurückgegeben habe? Ich muss sie unbedingt einmal anrufen.

Auf einen kleinen Zettel schreibe ich »Caroline« und hefte ihn mit einem Katzenmagnet an die große Pinnwand. Das ist ab sofort meine Auftragswand, jeden Tag muss ich eine Aufgabe erledigen, damit ich mich jeden Abend über ein kleines Tagwerk freuen kann. Kleine Erfolgserlebnisse sind wichtig für das Ich. So etwas wie Schränke aufräumen, Briefe schreiben, die immer schon geschrieben werden sollen, Geschichten verfassen, die mir schon lange am Herzen lagen. Will ich Caroline das Buch zurückgeben?

Ich lese den Klappentext. NEIN! Dieses Buch wurde vor 80 Jahren geschrieben. Warum muss es ausgerechnet um Arbeitslosigkeit gehen?

Schon wieder dieses Unwort! Ich schlage verzweifelt mit dem Kopf gegen die Regalwand.

Die ersten Bücher fallen auf mich. Das Regal gibt knirschende Töne von sich. Hallo, Kerstin, dieses ist ein nicht befestigte Metallregal, scheint es zu sagen. Zum Glück habe ich als Jugendliche Metallisch gelernt und verstehe, was es von sich gibt. Ich lasse mich nach hinten fallen und bleibe auf dem Boden liegen.

Die Lampen könnten auch geputzt werden. Auftrag! Es lohnt sich immer, die Welt aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten.

Vielleicht ist es sogar gut, dass ich nicht mehr in den Eisbergpalast muss. Womöglich wäre ich dort krank geworden. Vermutlich hat der Eisberg eine ansteckende Krankheit.

Der Gedanke an den Eisberg, der schwitzend und um Luft ringend mit dicken, juckenden Blasen am ganzen Körper langsam stirbt, muntert mich auf.

Ich stelle zum wiederholten Mal die CD an und singe laut und falsch mit: »Du schaffst es!« Genau, ich werde es schaffen!

Das Telefon klingelt. Wieder einmal.

»Hey, hier ist noch einmal Karsten Denker von Schwapp.de!«, begrüßt mich die fröhlich-kieksige Stimme, obwohl, ganz so kieksig klingt sie nicht mehr. Vermutlich hatte der Typ beim letzten Anruf eine Stimmbandentzündung.

»Bitte entschuldigen Sie, dass ich das Gespräch so plötzlich beendet habe!« Höflichkeit zahlt sich immer aus. Bei einem vielleicht gut aussehenden Mann, dessen Stimme beim ersten Zuhören sexy klingt, ist sie jedenfalls nicht vergeudet.

»Ich«, wenn ich gewusst hätte, dass er erneut anruft, hätte ich mir vorher eine Ausrede zurechtgelegt. Na, im Improvisieren war ich immer gut. Das Wichtigste dabei ist, dicht an der Wahrheit zu bleiben.

»Äh, es gab eine Überschwemmung. Anscheinend ist die Waschmaschine kaputt.«

Ich trage mein Telefon ins Badezimmer und werfe mir im Spiegel einen lobenden Blick zu. Alle Achtung, das war clever.

»Das macht nichts. Soll ich Ihnen meinen Bruder vorbeischicken, der ist Flaschner!«

Ich sehe mich im Spiegel verständnislos an.

»Was soll ich mit einer Flasche?«, erkundige ich mich vorsichtig bei Herrn Schwapp.de.

Seine Antwort ist ein albernes Kichern.

Ich hasse es, wenn Männer kichern. Ob der Typ schwul ist? Schade, dann ist jede charmante Annäherung vergeudet.

Der Mann kriegt sich nicht mehr ein.

»Hallo, Herr Denker«, versuche ich vorsichtig, ihn daran zu erinnern, dass ich auf eine Antwort warte.

»Ich«, er gluckst vor sich hin wie ein Liter Orangensaft in einer Glaskaraffe, »ich vergesse immer, dass die Nichtschwaben den Beruf nicht kennen.« Ein letztes Glucksen. »Flaschner ist die schwäbische Bezeichnung für einen Installateur.« Glucks.

Na, da habe ich etwas gelernt: ein neues Wort und dass er mindestens dreihundert Kilometer entfernt von mir lebt. Ade, ihr Hoffnungen auf einen höflichen neuen Mann.

»Vielen Dank, das ist nicht nötig«, lehne ich sein Angebot ab. Das fehlt mir gerade: dreihundert Kilometer Anfahrt für eine Reparatur, die nicht erforderlich ist.

»Selbst ist die Frau!«, füge ich hinzu, um ihm gleich zu zeigen, mit wem er es zu tun hat.

Das Schweigen am anderen Ende der Leitung dauert etwas zu lange. Mindestens so lange, wie man für das Denken des Satzes »Das habe ich gemerkt, als ich das erste Mal angerufen habe.« braucht.

»Na, dann, will ich Sie nicht weiter stören. Ich wollte Ihnen nur kurz sagen, wie der Titel des Henker-Buches lautet: Der Henker von Paris. Aus den Memoiren des Henri Sanson. Viel Spaß beim Lesen. Auf Wiederhören!«

Ich starre den Telefonhörer an.

Tuuuuut, kommt aus dem Lautsprecher, aus dem ich eben noch die leicht sexy klingende Stimme von Herrn Schwapp.de vernommen habe.

Das heißt, er verfolgt genau, was ich im Forum schreibe. Warum? Ist er im Nebenberuf Polizist und wartet darauf, eine Straftat zu vereiteln? Oder ist er ein Berufskiller, der bei Schwapp.de als Forenbetreuer untergetaucht ist? Egal, er ist weit weg und ich werde in Zukunft einfach vorsichtiger sein.

Jetzt suche ich erst einmal das Buch Der Henker von Paris, da finde ich sicher einige Anregungen für Foltermethoden, die ich an dem Eisberg ausprobieren kann. Eine schöne Lektüre für meinen Besuch beim Arbeitsamt.

Die 50 besten Morde oder Frauen rächen anders

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