Читать книгу Stürmische Zeiten auf Tobago - Birgit Read - Страница 8
Kapitel 4
Оглавление„Ich hätte gern einen Kaffee mit Milch und ein Wasser zum Essen.“ Ben lächelte der Flugbegleitung freundlich zu.
„Ich bitte dasselbe“, erklang eine säuselnde Stimme neben ihm. „Sie haben aber gut geschlafen.“
Kaffeeduft zog Ben in die Nase.
„Habe ich, ich war allerdings auch ziemlich müde. Das wird der Kaffee hoffentlich jetzt ändern.“
„Fliegen Sie auch nach Trinidad?“, fragte die säuselnde Stimme.
„Nein, ich fliege nach Abu Dhabi. Sie etwa nicht?“, erwiderte Ben mit ernstem Blick. Um sich das Lachen zu verkneifen, runzelte er die Stirn und presste die Lippen fest zusammen.
„Was?“ Entgeistert sah die Frau Ben an. „O Gott, ich hab’s gewusst. So was passiert mir immer“, kreischte sie, um nach einer kurzen Atempause festzustellen: „Hätten die das nicht beim Einchecken merken müssen?“
„Hey, das war ein Scherz.“ Ein Anflug von schlechtem Gewissen überkam Ben, als er sah, dass seine Sitznachbarin die Gesichtsfarbe gewechselt hatte. „Ich fliege natürlich auch nach Trinidad. Und dann geht es weiter nach Tobago.“
„Gott sei Dank“, seufzte die Frau und kniff erleichtert die Augen zusammen.
Ben betrachtete sie näher. Er schätzte sie auf Mitte zwanzig. Sehr schnuckelig. Strahlend blaue Augen, blonde, lange Haare mit einem Stoffband zu einem losen Knoten gebunden. Topfigur. Im Bikini würde sie wahrscheinlich zum Vernaschen süß aussehen.
„Ich bin übrigens Ben. Sorry für den blöden Scherz, tut mir leid.“ Dabei sah er sie mit zerknirschter Miene an.
„Nadine“, sagte die Schönheit neben ihm. „Wie willst du das wiedergutmachen, Ben?“
Ben grinste breit. „Was hattest du dir denn vorgestellt, Nadine?“
„Zum Beispiel, dass du mir Tobago zeigst. Ich war noch nie dort. Du offenbar schon.“
„Wie kommst du darauf?“
„Das sehe ich.“
„Aha … und woran erkennst du das?“
„Kann ich nicht erklären. Ich weiß es einfach.“ Sie machte eine kleine Pause, in der sie Ben musterte. „Und? Warst du schon mal da?“
„Ja.“
„Ich wusste es!“ Triumphierend schoss ihre Faust nach oben. „Ich interessiere mich nämlich für Psychologie.“
„Aha …“ Mehr fiel Ben zu dem seltsamen Argument nicht ein. Er schwieg eine Weile, dachte an Mila und die Tage, die sie zusammen verbracht hatten. Nadine war ein entzückendes Schnuckelchen und könnte ihm sicherlich hier und da eine einsame Tropennacht mit ihrer Anwesenheit verkürzen. Die Sache mit Mila war etwas anderes. Sie waren Geschäftspartner und schliefen ab und zu miteinander. Das bedeutete nicht, dass er sich nicht anderweitig vergnügen konnte. Vor allem – drei Monate waren eine lange Zeit.
Klappernde Geräusche rissen ihn aus seinen unzüchtigen Gedanken.
„Da kommt ja endlich das Essen. Ich dachte schon, ich müsste verhungern“, plapperte Nadine neben ihm.
Die Flugbegleiter erreichten mit ihren Trolleys ihre Sitzreihe. Es verbreitete sich ein appetitlicher Duft und Ben lief das Wasser im Mund zusammen. Hungrig machte er sich über Rosmarinkartoffeln, grüne Bohnen und Hähnchenfilet her.
„Willst du meinen Schokopudding? Ich bin mehr als satt“, sagte Nadine und hielt sich den Bauch.
Noch drei Stunden Flug.
Er freute sich maßlos auf die nächsten drei Monate. Die letzten Wochen waren nicht nur aufregend, sondern auch sehr stressig gewesen. Er hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um noch möglichst viel Geld mit Extratauchkursen und Einzeltrainingsstunden zu verdienen. Mila hatte ihm den Flug als Entschädigung für seine Arbeit, die er in den drei Monaten für das gemeinsame Projekt leisten würde, geschenkt. Solange das eigene Haus noch nicht bewohnbar war, konnte er bei Tianna wohnen.
Mila und er hatten in den Wochen vor seiner Abreise alle wesentlichen Dinge durchgesprochen, auf die er sich auf Tobago konzentrieren sollte. Sie würden regelmäßig skypen und per WhatsApp in Verbindung bleiben. Oberste Priorität hatte zunächst Milas Haus. Bei ihrer Ankunft im Juni sollte es bewohnbar sein.
„Coole Landung“, johlte Nadine neben ihm, als das Flugzeug den Boden erreicht hatte. Begeistert klatschte sie in die Hände.
Touristenmanier, dachte Ben.
„Wie kommst du zum Hafen?“, warf sie noch hinterher.
„Taxi. Und du?“
„Keine Ahnung. Ich dachte, irgendwie komme ich schon dahin.“
„Du hast Nerven, Nadine. Nimm das nicht auf die leichte Schulter. Als Frau hier allein unterwegs – da solltest du ein wenig vorsichtiger sein.“
„Wieso?“
„Du bist hier auf einer Karibikinsel. Da gibt es nicht nur weißen Strand, Palmen und leckere Drinks.“
„Okay. Kann ich dann mit dir zum Hafen fahren? Ich gebe dir auch die Hälfte dazu.“
„Ja, klar. Wohin geht’s denn auf Tobago?“
„Äh …“ Verlegen sah Nadine zu Boden.
„Erzähl mir jetzt nicht, du weißt nicht, wo du wohnen sollst.“
Trotzig verzog sie das Gesicht. „So ist es eben. Ich kann auch am Strand schlafen. Es ist doch warm.“
„Nadine! Bist du wirklich so naiv? Du hast keine Ahnung, was dir hier alles passieren kann, wenn du als Frau allein unterwegs bist.“
Sie wurden unterbrochen, da das Flugzeug seine Position erreicht hatte und alle Fluggäste fast gleichzeitig aufstanden und anfingen, ihre Sachen zusammenzusuchen.
„Wir reden später weiter. Bleib einfach in meiner Nähe.“
Nadine nahm diese Bitte wörtlich und schnappte sich einen Zipfel von Bens T-Shirt. Den hielt sie krampfhaft fest, bis sie vor einem Taxi standen.
„Jetzt erzähl mir bitte mal, wieso du nach Tobago fliegst und keinerlei Unterkunft oder sonst irgendwas organisiert hast.“
Nadine zog die Stirn in Falten. „Wieso denn nicht? Ich wollte die Insel kennenlernen. Ein Kumpel hat mir von Tobago vorgeschwärmt, und da wollte ich einfach mal hin.“
„Dagegen ist ja nichts einzuwenden. Aber ohne dir Gedanken über deinen Aufenthalt hier zu machen? Du hast nur den Flug gebucht? Nadine, wie alt bist du?“
„Sechsundzwanzig“, zischte sie trotzig.
„Ich dachte, dreizehn. Zumindest benimmst du dich so. Was ist das überhaupt für ein Kumpel, der dir nicht gesagt hat, dass du als Frau auf keinen Fall allein hier herumlaufen solltest? Schon gar nicht als Blondine.“
Nadine verschränkte die Arme vor der Brust und schwieg beleidigt. Am Hafen schnappte sie sich wieder den Zipfel von Bens T-Shirt.
„Ben?“
„Ja?“
„Ich glaube, du hast recht.“
„Klar hab ich recht. Ich bin nicht das erste Mal auf der Insel.“
Nadine räusperte sich umständlich. „Äh …“, säuselte sie in einem kindlichen Ton, „meinst du, ich könnte möglicherweise mit dir zu deinem Hotel gehen? Vielleicht haben die ja noch ein Zimmer für mich frei.“
„Ich gehe in kein Hotel, Nadine. Hast du überhaupt genug Geld? Bei deiner unreifen Einstellung würde es mich nicht wundern, wenn das für dich auch nicht so wichtig ist.“
„Du bist echt blöd.“
„Kann sein. Dann schau eben allein, wie du weiterkommst. Du nervst nämlich.“ Mit diesen Worten drehte Ben sich um und ging zielstrebig auf ein Taxi zu.
„Mensch, Ben, bitte! Sei doch nicht so. Entschuldige.“
Ben brummte etwas Unverständliches vor sich hin, ohne sich nach Nadine umzudrehen.
„Ich habe genug Geld. Ich hätte gern, dass du zumindest die ersten Tage in meiner Nähe bist. Du hast mir nämlich ziemliche Angst gemacht.“ Nadines Stimme wurde panisch.
„Also gut, steig ein. Ich weiß allerdings nicht, ob du dort, wo ich wohnen werde, auch kurzfristig unterkommen kannst. Ich muss erst Tianna fragen.“
Tiannas Stirn kräuselte sich skeptisch, als sie sah, wie Ben mit Nadine im Schlepptau die Gangway der Fähre hinunterkam. Nadine hielt sich noch immer krampfhaft an Bens T-Shirt-Zipfel fest, als wäre sie dort festgewachsen.
„Hey, Tianna. Hier bin ich.“ Ben breitete die Arme aus und umschlang sie fest. „Wie geht’s dir?“
„Gut. Wie war deine Reise?“ Mit diesen Worten beugte Tianna den Kopf nach rechts und sah fragend zu Nadine, die mit hochrotem Kopf krampfhaft versuchte, sich hinter Ben unsichtbar zu machen.
„Ganz gut, ich habe viel geschlafen. Das ist Nadine“, erklärte er und zog die Genannte hinter seinem Rücken hervor. „Nadine, das ist Tianna.“
„Hi“, murmelte Nadine verlegen.
„Freut mich, dich kennenzulernen, Nadine. Machst du Urlaub auf Tobago?“, fragte Tianna.
„Äh …“, stammelte Nadine und schaute hilfesuchend zu Ben.
„Lass uns einsteigen. Nadine fährt mit uns nach Charlotteville. Ich erklär dir unterwegs alles“, sagte Ben und schob Nadine ins Auto.
Tianna stimmte nach einer längeren Diskussion zu, dass Nadine während ihres Aufenthalts auf Tobago – immerhin vier Wochen – in einem ihrer Gästezimmer wohnen konnte.
„Vielen Dank, Tianna. Das ist total nett von dir. Hier“, sagte Nadine und drückte Tianna ein Geldbündel in die Hand, „das sollte für vier Wochen Vollpension reichen.“
„Das ist viel zu viel“, erwiderte Tianna, als sie das Geld gezählt hatte, „hier – du bekommst was zurück.“
„Behalte es, ich habe genug zur Verfügung. Mein Vater ist reich, und ich gebe dir das gern. Nicht alle Menschen sind so nett wie ihr beiden“, erwiderte Nadine und schob Tiannas Hand mit dem Geld von sich weg.
Tianna warf Ben einen fragenden Blick zu, und als der nickte, sagte sie: „Okay, Ben und ich teilen uns das Geld.“
„Macht das, wie ihr möchtet.“
„Ich kann mich allerdings nicht rund um die Uhr um dich kümmern, Nadine. Ich habe hier einiges zu tun“, stellte Ben klar.
Bei einem kühlen Getränk und einem frisch gebackenen Kuchen, den Tianna zur Feier von Bens Ankunft vorbereitet hatte, erzählte Ben Nadine von Milas und seinen Plänen.
„Deshalb solltest du dir schnellstens überlegen, was du in deinen vier Wochen Urlaub hier unternehmen möchtest. Ich helfe dir gern hier und da. Aber die meiste Zeit werde ich zu tun haben.“
„Okay. Mache ich.“
Nach dem Essen verzog sich Nadine auf ihr Zimmer. „Ich konnte vor Aufregung im Flugzeug kaum schlafen, ich freue mich auf ein richtiges Bett. Bis später.“
Ben zog es auf die Baustelle.
Milas Haus war so gut wie bezugsfertig. Es fehlten nur noch wenige Innenarbeiten, dann konnte er damit beginnen, die ersten Einrichtungsgegenstände zu bestellen. Mila hatte ihm eine ellenlange Liste mitgegeben, auf der sie alles notiert hatte, was er ohne sie besorgen konnte.
„Sind die Wassertanks schon angeschlossen?“, fragte Ben den Bauleiter.
„Ja, Sir. Alles fertig und funktionstüchtig. Der Tank für das Haupthaus ist schon halb voll. Wenn die Regenzeit beginnt, geht es schneller. Jetzt leiten wir das Wasser von den öffentlichen Leitungen in die Tanks. Kommen Sie mit ins Haus, ich zeige es Ihnen“, berichtete der Bauleiter stolz.
Als Ben in Milas Badezimmer das Wasser der Dusche aufdrehte und ein fester Strahl aus dem Duschkopf rauschte, staunte er nicht schlecht.
„Ich bin beeindruckt. Miss Seidel wird bald einziehen können.“
„Einige Kleinigkeiten sind noch zu erledigen, Sir. In zwei Wochen ist hier drinnen alles fertig.“
„Gute Arbeit!“, sagte Ben und klopfte dem Bauleiter anerkennend auf die Schulter. „Zeigen Sie mir jetzt bitte noch die Gästehäuser und die Tauchbasis?“
An den Rohbauten der Gästehäuser und der Tauchbasis wurden gerade die Dächer gedeckt. Neugierig ging Ben in eines der Häuser. Erfreut stellte er fest, dass bisher alles nach Milas Vorstellungen umgesetzt worden war.
Rechtsanwalt Smith hatte gute Arbeit geleistet. Für die Verhältnisse auf Tobago hatte er Bens Meinung nach sogar Unmögliches möglich gemacht.
Tianna hatte ein typisch karibisches Abendessen vorbereitet und den Tisch auf der Terrasse gedeckt.
„Tianna, du bist die Beste!“, sagte Ben, als sie nach dem Essen noch gemütlich zusammensaßen und einen Fruchtsaft genossen.
„Ich finde Tobago total geil“, meldete sich Nadine zu Wort und rülpste ausgiebig. „Ups - entschuldigt bitte. Ich habe immer so viel Luft im Bauch. Die muss raus.“
Ben und Tianna sahen sich an. Ben zuckte mit den Schultern. So ist sie, sprach aus seinem Blick.
„So, Leute, ich muss ins Bett. Es war ein langer Tag“, sagte Ben nach einer Weile und gähnte laut.
„Ich auch. Warte, Ben, ich gehe mit“, rief Nadine. „Kann ich noch irgendwas helfen? Aufräumen? Spülen?“
„Nimm nur dein Glas mit. Alles andere machen wir morgen früh. Gute Nacht. Schlaft gut“, gab Tianna zurück.
Ben lag gerade ein paar Minuten im Bett, als sich seine Zimmertür leise öffnete.
„Ben?“
„Ja?“ Er hob den Kopf und sah auf Nadine, die nur mit einem winzigen Tanga bekleidet vor seinem Bett stand. „Nadine, was …“, begann er.
„Ich kann nicht schlafen. Darf ich zu dir ins Bett?“, säuselte sie und schlüpfte, ohne eine Antwort abzuwarten, unter das dünne Laken.
„Was soll das?“
„Als wenn du das nicht wüsstest“, hauchte Nadine, und ihre Finger kreisten über seine Brust.
„Du solltest das besser lassen“, startete Ben einen halbherzigen Versuch. Sie ist verdammt sexy, dachte er. Sie weiß, wie sie ihr Ziel erreichen kann. Ein wenig Spaß mit ihr – nach diesem anstrengenden Tag – war eigentlich genau das Richtige.
„Warum? Ich will dich, und du willst mich. Ich hab gesehen, wie du mich angeschaut hast.“ Ihre Finger kreisten weiter nach unten. „Wow, du hast ja ein richtiges Sixpack. Lass mich mal sehen.“ Ruckartig zog sie das Laken von Ben und betrachtete ausgiebig seinen muskulösen Körper. „Oh … was sehe ich denn da?“
Ben gab den letzten Rest Widerstand auf und zog Nadine an sich.
Nach dem Frühstück am nächsten Morgen machte sich Tianna auf den Weg nach Roxborough, um einzukaufen.
Ben machte einen Rundgang durch die Baustelle, schwamm einen Weile im Meer und vertrieb sich so die Zeit, bis er mit Mila skypen konnte. Um ein Uhr mittags startete seinen Laptop. In Deutschland war es jetzt sieben Uhr morgens. Er hoffte, dass Mila wach war.
„Hey, wie geht’s?“, fragte er sie, nachdem er ihr verschlafenes Gesicht auf dem Bildschirm erblickte. „Habe ich dich geweckt?“
„Hi, guten Morgen. Na ja - ich wollte sowieso aufstehen.“
„Tut mir leid. Aber ich kann es kaum erwarten, dir das Neueste zu berichten. Aber erst mal: Alles in Ordnung bei dir?“
„Hier ist alles okay. Jetzt erzähl schon. Ich sterbe vor Neugier.“
„Es ist alles perfekt gelaufen bis jetzt.“
Ben erzählte Mila, wie weit die Dinge bereits fortgeschritten waren.
„Das ist ja toll“, jubelte Mila. „Ich hätte nicht gedacht, dass alles so gut funktioniert, obwohl keiner von uns beiden da war.“
„Du hast eben alles richtig gemacht und die besten Leute für dein Vorhaben ausgesucht. Nachher habe ich einen Termin bei Rechtsanwalt Smith. Danach skypen wir noch mal, okay?“
„Ja, klar. Ben?“
„Ja.“
„Danke für alles. Du machst das echt toll, ich bin froh, dass ich dich habe.“
„Mach ich gern. Es ist doch auch mein Traum.“
„Ben?“
„Ja?“
„Wer ist die Frau hinter dir?“
„Welche Frau?“ Ben drehte sich um und sah Nadine, die nackt hinter ihm stand.
„Äh - das ist Nadine.“
„Nadine! Aha. Wer bitte ist Nadine?“, fragte Mila schneidend.
„Sie wohnt hier.“
„Aha. Läuft sie immer nackt durch die Wohnung? Wo ist Tianna?“
„Tianna ist einkaufen. Ich muss jetzt los zu Rechtsanwalt Smith. Wir hören uns später.“
Ben beendete das Gespräch und drehte sich erbost zu Nadine um. „Sag mal, bist du noch ganz bei Sinnen? Wieso läufst du hier nackt durch die Wohnung und turnst vor meinem Laptop herum, während ich skype?“, fauchte er Nadine scharf an.
„Wieso denn nicht? Es ist warm.“
„Hast du gemerkt, dass Mila dich gesehen hat?“, zischte Ben wütend.
„Sicher. Ist das ein Problem?“, fragte Nadine anzüglich.
„Nadine, du solltest …“
„Was sollte ich? Du bist echt sexy, wenn du wütend bist …“, schnurrte sie und lächelte. Mit einem Schwung setzte sich breitbeinig auf Bens Schoß und küsste ihn stürmisch.
Warum eigentlich nicht, fragte sich Ben, sie ist schließlich verdammt appetitlich.
Der Termin beim Rechtsanwalt verlief erfreulich.
Er teilte Ben mit, dass die Behörden alle Genehmigungen erteilt hatten und die beauftragten Handwerker für die Verhältnisse auf Tobago zuverlässig und eifrig arbeiteten. Das komplette Bauvorhaben lag innerhalb des gesetzten Zeitlimits. Wenn Mila also im Mai oder Juni ihre Zelte endgültig in Deutschland abbrechen würde, wäre alles für sie vorbereitet. Ben könnte es sogar schaffen, Milas Haus fast komplett einzurichten.
So wie es Mila ähnlich sah, hatte sie im Vorfeld bereits Möbel und Einrichtungsgegenstände ausgesucht. Die mussten nur noch zum richtigen Zeitpunkt bestellt und geliefert werden. Das war jetzt Bens Aufgabe.
Gut gelaunt wählte Ben am Nachmittag Milas Skype-Account an, um sie über die erfreulichen Neuigkeiten in Kenntnis zu setzen. Doch sie meldete sich nicht. Ben versuchte den Nachmittag über vergeblich, sie zu erreichen. Erst als er nach dem Abendessen einen weiteren Versuch unternahm, meldete sich Mila endlich.
„Hey, wo warst du? Ich habe den ganzen Nachmittag versucht, dich zu erreichen. Ich habe tolle Neuigkeiten.“
„Schön! Dann berichte mal.“
„Du klingst verärgert. Hattest du Stress auf der Arbeit?“
„Nein.“
„Okay. Was ist los? So kenne ich dich ja gar nicht.“
„Nichts“, keifte Mila durch den Äther.
„Mila. Irgendwas ist doch nicht in Ordnung. Jetzt sag schon.“
„Was los ist? Das müsstest du ja wohl besser wissen.“
„Bitte sprich nicht in Rätseln. Ich habe keine Ahnung, was du meinst.“
„Okay. Ich schicke dich nach Tobago, bezahle deinen Flug, besorge dir für drei Monate eine kostenlose Unterkunft – und was machst du, kaum, dass du angekommen bist? Du vögelst dich rund mit einer zufälligen Flugbekanntschaft, die du zu allem Übel auch noch bei Tianna einquartiert hast. Und dann besitzt dieses …“, Mila holte tief Luft, „dieses Miststück auch noch die Frechheit, während unseres Gespräches nackt durchs Bild zu laufen.“
Ben musste sich ein Grinsen verkneifen. Da lag also das Problem. „Mila, du bist doch nicht etwa eifersüchtig?“, fragte er grinsend.
„Nein! Natürlich nicht! Grins gefälligst nicht so! Es nervt mich einfach, dass du offenbar nichts Besseres zu tun hast, als mit dieser … Tussi zu vögeln. Du solltest dich lieber um die Dinge kümmern, die für unsere Zukunft wichtig sind. Oder hast du dich schon anders entschieden und willst jetzt mit deinem Vögelchen eine Zukunft aufbauen? Dann mach das, ich schaff das auch alles ohne dich“, keifte sie, mit jedem Satz lauter werdend.
„Jetzt mach aber mal halblang, Mila. Du übertreibst maßlos und solltest mir vielleicht erst mal zuhören. Ich habe nämlich eine ganze Menge Dinge für unsere – deine und meine – Zukunft geregelt und erledigt. Und mit wem ich vögele und mit wem nicht, das ist ganz allein meine Sache. Wir sind kein Paar, wenn ich dich daran erinnern darf.“
„Wie du meinst …“, zischte Mila und unterbrach die Verbindung.
„Puh, da ist aber jemand wütend“, erklang Tiannas Stimme hinter Ben. „Was läuft denn da zwischen Mila und dir? Ich dachte, ihr seid nur Geschäftspartner.“
„Sind wir im Grunde auch. Allerdings hatten wir einige Male Sex.“
„Ben!“
„Wir sind uns einig, dass wir beide keine Beziehung wollen, sondern nur ab und zu ein wenig Sex. Das ist alles.“
„Das mag ja sein. Aber denk mal darüber nach, wie du dich fühlen würdest, wenn neben Mila ein nackter Mann stehen würde, er sie offensichtlich vernaschen möchte und nur darauf wartet, dass sie das Gespräch mit dir beendet?“
Ben sah Tianna nachdenklich an. „Du hast recht. Ich werde mit Nadine reden.“
„Das solltest du. Und sag ihr auch gleich, dass ich es nicht dulde, dass sie unbekleidet in meiner Wohnung oder – noch schlimmer – draußen auf der Terrasse herumläuft. Das ist gegen Gesetz und Kultur meines Landes. Sag ihr das!“
„Mach ich. Sorry, das wird nicht wieder vorkommen.“
„Gut. Und jetzt sieh zu, dass du Mila beruhigst.“
Ben und Mila führten am späten Abend ein langes und klärendes Gespräch. Ben erzählte Mila all die guten Neuigkeiten und was er für die kommenden Wochen plante.
„Super. Das klingt unglaublich toll. Danke, Ben. Für deine Hilfe, deine Arbeit, deinen Einsatz für mich und meinen Traum – einfach für alles.“
„Mach ich doch gern. Ist ja nicht ganz uneigennützig“, erklärte Ben und verzog das Gesicht zu einem spitzbübischen Grinsen.
„Und jetzt sollten wir die Sache mit Nadine und Bastian klären.“
„Bastian? Wer zum Henker ist Bastian?“, fragte Mila.
„Bastian ist der Mann, der eventuell irgendwann einmal in deinem Bett liegen wird und dich vögelt.“
„Ben!“ Mila lachte lauthals.
„Nein, ehrlich, Mila. Wir waren uns einig. Wir haben unvergleichlichen Sex zusammen. Das bedeutet aber nicht, dass wir nur miteinander Sex haben dürfen. Wir sind beide frei und ungebunden. Wenn mir oder dir jemand über den Weg läuft, mit dem wir vögeln wollen, dann können wir das tun. Du genauso wie ich. Oder wolltest du doch eine Beziehung?“
„Nein, will ich nicht.“
„Dann ist ja alles klar, oder?“
„Ja, alles klar. Solange du nicht während des Skypens eine andere vögelst, soll’s mir recht sein. Kein Stress mehr deswegen. Versprochen.“
Ben überwachte das Bauvorhaben täglich. Es ging zügig voran, und nach vier Wochen begann er, für Milas Haus die ersten Möbel und Inventargegenstände von ihrer Auftragsliste zu besorgen. Das meiste bestellt er über das Internet. Zweimal fuhr er mit Tianna nach Scarborough, um die unzähligen Kleinigkeiten zu kaufen, die auf Milas nicht enden wollender Liste standen.
Ihr Traum nahm Formen an, und Ben gab sich alle Mühe, die Dinge in Milas Sinn zu regeln. Einzig bei der Tauchbasis hatte sie ihm völlig freie Hand gelassen, solange er sich im gegebenen finanziellen Rahmen bewegte. Seine Tauchbasis bestand aus einer einfachen quadratischen Hütte mit drei Räumen und einer großen Außenterrasse mit Meerblick. Die Außenfassade ließ er elfenbeinfarben streichen. Alle Tür- und Fensterrahmen, Geländer und Durchgänge wurden mit einem türkisen Rand versehen. Er schaffte Holzbänke und Holztische für die Terrasse an, an denen die Taucher vor und nach den Tauchgängen zusammensitzen, etwas trinken und über ihre Taucherlebnisse plaudern konnten. Es gab einen Schulungsraum, ein Büro mit Kühlschrank und Schreibtisch für Ben und einen Raum, in dem die Ausrüstung untergebracht werden sollte.
Wenn Ben alle Aufgaben des Tages erledigt hatte, verzog er sich in seine Tauchbasis. Hier fühlte er sich jetzt schon wohl, und er dankte Mila jeden Tag dafür, dass sie ihm diesen Traum ermöglicht hatte.
„Hallo Ben“, rief Nadine von Weitem. Barfuß kam sie durch den weißen Sand gestapft, nur mit einem knappen Bikini bekleidet. „Was machst du so?“
„Ich schreibe Listen für die Ausrüstung, die ich demnächst brauche.“
„Kann ich dich einen Moment stören?“
„Klar. Was ist los?“
„Morgen geht mein Flug nach Deutschland“, begann Nadine.
„Ich weiß“, antwortete Ben.
„Ich wollte mich bei dir bedanken.“
„Wofür?“
„Für alles. Du hast meinen Urlaub gerettet.“
„Du brauchst mir nicht zu danken. Du hast uns ja auch eine Menge geholfen. Tianna war anfangs ja nicht gerade begeistert, dass ich dich mitgebracht habe. Aber du hast dich wirklich nützlich gemacht.“
„Trotzdem, Ben, ohne dich hätte ich diese wunderbare Insel nie so intensiv kennenlernen können.“
„Das stimmt allerdings.“
„Und deshalb …“ Nadine setzte ihren sinnlichen Blick ein, den Ben schon zur Genüge kannte und dem er jedes Mal erlag. „Deshalb möchte ich dir noch ein besonderes Abschiedsgeschenk machen.“
„Und das wäre?“
„Eine komplette Nacht mit mir. Hier in der Tauchbasis. Ich habe schon alles vorbereitet. Essen, Trinken und noch einige andere Dinge.“ Sie setzte ihr verführerisches Lächeln ein und wiegte die Hüften.
„Nadine …“
„Tianna weiß Bescheid, dass du nicht zum Essen kommst. Sie weiß auch, dass sie heute allein in ihrem Haus schläft.“
„Okay. Dann habe ich wohl nichts mehr zu sagen.“
„Nein. Lass dich einfach von mir verwöhnen.“
Nadine verwöhnte und verführte Ben nach allen Regeln der Kunst. Sie weinte eine Weile, weil sie traurig war, Ben und Tobago verlassen zu müssen.
„Komm einfach irgendwann wieder her“, sagte Ben. „Du kannst dann bei mir wohnen.“
„Mache ich bestimmt. Bis dahin vergiss mich nicht.“
„Wie könnte ich?“, schmunzelte Ben.