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2 Monate zuvor

Der Duft der selbst gemachten Pizza eroberte die Wohnung von Kerstin. Peter stand seit einer Stunde in der Küche, um das gemeinsame Abendessen zuzubereiten. Hungrig beobachtete er, wie der Käse langsam zu schmelzen begann. Das Glas Rotwein in der Hand blickte er wieder auf seine Armbanduhr. Es wurde Zeit. Die Sparkasse, bei der Kerstin arbeitete, hatte bereits vor einer Stunde geschlossen. Als er aus dem Wohnzimmerfenster auf den Parkplatz schaute, hörte er, wie Kerstin die Wohnungstür aufschloss.

„Das riecht hier aber lecker!“, rief Kerstin und hing ihre Jacke an die Garderobe. Als sie die Küche betrat, nahm sie Peter in den Arm und gab ihm einen Kuss.

„Du bist ein Schatz. Es ist so schön, nach einem langen Arbeitstag nach Hause zu kommen, alles ist ordentlich, das Essen duftet und ein lieber Mensch wartet. Ich liebe dich.“

„Ich dich auch. Nur werde ich wohl nicht immer nur noch Hausmann sein.“

Kerstin schaute ihn fragend an. Peter hatte heute einen Anruf erhalten. Nachdem er in Sudan wieder für die Behörden gearbeitet hatte, machte man ihm den Vorschlag, wenigstens in Teilzeitbeschäftigung wieder als Gerichtsmediziner zu arbeiten.

„Ist es das, was du wolltest?“

„Auf jeden Fall werde ich nicht wieder so ein Workaholic wie damals. Ich habe denen gleich gesagt, dass ich gerne wieder arbeite, mir mein Privatleben aber wichtiger ist. Ich habe eine 3-Tage-Woche vereinbart. Von montags bis mittwochs übernehme ich die normalen Dienste und ab Donnerstag habe ich frei.“

Kerstin nippte an ihrem Glas Wein und überlegte.

„Das hört sich gar nicht schlecht an. Ich könnte mit unserem Filialleiter sprechen. Es täte mir auch gut, die Stunden zu reduzieren. Finanziell haben wir es ja nun wirklich nicht nötig. Wenn das klappt, könnten wir donnerstags nach Werlow fahren. Dein Haus am See ist so schnuckelig.“

„Unser Haus“, betonte Peter und servierte die duftende Pizza.

Kerstin hatte ihn damals verlassen, weil er nur am Arbeiten war. Nach diesem Schock überdachte der 57 jährige sein Leben und setzte sich zur Ruhe. Er kaufte sich an der Mecklenburger Seenplatte ein kleines Haus am See. Ein Leben für die Arbeit? Diesen Fehler würde er nie wieder machen, auch wenn Dr. Peter Döring, der ehemalige Leiter der Gerichtsmedizin an der Berliner Charité, ein leidenschaftlicher Ermittler war. So war auch er es, der kurz nach seiner Ankunft in Werlow das schreckliche Geheimnis in der Kleinstadt entdeckte. Er hatte den Serientäter gestellt und fast sein Leben dabei verloren. So schrecklich die Taten in Werlow auch waren, er hatte neue Freunde gefunden und vor allem seine Kerstin zurückgewonnen.

„Ja, unser Haus. Ich werde es richtig schön herrichten“.

Kerstins Blick war anzusehen, dass sie in Gedanken bereits ganz bei der Dekoration war. Das war ein Teil an Frauen, den Peter und wahrscheinlich der Rest der Männer, gar nicht verstanden. Warum musste der ganze unnütze Klüngel, sie nannten es Deko, herumstehen. Sein Haus hatte er logisch eingerichtet. Die Töpfe hatte der Hobbykoch praktisch unter ein Regal gehängt. Warum sollte er sich jedes Mal bücken und sie aus dem Schrank holen. Kerstin fand das furchtbar. Die Küchengeräte standen auf der Arbeitsfläche. So konnte er sie gleich nutzen und musste sie nicht erst aus dem Abstellraum zu holen und aufbauen, nur um eine Scheibe Brot zu schneiden. In Kerstins Küche gab es so etwas nicht. Die Arbeitsplatte war leer, bis auf einen dekorativen Obstkorb. Der Korb war stets gefüllt mit Bananen, die sie nicht mochte, Kiwis, die sie nicht vertrug, Orangen, davon bekam sie Ausschlag und Äpfeln, das einzige Obst, das sie aß. Peter hatte sie oft gefragt, warum sie Obst kaufte und später wegwarf. Sieht so viel hübscher aus, hatte Kerstin betont. Peter war gespannt, was seine Liebste mit dem Haus anstellen würde.

*

„Weißt du, was uns Sonja und Ernst so Dringendes mitteilen wollen?“, fragte Peter und nahm für seinen Kollegen eine Flasche Wein aus dem Regal.

Kerstin schüttelte den Kopf. „Normalerweise würde ich sagen, die beiden erwarten ein Kind aber Sonja kann nicht schwanger werden.“

„Wer weiß. Vielleicht hat es ja nur mit ihrem ersten Mann nicht geklappt. Wenn eine Ehe daran zerbricht, nur weil der Nachwuchs ausbleibt. Den Druck hat sie bei Ernst nicht.“

„Tja, wer weiß“, sagte Kerstin und präsentierte stolz den prächtigen Blumenstrauß, den sie für Sonja gekauft hatte.

„Lass uns die U-Bahn nehmen, dann können wir beide ein Gläschen trinken.“

In Berlin war es ratsam, den Wagen stehen zulassen. Wenn man den Stau endlich hinter sich hatte, kamen die Parkplatz Probleme. Berlin verfügte schon lange über ein perfekt durchdachtes öffentliches Verkehrsnetz. Abgesehen von Flugplatzplanungen. Jeder Berliner, wahrscheinlich ganz Deutschland, fragte sich bereits, ob dieses Projekt je abgeschlossen würde. U-Bahnen jedoch fuhren im Minutentakt, kreuz und quer unter Berlins Straßen. Es dauerte kaum 20 Minuten und das Paar erreichte die Freunde, fast am anderen Ende der Stadt.

Sonja öffnete die Haustür. Ihr langes, lockiges Haar reichte bis weit über die Schultern. Ihre großen, blauen Augen strahlten vor Freude. Die Frauen umarmten sich.

„Ist das schön, dich zu sehen“, sagte Sonja.

„Du siehst so glücklich aus. Ich bin ja schon gespannt, was ihr uns erzählen wollt. Sag schon, was gibt es für Neuigkeiten?“

„Kommt erst mal rein“, mahnte Ernst.

Peter erkannte die Wohnung nicht wieder. Ernst war zwar immer ein ordentlicher Mensch. Seine Wohnung sehr modern, aber in kalten Farben, eingerichtet. Sonja hatte nicht nur Farbe in sein Leben gebracht. Die Handschrift einer Frau war in diesem Heim zu sehen. Ernst kam mit einer Flasche Sekt aus der Küche und Sonja holte die Gläser aus dem Schrank.

„Dann lasst uns auf das Ende meines Arbeitszimmers anstoßen.“

„Hörst du auf zu arbeiten?“, fragte Peter erstaunt.

„Nein. In sechs Monaten zieht unser Kind in das Zimmer.“

Kerstin begriff schneller als Peter. Sie umarmte Sonja, die vor Freude anfing zu weinen. Sonja hörte nicht mehr auf, zu erzählen. Sie hatte nicht mehr an eine Schwangerschaft gedacht. Das Thema war für sie abgeschlossen. Dann, bei einer Routineuntersuchung teilte der Arzt ihr die freudige Nachricht mit. Sie hatten es erst vor einer Woche erfahren.

„Hast du denn nichts gemerkt?“

„Nein, das ist ja das Komische. Sogar meine Tage habe ich pünktlich bekommen. Der Arzt sagt aber, es ist alles in Ordnung.“

Die Frauen waren den ganzen Abend beschäftigt. Peter erkannte seine Lebensgefährtin nicht wieder. Sie war aufgeregt. Kerstin hatte nie über Kinder gesprochen. Jetzt war sie 52 Jahre alt, auch wenn man sie höchstens auf 42 schätzte. Gab es schon wieder etwas, was er in ihrer Beziehung nicht bemerkt hatte. Hätte sie gerne eine Familie gehabt? Ihm wäre es egal gewesen. Sie hätte ja einen Ton sagen können. Er nahm sich vor, sie auf dem Heimweg zu fragen.

Die Männer ließen die Frauen mit ihrer Babyplanung alleine und gingen auf den Balkon. Dass Peter wieder an der Charité arbeitete, hatte sich bis ins Chemielabor herumgesprochen.

„Hat Sonja denn schon einen Käufer für ihren Laden in Werlow gefunden?“, erkundigte Peter.

Ernst nickte. „Was meinst du, wer den Käufer vermittelt hat?“

Peter musste nicht lange nachdenken. „Helmut.“

Helmut, der Allgemeinmediziner aus Werlow kannte fast jeden und wusste fast alles über seine Patienten. Er wusste von einer Frau, die dringend einen Neuanfang für ihr Leben brauchte und so fand Helmut mit der Übernahme des Ladens, wäre ja gleich drei Menschen geholfen. Sonja und Ernst konnten in Berlin zusammenleben und Frau Völker hatte eine neue Aufgabe. Der Arzt brachte die Menschen zusammen.

„Ja, der Helmut“, sagte Peter. „Er denkt immer, dass niemand ihn brauchen würde. Wo wäre Werlow denn ohne ihn? Er ist doch die gute Seele der Kleinstadt.“

„Ja“, stimmte Ernst zu. „Helmut ist schon ein besonderer Mensch.“

Ernst und Peter redeten den ganzen Abend über neue Analysegeräte im Labor und aktuelle Fälle in der Gerichtsmedizin. Peter erzählte von den Abenteuern, die Kerstin und Peter in Sudan erlebt hatten. Die beiden Frauen hatten mit der Babyplanung alle Hände voll zu tun. Das Kinderzimmer wurde bereits in Gedanken eingerichtet.

Es war nach 1 Uhr morgens, als sich das Paar auf den Weg zur U-Bahn machte. Peter hatte nicht vergessen, was er Kerstin fragen wollte. Sie lächelte und gab ihm einen Kuss.

„Nein, keine Sorge, mir fehlt nichts. Ich freue mich nur für andere.“

Hand in Hand schlenderten die beiden nach Hause.

*

Kerstin blickte ihrem Chef nach, als er wortlos an ihr vorbei in Richtung Büro ging. Sie hatte bereits vor einer Woche den Antrag auf Teilzeit auf seinen Schreibtisch gelegt. Kein Wort hatte er darüber verloren. Sie war sich nicht sicher, wie sie sich in dieser Situation verhalten sollte. Wie lange wartet man ab, bis man das Thema ansprechen sollte? Herr Zumstrull war bei den Kollegen unbeliebt. Seine Sozialkompetenz ließ zu wünschen übrig. Wenn die Kollegen nicht schon jahrelang vorher zusammengearbeitet hätten, wäre die Filiale schon den Bach runter gegangen. Ein neues Team hätte er nicht ans Laufen gebracht.

„Frau Kramer, kommen sie doch bitte in mein Büro“, meldete sich Herr Zumstrull per Telefon. Kerstin folgte der Aufforderung sofort. Sie war nervös. Würde er zustimmen oder ihr den Antrag um die Ohren hauen. Bei Zumstrull konnte man nie sicher sein. Er war ein klassischer Karrieretyp. Der Filialleiter war 38 Jahre alt, single und hatte seinen Master in BWL gemacht. Es ging immer nur um Bilanzen und Boni. Kerstin hoffte also nicht unbedingt auf Verständnis für mehr Privatleben und Freizeit.

„So, Sie möchten nur noch drei Tage pro Woche arbeiten?“ Er lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück und drehte sich Richtung Fenster. Allein für dieses unhöfliche Verhalten hätte Kerstin ihm gerne seinen Locher an den Kopf geworfen.

„Ja, würde ich gerne“, antwortete sie höflich, aber bestimmt.

Eine gefühlte Ewigkeit starrte der Mann aus dem Fenster. Dann drehte er sich um.

„Also gut. Ich mache Ihre Vertragsänderung fertig. Morgen ist Donnerstag und auch der 1. Wir können die Änderung sofort vornehmen.“

Kerstin strahlte vor Freude, bedankte sich und ging. Sie konnte es kaum fassen. Jedes Wochenende ein langes Wochenende.

Mörder meines Vertrauens

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