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Druckersohn und Firmenerbe, Bücherwurm und Spätentwickler: William Blades wird am 5. Dezember 1824 in Clapham, einem südlichen Stadtteil Londons, geboren. Sein Vater, Joseph Blades, ist ein renommierter Buchdrucker. Nach einer vergleichsweise kurzen Schullaufbahn an der Clapham Grammar School tritt William Blades im Alter von sechzehn Jahren in die Offizin seines Vaters ein. Hier erlernt er Seit’ an Seit’ mit den Angestellten seines Vaters von der Pike auf das Druckerhandwerk. Blades ist kein Akademiker, er ist Handwerker. Nach einer siebenjährigen Lehrlingszeit wird er erst Partner und später zusammen mit seinem Bruder Rowland Eigentümer der Druckerei Blades, East & Blades in der Londoner Abchurch Lane.

Erst mit Mitte Dreißig beginnt sein Interesse für die Geschichte des Buchdrucks. Blades soll das Vorwort zur Neuauflage eines frühen Drucks von William Caxton, The Governayle of Health, schreiben. Caxton war Englands erster Buchdrucker und sein Wirken, wie das so vieler Frühdrucker, von Mythen umgeben. Blades geht mit enormem Forscherfleiß an die Sache. Er wollte keine Information aus zweiter Hand akzeptieren. Darum bereiste er Bibliotheken, Druckereien, Klöster und Universitäten quer durchs Land. Er inspizierte nicht weniger als 450 originale Caxton-Drucke. Das Geheimnis seiner speziellen Untersuchungsmethode lag darin, sich nicht mit den Inhalten der Druckwerke aufzuhalten und alle sonst bei Bibliophilen so beliebten Frontispize und Titelblätter, Impressa und Kolophone links liegen zu lassen. Blades interessierte sich ausschließlich für die Drucktypen selbst, die Lettern:

Bücher haben genau wie Menschen einen Körper und eine Seele. Mit der Seele, also dem literarischen Inhalt, haben wir hier nichts zu schaffen.

Aufgrund genauester Analyse konnte Blades nachweisen, in welcher Reihenfolge Caxton seine Typensätze gravierte und goss und welche Bücher er damit druckte und verlegte. Auf diese Weise ließ Blades, wie Talbot B. Reed schrieb, »die Arbeitsweise und die Methoden dieser ersten kleinen Druckwerkstatt vor den Augen lebendig werden«. Die Frage nach der Reihenfolge, in der die Typensätze hergestellt worden waren, war deswegen von größter Bedeutung, weil Caxton die wenigsten seiner Drucke mit einem Titelblatt oder einem Druckdatum versehen hatte. Die Frucht dieser Untersuchungen bestand unter anderem darin, dass die 400-Jahr-Gedenkfeierlichkeiten zu Ehren der Einführung der Schwarzen Kunst in Großbritannien auf Betreiben Blades’ von 1874 auf 1877 verlegt wurden. Denn das ursprünglich auf 1474 datierte erste in England gedruckte Buch war, wie Blades allein aufgrund typographischer Analysen nachweisen konnte, in Wahrheit im belgischen Brügge gedruckt worden. Seine Forschungsergebnisse veröffentlichte Blades von 1861 bis 1863 (im Zwischenjahr 1862 heiratete Blades endlich auch) in dem epochemachenden dreibändigen The Life and Typography of William Caxton. Beeindruckt war die Fachwelt nicht nur vom analytischen Scharfsinn, sondern auch von der typographischen Qualität des Opus. Denn es schien Blades wenig sinnvoll, sich über Typographie auszulassen, ohne die Typen auch zu zeigen. Allein, ein befriedigendes Verfahren zur Herstellung von Faksimiles war zu dieser Zeit noch nicht gefunden. Erst William Blades ersann eine Methode, um die Drucktypen seines großen Vorgängers Caxton täuschend echt nachzubilden.

Mit einem Schlag war Blades eine Berühmtheit in der akademischen und vor allem der bibliophilen Welt. Fachzeitschriften und Almanache fragten um wissenschaftliche Beiträge bei ihm an. So kam es, dass Blades unter Beibehaltung seiner Methode sein Forschungsinteresse von Caxton auf die Wiegendrucke oder Inkunabeln allgemein wandte. Wiegendrucke werden alle Druckwerke genannt, die seit Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg um 1450 bis zum Jahr 1500, also an der »Wiege« dieser Kunst, entstanden sind. Was Blades in diesem Bereich leistete, war nichts Geringeres als die Schaffung einer völlig neuen Forschungsrichtung: der Paläotypographie. Eine der zu jener Zeit heftig diskutierten Fragen war genau die, ob Gutenberg ernsthaft die Ehre der Erfindung zugesprochen werden konnte. Denn eine alternative Hypothese besagte, dass ein gewisser Laurens Janszoon Coster aus Haarlem in den Niederlanden schon dreißig Jahre vor Gutenberg mit beweglichen Lettern gedruckt haben sollte – eine These, die heute als widerlegt gilt. Man muss vermutlich nicht erwähnen, dass Anhänger der Coster-Theorie sich hauptsächlich in Holland fanden, während die Gutenberg-Verfechter aus Deutschland stammten. Der Brite Blades versuchte wiederum, ausschließlich aufgrund typographischer Analyse ein Urteil fällen zu können. In seinem Aufsatz Early Schools of Typography, der ausgerechnet in einem Fachmagazin mit dem sprechenden Titel The Bookworm veröffentlicht wurde, nahm er schließlich eine mittlere Position ein und machte sich für die These stark, dass es zwei voneinander unabhängige Erfindungen gegeben haben könnte.

Signaturen und Wasserzeichen, Kettenbücher und Prägestempel: Das Feld der Forschung, in dem Blades Aufsätze und Bücher verfasste, weitete sich ständig. Sein Ansehen muss so enorm gewesen sein, dass er sich mit der Fachwelt sogar einen Scherz erlauben konnte: In einer kleinen Schrift mit dem Titel Shakespere and Typography stellte er die Behauptung auf, der große britische Dichter William Shakespeare müsse das Druckerhandwerk erlernt haben. Der Scherz bereitete ihm nur umso mehr Vergnügen, als einige Vertreter der Fachwelt die These umgehend ernst nahmen.

Neben all diesen wissenschaftlichen Arbeiten führte er nach wie vor seine renommierte Druckerei weiter. Trotz seiner offenkundig hohen Arbeitsbelastung wird William Blades von Zeitgenossen und Biographen als äußerst angenehmer, zurückhaltender und warmherziger Gesprächspartner und Gastgeber beschrieben. Und Gäste hatte er viele, vor allem deswegen, weil die Privatbibliothek, die sich über die Jahre angesammelt hatte, außerordentliche Maße angenommen hatte. Blades war eben doch nicht nur der trockene Buchwissenschaftler, sondern auch selbst im spleenigen Sinne des Wortes ein Bibliomane. Sein offenherziger Umgang mit Besuchern, die sich für seine Bibliothek interessierten, sollte wohl auch jenes bücherfeindliche Verhalten bestimmter engstirniger Büchersammler konterkarieren, die er selbst in seinem Buch The Enemies of Books portraitiert hatte. Eric Vickers schreibt:

Seit seinen Lehrlingstagen sammelte er alles, was mit der Geschichte des Buchdrucks zusammenhing. Dieses Interesse dehnte sich sogar noch aus und schloss alle Werke ein, die in irgendeiner Weise mit der Buchdruckkunst, egal in welcher Sprache, zusammenhingen und derer er habhaft werden konnte. Er sammelte auch tagesaktuelles Druckwerk, wenn es irgendwie mit dem Buchdruck oder dem Buchhandel zu tun hatte. Außerdem war er der erste, der sein Augenmerk auf Typenmusterbücher lenkte. Er häufte eine wachsende Sammlung an Bildern, Drucken, Münzen, Medaillen und Jetons an, wenn sie etwas mit dem Druckerhandwerk zu tun hatten.

Blades war Gründungsmitglied der britischen Bibliotheksvereinigung, Mitglied im angesehenen Candlewick Ward Club sowie im Vorstand der Pensionskasse der Druckereibetriebe. Für seine Verdienste sollte ihm anlässlich seines fünfzigsten Dienstjubiläums eine Ehrenmedaille verliehen werden. William Blades starb jedoch vier Tage vor diesem Ehrentag plötzlich und unerwartet am 28. April 1890 im Alter von 65 Jahren. Sein letztes Buch, The Pentateuch of Printing, konnte er nicht mehr vollenden, es erschien posthum. Es sollte die Summe seiner Forschungen und Arbeiten sein, buchstäblich die Bibel der Druckkunst. Seine Bibliothek ging auf die St. Bride Foundation in der berühmten Fleetstreet über. Diese Einrichtung wurde auch im Andenken an William Blades 1895 als technische Bibliothek und als Schule des Druckerhandwerks gegründet. Die Schule ist heute im London College of Communication aufgegangen. Die gewaltige Büchersammlung Blades’ kann nach wie vor in der Fleet Street bewundert werden.

Die Bücherfeinde

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