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Die wandelbaren Gene

Als meine Mutter mit mir schwanger war, trat sie mehrere Male als Sängerin in einem Musical auf. Leider ging die Produktion bankrott, aber das bewahrte sie immerhin vor einem ordinären Rausschmiss. In den ersten zwei Monaten der Schwangerschaft musste sie sich bereits Kommentare wie „Hey, Du da, Dritte von links, Du wirst ja immer fetter“ anhören. Mein Vater war ebenfalls Sänger und sang eigentlich den ganzen Tag vor sich hin oder probte neue Songs mit seiner Gitarre. So bekam ich schon im Mutterbauch sehr viele vokale Schwingungen zu spüren. Die Mutter meines Vaters war leider schon verstorben, aber hatte in den Dreißigern beim Radio in Amsterdam gesungen. Damals hatten viele Radiosender ihre eigenen kleinen Orchester und Sänger im Studio. Das Singen wurde mir also förmlich in die Wiege gelegt. Auch meine eigene Tochter ist absolut musikalisch und hat eine sehr schöne Gesangsstimme. Als sie noch in meinem Bauch war, habe ich sehr viel gesungen – sowohl beruflich als auch nur für sie. Später, als sie ein Baby und Kleinkind war, komponierte ich Liedchen für sie. So hatte sie ein eigenes Wiegenlied, ein Lied über all ihre Verwandten und ein Lied, das ihre Kuscheltiere besang.

An der Stelle möchte ich eine wunderschöne Geschichte von einem ostafrikanischen Stamm vorstellen: Die Menschen in diesem Stamm glauben nämlich, dass der Tag der Zeugung eines Kindes dann gekommen ist, wenn die Mutter zum ersten Mal an ihr Kind denkt.10 Wenn sie weiß, dass sie mit ihrem Mann ein Kind bekommen möchte, lauscht sie in sich hinein, bis sie das Lied ihres zukünftigen Kindes quasi hören kann. Dann singt sie es dem werdenden Vater vor. Während sie Liebe machen, singen sie gemeinsam dieses Lied und laden die vorbestimmte Seele ihres zukünftigen Kindes ein, mit einzustimmen. Die Mutter singt dasselbe Lied während der Schwangerschaft und lehrt es die Hebammen. Bei der Geburt singen diese es wiederum gemeinsam für das Baby, sodass es sich auf Erden willkommen fühlt. Später lernen die Dorfbewohner das Lied ebenfalls, um es dem Kind vorzusingen, wenn sie es z. B. beruhigen wollen. Es wird auch bei Festen und Ritualen eingebunden, wie ein rückkehrendes Thema. Das Lied erklingt zudem zum Abschied, wenn die Person irgendwann stirbt. Sie wird damit in die andere Welt geleitet. Der Begriff „Lebenslied“ hat damit eine völlig neue Bedeutung bekommen.

Das Vererben von Musikalität ist nicht selbstverständlich. „Nur“ 85 Prozent aller Kinder musikalischer Eltern sind ebenfalls musikalisch. Denn Kinder, die von musikalischen Eltern gefördert werden, scheinen sich selbstverständlicher ebenso zu entwickeln (Beispiel: die Familie Bach, Mozart usw.). Aus einem nichtmusikalischen Elternhaus sind 58 Prozent aller Kinder trotzdem musikalisch.11

Dazu auch ein interessanter Ausschnitt aus einem Artikel in den Salzburger Nachrichten:

„Jeder Mensch kann singen […]. Ein musikalischer Mensch kann zumeist auch richtig singen, wenn er übt. […] Allen Menschen aber ist gemein, dass ihr Gehirn auf Gesang und Musik sofort reagiert. Schon Aristoteles wusste es: Im Wesen der Musik liegt es, Freude zu machen. Aus Sicht der Neurowissenschaften kann die Diagnose des alten Griechen nur bestätigt werden: Es gibt im Gehirn angeborene Strukturen für die Bearbeitung von Musik. Und man stellte fest, dass Anlagen für Gehör und Sprache schon im Mutterleib wesentlich ausgeprägt werden. Ungeborene nehmen den Gesang ihrer Mutter deutlich wahr.

Musikalischer Hörgenuss sei mit einer Reihe von Emotionen verbunden. Deshalb sei die musikalische Frühförderung bei Kindern enorm wichtig. Dass Kinder sich früh mit Musik beschäftigten, sei für ihr Wohlbefinden wichtig, aber auch für die Entwicklung und Vernetzung des Gehirns. Es gebe auch Studien mit älteren Menschen, die zeigten, dass Gesang für ältere Menschen grundlegend gesund ist. Es verbessere nicht nur ihre Stimmung, sondern auch Muskulatur und Atmung Menschen, die Musik hören oder aktiv betreiben, beeinflussen dadurch ihre Gene. Das zeigte ein finnisches Experiment mit Schülern. Nach Musikgenuss waren bis zu 78 Gene aktiver als zuvor, und zwar jene, die Lernen und kognitive Leistungen fördern und die Ausschüttung und den Transport des Glückshormons Dopamin anregen. Umgekehrt wurden hirnschädigende Substanzen heruntergefahren […].12

Die musikalischen Gene werden also nicht zwangsläufig immer weitergegeben. Man kann sie aber tatsächlich während des Lebens durch aktives Musikhören und Musizieren beeinflussen. Eine tolle Perspektive. Nichts wie ran an die Gene!

10. Wolfgang Bossinger - Heilende Kraft des Singens. 2. Auflage 2006, Traumzeit-Verlag, Seite 66.

11. Musikpsychologe Prof. Dr. Günther Rütter in einem Live-Interview mit Klassik Radio digital, am 15.05.2018 zum Thema „Ist Musikalität vererbbar? www.klassikradio.de/programm/aktu elles/tag-der-famil.

12. Quelle: © Salzburger Nachrichten VerlagsgesmbH & Co KG 2019, 23.05.2015. Artikel: „Der Gesang liegt uns Menschen in den Genen“. www.sn.at/panorama/wissen/der-gesang-liegt-uns-menschen-in-den-genen-2459329.

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