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Einmal ist keinmal

1979 Debbie Harry setzt sich erfolgreich mit ihrem gläsernen Herz gegen die immer noch allgegenwärtige Discoszene durch, während die Sugar Hill Gang den ersten Rap in die Charts bringt.

In den deutschen Hitlisten werden die langen Kreuzberger Nächte besungen und in der ZDF-Hitparade singt eine gewisse Anke Engelke das Lied von Manuel. Kaum zu glauben, aber das war noch keine Comedy-Einlage.

In Frankfurt rockt Udo Lindenberg gegen Rechts und Elton John tourt als erster westlicher Solokünstler durch die Sowjetunion.

Aus der kleinen Welt um einen Bauwagen erklärt Peter Lustig den Kindern die Pusteblume und auch in die Politik ziehen Latzhose und Rentierpulli ein, als die Grünen gegründet werden.

Der Sohn eines CIA-Agenten steht neben einem gewissen Sting in einer New-Wave-Band, die mit Message in a bottle ihren ersten Nummer-Eins-Hit landet.

* * *

Eine Flaschenpost hätte Stephans Familie am Neujahrstag auf Baltrum auch nicht helfen können. Das Wattenmeer war nahezu komplett zugefroren und der Schiffsverkehr zum Festland sicherheitshalber auf unbestimmte Zeit eingestellt worden. Baltrum war damit von der Außenwelt abgeschnitten, was bei den ersten der wenigen Urlauber eine gewisse Unruhe erzeugte. Die Schulferien neigten sich ihrem Ende zu und man befürchtete, nicht mehr rechtzeitig nach Hause zu kommen.

Der einzige Weg von und nach Baltrum führte nur noch durch die Luft.

Stephan erinnerte sich an seine Kindheit, als er immer erwartungsvoll am Wohnzimmerfenster gestanden und gespannt auf das Postflugzeug gewartet hatte. Dieses kam mehrmals in der Woche morgens im Tiefflug über den heutigen Inselflugplatz angeflogen und warf einen Postsack ab.

Bei diesen Wetterverhältnissen war natürlich an eine Landung von Flugzeugen auf der tief verschneiten Insel nicht zu denken. Daher charterte man Hubschrauber, um über eine Art Luftbrücke dringend benötigte Güter einzufliegen. Auf dem Rückflug nahm man dann Passagiere mit, die unbedingt aufs Festland mussten.

Stephans Vater hatte auch bereits für alle Fälle einen solchen Flug reserviert.

Ein Hubschrauberflug, das wäre ein versöhnlicher Abschluss für die zurückliegende 'Leidenszeit', dachte Stephan und schickte von nun an regelmäßig kleine Stoßgebete gen Himmel.

Nach dem Mittagessen hatte Stephan seiner Mutter ganz stolz von seinem guten Vorsatz erzählt. Nach immerhin schon vierzehn Stunden war er der Meinung, dass eine Mitteilungsreife damit durchaus bestand.

Vierzehn Stunden als Nichtraucher, das war doch schon was, dachte er und verzog sich ins Wohnzimmer, wo er gelangweilt einen von Oscars Comics durchblätterte. Schon nach wenigen Minuten legte er das Heft wieder beiseite. Asterix der Gallier kannte er inzwischen schon fast auswendig. Lustlos starrte er an die Decke. Außer dem gleichmäßigen Ticken der Wanduhr war es still im Haus. Der Rest der Familie hielt ihren täglichen Mittagsschlaf.

Jetzt eine rauchen, dachte er wehmütig. Nein, er musste sich ablenken. Also zog er sich eilig an und ging an den Strand, wo ihn ein eisiger Wind empfing. Jetzt fehlte ihm auf einmal die gewohnte Zigarette zum Aufwärmen, die er während seiner Streifzüge über die Insel immer so genossen hatte.

Auf dem Rückweg kam er bei Stadtlander, Baltrums legendärem Einzelhändler, vorbei, dessen Kiosk soeben geöffnet hatte. Für einen kurzen Moment blieb er stehen und überlegte. Geld hatte er dabei. Doch dann dachte er an sein Wunschmoped und riss sich noch einmal zusammen.

Am nächsten Tag ging Stephan schlecht gelaunt und wieder einmal schrecklich gelangweilt zu seiner Mutter in die Küche, in der Hoffnung, wenigstens hier etwas Ablenkung zu finden. Selbst der Umstand, dass er nun schon fast fünfunddreißig Stunden clean war, verbesserte seine Stimmung nicht wesentlich.

Er warf seiner Mutter, die gerade die Kartoffeln für das Mittagessen schälte, einen kurzen Blick über die Schulter zu, bevor er sich suchend in der Küche umsah. Vielleicht war ja schon der Nachtisch fertig und er konnte ein wenig naschen.

Doch anstatt an einer Süßspeise blieb sein Blick an der Schachtel HB hängen, die verlockend auf der Fensterbank lag.

Oh, wie gerne würde er jetzt eine rauchen!

Stephan schielte vorsichtig zu seiner Mutter hinüber und überlegte auch schon, ob er es wagen konnte, hinter ihrem Rücken eine Zigarette zu stibitzen.

Frag sie doch einfach, dachte er. Ein Wort würde genügen.

Nein, die schadenfrohen Sprüche wollte er sich dann doch lieber ersparen, schließlich hatte er ja erst gestern vollmundig herumgetönt, mit dem Rauchen aufgehört zu haben. Und auch wenn sein Verlangen nach einer Zigarette immer drängender wurde, wollte er lieber weiter auf eine günstige Gelegenheit warten.

Stephan schlenderte durch die Küche und heuchelte dabei ein gewisses Interesse an der Zubereitung des Mittagessens.

»Hast du Langeweile?«, fragte seine Mutter auf einmal. »Dann kannst du mir ja beim Wäsche aufhängen helfen.«

Wäsche aufhängen! - Das wäre die Gelegenheit, auf die er die ganze Zeit gewartet hatte, denn dazu musste seine Mutter in den Keller.

»Ach nöh«, sagte er rasch. »Ich glaub, ich gehe noch ein bisschen raus.«

»Denk aber dran, dass wir bald essen«, sagte seine Mutter, bevor sie die Kellertreppe hinabstieg.

Auf seinem Weg zum Strand und außer Sichtweite des Hauses zündete Stephan sich dann kurz darauf eine gute HB an. Wie gut das tat! Genussvoll nahm er den zweiten Zug, mit dem dann auch das schlechte Gewissen zurückkehrte. Nicht nur, weil er seiner Mutter eine Zigarette stibitzt hatte, sondern auch, weil er nach nicht einmal zwei Tagen der Sucht erlegen war. Er dachte an sein Moped, dessen Bild vor seinem geistigen Auge auf einmal wieder zu verblassen begann.

»Einmal ist keinmal«, sagte er zu sich selbst, nahm einen letzten Zug und schnippte den Zigarettenstummel in den Schnee. Von nun an würde er durchhalten. Komme, was wolle.

»Einmal Drum mit Blättchen«, sagte Stephan und lächelte die Dame bei Stadtlander etwas verlegen an. Knapp vierundzwanzig Stunden und vier stibitzte HB später hatte Stephan entgegen seiner Kampfansage von gestern beschlossen, sich wenigstens der 'Beschaffungskriminalität' zu entziehen. Und obwohl er sich nach wie vor noch darüber ärgerte, dass er der Nikotinsucht nicht mehr Widerstand hatte entgegensetzen können, war er doch froh, wieder im Besitz eigener Rauchwaren zu sein. Entspannt machte er auf dem Rückweg einen Schlenker über die Strandmauer, wo er sich bei einer frisch gedrehten Zigarette den kalten Westwind um die Nase wehen ließ.

Nach diesem erfolglosen Versuch, dem blauen Dunst zu entsagen, folgte auch gleich die Strafe. Seine Hoffnung, mit einem Hubschrauberflug die Weihnachtsferien zu beenden und so wenigstens etwas Interessantes am ersten Schultag berichten zu können, zerplatzte wie eine Seifenblase. Wie Stephan am Nachmittag erfuhr, würde der Fährbetrieb zum Festland rechtzeitig zu ihrem geplanten Abreisetag eingeschränkt möglich sein. Und so erfolgte zwei Tage später ihre Abreise wie gewohnt mit dem Schiff.

Wie gewohnt?

Nein, nicht ganz.

Sehr viel langsamer als normalerweise bahnte sich die Baltrum-Fähre einen Weg durch die Eisschollen, die immer noch in großer Zahl im Wasser trieben. Kurz vor dem Hafen von Neßmersiel verlor dann das Schiff merklich an Fahrt, was Stephan irgendwie spanisch vorkam. Als es dann auch noch plötzlich bedenklich knirschte, während die Fähre zitternd zum Stillstand kam, erinnerte ihn das an das unglückliche Schicksal der Titanic. Sollten sie etwa auch ...?

Stephan sah sich vorsichtig um, doch zu seiner Beruhigung war alles um ihn herum ruhig. Nirgendwo gab es Anzeichen für Panik und es verzweifelte auch niemand bei dem Versuch, eines der Rettungsboote oder eine der Rettungsinseln zu erreichen, wie er solche Szenen aus dem Fernsehen kannte. Ein vorsichtiger Blick zu seinen Eltern bestärkte den Eindruck. Auch sie machten einen absolut entspannten Eindruck, obwohl nun auch noch zwei Besatzungsmitglieder eine lange Aluminiumleiter zum Bug brachten. Hieß das, dass sie nun doch die Boote besteigen mussten? Aber über eine Aluminiumleiter?

Stephans platzte vor Neugier. Zögernd trat er an die Reling und schaute hinunter. Vom Schiff bis zum Ufer erstreckte sich eine geschlossene Eisdecke, die verhinderte, dass sie bis in den Hafen fahren konnten. Und jetzt sah Stephan auch, dass die Leiter tatsächlich nicht zur Bemannung der Rettungsboote vorgesehen war. Fest mit der Bugreling vertäut, diente sie als Ausstieg für die Fahrgäste. Einer nach dem anderen verließ jetzt das Schiff über die Leiter und legte die letzten zwanzig Meter zu Fuß über das zugefrorene Hafenbecken zurück.

* * *

Ein paar Stunden später stand Stephan dann wieder in Lindlar auf dem Balkon seines Zimmers, blickte auf den Ort hinunter und zog an seiner Zigarette. Von einer überstandenen Schneekatastrophe war hier nichts zu sehen. Alles war so wie immer und vor dieser Normalität wirkten die Aufregungen der letzten Tage schon fast unwirklich.

Zwei Monate später erfasste eine zweite Kältewelle Norddeutschland und erinnerte Stephan an das Erlebte. Doch nicht die Erinnerungen an die Katastrophe waren Grund dafür, dass seine Hand jetzt zitterte. Vielmehr waren es die Aufregung und der Stolz, die dazu führten, dass die Unterschrift in seinem ersten Führerschein etwas krakeliger als normalerweise ausfiel. Er hatte die Prüfung auf Anhieb geschafft.

Die erste Hürde auf dem Weg zu einem eigenen Moped war genommen.

Für Stephan und seine Freunde teilte sich die Welt in drei wichtige Bereiche, die ihren Tagesablauf maßgeblich bestimmten: Schule, Fußball und Musik. Und auch wenn die Schule einen Großteil der Zeit in Anspruch nahm, reichte es dennoch nur zum dritten Platz im Beliebtheitsranking, trotz der Veränderungen, die sich derzeit in Stephans Jahrgangsstufe abspielten. Hatte man bisher immer nur neidisch auf die noch so weit entfernten höheren Klassen geblickt, durchlief man nun einen altersgemäßen Reifeprozess, der neue Orientierungspunkte mit sich brachte. Und so schloss man sich nun nach und nach den Gruppen an, die bestimmten Einstellungen und Interessen folgten. Eine dieser Gruppierungen waren die sogenannten Ökos, welche man an der Kufiya, dem Palästinensertuch, erkannte, die sie als Schal über selbst gebatikten, langärmligen Unterhemden um den Hals trugen. Die Schulsachen und persönliche Dinge der Ökos verschwanden in Jutebeuteln, an denen grundsätzlich irgendwo ein Badge mit der Aufschrift Atomkraft? – Nein, danke! angebracht war. Ein Öko stand außerdem auf Reggae und neben Batikarbeiten strickten sie gerne, viel und überall. In ihren Treffpunkten, den Teestuben, lag oftmals ein schwerer, süßlich-orientalischer Duft von Räucherstäbchen und Tee in der Luft, der sich bestens dazu eignete, den Geruch möglicher Tabakzusätze zu überlagern.

Stephan war kein Öko. Statt zu kiffen, trank er lieber mit seinen Freunden ein Bierchen. Und weil es meistens nicht bei dem einen blieb, hatten die Ökos ihnen den Spitznamen Alkis verpasst.

Auf einem von Stephans Ansteckern stand Atomkraft? – So, nicht!, denn so unkritisch, wie die Ökos meinten, waren die Alkis dann auch wieder nicht.

Im Gegensatz zu den Ökos vermied man lange Diskussionen und kam direkt auf den Punkt. Die Lebensphilosophie von Stephan und seinen Freunden lautete dementsprechend auch ganz einfach Triple-M: Mädchen, Musik und Mopeds.

Bei der Musik war natürlich Hard Rock das Nonplusultra. Und so prangten die Namen der Lieblingsbands gut sichtbar auf ihren ausgemusterten Bundeswehrjacken.

Reggae wurde nur gelegentlich mit einer Ausnahme geduldet. Getreu ihrem Motto 'Sommer, Sonne, Saskia' hatte Bernds Schwester eine gewisse Affinität zu Sonnenländern und deren Musik.

* * *

Inzwischen hatten in Nordrhein-Westfalen die Sommerferien begonnen.

Lehrer und Schüler freuten sich, endlich vom harten Bildungsalltag erlöst, auf die wohlverdiente Auszeit. Doch im Gegensatz zu den vergangenen Jahren musste sich Stephan noch etwas gedulden. Auf ihn kam nun eine ganz besondere Herausforderung zu, erhielt er doch nun seine allererste Bewährungsprobe in der harten Arbeitswelt.

Kurz vor Ende des Schuljahrs hatte er eine Zusage von den Milchwerken Köln-Wuppertal, in der Region besser bekannt als TUFFI-Werke, erhalten. Sein erster Ferienjob war damit unter Dach und Fach.

Stephan war außer sich vor Freude, hatte er doch eigentlich nicht mehr damit gerechnet, noch eine positive Antwort auf seine abgegebenen Bewerbungen zu erhalten. Aber jetzt nahm das Bild von seinem Moped auf einmal wieder Konturen an. Doch noch hatte er es nicht, wie er zu seinem Leidwesen feststellte, als er das erste Mal die neun Kilometer zu seiner neuen Arbeitsstätte mit dem Fahrrad zurücklegte. Eine Busverbindung, die er hätte nutzen können, um rechtzeitig an seinem Arbeitsplatz zu sein, gab es nicht.

In den Ferien nicht ausschlafen zu können, war etwas, das Stephan so nicht kannte. Schon gar nicht, dass er jetzt sogar noch früher aufstehen musste als an Schultagen. Und so passierte genau das, was passieren musste: Gleich an seinem ersten Arbeitstag verschlief er. Erst nach dem dritten Klingeln des Weckers war er hektisch aus dem Bett gesprungen. Katzenwäsche und los. In allerletzter Minute, aber gerade noch rechtzeitig erreichte er die Stempeluhr. Die Zeit, die er mit dem Fahrrad hingelegt hatte, blieb bis zum Ende seines Ferienjobs eine unerreichte Rekordzeit.

Stephan wurde zunächst in der Buttermilchabfüllung eingesetzt, wo er darauf achten musste, dass sich die Tetrapacks auf dem Produktionsband nicht verkanteten und platzten.

Eine lösbare Aufgabe, dachte Stephan zufrieden. Das sah nach einfach verdientem Geld aus.

Eine halbe Stunde später musste er allerdings feststellen, dass die Abfüllmaschine über eine Vielzahl an Tricks verfügte, um eine unerfahrene Aushilfskraft auf Trab zu halten.

Am Ende seines ersten Arbeitstages teilte man Stephan noch mit, dass er unvollständig abgefüllte Packungen zum Eigenverzehr mit nach Hause nehmen durfte. Von dieser Regelung machte er dann auch gleich rege Gebrauch, wusste er doch, wie gerne seine Mutter frische Buttermilch trank. Nachdem jedoch bereits am dritten Tag der heimische Kühlschrank an seine Kapazitätsgrenze stieß, musste er seine gut gemeinten Lieferungen wieder einstellen, denn mehrere Liter Buttermilch am Tag schaffte bei aller Begeisterung auch seine Mutter nicht.

In der zweiten Woche lernte Stephan dann die nächste Maschine kennen, die es offensichtlich auch auf ihn abgesehen hatte. Diesmal musste er Kartons falten, während unaufhaltsam Joghurtbecher auf ihn zuströmten, die auch noch in die Kartons verpackt werden wollten. Das, was eben bei den erfahrenen Kräften so leicht aussah, entpuppte sich für ihn als schier unlösbare Aufgabe. Das sahen zu seinem Glück auch die anderen so und erlösten ihn bereits nach wenigen Minuten. Dafür durfte er nun die fertig gepackten Kartons auf Paletten verladen und mit einem Hubwagen zu den Kühlräumen ins Erdgeschoss bringen.

Stephan atmete durch und war froh, dass man ihn von der Monotonie der Maschine erlöst hatte. Er genoss die neu gewonnene Unabhängigkeit, die es ihm erlaubte, auch immer mal wieder ein Zigarettenpäuschen einzulegen.

Eine Aufgabe, die ihm allerdings am meisten Spaß machte, auch wenn er dafür bereits um fünf Uhr aufstehen musste, war die Mitfahrt in einem der großen Lastwagen. Natürlich gab es auch hierbei einen kleinen Haken, denn schließlich mussten die Lastwagen ja auch be- und entladen werden und das war bei 25 Kilogramm schweren Milchpulversäcken wahrlich kein Zuckerschlecken. Dafür durfte man dabei nach Herzenslust rauchen.

Die ungewohnte körperliche Arbeit und der tägliche Weg mit dem Fahrrad rangen Stephan einiges ab. Da kam ihm das Angebot eines Schulfreundes äußerst gelegen, der ihm ein Mokick für 600 DM anbot.

Stephan dachte daran, wie es wohl wäre, motorisiert zur Arbeit zu fahren. Doch bei aller Vorfreude blieb das Problem der Finanzierung, denn seinen Lohn würde er erst am Ende der drei Wochen erhalten.

Stephan überlegte. Neben der Unabhängigkeit und dem Komfort, den so ein Mokick bot, war das Angebot seines Freundes auch ein Schnäppchen.

Die einzige Möglichkeit, an einen Vorschuss zu kommen, waren seine Eltern, und wie die seinen Wünschen nach einem fahrbaren Untersatz gegenüberstanden, wusste er ja nur zu gut. Trotzdem wollte Stephan nicht so einfach aufgeben. Nicht jetzt, wo er seinem Ziel so nah war.

»Einverstanden, du kriegst den Vorschuss«, sagte sein Vater ohne Umschweife, nachdem Stephan nach langem Herumdrucksen endlich gefragt hatte.

»Wirklich?«, fragte Stephan und sah seinen Vater ungläubig an.

»Es ist ja sowieso nur noch eine Frage der Zeit, bis du das Geld zusammen hast«, sagte sein Vater und lächelte ihn milde an.

Stephan konnte es immer noch nicht glauben. Sollte er es wirklich geschafft haben?

Selbst als er stolz seinem Freund die 600 DM in die Hand gedrückt und das Versicherungsschild angeschraubt hatte, meinte er immer noch zu träumen.

Mit ihrer Dreigangfußschaltung und dem gebläsegekühlten, vollverkleideten Motor war die grüne Kreidler Florett weder ein technisches Wunderwerk noch schön. Die Sitzbank war seitlich eingerissen und in dem großen klobigen Scheinwerfer ruhte ein kleiner Tacho. Im Grunde glich sein Zweirad mehr einem Restebausatz als einem Mokick. Doch Stephan liebte es. Endlich hatte er sein eigenes 'Moped', wie in seiner Clique alle motorisierten Zweiräder mit klassischem Understatement bezeichnet wurden. Und diese neu gewonnene Mobilität hatte in der ländlichen Gegend des Bergischen Landes einen nicht zu unterschätzenden Wert.

In den nächsten Monaten arbeitete Stephan emsig an der Restaurierung seiner Maschine. Eine 'Schönheits-OP' folgte der nächsten. Er verpasste seinem Zweirad ein Vierganggetriebe und einen neuen Tank. Lenker und Rahmen wurden getauscht und von Tag zu Tag ähnelte seine Kreidler immer mehr dem angestrebten Bild eines coolen Kleinkraftrades.

Auch wenn er alle Teile günstig gebraucht oder durch Tausch beschafft hatte, machte er nun eine neue Erfahrung: Nicht nur die Anschaffung eines motorisierten Untersatzes kostete Geld, sondern auch sein Unterhalt.

Besonders schmerzhaft machte sich dabei der Benzinpreis bemerkbar, der in diesem Jahr erstmals über die magische Grenze von einer Mark pro Liter stieg. Ohne den großzügigen Einsatz seiner Mutter, die ihm immer mal wieder etwas Geld zum Tanken zusteckte, wäre seine frisch gewonnene Freiheit sehr schnell wieder vorbei gewesen.

Endstation Sylt

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