Читать книгу Nonstop - Boris Herrmann - Страница 23

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Einmal wird er gefragt, ob ihn das nicht unnötig Energie koste. »Ich empfinde ja manchmal Einsamkeit«, erklärt er. Da tue es gut, mit anderen zu reden. Im Rennen sammele sich »eine ganze Menge Stress und Druck und innere Not. Und die loszuwerden, da hilft es, in die Kamera zu sprechen. Für mich ist die Kamera wie ein Freund, dem ich was erzähle.« Wenn man das als Pflicht sähe und versuche, immer gut auszusehen, würde er es wohl nicht machen. Aber er habe da eine grundsätzlich andere Haltung. »Ich denke nicht darüber nach, wie ich wahrgenommen werde. Ich erzähle einfach drauflos.«

Es gibt wenige Solosegler, die das so gut können wie der Deutsche. Alex Thomson zählt dazu, ein geborener Entertainer, auch seine Landsfrau Pip Hare. Die meisten anderen aber wirken weitaus uninspirierter, weniger eloquent, verschlossener – als erfüllten sie lediglich ein Pflicht.

»Er ist mit sich selbst im Reinen«, beobachtet Sidney Gavignet, ein namhafter Hochseesegler aus Frankreich, dem Land der Segel-Philosophen. Es ist wie ein Ritterschlag. Boris, sagt er bewundernd, spreche »wie ein Prinz des Meeres«.

Ein Paketangebot der Veranstalter für nahezu unbegrenzte Internet-Nutzung über Satellit kommt ihm dabei zugute. Herrmann ist auf dieser Vendée Globe »always on«. Er hat vor dem Start eine WhatsApp-Gruppe initiiert, in der die 33 Skipper untereinander kommunizieren können. Und er ist im eigenen Umfeld in einer Handvoll weiterer Gruppen aktiv, mit denen er ständig im Austausch steht. Nie hat sich ein Vendée-Skipper so umfassend über die Schulter und in die Seele schauen lassen.

Die Nähe, die Unmittelbarkeit findet in den Sozialen Medien enorme Verstärkung. Schon vor dem Start war Herrmann der Segler mit den meisten Instagram-, Twitter- und Facebook-Followern in Deutschland. Jetzt, wo er auf dem Meer und allein ist, vervielfacht er durch seine ungeschminkten Videoclips und Audio-Nachrichten die Reichweite noch. Weil daheim Lockdown herrscht, können sich auch segel-unkundige Fans in seine Isolation hineinversetzen. Und jeder, der segelt, bekommt plötzlich Anrufe aus dem Freundeskreis, die sich nur noch um die Vendée Globe drehen. Boris Herrmann wird zum Superstar, zum Sympathieträger.

BORIS, FLIEG!

Weil er sich im Rahmen seiner Kampagne auch für den Klimaschutz engagiert und mit seiner Frau Birte ein Schulprojekt entwickelt hat, das während des Rennens mehr als 20.000 Kindern weltweit die Bedeutung der Meere vermittelt, bietet er eine breite Projektionsfläche. Er ist dieser gutaussehende, allürenfreie Typ im rot-weißen Norwegerpulli, der in seinen Videos auch noch nach dem größten Schlamassel irgendwie Zuversicht verbreitet. Getragen von einer Welle der Zuneigung, hat er am Ende doch noch einen Lauf. Er, der Außenseiter, der Skipper mit einem der kleinsten Teams, mit einem knappen, allenfalls mittleren Budget, segelt in die Biskaya und kann das Ding noch gewinnen. Daheim in Hamburg textet Frank Schönfeld, der Segel- und Liedermacher, eigens einen Song um, der zur Hymne wird: Boris, flieg!. Am Abend vor der geplanten Zielankunft verheißt die letzte von wohl hundert Hochrechnungen: Platz eins ist theoretisch möglich, Platz zwei wahrscheinlich.

»Die letzten Meilen«, sagt Boris Herrmann in einer Sprachnachricht an seine Freunde. »Die Würfel sind gefallen, die Karten liegen auf dem Tisch. Es ist der aufregendste Moment, den ich mir vorstellen konnte, aufregender, als ich mir gewünscht hätte.« Er dämpft die Erwartungen, wohl auch die eigenen. Der fünfte Platz sei immer noch die realistischste Option, sagt er, und dass er hinterher von niemandem die Frage hören wolle, »warum wir nicht gewonnen haben«.

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