Читать книгу Der Perlmuttbaum - Bärbel Junker - Страница 8

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KRETOX UND IONT

Das Krachen und Bersten des zerspringenden Felsens ließ Kretox erschrocken aufspringen. „Was war das denn?“, zischte er. Mit dem Skorp im Schlepptau rannte er einen langen Korridor entlang. Staub und Lärm wiesen ihnen den Weg. „Wie ist denn das passiert?“, keuchte Kretox, als er den durch Felsen versperrten Mineneingang sah. „War das ein Erdrutsch, oder was?“ Und als der Skorp nur mit den Schultern zuckte: „Nur gut, dass es einen zweiten Ausgang gibt.“

„Wenn es ein Erdrutsch war, könnte noch mehr zerstört worden sein“, meinte der stiernackige Bruno. „Vielleicht sollten wir uns besser erst mal um die Gefangenen kümmern. Nicht, dass sie aus Versehen zu früh absaufen. Dann können wir den Elfenschatz nämlich vergessen. Ohne den Elf und die Frau finden wir das Elfenland nie. Ich hab gehört, die arbeiten da mit Magie. Die sind nicht so leicht kleinzukriegen wie die Bevölkerung von Kaffra.“

„Verdammter Mist!“, giftete Iont und rannte los. Die anderen hinterher.

In der Höhle blieb Kretox so abrupt stehen, dass der Skorp gegen ihn prallte. Wütend schnappten seine gefährlichen Kauwerkzeuge zu. Hätte Kretox nicht zufällig im selben Moment Kurt am Boden sitzen sehen und einen großen Schritt in seine Richtung gemacht, würde ihm jetzt wahrscheinlich ein Teil seiner Gliedmaßen fehlen. So bemerkte er jedoch nichts von Ionts Absicht und dessen höllische Kauwerkzeuge knallten über nichts als Luft knirschend zusammen.

„Zum Teufel, Kurt! Was ist denn mit dir passiert?“, keuchte Kretox und starrte entsetzt auf den leeren Ärmel und die Blutlache darunter. Dann sah er die leeren Pfähle im Wasser und die verkohlten Krebstiere. „Das glaub ich einfach nicht“, knurrte er.

„Das ist Zauberei!“, kreischte der Skorp. „Sie sind gefährlich, hab ich zu dir gesagt. Aber nein, du wolltest ja nicht hören, musstest ja deine blödsinnigen Spielchen spielen. Wie sollen wir denn jetzt die Elfenstadt mit ihren Schätzen finden? Und wovon willst du nun die Krieger bezahlen, die uns bei der Vernichtung der Sandokka helfen sollen?“, schrie er außer sich vor Wut.

„Meine Krieger und ich haben dir bei der Vernichtung deiner Feinde nur geholfen, damit du uns gegen die Sandokka hilfst. Ohne uns hättest du dieses verdammte Dorf am Rande der Todeswüste niemals auslöschen können. Ohne uns hätten sie dich und deine Leute am nächsten Baum aufgeknüpft, so wie die dich gehasst haben.

Wir wollen die Sandokka-Stadt und den „Fluss des Lebens“ und solltest du uns das durch deine bodenlose Dummheit verdorben haben, wird sich mein Volk an dir und deinen Männern rächen. Und was das heißt, vermagst du dir nicht einmal in deinen kühnsten Träumen vorzustellen“, zischte Iont und seine grässlichen Kauwerkzeuge knirschten vor mühsam unterdrücktem Zorn. Am liebsten hätte er diesen Idioten von einem Magier hier und jetzt aufgefressen. Magie! Pah! Der Blödkopf hatte doch keinen blassen Schimmer. Aber noch brauchte er ihn!

Kretox wich ängstlich vor dem Skorp zurück, denn im Grunde seines Herzens war er feige wie so viele großspurige Menschen. „Nun beruhige dich doch, Iont“, suchte er diesen zu besänftigen. „Natürlich helfen wir dir beim Kampf gegen die Sandokka, das ist doch gar keine Frage. Aber zuerst einmal sollten wir die Flüchtigen verfolgen. Weit können sie noch nicht gekommen sein.“

„Mein Arm. Ich verblute“, wimmerte Kurt. „Das Biest hat mir den Arm abgebissen, als ich die Gefangenen aufhalten wollte.“

„Was für ein Biest?“, knurrte Kretox. „Zum Teufel, wovon redest du eigentlich?“

„Eine riesige schwarze Pantherin. Der reinste Teufel, sage ich dir.“

„Das ist sie! Das ist sie!“, kreischte Iont und hüpfte wie ein Pingpongball auf und ab.

„Und wieso sind die ganzen Viecher tot?“, fragte Kretox, ohne den Skorp zu beachten.

„Das weiß ich auch nicht“, flüsterte Kurt.

„Das war die Pantherin“, keifte der Skorp. „Sie macht Feuerblitze mit ihren Augen. Große, große Magie! Sie verbrennt alles! Dich, mich, alles, alles!“, kreischte er völlig hysterisch.

„Das kann stimmen“, sagte Sappo, ein riesiger Schwarzer. „Rico hat sie auch gesehen, aber er dachte, er halluziniere, weil er schon wieder getrunken hatte.“

„Diese verfluchte Bestie!“, tobte der Skorp. „Ich töte sie! Ja, ich töte sie! Ich schneide ihr die Augen raus. Ich ziehe ihr das Fell ab. Ich schneide sie in tausend Stücke! Ich hasse sie! Ich hasse sie!“ Wie von Sinnen schmiss er sich hin und hämmerte mit den Zangen an Händen und Füßen so vehement auf den Boden ein, dass Gesteinssplitter durch die Gegend flogen.

Jetzt ist er völlig verrückt geworden, dachte Kretox.

„Weißt du sonst noch irgendwas?“, fragte er den Schwarzen.

„Na ja, Boss. Sie hat unsere Pferde fortgejagt“, und als ihn Kretox mordlustig anfunkelte: „Aber unsere Ersatzpferde hat sie glücklicherweise nicht entdeckt. Wir können sofort aufbrechen, wenn du willst.“

„Gut. Sag den Männern, in zehn Minuten geht es los“, befahl Kretox. „Wir holen sie uns zurück und dann geht es zu den Elfen und ihren Schätzen.“

„Ja, und danach löschen wir die Sandokka aus“, zischte der Skorp.

„Und was wird aus mir, Kretox?“, wimmerte Kurt. „Verdammt, ich brauche einen Arzt.“

„Und woher soll ich den nehmen? Tut mir leid, Kurt, aber ich kann nichts für dich tun. Vielleicht, wenn wir zurückkommen.“ Er drehte sich um und ging hinaus.

Samiras und ihre Gefährten waren leicht zu verfolgen, denn sie hatten in der Eile eine gut sichtbare Spur hinterlassen.

„Ich glaube, sie wollen zu dem versteinerten Baum“, sagte Kretox, der die Gegend so gut wie seine Westentasche kannte. „Ich kann mir nur nicht vorstellen, was sie dort wollen. Da ist weit und breit nichts. Nur ausgetrockneter Boden und Steine.“

„Wir müssten bald da sein“, meinte der Skorp. Kretox nickte. Schweigend ritten sie weiter. Plötzlich riss Kretox heftig an den Zügeln und brachte sein Pferd brutal zum Stehen.

„Verdammt, was ist das? Wo ist der versteinerte Baum?“, fluchte er.

Ja, wo war er? Dort, wo er einsam und allein gestanden hatte, dehnte sich jetzt bis zum Horizont dichter Wald aus.

„Woher kommen all die vielen scheußlichen Bäume?“, fragte Iont. „Neulich waren die aber noch nicht da.“

„Das weiß ich auch“, knurrte Kretox. „Was weiß ich, wo die plötzlich herkommen. Vielleicht hat die Frau was damit zu tun. Auf jeden Fall müssen wir da durch. Die Spur endet hier.“

„Ich mag keine Bäume“, knurrte der Skorp an Wüstensand und unendliche Weite gewöhnt.

„Was kümmert mich dein Elend“, murmelte Kretox und gab seinem Pferd die Sporen.

Sie ritten auf den Wald zu. Doch je näher sie kamen, desto abweisender wirkte er. Die gewaltigen Bäume schienen zusammenzurücken. Die mächtigen Äste senkten sich dem Boden entgegen und verflochten sich dort mit dem dichten Unterholz zu einer undurchdringlichen Barriere. Hier gab es kein Durchkommen. Der Wald wehrte die Verfolger ab und schützte Samiras und ihre Freunde vor der drohenden Gefahr.

„Wir könnten eine Schneise hindurchbrennen“, schlug einer der Männer vor. Er hatte es kaum ausgesprochen, da fegte ihn ein dicker Ast aus dem Sattel.

Und dann griff der Wald an!

Zweige und Äste schlugen so lange auf Kretox und seine Männer ein, bis diese die Flucht ergriffen und in respektvollem Abstand ihre Pferde zügelten.

„Der Wald ist verzaubert“, sagte Kretox. „Hier kommen wir nicht weiter. Wir müssen ihn umgehen und versuchen, ihre Spur wiederzufinden. Wir übernachten hier und reiten morgen früh weiter.“

„Kannst du nicht irgendwas machen?“, fragte der Schwarze. „Ich meine, mit deiner Magie.“

„Die hebe ich mir für Wichtigeres auf. Ich habe nicht vor, mich für so ein paar Bäume zu verausgaben“, erwiderte Kretox arrogant.

Von wegen Magie, dachte Iont gehässig. Du blöder Sack hast von Magie doch keine Ahnung. Warte nur, bis ich dich nicht mehr brauche, dann fresse ich dich mit deiner blöden, nicht vorhandenen Magie, du Spinner.

Der Perlmuttbaum

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