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DAS GESCHENK

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Der Immobilienmakler Jacob van Dyck klappte die Ledermappe zu, in die er soeben den mit dem Autohändler Stephan Heimbach geschlossenen Vertrag gelegt hatte. Endlich war er dieses Mietshaus in Eimsbüttel losgeworden, für das er schon viel zu lange einen Käufer suchte.

Aber jetzt hatte es ja geklappt. Er war zufrieden.

Gar nicht dumm von dem Mann. Dieser Heimbach war schlauer, als die vorherigen Interessenten, die nur an das Haus und nicht an die Lage des Grundstücks gedacht hatten, weil sie sofort Mieteinnahmen abschöpfen wollten.

Anfangs hatte er sich selbst für das Objekt interessiert. Aber dann war ihm der Aufwand zu groß gewesen, besonders zeitlich. Den Preis hätte er sicherlich noch drücken können, wenn er es gekauft hätte, denn der Verkäufer benötigte dringend Geld.

Aber so war es ihm lieber.

Vermutlich würde Heimbach das alte Gebäude abreißen und dafür ein modernes, mit schicken Eigentumswohnungen bauen lassen. Bei der günstigen Lage, würde ihm das einen satten Gewinn einbringen.

Aber um das zu realisieren, musste er die Mieter erstmal rauskriegen. Und das würde bei der derzeitigen Wohnungsknappheit nicht einfach sein. Allerdings hatte Heimbach auf ihn nicht den Eindruck eines besonders rücksichtsvollen Menschen gemacht, von Mitleid ganz zu schweigen.

Der Autohändler war eiskalt, er würde sein Vorhaben gegen jeden Widerstand durchziehen, da war sich van Dyck absolut sicher.

Aber das ging ihn nichts an.

Ihn interessierte einzig der Vertrag, den er endlich unter Dach und Fach gebracht hatte. Nur das war für ihn wichtig. Was mit den Mietern passierte, das war ihm sowieso egal. Sollten sie doch sehen, wo sie unterkamen. Seine Sorge war das nun wirklich nicht.

Er kassierte eine saftige Provision und nur das alleine zählte.

Deshalb hatte er ja auch vom Kauf dieses Objekts Abstand genommen. Er hatte keine Lust gehabt, sich mit den Mietern rumzuärgern. Unter Umständen vielleicht sogar noch zu prozessieren, was einen Baubeginn auf unbestimmte Zeit hinauszuzögern vermochte.

Nein, da gab es weitaus günstigere Möglichkeiten Gewinne zu erzielen. Zwar wünschte er es Heimbach nicht, aber der Ärger war vorprogrammiert. Und reichlichen Ärger würde es geben, das war doch sonnenklar.

Wahrscheinlich würde Heimbach versuchen, die Leute mit Geld aus ihren Wohnungen zu verscheuchen. Sollte das jedoch nicht gelingen, würde er wohl zu Drohungen, vielleicht auch zu gewalttätigen Maßnahmen greifen. Heimbach ging es um Profit, was van Dyck sehr gut nachempfinden konnte.

Eine andere Möglichkeit konnte sein, das Haus abzufackeln, zuzutrauen wäre es Heimbach. Diese Autohändler waren doch alle Schlitzohren.

Wenn dieser es geschickt anstellte, und das würde er mit Sicherheit, dann konnte er bei einem solchen Vorgehen unter Umständen sogar noch die Versicherungssumme kassieren.

Sehr clever, dachte van Dyck, obwohl mir das ganze Theater zu aufwendig wäre. Das Elend und die Verzweiflung der Mieter, die alles verlieren würden, interessierten einen so gewissenlosen Egoisten wie den Immobilienmakler natürlich nicht.

Van Dyck stand auf und begab sich zum Safe, um die Mappe hineinzulegen. Danach musste er noch die Post durcharbeiten, die ihm seine Sekretärin auf den Schreibtisch gelegt hatte. Sie hatte sich den Nachmittag frei genommen, um Überstunden abzubummeln, die sich in letzter Zeit angesammelt hatten.

Er ging zurück zu seinem ausladenden Schreibtisch und setzte sich. Seufzend zog er den dicken Poststapel zu sich heran. Obenauf lag ein kleines, in dunkelblaues Papier eingewickeltes Päckchen, das ihm bisher noch nicht aufgefallen war.

„Nanu, ein Geschenk?“, murmelte van Dyck überrascht. Er legte es vor sich hin und musterte es skeptisch. Da es nicht frankiert war, konnte es nicht durch die Post zugestellt worden sein.

„Aber wer hat es dann gebracht?“, murmelte der Immobilienmakler unbehaglich. Da heutzutage ständig irgendwelche Anschläge auf Firmen und unbescholtene Bürger verübt wurden, konnte man nicht vorsichtig genug sein, um seine Gesundheit und sein Leben zu schützen.

Misstrauisch betrachtete er das Päckchen von allen Seiten.

Sollte er es öffnen?

Aber was, wenn es Gift oder Sprengstoff enthielt?

Zu dumm, dass seine Sekretärin bereits gegangen war, sonst hätte sie das Päckchen öffnen können, während er sich vorsorglich mit einer Ausrede zurückgezogen hätte, um sicher vor einem eventuellen Anschlag zu sein.

Aber sie war leider nicht mehr da, also musste er eine Entscheidung treffen.

Aufmachen oder bis morgen warten?

Er griff zur Schere. Denn Neugier war Jacob van Dycks Schwäche.

Er entfernte das Papier. Darunter kam ein braunes, zugeklebtes Kästchen zum Vorschein. Van Dyck musterte es skeptisch.

Aber er war kein Feigling.

Entschlossen griff er zur Schere und schnitt das Klebeband durch. Vorsichtig öffnete er das kleine Pappkästchen und nahm den darin befindlichen Gegenstand heraus.

„Was ist denn das?“, murmelte er. Verwundert betrachtete er das schwarze Replikat eines antiquierten Telefons. Mit gerunzelter Stirn las er die beigefügte schmale Karte:

ERINNERE DICH!

„Hübsch, aber was soll ich damit?

Und an was soll ich mich erinnern?“

Er starrte das winzige Telefon an, das ihm irgendwie bekannt vorkam. Irgendwo hatte er ein solches Telefon schon einmal gesehen, allerdings in normaler Größe.

Aber wo?

Da kündigte sich eine lang vergessene Erinnerung an, eine unwillkommene düstere Erinnerung, die er sofort wieder verwarf.

Nein, das war nicht möglich.

Das war doch schon ewig lange her!

Das Klingeln seines Telefons lenkte ihn ab. Er nahm den Anruf entgegen.

Spreche ich mit Jacob van Dyck?“, fragte eine dumpfe Stimme.

„Ja, so ist es. Was kann ich für Sie tun?“, fragte van Dyck beflissen, denn es konnte ja ein einträglicher, Profit versprechender Kunde sein.

Hast du mein Päckchen erhalten?“

„Sprechen Sie von dem kleinen Telefon?“

So ist es.“

„Ja, ich habe es erhalten. Und was soll ich damit?“

Es soll dir helfen, dich zu erinnern.

Ich werde ab jetzt stets in deiner Nähe sein. So lange, bis du deine Schuld bereust und es an der Zeit ist, dein Leben zu beenden. Aber zuerst ruiniere ich dich“, versprach der Anrufer und legte auf.

Der Immobilienmakler, der den Hörer noch immer an sein Ohr presste, vermochte es kaum zu glauben, als er endlich den Sinn dieses seltsamen Anrufs begriff.

Langsam legte er den Hörer auf.

Er wurde bedroht!

War denn das zu fassen? Wer maßte sich eine derartige Unverfrorenheit an?

Und was sollte dieses läppische Geschenk?

An was sollte es ihn erinnern?

„Was zum Teufel, soll dieser verdammte Scheiß?“, knurrte er wütend. „Wer wagt es, mich, Jacob van Dyck, zu bedrohen? Ich mach den Kerl platt, sollte ich ihn jemals in die Finger kriegen. Dieser verdammte Bastard wird mich kennenlernen“, ließ er seiner Wut freien Lauf.

Er griff nach dem Replikat und warf es in den Papierkorb. Doch dann holte er es wieder heraus und stellte es auf seinen Schreibtisch. Warum er das tat, wusste er nicht. Irgendwie erschien es ihm richtig.

Seine Wut war verraucht. Dann war er jedoch am gefährlichsten. Jetzt dachte er konzentriert nach, versuchte herauszufinden, wer der Anrufer sein könnte. Feinde hatte er genug. Das brachte schon sein Beruf mit sich.

Aber noch nie hatte es jemand gewagt, ihn so massiv zu bedrohen!

Er musste schnellstens herausfinden, wer dahintersteckte. Das war wichtig, damit er seine oftmals nicht ganz sauberen Geschäfte weiterhin ungestört fortführen konnte.

Mit einem unbekannten Feind im Nacken war das nicht gerade ratsam. Doch über kurz oder lang würde der Anrufer hoffentlich einen Fehler begehen und seine Identität verraten.

Und dann würde er zur Stelle sein!

Bis dahin jedoch hieß es wachsam sein und auf seinen unbekannten Widersacher zu warten.

Jacob van Dyck war ein skrupelloser, gewinnorientierter Mann, der sein komfortables Leben überaus genoss. Geld war sein Lebenselixier. Er trennte sich außerordentlich schwer davon und auch nur dann, wenn es nicht anders ging und Profit versprach.

Und er hasste es, sein Geld mit jemandem zu teilen. Deshalb hatte er auch nie geheiratet. Eine Ehefrau war ein Luxus, auf den er gut verzichten konnte. Sie kostete viel zu viel und brachte seiner Überzeugung nach nichts oder zu wenig ein.

Außerdem liebte er seine Freiheit, denn eine Ehe engte einen Mann ein. Einen Vorteil für sich sah er in einer derartigen Verbindung nicht. Also genoss er sein Junggesellenleben.

Und wenn er Lust auf Sex verspürte, dann bezahlte er lieber dafür. Das war preiswerter und außerdem auch abwechslungsreicher, als ständig für ein und dieselbe Frau zu sorgen und auch noch sein schwer verdientes Geld für sie auszugeben.

Der Immobilienmakler war fast zwei Meter groß und stämmig ohne fett zu sein. Er hatte ein hartes, kantiges Gesicht, der Blick seiner hellblauen Augen war stechend. Sein dunkelblondes Haar hielt ein Messerhaarschnitt in Form.

Er bevorzugte teure Garderobe, mit besonderer Vorliebe die von Armani, was seinem Hang zum Luxus entsprach, denn ihn verlangte es stets nur nach dem Allerbesten egal, um was es sich dabei handelte.

Ja, der Immobilienmakler war ein äußerst anspruchsvoller Mann, der auf nicht so gut situierte Mitbürger voller Verachtung herabsah und sie mied.

Vom Charakter her war Jacob van Dyck ein ungeduldiger, zum Jähzorn neigender, gewalttätiger, von seiner Unbesiegbarkeit überzeugter Mann, der keinem Streit aus dem Weg ging.

Und er war ein ernstzunehmender, nachtragender und dabei absolut skrupelloser Gegner. Man tat gut daran, sich ihn nicht zum Feind zu machen wie manch einer seiner Geschäftskollegen und Kunden bitter hatte erfahren müssen.

Schwächen erlaubte sich ein Mann wie van Dyck eigentlich nicht. Trotzdem besaß er eine, nämlich seine unermessliche, kaum zu bezwingende Geldgier, die ihn hin und wieder berechenbar machte.

Aber wehe dem der es wagte, ihn zu übervorteilen!

Der Immobilienmakler verstand es sich zu rächen, denn das Wörtchen Skrupel war ein Fremdwort für diesen hundertprozentig von sich und seinen Fähigkeiten überzeugten Mann.

Späte Rache

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