Читать книгу Mensch, Oma! - Bärbel Kempf-Luley - Страница 6
FAHRRAD FAHREN
Оглавление»Mensch, Oma! Wackel doch nicht so!«, klagt Nora. Sie sitzt im Kindersitz auf Omas Fahrrad. Das schwankt bedenklich hin und her. Nora klammert sich an Omas Rücken.
»Ich wackel ja gar nicht«, verteidigt sich Oma. »Das Fahrrad wackelt. Ich glaub, du bist allmählich zu schwer.«
»Bin gar nicht schwer!«, ruft es hinter Omas Rücken empört.
»Glaub, das wird nix«, murmelt Oma. Sie seufzt. »Nora, wir kehren um. Lass uns zu Fuß gehen.«
»Ich will aber mit dir Fahrrad fahren!«, trompetet es vom Kindersitz.
»Ich will auch mit dir Fahrrad fahren, Nora. Aber das Gewackel macht mir Angst. Dauernd denke ich, wir fallen um.«
Einen Moment sind beide still. Und ratlos. Nora blickt prüfend in Omas Gesicht und begreift, dass Oma besorgt ist.
»Ich will aber mit dir Fahrrad fahren, Oma«, schnieft sie noch einmal. Ganz leise. Und nicht mehr ganz so überzeugt. Denn eigentlich, wenn sie ehrlich ist, ist ihr das Gewackel auch nicht geheuer. Und wenn schon die Oma so ängstlich ist. Es ist plötzlich gar nicht mehr schön auf dem Fahrrad.
»Blödes Wackelfahrrad«, schimpft Nora.
Oma nickt. »Ja, blödes Wackelfahrrad«, stimmt sie zu. Sie betrachtet ihr Fahrrad, den Kindersitz, Nora. Eine Idee schleicht sich heran. Nora ist still, und sie ist sehr gespannt. Denn wenn die Oma so schaut, mit gerunzelter Stirn und krauser Nase, dann denkt sie nach.
»Ich habe eine Idee«, sagt sie schließlich.
»Eine gute Idee, Oma?«
»Glaub schon.«
»Was für eine Idee?«
»Sag ich dir noch nicht. Ich muss noch ein bisschen nachdenken.«
Nora will schon protestieren, aber etwas sagt ihr, dass es diesmal besser ist, still zu sein. Omas Gesicht sagt ihr das. Die schiebt das Fahrrad eine Weile. Ein bisschen muss sie noch mit sich ringen. Ob sie sich sicher ist, dass sie eine gute Idee hat. Aber so muss es wohl sein. Da werden ihre Schritte energisch und sie sagt: »Ja, so machen wir es.«
»Was machen wir, Oma?«
»Das wirst du schon sehen. Jetzt fahren wir noch einmal mit dem Wackelfahrrad. Ein kleines Stück.«
Nora nickt stumm. Und vielleicht liegt es daran, dass die Oma eine gute Idee hat, oder daran, dass sie plötzlich so entschlossen ist. Jedenfalls wackelt das Fahrrad dieses Mal fast kein bisschen. Fast.
Dann halten sie an. Vor einem Haus mit zwei großen Schaufenstern. Durch die Scheiben sieht man Fahrräder. Große Fahrräder, kleine Fahrräder, Fahrräder in allen Farben. Nora staunt.
»Wir kaufen dir jetzt ein Fahrrad. Ein Laufrad. Dann kannst du selbst fahren, aber wir können trotzdem zusammen fahren.«
Nora strahlt. »Mensch, Oma, das ist eine gute Idee!«
Oma brummelt: »Ja, hoffentlich.« Ein bisschen zweifelt sie noch. Ein bisschen hat sie ein schlechtes Gewissen. Sie weiß bereits, welches Rad für Nora ist. Es ist ein kleines blaues Laufrad. Gelbe Griffe hat es. Und eine Klingel. Aber es hat auch ein kleines Schildchen umhängen. Und sosehr Oma sich wünscht, es stünde »Für Nora« darauf, ist es doch ein Preisschild. Sie schluckt. Es ist ja nicht Weihnachten. Und auch nicht Geburtstag. Nicht mal Ostern. Eigentlich gibt es keinen Grund für eine solche Ausgabe. Außer zweien, die gerne zusammen Fahrrad fahren wollen.
Da gibt sie sich einen Ruck und wird immer sicherer, dass das ein guter Grund ist.
Im Geschäft fragt eine nette ältere Dame, ob sie helfen kann. Das kann sie. Oma zeigt auf das Laufrad im Fenster.
»Das Laufrad dort möchten wir.«
»Gerne«, antwortet die nette Dame. Sie zwängt sich zwischen einigen anderen Rädern hindurch und holt das Wunschrad hervor. Sie zeigt, wie es auf die richtige Höhe einzustellen ist, erklärt die Bremsen und dies und das, dann schlägt sie vor, dass Nora es mal ausprobieren soll. Die ist ganz aufgeregt, und vor lauter Aufregung zappelt sie so, dass das Laufrad ordentlich wackelt.
»Mensch, Nora. Wackel doch nicht so«, ruft Oma.
»Ich wackel gar nicht. Guck mal, Oma, wie ich fahren kann!«, ruft Nora begeistert.
Oma nickt.
Zwar ist Nora längst Besitzerin des kleinen blauen Laufrades, bezahlt werden muss es aber trotzdem noch. Das tut die Oma jetzt.
Nora winkt der netten Dame eifrig zum Abschied, und dann steigen Nora und Oma auf ihre Räder. Sie fahren in einem weiten Bogen, auf ruhigen Nebenwegen zurück nach Hause. Und Nora saust auf ihrem Laufrad, als hätte sie nie etwas anderes getan.
»Mensch, Nora!«, ruft Oma. »Nicht so schnell!«
Doch die fährt und fährt. Und Oma hinterher. Ganz ohne zu wackeln.