Читать книгу Der fünfte Beatle erzählt - Die Autobiografie - Brian Epstein - Страница 7

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Am 7. Februar 1964 eroberte eine Gruppe junger Musiker, die Noten weder lesen noch schreiben konnten, die Vereinigten Staaten von Amerika. Und da das Herz der Popmusik nun einmal in den USA schlägt, regierten die Beatles ab sofort die Welt des Pop.

Jetzt, im Mai dieses Jahres, haben sie sich zu einem weltweiten Phänomen entwickelt, wie man es noch nie erlebt hat und wohl auch nie wieder erleben wird. Wenn es je einen Wendepunkt in ihrer Karriere gab, ein besonderes Datum, das für ihre Entwicklung und ihre Zukunft von entscheidender Bedeutung war, dann war es ganz sicher jener Tag, an dem ihr Pan-American-Clipper am John F. Kennedy Airport von New York aufsetzte und ihnen ein Empfang zuteil wurde, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hatte.

Welche Aufregung und Dramatik sich an diesem Tag abspielte und wie groß das Interesse an der Ankunft dieser vier langhaarigen Jungs auf amerikanischem Boden war, hatte niemand vorausahnen können – ich zumindest nicht, obwohl ich stets mit unerschütterlichem Optimismus an die Band geglaubt hatte.

Angefangen hatte der ganze Irrsinn an einem Abend Anfang Februar in Paris, als uns ein Telegramm aus New York erreichte, das die schlichte Nachricht übermittelte: „Beatles mit ‚I Want To Hold Your Hand‘ Nummer 1 der Cashbox Record Charts, New York“. Wir konnten es gar nicht glauben. Jahrelang hatten die Beatles wie alle anderen britischen Künstler mit einem leichten Anflug von Neid aus der Ferne auf die amerikanischen Charts geschielt. Die dortigen Hitlisten stellten etwas Unerreichbares dar. Nur Musiker aus dem eigenen Land fanden in den USA Berücksichtigung. Allerdings war mir damals schon klar: Wenn es je eine Platte geben würde, die sich in den USA verkaufen und den Beatles den Weg zum Erfolg ebnen konnte, dann war das „I Want To Hold Your Hand“.

Während der ganzen bisherigen Beatles-Karriere war es stets so gewesen, dass wir immer wieder eine neue Stufe der Erfolgsleiter erklommen hatten, die uns zuvor als größtes und höchstes Ziel erschienen war. Zuerst, 1962, war das der Plattenvertrag mit EMI. Das war damals für uns das Größte, was überhaupt geschehen konnte. Dann kam der Erfolg ihrer ersten Langspielplatte – der nächste Riesenschritt, bis sich herausstellte, dass das lediglich der Anfang war. Das folgende größte Ding war der Nummer-1-Erfolg von „Please Please Me“. Damals waren wir überzeugt, dass es überhaupt nichts Wichtigeres oder Dramatischeres oder Aufregenderes geben konnte, als Nummer 1 in den britischen Charts zu sein. Doch dann ging es immer weiter und weiter, und bei einer Band von der Qualität der Beatles war klar, dass es nicht nur weiter voran ging, sondern auch immer weiter nach oben. Der nächste Meilenstein, den wir erreichten, war der Auftritt bei Saturday Night At The London Palladium, einer Top-Fernsehshow in England.

Was sollte da noch kommen? Tja, im November 1963 wurden die Beatles eingeladen, bei der Royal Variety Show vor der Königinmutter zu spielen. Wieder ein neuer Höhepunkt …

Nachdem wir all das erreicht hatten, hätte man glauben können, dass es für die Band keine großen Ziele mehr geben konnte. Amerika erschien immer viel zu groß, zu endlos, zu weit entfernt und überhaupt zu amerikanisch. Als wir von dem Nummer-1-Hit bei Cashbox erfuhren, sagte ich zu John Lennon: „Ein größeres Ding als diese Nachricht kann es überhaupt nicht geben.“ Um dann eingedenk der bisherigen Geschehnisse zögernd hinzuzusetzen: „Oder?“

Ein Journalist, der in der Nähe saß und unserem Gespräch lauschte, so wie Journalisten das eben tun, sagte daraufhin: „Na ja, die Carnegie Hall wäre bestimmt ein ziemlich großes Ding.“ Und obwohl wir ja gerade erfahren hatten, dass wir im Begriff standen, uns in Amerika einen Namen zu machen, schüttelten wir die Köpfe: Die Carnegie Hall war ja nun wirklich die größte Konzertbühne der Welt, die noch dazu, soweit wir wussten, nur sehr selten ihre Tore für Popmusiker öffnete.

Aber am Mittwoch, dem 12. Februar 1964, spielten die Beatles als Headliner in dieser riesigen Halle. Ein paar Tage zuvor hatte ich aufgrund anderer Verpflichtungen sogar ein Angebot für einen Beatles-Auftritt im Madison Square Garden in New York ablehnen müssen, der uns mehrere tausend Pfund eingebracht hätte! Wir lebten in einem Zustand ständiger, irrwitziger Aufregung, die uns alle völlig aus der Bahn warf, nur die bodenständigen Beatles nicht, die alles mit großer Gelassenheit nahmen.

Die Operation USA begann für mich im November 1963. Die Beat­les haben mir schon immer gern alles überlassen, was mit Zeitplänen, Organisation, Zielvorgaben und Entwicklungen zu tun hat – zum einen, weil sie mir vertrauen, und zum anderen, weil sie wissen, dass ich sie immer fragen würde, wenn eine wichtige Entscheidung ansteht: Ich vertraue stark auf ihr unfehlbares Gespür und bin stets gespannt auf ihre Reaktionen.

Im November flog ich mit Billy J. Kramer, einem sehr erfolgreichen britischen Sänger, den ich in Liverpool unter Vertrag genommen hatte, nach New York. Zwar ging es bei dieser Reise in erster Linie darum, Billy zu promoten, aber ich wollte auch herausfinden, wieso die Beatles, die das Größte waren, was die britische Pop-Welt je gesehen hatte, in Amerika „nicht durchstarteten“.

Wie gesagt, ich hatte nicht erwartet, dass sie sofort als britische Antwort auf Frank Sinatra gehandelt werden würden, aber ich hatte doch gedacht, dass sie zumindest einen kleinen Eindruck auf dem amerikanischen Markt hinterlassen würden, schon allein wegen ihres unbestreitbaren Charmes und Talents. Schließlich weiß man in Amerika stets zu würdigen, wenn jemand etwas wirklich kann.

Der Trip mit Billy J. Kramer kostete mich zweitausend Pfund, weil ich ein extrem gutes Hotel buchte, und wir ließen es uns auch demonstrativ gut gehen, um den Amerikanern den Eindruck zu vermitteln, dass wir Leute von Einfluss und Bedeutung waren. Dabei waren wir zwei ganz normale Reisende – niemand kannte mich, und ich kannte auch niemanden, von drei Kontakten abgesehen, deren Namen in meinem Notizbuch standen.

Es war wie 1962 in London, und genau wie damals fing ich damit an, die einschlägigen Adressen abzuklappern und die Runde bei den Leuten vom Fernsehen und den Plattenfirmen zu machen. Während zu Hause in England die Beatles gerade richtig durchstarteten, wurde ich in Übersee bei dem Label Vee-Jay vorstellig [auf dem in den USA bereits die Single „Please Please Me“ und mit dem Album Introducing … The Beatles eine gekürzte Version der ersten offiziellen, gleichnamigen Beatles-LP erschienen war, Anm. d. Ü.].

Kurz zuvor hatten die Beatles-Auftritte im Palladium und bei der Royal Variety Show endlich das Interesse der britischen Presse geweckt, die nun zunehmend über ein Phänomen berichtete, das Beatlemania genannt wurde. Nun drangen die ersten Informationen darüber bis nach New York und wurden von den amerikanischen Medien aufgenommen. Nach dem, was ich hörte, stand es schon so gut wie fest, dass die nächste Beatles-Platte nun doch auf Capitol erscheinen würde, auch wenn die bisherigen Veröffentlichungen auf anderen Labels in den USA keinen Erfolg gehabt hatten.

Dennoch ging ich zu Vee-Jay, weil sie für den jungen Erfolgssänger Frank Ifield eine Menge getan hatten. Aber auch Ifield hatte es in den USA nur zu recht begrenzter Bekanntheit gebracht – und so ging es allen britischen Künstlern seit dem Zweiten Weltkrieg. In letzter Konsequenz hatten die Amerikaner an den britischen Popstars dann doch immer irgendetwas auszusetzen. Sie waren der Meinung: Die Briten mochten noch so gut sein, aber wenn sich ein Amerikaner richtig Mühe gab, dann würde er es immer besser machen können.

Bei meinen Recherchen in New York stellte ich fest, dass es ohne Frage einen typisch amerikanischen Sound gab, der dem Publikum hier zusagte. Wenn man ein gewisses Gespür für diese Dinge hat – und in aller Bescheidenheit glaube ich, das habe ich – dann merkt man so etwas. Einen britischen Hit erkenne ich alle Mal, und im November entwickelte ich ein Gefühl dafür, wie sich ein amerikanischer Hit anhören musste. Dieses ganz spezielle Feeling steckte in „I Want To Hold Your Hand“, da war ich mir sicher. Die Platte würde ganz bestimmt ein Erfolg in den USA werden, wenn vielleicht auch nur ein kleiner.

Aber dennoch sah ich mich bei anderen Firmen um, denn eines hatte ich gelernt: Verlass dich niemals auf nur eine Vertriebsmöglichkeit. Ich lernte Walter Hofer kennen, der seitdem als mein Anwalt in den USA fungiert, aber es geschah noch etwas anderes, was zumindest für den visuellen Durchbruch der Beatles noch entscheidender sein sollte: Ich traf mich mit Ed Sullivan.

Schon fast sofort nach meiner Ankunft in New York hatte sich Sullivans Sender CBS bei mir gemeldet, und wir konnten einen Termin vereinbaren. Tatsächlich kontaktierte mich noch am gleichen Tag ein führender britischer Promoter und bot mir an, die Beatles in der Ed Sullivan Show unterzubringen, aber das lehnte ich ab. Mir ist es lieber, solche Geschäfte direkt zu tätigen, ohne Mittelsmänner; eine Maxime, die sich bewährt hat.

Sullivan und ich trafen uns schließlich in seinem New Yorker Hotel, und ich lernte ihn als einen sehr zugänglichen, aufgeschlossenen Menschen kennen. Nach langer Diskussion einigten wir uns darauf, dass die Beatles in drei Ed Sullivan Shows auftreten sollten, und außerdem vereinbarten wir zwei Auftritte für Gerry And The Pacemakers. Es war der Beginn einer guten Geschäftsbeziehung, aber wir mögen uns auch privat.

Allerdings gab es bei den Deals mit Sullivan noch einige vertragliche Klippen, die wir umschiffen mussten, und es dauerte vier Tage, bis die Angelegenheit in trockenen Tüchern war. Ich bestand darauf, dass die Beatles in jeder der drei Shows als Topstars präsentiert werden sollten. Sullivan sah das nicht recht ein; er spürte zwar, dass die Band von einiger Bedeutung war oder es zumindest bald sein würde, aber dass sie das Größte auf der ganzen Welt sein sollte, das kaufte er mir doch nicht ab. Sein Produzent – inzwischen ein guter Freund von uns beiden – verriet mir später, dass er Sullivan gesagt hatte, eine Top-Platzierung sei „Blödsinn“. Schließlich sei es eine Ewigkeit her, dass eine Pop-Band in den USA wirklich große Erfolge gefeiert hatte, und eine englische schon mal gar nicht.

Aber irgendwie gelang es mir doch, mich durchzusetzen, und ich brachte die entsprechenden Verträge mit nach England.

Nach meiner Rückkehr berichtete ich den Beatles begeistert und aufgeregt von den neuen Entwicklungen. Sie freuten sich vor allem darüber, dass eine der gebuchten Shows im Deauville Hotel in Miami stattfinden sollte und sie daher sicher die Möglichkeit haben würden, ein paar Tage Sonne zu tanken. Tatsächlich waren zunächst ein paar freie Tage in Florida geplant, aber bei ihrer Ankunft in den USA kamen die Dinge dermaßen in Fahrt, dass ich kurzfristig doch noch einem Konzert in der Carnegie Hall und einem weiteren in einer großen Halle in Washington zustimmte, und so fiel der geplante Urlaub am Ende recht kurz aus.

Am 7. Februar landeten die Beatles am Kennedy International Airport, und zehntausend Fans bereiteten ihnen einen sensationellen Empfang.

Während wir darauf warteten, dass die übrigen Fluggäste die Maschine verließen und die vier Beatles das erste Mal einen Fuß auf amerikanischen Boden setzten, brach diese unglaubliche Menschenmenge in wildes Kreischen und Applaudieren aus. Es schien, als sei das ganze Flughafengebäude voller Menschen, und es war einer der aufregendsten und erinnerungswürdigsten Augenblicke in meinem ganzen Leben. Nie zuvor hatte ich irgendwo auf der Welt so viele Fotografen aufgereiht warten sehen, und auch seitdem nicht wieder, außer vielleicht an dem Tag, als die Beatles von der Amerika-Tournee nach England zurückkehrten.

Doch nun folgten uns die Menschenaufläufe, wilde Demonstrationen und dieser phantastische Fan-Gesang „We love you Beatles“ von New York nach Washington. Vor dem Plaza Hotel in New York wogte ein Meer aus Gesichtern. Jede Minute riefen amerikanische DJs an, und die Beatles standen vor Begeisterung und Verblüffung völlig neben sich. Ich hatte eine Suite im zwölften Stock gebucht, und mir schien, als sei der ganze Raum schon in dem Augenblick, da ich eintrat, voller Menschen, die verkaufen und kaufen und mit mir und meinen Beatles Geschäfte machen wollten.

Das war das erste Mal, dass ich diesen telefonischen Ansturm erlebte, der inzwischen in jedem Hotel, in das ich einchecke, Usus ist, wenn ich mit den Beatles unterwegs bin.

Nachdem das Radiointeresse an den Beatles in den USA schon völlig hysterisch und dem Alter der jeweiligen Moderatoren gar nicht recht angemessen schien, verhielt es sich mit der Presse nicht viel anders. In seriösen Zeitungen und Magazinen wurden seitenlange Artikel gedruckt, und Starautoren machten sich daran, den Impuls hinter dem enormen Beatles-Erfolgs genauestens zu erforschen. In der Saturday Evening Post schrieb Vance Packard: „Die Beatles geben sich wohl beraten von Mr. Epstein alle Mühe, die unterbewussten Bedürfnisse von Teenagern anzusprechen. Durch ihr neues Styling sind sie nun keine rauen Burschen mehr, sondern liebenswerte, beinahe knuddelige Kerlchen. Mit ihren kragenlosen Jacken und dem jungenhaften Lächeln ist es ihnen gelungen, in vielen heranwachsenden Mädchen mütterliche Instinkte zu wecken.

Das unterbewusste Bedürfnis, das sie so geschickt bedienen, liegt darin, den heranwachsenden Mädchen einen Weg aus der Realität zu zeigen. In der Dunkelheit im Publikum können sie auf ganz primitive Weise alle Hemmungen ablegen, wenn die Beatles auf der Bühne ihre Musik entfesseln. Sie können sich lösen von der Vernunft und Individualität. Dann greift die Pathologie des Mobs um sich, und für einen Augenblick sehen sich die jungen Frauen von den einengenden Konventionen der Zivilisation befreit.

Die Beatles haben ein besonders Geschick darin entwickelt, den jungen Mädchen diese Fluchtmöglichkeit zu eröffnen. Ihre entspannte, selbstsichere Art, ihr wildes Auftreten, ihr Schreien und Herumspringen und der elektrisch verstärkte Rock’n’Roll, der pulsierend in die Dunkelheit hinausdringt, all das bringt die Mädchen dazu, ebenfalls herumspringen und schreien zu wollen. Die etwas Empfindsameren fallen schnell in Ohnmacht oder verfallen in hysterische Zuckungen. (Ein Grund dafür, weshalb die totalitären Führer Russlands nichts von Rock’n’Roll und Jazz halten, liegt darin, dass diese Musikformen den Menschen eine Möglichkeit bieten, für einen kurzen Augenblick alle Kontrolle fahren zu lassen.)“

In derselben Ausgabe beschrieb der bärtige, engagierte Alfred Aronowitz, der die Beatles von New York nach Miami begleitete, seine ersten Eindrücke: „Zu einer Fanfare aus Kreischen erschienen vier junge Briten in Anzugjacken. Einer war etwas kurz geraten und hatte dicke Lippen. Ein anderer war gut aussehend und hatte Pfirsichhaut. Der dritte hatte ein eher grobes Gesicht und leichte Hasenzähne. Beim vierten sah man, dass er den Pubertätspickeln noch nicht allzu lange entwachsen war. Sie hießen Ringo Starr, Paul McCartney, John Lennon und George Harrison, aber abgesehen von den genannten Eigenschaften waren sie unter ihren langen Haarmähnen kaum voneinander zu unterscheiden.“

Weiter hieß es in seinem Artikel: „Capitol Records, die eine Option auf alle EMI-Erzeugnisse haben, lehnten es ursprünglich ab, die Beatles-Platten in den USA zu veröffentlichen. Seit jedoch diese Erfolgswelle losbrach, hat man nicht nur schnell die Platten auf den Markt gebracht, sondern sogar fünfzigtausend Dollar für eine Werbekampagne spendiert. ‚Sicher ist jede Menge heiße Luft dabei‘, erklärte Voyle Gilmore, der stellvertretende Geschäftsführer von Capitol, ‚aber wenn man ein schlechtes Produkt hat, nützt einem auch die ganze heiße Luft der Welt nichts.‘

Die besagte heiße Luft half jedoch maßgeblich, die Begeisterung der vielen Tausend Fans anzufachen, die am Kennedy Airport auf die Beatles warteten. Vor dem Hotel drängte sich die Menge vor eigens errichteten Barrikaden und skandierte: ‚Wir wollen die Beatles! Wir wollen die Beatles!‘ Einem Zimmermädchen zufolge fanden die Musiker drei Mädchen, die sich in ihrer Badewanne versteckt hatten. Dutzende weitere kletterten die Feuertreppe zu dem Gebäudetrakt im zwölften Stock empor, in dem die Entourage der Band untergebracht war. Andere wiederum, die aus wohlhabenden Familien stammten und über entsprechende Scheckbücher verfügten, buchten sich selbst Zimmer im Hotel und versuchten den Beatles im Fahrstuhl aufzulauern.

Die Beatles ruhten sich derweil in ihrer Suite im zwölften Stock aus, während die Telefone unablässig klingelten und nach Interviews und Autogrammen gefragt wurde. Ein Mann rief an, der Beatles-Aschenbecher produzieren wollte, und ein Promoter aus Hawaii wollte die Beatles für ein Konzert buchen. Es gingen zahllose Telegramme ein, und ganze Kartons voller Fan-Post.“

Meine neue amerikanische Sekretärin und ich versuchten, dem unbeschreiblichen Interesse irgendwie zu begegnen, das via Telegramm, Telefon oder auch persönlich zu uns in Hotel drang. Ich konnte gar nicht glauben, was um mich herum passierte. Inzwischen gehört es zum Alltag, aber damals erschien es, als sei die ganze Beatles-Sache beinahe völlig außer Kontrolle geraten.

Es war unmöglich, sich wirklich detailliert um jede einzelne Anfrage zu kümmern, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Die ganze Welt will die Beatles, das kann man ohne Übertreibung sagen. Und in Amerika schien es, als wollte jeder Amerikaner die Band. Es war wundervoll aufregend; gleichzeitig war der Druck enorm.

Am Dienstag nach der Ed Sullivan Show fuhren die Beatles mit dem Zug nach Washington, wo ein Auftritt vor achttausend Menschen geplant war. Sie hatten eigentlich fliegen wollen, und das nicht, weil ihnen das Spaß macht, sondern weil es die einzige Möglichkeit ist, um Zeit zu sparen. Aber dann brach ein schwerer Schneesturm los, und aufgrund der Wetterverhältnisse wurde der Flug abgesagt. Daraufhin kam es zu einer sehr beängstigenden Fahrt zum Bahnhof, bei der sich die Band durch hysterische Menschenmengen hindurchkämpfen musste; anschließend versuchten die vier, sich auf dem Weg zu ihrem – und meinem – ersten Besuch der amerikanischen Hauptstadt im Zug ein wenig zu entspannen.

Ich freute mich sehr auf Washington, weil ich hoffte, nach dem sehr jetztzeitigen Beatles-Tumult in New York ein wenig amerikanische Geschichte einsaugen zu können. Wie sich herausstellte, hatten aber weder die Beatles noch ich viel Gelegenheit, etwas von der Stadt zu sehen, denn hier ging es noch wilder zu als in New York, falls das überhaupt möglich war. In der Britischen Botschaft gab Botschafter Sir David Ormsby-Gore, der spätere Lord Harlech, mit seiner charmanten Gattin uns zu Ehren einen Empfang.

Lord und Lady Harlech waren beide ausgesprochen nette Engländer, aber wie es oft so ist, erwiesen sich die Gäste und Freunde der Gastgeber als nicht annähernd so angenehm wie diese selbst, und die Beatles fanden die ganze Veranstaltung grässlich – die Leute, die Atmosphäre und die Haltung, die man ihnen gegenüber an den Tag legte. Seit diesem Tag haben sie jede Einladung dieser Art abgelehnt. Inzwischen wissen sie schließlich genau, wie diese Veranstaltungen ablaufen.

Das verhält sich nämlich so: Zwar werden die Beatles natürlich zunächst einmal eingeladen, um zu sehen und gesehen zu werden, zu hören und gehört zu werden und um anderen Spaß zu bereiten, aber auch selbst welchen zu haben. Es dauert aber nicht lange, und sie werden zu Autogramm-Robotern degradiert und müssen hinnehmen, dass man auf ihre Kosten alle möglichen Späße macht, Beleidigungen äußert oder Forderungen stellt, wobei sich oft gerade jene Briten, die sich für bedeutende Mitglieder der Gesellschaft halten und sich einer herausragenden Bildung und Erziehung rühmen, als ausgesprochen schwierig und unangenehm erweisen.

Bei dem Empfang in der Botschaft wurde Ringo eine Haarsträhne abgeschnitten, und ein rotgesichtiger junger Brite forderte John ohne Umschweife auf: „Unterschreib das mal.“ Als John – meiner Ansicht nach völlig berechtigt – „Nein“ sagte, musste er sich anhören: „Du unterschreibst das jetzt gefälligst, ob dir das passt oder nicht.“

„Oh“, sagte John nur, verließ den Empfang und fuhr ziemlich erzürnt ins Hotel zurück. Ringo, Paul, George und ich blieben noch ein wenig länger, aßen ein paar Häppchen vom Buffet, drängten uns durch die Menschen und gingen schließlich, als der Schreibkrampf der drei so schlimm wurde, dass sie keinen Stift mehr halten konnten. Lord und Lady Harlech bedauerten das sehr und sagten das auch der britischen Presse, die dieses Ereignis auf alle Titelseiten hob.

Gut, so hatten wir uns also vielleicht bei der Britischen Botschaft unbeliebt gemacht, aber zur gleichen Zeit gewannen wir Millionen neuer Freunde durch die wilde Hysterie der amerikanischen Radiosender. Ich war überwältigt von der auf Hochdruck arbeitenden Werbemaschinerie der Amerikaner, und von den Kniffen, die sie nutzen, um an neue Nachrichten, Interviews und Mitschnitte heranzukommen.

Dabei kann ich nicht sagen, dass ich diese Mechanismen bewunderte – sie stellten eher eine Art Urgewalt dar, die einfach vorhanden und auf ihre eigene Art auch recht faszinierend war. Seit dieser Reise gab es verschiedene Versuche, Interviews auf Langspielplatten zu pressen – illegale Produkte, gegen die unsere Anwälte vehement vorgehen – und es war spannend zu sehen, dass selbst unser Roadmanager, die Transportkräfte und alle anderen, die irgendetwas mit den Beatles zu tun hatten, von den Radiomoderatoren umlagert wurden und schließlich in Interviews ihre Ansichten zum Besten gaben. Das ist offenbar eine typische Spielart der Beatlemania, dass es die eigene Person enorm aufwertet, wenn man einen wie auch immer gearteten Kontakt zu jemandem hat, der die Beatles kennt. Einer meiner Büroangestellten sagte mir, sein Vater sei um ein Autogramm gebeten worden, und zwar nicht um eines der Beatles, sondern um sein eigenes, als der Vater eines Mannes, der mit den Beatles zu tun hat. Anstrengend, keine Frage, aber in dem ungewöhnlichen Kontext der Beatles inzwischen ganz normal.

Amerika erteilte den Beatles eine Lektion: Wenn sie es irgendwie vermeiden können, werden sie sich nicht wieder derart ausnutzen lassen, und wenn es denn doch nicht anders geht, dann versuchen sie zumindest, solche Promogeschichten möglichst schnell hinter sich zu bringen. Auf dieser ersten Amerika-Tournee schoben die DJs – die Volkshelden der Radiowellen – sie von einem Mikrofon zum anderen.

Damals waren die Beatles und die Roadmanager leicht dafür zu gewinnen, auf eine simple Bitte hin ohne Vertrag oder dergleichen alles Mögliche ins Mikrofon zu sprechen. Paul sagte: „Hört Radiosendung 1-2-3, die ist das Größte“, und John sagte „Hört Radiosendung 4-5-6, die ist das Heißeste“, und Malcolm Evans, der Roadmanager, machte es genauso. Bei vier starken, temperamentvollen Persönlichkeiten wie den Beatles und den aufgeschlossenen jungen Männern, die sie umgaben, war es so nicht einfach, ein Gefühl dafür zu vermitteln, dass sie letztlich für kommerzielle Unternehmen warben: zum einen ohne jegliche finanzielle Gegenleistung, zum anderen auch ohne Planung und Berücksichtigung der Konsequenzen.

Die DJs hatten natürlich eine großartige Zeit, aber nach ein paar Tagen musste ich ein Machtwort sprechen. Die Beatles hörten auf meine Warnung, und inzwischen weigern sie sich von sich aus, Werbung für irgendwen zu machen oder ein Produkt gegenüber einem anderen hervorzuheben, ob es sich nun um einen kommerziellen Radiosender handelt oder um einen Luftballon. Es ist außergewöhnlich, dass die Beatles so lange auf diese Maschen hereinfielen, aber schließlich spielt das Werben und Verkaufen in Amerika eine enorm große Rolle, und damals war der Widerstand der Gruppe dagegen noch nicht sehr ausgeprägt. Das hat sich grundsätzlich geändert, und das ist auch sehr gut so, denn inzwischen will die ganze Welt den Beatles ständig irgendetwas verkaufen, und die Produkte sind nicht immer die besten.

Wenn man sich der Aufgabe verschrieben hat, das Leben von Pop-Künstlern zu organisieren und ihre Karrieren zu planen, dann liegt eines der Probleme darin, das Interesse aufrecht zu erhalten, wenn die Musiker selbst nicht im Lande sind oder gerade nicht persönlich im Fernsehen oder im Radio erscheinen können. Es ist nicht so einfach, die Plattenverkäufe weiter anzukurbeln, wenn es keine persönlichen Auftritte gibt. Als die Beatles aus Amerika wieder abreisten, war ich mir nicht sicher, ob die Aufmerksamkeit, die wir geweckt hatten, weiter anhalten würde – auch wenn die DJs mir das versprachen und sagten, die Beatles seien schlicht so gut, dass sie ihre Platten natürlich trotzdem spielen und bewerben würden.

Ich hätte mir keine Sorgen machen müssen. Als „Can’t Buy Me Love“ in den USA erschien, kam der Titel sofort auf Platz 1 und überflügelte dabei fünf andere Beatles-Songs, die bis dahin die vorderen Positionen belegt hatten. Eine einzige Band auf den ersten sechs Chartplätzen! Als wir die USA bei unserem zweiten Besuch diesmal von der anderen Seite aufrollten und in San Francisco ankamen, wussten wir, dass die Beatles eine Sensation geworden waren. Das war gleichzeitig auch eine Herausforderung und Verantwortung, die ein wenig beängstigend war. Wie wir erfuhren, plante man uns zu Ehren eine Konfettikanonade, und die Beatles – allesamt eher zurückhaltende Menschen, die sich eine stille Bescheidenheit erhalten haben – fragten sich, ob das für sie das Richtige war.

Wir beschlossen, uns immerhin auf eine Cabriofahrt durch diese wunderschöne Stadt einzulassen, denn schließlich war das hier alles Showbusiness und gehörte dazu.

Wenn wir heute auf all die Geschehnisse seit November 1962 zurückblicken, dann sind es die Ereignisse auf der ersten Amerika-Tournee, die alles andere in den Schatten stellen. Seitdem hat es zwar sehr viele andere wichtige Augenblicke gegeben, wie vor allem die Premiere des ersten Beatles-Films in Anwesenheit von Prinzessin Margaret im Juli 1964 in London, und auch die Tour durch Australien und Asien war hinsichtlich der Menschenmassen noch wilder und überwältigender als der Empfang in Amerika. Aber dennoch haben die USA etwas an sich, das alle anderen Länder in praktisch jeder Hinsicht übertrifft.

Wir wussten, in Amerika würde es sich entscheiden, ob die Beatles zu Weltstars aufsteigen würden oder nicht.

Wie sich herausstellen sollte, taten sie es.

Der fünfte Beatle erzählt - Die Autobiografie

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