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Insterburger Jahreszeiten
ОглавлениеIm Nordwesten Deutschlands präsentiert sich der Lauf der Jahreszeiten normalerweise gemäßigt, gebändigt; keine große Kälte, keine große Hitze, viel Regen, relativ viel Wind. Auf der Temperaturkurve zeigt sich das in weichen, abgerundeten Bögen, kaum einmal harte, markante Zacken.
In Ostpreußen war das anders, charakteristisch waren die kurzen, heißen Sommer und die langen, kalten Winter mit strengem Frost von oft 20 und mehr Grad Kälte. Diese akzentuierten Gegenpole, hie kurze Sommer voller Lebensfreude, da harte Winter voller Dunkelheit prägten die Menschen und ihr Leben. Sie hatten Respekt vor der Natur und passten sich an.
I.Frühling
Der nahende Frühling war schon zu ahnen, wenn die Eisdecke der Flüsse aufbrach. An den Ufern türmten sich die nun schon schmutziggrauen Eisschollen zu bizarren Gebilden auf und wurden eine nach der anderen vom gluckernden Strom mitgerissen. Bald waren vor allem die Insterwiesen vom Hochwasser überflutet und glänzten in der ersten Vorfrühlingssonne.
Plötzlich war er da, der Frühling. Er kam mit dem Tauwind, es konnte geschehen, dass man morgens bei strengem Frost das Haus verließ und mittags mit offenem Mantel ging, so sehr wärmte die Sonne schon.
Dann ging alles sehr schnell, die ersten Schneeglöckchen bahnten sich ihren Weg durch die harte, pappige Kruste des tauenden Schnees, gefolgt von den Krokussen und bald zeigten sich überall Knospen. Die Menschen drängte es hinaus zum Spaziergang in die laue Frühlingsluft, alsbald wurden Weidenkätzchen geschnitten und verzierten als Frühlingsboten die Stuben. Man saß zum ersten Male in der Mittagssonne auf der Bank vor dem Haus, in der Natur war alles wie neu, als ob es zum ersten Mal geschähe und nicht etwa ein unendlicher Kreislauf wäre. Wenn die Störche einflogen und ihre alten Nester bezogen, war der Winter endgültig abgeschüttelt.
II. Sommer
Die Natur hatte es eilig so weit im Osten, viel Zeit zum Reifen war aufzuholen, entsprechend heiß und heftig waren die Sommer, für die Bauern kam die Zeit der rastlosen Eile, die Zeit drängte, nur die Störche ließen sich bei der Futtersuche auf den frischgemähten Feldern nicht aus der Ruhe bringen. Bald stand in den fruchtbaren Insterwiesen das Korn schwer und mannshoch.
Es war eine trockene, flirrende Hitze, die sich auf dem Straßenbelag der Chausseen spiegelte, das klare Licht entwarf eine unendliche Weite, nur die hingetupften Gesichter der Pustewolken waren zum Greifen nah. An den Rändern der Felder, Wiesen und staubigen Wege blühte es in intensiven, leuchtenden Farben, ein Gezirpe und Gesumme überall. Nur die grünen Dächer der Alleen boten Schatten auf dem Weg wie in einem langen, lichten Tunnel.
Eine Allee verdiente diesen Namen allerdings erst, wenn die Kronen der meist über hundertjährigen Bäume sich in der Mitte berührten und ein Dach bildeten. Oft entlud sich die drückende Schwüle in heftigen, kurzen Gewittern. Danach konnte man wieder atmen, die Luft war klar und die Sonne schien wieder.
Die Abende waren lau, oft genoss man sie gemeinsam im Freien oder plachanderte in der Laube. Die einsetzende Dunkelheit verdrängte sanft das Abendrot, die ersten Sterne zogen auf am Himmelszelt. Bald zeugte ein strahlendes Sternengefunkel am unendlich hohen, weiten Nachthimmel von der Größe der Schöpfung und brachte den Menschen zu ehrfürchtigem Schweigen.
III. Herbst
Natürlich gab es auch nasse, kalte Tag im Herbst wie überall, aber die Regel war schönes Wetter ohne die Hitze und Schwüle des Sommers. Das Laub wechselte seine Farbe zuerst in ein glühendes Rot und dann in einen warmen Goldton. Alles war in ein rotgoldenes Licht getaucht, noch wärmte die Sonne und lud zum Spaziergang ein. Fast unmerklich wurde die Luft dann frischer und schon ein wenig herb.
Im Spätherbst kam der erste Frost. Nur ein paar Tage, höchstens zwei Wochen stand die Natur seltsam still und ruhte, alles war bereitet, das Land lag geduckt da und erwartete den Ansturm des Winters.
IV. Winter
Eines Nachts fiel dann leise der erste Schnee, manchmal hielt der Winter aber auch mit Ostwind und Stiem Einzug. Bald war alles tief verschneit: Ostpreußen- ein Wintermärchen.
Die Temperaturen fielen und fielen, 25 Grad Kälte waren keine Seltenheit, nur ein paar Tage und das Eis trug. Es war so kalt, dass das Eis knisterte und knackte, der Schnee knirschte, der Atem gefror und man auf die Nase aufpassen musste. Jetzt war die Zeit der Schlittenfahrten, denn bei starkem Frost waren die Tage voll strahlender Klarheit. Von dick verschneiten Bäumen staubte leise der Schnee wie Puderzucker, vorbei ging es an verwunschenen Gebilden aus meterhohen Schneewehen, rundherum nur blauer Himmel, blauweißer Rauch über den Dächern und das lichtweiße Kleid des Winters über der Landschaft. Auf dem Heimweg tauchte dann die sinkende Sonne am glutroten Abendhimmel die tief verschneite Landschaft in einen zarten rosigen Ton, der sich bald in der Dunkelheit verlor. Bald zeigten sich Sterne in märchenhafter Zahl und Klarheit am tiefschwarzen Firmament, das zarte Licht des Mondes überzog das Land mit einem silbern schimmernden Glanz, unendlich stille Schönheit der Natur.