Читать книгу Der Reeder - Brigitte Tholen - Страница 7
ОглавлениеKapitel 4
An diesem Morgen herrschte eisige Stille am Frühstückstisch. Harald war seit zwei Tagen weder zu Hause noch im Büro erschienen. Das sah ihm überhaupt nicht ähnlich. Nicht einmal angerufen hatte er.
Der alte Römer las die Zeitung und Diana, deren Gesicht heute ein wenig blasser wirkte als sonst, sah nicht einmal vom Teller hoch. Tobias hatte sich, wie jeden Morgen, nur Kaffee eingeschenkt. Er frühstückte immer erst gegen elf Uhr ausgiebig in dem kleinen Bistro gegenüber der Kanzlei. Mit Stefanie hatte er gestern am Telefon gesprochen und wie erwartet, hatte sie über Vaters Drohung nur gelacht. Als er ihr von Haralds Verschwinden erzählte, war sie einige Zeit ruhig gewesen. Tobias hatte schon angenommen, die Verbindung sei getrennt worden. Schließlich kam sie damit heraus, dass Harald vor zwei Tagen bei ihr gewesen war. Sie weigerte sich jedoch, mehr darüber zu erzählen.
In die Stille hinein ertönte plötzlich Dianas Stimme. "Diesen Brief habe ich in Haralds Schreibtisch gefunden."
Sie sah Tobias an. "Kannst du etwas damit anfangen? Es sieht so aus, als wäre Harald erpresst worden."
Der alte Römer runzelte unwillig die Stirn und wollte das Papier an sich nehmen, aber Tobias war schneller. Er faltete den Brief auseinander und las laut: "Wie vereinbart, erwarte ich Sie am dritten Januar um achtzehn Uhr in der Bahnhofsgaststätte. Bringen Sie die zwanzigtausend Mark in bar mit. Sollten Sie nicht erscheinen, werde ich alles der Polizei melden und an die Presse weitergeben."
Fassungslos starrte Tobias auf das Papier. "Zum Teufel, was soll das? Harald wurde erpresst!" Verwirrt sah er seinen Vater an, dessen Gesicht dunkelrot angelaufen war. "Hast du davon gewusst?"
Der alte Römer forderte mit barscher Stimme: "Gib den Zettel her, das geht euch nichts an. Die Sache ist bereits erledigt."
Tobias reagierte nicht auf die Worte des Vaters, faltete den Brief sorgfältig zusammen und steckte ihn in seine Brieftasche.
Diana stand so heftig auf, dass sie den Stuhl umwarf. "Harald ist mein Mann und wird vermisst. Vielleicht ist ihm ja etwas passiert. Das Treffen war zwar schon zu einem früheren Zeitpunkt, aber wer weiß, ob er sich noch einmal mit dieser Person getroffen hat. Ich warte noch einen Tag, dann werde ich zur Polizei gehen."
Der alte Römer, der seit Haralds Verschwinden wieder im Betrieb nach dem Rechten sah, verschluckte sich fast. Unwirsch schob er den Teller von sich, der scheppernd über den Tisch schlidderte.
"Nichts! Nichts wirst du tun. Das fehlt auch noch, dass die Polizei sich schon wieder mit der Familie Römer beschäftigt."
Heftig schlug er mit der Faust auf den Tisch. "Sind denn alle hier verrückt geworden. Ich will nichts mehr davon hören. Harald wird sich ein paar schöne Tage machen." Er sah Diana an. "Anscheinend weißt du nicht, wie man einen richtigen Mann behandelt."
Eine Nerven zerreißende Pause trat ein. Diana stand wie erstarrt. Dunkle Schatten lagen unter ihren Augen. "Ich glaube nicht, dass du in der Lage bist, das zu beurteilen. Meine Güte, trotz deines Reichtums bist du geistig so arm", ihre Stimme klang heiser und resigniert.
Tobias hob die Hand zu einer beschwörenden Geste. "Vater, Diana, hört auf. Diese Streiterei macht mich ganz krank."
Diana beachtete ihn gar nicht. Beim Hinausgehen sagte sie mit harter Stimme. "Ich allein habe zu bestimmen, was geschieht. Ich bin seine Frau."
Laut schloss sie die Wohnzimmertür hinter sich.