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Prolog

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Die alte Königin stand auf dem Steg, ihrem Lieblingsplatz. Ihr langes, schlohweißes Haar, das sich wie ein glattes, schlichtes Gewand über ihren Rücken geschmiegt hatte, glänzte im goldenen Feuer der Morgensonne. Ein Traum hatte sie früh geweckt, da hatte es gerade gedämmert. Ein besonderer Traum, der sie veranlasst hatte ihr Lager, ihre Kammer, das Haus zu verlassen und zum Steg zu gehen. Sie hatte diesen Tag seit geraumer Zeit erwartet.

Norge, ihr Urenkel, sah sie im Sonnenlicht stehen. Für ihn stand sie da auf dem Steg, wie eine göttliche Erscheinung. Sie schaute, wie es schien, in tiefe Gedanken versunken auf den golden spiegelnden See hinaus. Er liebte dieses alte Weib, dessen Alter er nicht sagen konnte. - Vor langer Zeit schon hatte sie alle Macht an ihren Sohn weitergegeben und dieser sie wiederum an seinen Sohn. Nun lenkte auch er schon eine lange Weile die Geschicke dieses Reiches; er stand im Herbst seines Lebens und war gerade Großvater geworden. Und doch war die alte Königin schon alt gewesen, als er selbst noch ein Knabe gewesen war. - Nein, er wusste nicht, wie alt sie war.

Sie war eine Elbin, das wusste er. Und doch, so hatte sie einmal erklärt, währt auch das Leben der Elben nicht ewig. Hatte sie sich aber in all den Jahren verändert, war sie gebrechlicher geworden? Kaum. Ja, vielleicht war sie etwas schmaler geworden, und die feinen Runzeln in ihrem Gesicht hatten sich gemehrt. Seltsam, dachte er, als er sie jetzt sah, sie hatte sich ein edles Band um den Kopf gebunden.

Norge trat zu ihr und begrüßte sie. Da entdeckte er, dass sie einen feinen, grünen Stein auf der Stirn trug, verziert mit einer kunstvollen Spirale. Diesen Stein hatte er noch nie gesehen. Doch er wusste sofort, dass es ein besonderer, ja, ein magischer Stein sein musste.

Kennst du ihn nicht?“ fragte sie, als sie seinen staunenden Blick bemerkte.

Nein, große Großmutter“, so nannte er sie liebvoll, so nannten sie die alte Königin eigentlich alle in der Familie, - „ich habe dieses zauberhafte Kleinod noch nie gesehen.“ Die alte Königin runzelte die Stirn:

Mag sein; wird wohl so sein. Es ist wahrlich schon so lange her, dass ich ihn trug. Es ist mein Elbenstein.“

Dein Elbenstein?“ wunderte sich Norge. Davon hatte er schon einmal gehört, mehr aber nicht. Er erinnerte sich daran, dass es einmal eine dunkle Zeit gegeben hatte, hier im Reich der sieben Seen. Da soll es auch um einen Elbenstein gegangen sein. Doch das war lange, lange her, und die Königin sprach nie darüber. Die Menschen hier im Reich der sieben Seen erzählten sich unzählige Geschichten und Legenden darüber, abends, im Winter, an den Feuern. Doch was davon wahr oder nur hinzugedichtet war, wusste keiner mehr. Und jetzt hatte sie diesen Elbenstein angelegt!

Warum trägst du ihn heut?“ fragte er. Die alte Königin lächelte wie von weit entfernt, dann trat sie auf ihn zu, reckte sich, Norge beugte sich zu ihr herab, und sie küsste ihn auf die Stirn, schließlich antwortete sie:

Weil heute ein ganz besonderer Tag ist.“

Arwila

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