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3 – Der Feuerzwerg

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„Was für eine Geschichte“, seufzte Grol schwer, als Garl geendet hatte. - „Murdahl - doch diesen Namen habe ich schon mal gehört, aber verdammt, an mehr kann ich mich nicht erinnern.“

„Was soll ich erst sagen?“ klagte Arwila, - „ich kann mich noch nicht einmal an diesen Namen erinnern, und jetzt soll das mein Großvater sein, ein Zauberer... Ach, eigentlich weiß ich fast nichts über mich. Ob das endlich aufhört - Land des Vergessens…? Die Macht der Nebel kann doch nicht so weit wirken, oder? Über welchen mächtigen Zauber verfügen die Dunkelalben noch?“

„Lass uns erst mal durch das Tor der Stürme kommen“, hielt Gnoer dagegen. – „Ich bin sicher, dann sehen wir alle klarer. Wie hatte Garl berichtet? Der Fluch der sieben Jahre, davon habe ich auch gehört, doch diese Zeit ist nun um. Wir fanden Grol, den besten Seefahrer der sieben Seen; wenn das kein gutes Omen ist. Warten wir den kommenden Morgen ab. - Seht, es ist tiefe Nacht geworden, die Sterne stehen gut und leuchten. In der Früh geht es nach Norden, und dann ist das Tor der Stürme nicht mehr weit.“

„Und sein Fluch auch nicht!“ knurrte Grol.

„Hast du Angst, fürchtest du dich davor?“ fragte Gnoer missbilligend. – „Du bist doch sonst nicht so ängstlich.“

„Was soll das!“ empörte sich Grol: „Du würdest meinen Mut schon zu spüren bekommen, wärest du nicht ein Vögelchen!“

„Halt, halt!“ schimpfte Arwila, - „geht das mit euch beiden schon wieder los?“

„Verdammt, wenn der so spricht. Ich hab doch nur an den Fluch erinnert und wollte damit sagen, dass wir keine harmlose Bootsfahrt auf einem Fischteich vorhaben!“ wehrte sich Grol gekränkt.

„Ist gut Grol, ist gut. Wir sollten uns nicht streiten, wir brauchen einander dringend, und zwar alle.“

„Arwila hat recht, wir sollten uns nicht wie Dummköpfe verhalten und uns wegen Nichtigkeiten streiten“, mischte sich Garl ein, wie immer mit ruhigem Ton. – „Es wäre vielleicht gut, wenn wir noch ein wenig ruhten. Wenn wir Morgen, mag Njörd das wissen, vielleicht schon vor dem Tor der Stürme segeln, dann brauchen wir all unsere Sinne und all unsere Kraft, das scheint klar zu sein. Es wäre auch nicht schlecht, wenn wir noch etwas zu essen bekämen. Die Vorräte der Schattenkrieger stehen natürlich allen hier an Bord zur Verfügung. Wir wurden all die Jahre von Rigmars Wasserwesen versorgt - viel Stockfisch. Aber wir Schattenkrieger hätten kaum irgendwo einen Bauer oder einen Markt aufsuchen können, ohne dort Aufruhr zu verbreiten. Und Rauben wollten wir nicht; wer gegen die Dunkelalben zieht, muss ein ehrlicher Krieger sein. Vielleicht mag ja auch Grol uns von dem frischen Dorsch geben, den heute seine Männer gefangen haben?“

„Dorsch? Ja – gerne“, antwortete Grol etwas überrascht und fuhr sich durch seinen Bart. – „Wir sind ja jetzt eine Mannschaft, wenn ich es genau betrachte. Also, frischen Dorsch für alle die mögen! - Aber ohne Feuer? Und an Bord…? Ich dachte wir würden vielleicht mal Land sehen, dann könnten wir ein Feuer machen und ordentlich braten und kochen.“

„Da hat er recht. Dann eben altes Brot und Salzheringe und Wasser, Bier ist keins mehr an Bord“, sagte Garl, und er forderte Grol auf, ihm zu folgen, er würde ja seine Schritte hören, er würde ihm alles geben, was man brauchte. Dann verabschiedete er sich höflich und wünschte Arwila, Gnoer und den übrigen, die noch bei ihnen standen, einen guten Schlaf.

Als die beiden weg waren und sich auch die anderen zurückgezogen hatten, waren nur noch Arwila und Gnoer beisammen und Varulv natürlich, der sich wie meist, mit jeder Regung oder Äußerung zurückhielt.

„Sieben Jahre auf dem Meer“, sinnierte Arwila nach einer Weile, - „Sieben Jahre … sieben Jahre auf der Suche nach mir, so muss ich es doch wohl verstehen?“ Arwila schwieg und schien auf eine Antwort zu warten. Sie konnte die Umrisse des großen Greifvogels auf dem Dollbord sehen. Der Mond war aufgezogen und leuchtet auf sie herab. Gnoer blickte auf das dunkelsilbern schimmernde Meer. – „Oder?“ fragte sie nach.

„Es ist so, wie du sagst“, gab er schließlich karg zurück.

„Sieben Jahre auf dem Meer… Ob sie die ganze Zeit nur immer auf dem Wasser waren?“ Wieder nach einer Weile kam die Antwort des Adlers:

„So wird es gewesen sein, wenn man die kurzen heimlichen Landgänge für die Versorgung mal ausnimmt; doch ja, so war es. – Aber warum fragst du das mich?“ wunderte sich Gnoer.

„Ach – ich habe es mir gerade erst vorgestellt.“ erklärte sie mit leiser Stimme und schwieg. Sie hörte das Rumoren der Männer. Grol rief von Weitem, ob sie nichts essen wollten, doch sie bedankten sich. Nach einer ganzen Zeit der Stille begann Arwila aufs Neue:

„Und du“, sprach sie mit fast zärtlichem Ton, - „jetzt, wo Garl berichtet hat, willst du nicht auch…“, sie stockte und nach einem Augenblick des Wartens ergänzte sie: „…Von deiner Eisenklaue wenigsten. Als du an meinem Fenster warst, du weißt, die Wurzel oder war’s dein Fang? Da fehlte dir die rechte Klaue, und jetzt…?“

„Ich nahm deinen Fund, den du für eine Wurzel hieltest. Sie war aber ehemals mein rechter Fang“, begann Gnoer fast tonlos zu berichten. - „Varulv, doch das sagte ich bereits, hatte ihn zu dir getragen, er war über die Jahre im Sand getrocknet. Also, ich nahm den Fang von dir, denn das war das Zeichen, dass die Zeit des Wartens vorüber war, so weiß ich es von Varulv. Und ich flog zu einem Kunstschmied, jenseits unseres Reiches. Ich meine, ich hätte ihn im Traum genannt bekommen. Ja, wirklich! Und es war deine Stimme, Arwila, die zu mir gesprochen hatte.“

„Meine Stimme?“

„Doch, so war es!“ versicherte Gnoer jetzt selbst verwundert. -„Wirklich sonderbar, als ich die Stimme vor Tagen vernahm, war sie mir unbekannt und fremd. Doch jetzt höre ich sie deutlich sprechen, höre ich dich sprechen: >Gnoer flieg! Flieg zu Skradii, dem alten Feuerzwerg! Hoch im Norden haust er, bei den alten Feuern haust er, die speit die Erde dort. Flieg Gnoer, nimm den alten Fang, flieg zu Skradii, er schmiedet einen neuen dir!< Ja, das waren deine Worte“, schloss Gnoer.

„Skradii?“ Arwila zuckte mit den Achseln, - „nein, den kenne ich nicht. - Seltsamer Traum. Vielleicht sollten wir mal Grol fragen, Grol ist doch auch ein Zwerg. Ein Zwerg…?“ fragte sie plötzlich, als ginge ihr etwas auf und hielt inne. Sie dachte einen Moment nach, dann lächelte sie zufrieden, als hätte sie einen Sieg errungen und murmelte zu sich selbst: Sicher - das ist es! Dann brach sie ab, und kam auf Gnoer zurück: „Also, der Zwerg, Grol – später… Erzähl mir doch, wie es dir ergangen ist, mit diesem Zwerg Skradii. Du warst doch da und hast ihn gefunden?“

Das war ein langer Flug. Ich flog die Küste entlang, drei Tage wohl, die letzten Berge und das Land des Vergessens ließ ich hinter mir. Und zuletzt noch flog ich sogar über das offene Meer. Schließlich erreichte ich ein unwirkliches Land. Karg war es, von wenig Wald bewachsen. Moosbedeckte Felsen sah ich, karge Weiden, Wasser, die zischten und brodelten, heiß schossen sie in einem Strahl hoch empor und höher noch als dieser Mast auf deinem Schiff. Und Feuer gab es und Rauch, gelb und grün und grau und Asche überall. Anderswo fand ich Eis, Gletscher auf feurigem Grund. - Menschen sah ich wenige.

Ich umflog das Eiland und entdeckte einen Hügel nahe der Westküste. Da loderte ein Feuer, aus einer Mulde spie es brodelnd empor. Ich ließ mich ein Stück hinabgleiten und sah schließlich ein Wesen dort um das Feuer herum hantieren. Sonderbares Gerät lag bei ihm und Reste von Knochen und Getier. Ein dunkles Männlein war es, ganz schwarz und schmutzig, so schien es mir. Es behagte mir gar nicht, zu ihm hinunter zu gehen. Und doch spürte ich, dass ich hier richtig sein musste, das dieses Wesen dort unten Skradii, der alte Feuerzwerg sein musste. Er hatte mich bereits gesehen und spähte zu mir hinauf. Nach einer Weile winkte er mir zu, und so ließ ich mich herab und landete direkt vor seinen Füßen. Ein kleiner, gedrungener Zwerg, kleiner als Grol noch, schwarz und schmutzig, wie ich es vermutet hatte, mit einem dunklen, verrauchten und verfilzten Bart. Aber mit kleinen, blitzenden Augen, ganz blau.

„Holla“, quäkte er mit einer schrillen, hohen, schnarrenden Stimme, - „was für ein seltsamer Besuch?“ Ich nahm zwei Sprünge Abstand, denn er trug eine blinkende, kostbar verzierte Axt in der Hand. „Ho, was soll das – traust mir nicht?“ fragte er grinsend, und ich sah sein gelbes, lückenhaftes Gebiss. - „Gut, gut - leg ich mein Beilchen beiseite. Wusste ja nicht, wer da geflogen kommt. Wollte schon so mancher an meinen zarten Hals, hi!“ gluckste er und warf die Axt mit einem gekonnten Wurf gegen einen alten Hauklotz, dass die Schneide dort stecken blieb, ziemlich weit weg. Er grinste wieder, als er bemerkte, was ich dachte.

„Komischer Vogel, wie unhöflich, willst du mir nicht sagen, wer du bist?“

„Doch, sei ohne Sorge“, entgegnete ich schließlich, - „man nennt mich Gnoer, und ich suche Skradii, den alten Feuerzwerg.“ Er verdrehe den Kopf und musterte mich:

„Ein Adler, ein verdammt großer Adler namens Gnoer – aha, auf einem Bein…, gut kannst du das, auf einem Bein stehen, wie ein Huhn!“ quäkte er und kicherte.

„Spotte nur, wenn es dir Freude macht“, antwortete ich ungerührt, - „unhöflich nanntest du mich, und wie steht’s mit dir? Deinen Namen nanntest du mir nicht.“

„Nannte ich nicht? Weißt ihn doch – Skradii! Ganz recht, das bin ich!“ krähte er vor Vergnügen und rupfte sich an seinen langen, dunklen Haaren, die wie ein struppiges Fell rundherum von seinem Kopf abstanden. – „Und, was will ein Adler von einem Feuerzwerg?“ fragte er dann scharf und stellte sich direkt vor mich hin, dass wir uns beinahe von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden. Ich blieb ganz ruhig, behielt ihn aber wachsam im Auge. Ist er dunkelalbischer Abstammung? fragte ich mich; oft waren solche Kerle das; viele Geschichten weiß man davon. Was also sollte ich tun? Sollte ich ihm sagen, was ich von ihm wünschte? Hatte ich die Stimme im Traum wirklich richtig verstanden, oder war es vielleicht doch anders gewesen? War es etwa ein Traum, den mir die Dunkelalben gesandt hatten, Wirala?

„Nun, so sprachlos?“ quäkte Skradii ungeduldig.

„Man hat dich mir empfohlen, du seiest ein guter Kunstschmied.“

„Holla, ho, ho – was man nicht alles hört, was nicht alles berichtet wird“, spottete er und es klang heftig gekränkt. – „Ein guter Kunstschmied sei ich, so, so – ein guter…was?“ krähte er mich zum Schluss an, dass ich zusammenfuhr. – „Ja, erschrick nur, ein guter Kunstschmied…! Wenn ich das höre! Du hast wohl keine Ahnung, was? Aber gut, bist ja auch nur ein Vogel! Das heißt“, er hielt inne und betrachtete mich schräg, - „ganz will ich das nicht glauben, nur ein Vogel, und dann ein solcher und noch auf einem Bein? – Was ist mit dem anderen?“ fragte er dann.

„Ab!“

„Holla“, bellte er, - „hat Skradii etwa blinde Augen? Ab, was? - Warum?“

„Ein Unglück, was sonst, und jetzt suche ich deine Hilfe.“

„Meine Hilfe, für deine fehlende Klaue, wie meinst du das?“ bohrte er nach, wurde aber wieder ruhiger. Ich merkte, dass er neugierig wurde:

„Nun, ich sagte dir, ich habe gehört, du seiest ein … also man nannte einzig deinen Namen, als denjenigen, der imstande sei, eine solch schwierige Aufgabe zu meistern, wie die, mir einen neuen, gleichwertigen Fang zu fertigen … zu schmieden.“ Er blieb still, und mustere mich genau, sah an mir herab und bemerkte erst jetzt, dass ich den alten, vertrockneten Fang bei mir hatte.

„Ho, ho“, trötete er leise, - „was haben wir denn da?”

„Ja, das ist das gute Stück. Ab ist es, und ein bisschen verdorrt“, antwortete ich trocken. - „Und ich hoffe, dass deine meisterlichen Hände es vermögen, mir diesen oder einen Gleichenwertigen irgendwie wieder dienstbar machen können.“ Skradii sah mich interessiert an:

„Und du glaubst, ich könnte das?“ fragte er geschmeichelt.

„Wenn nicht du, wer dann?“ gab ich noch schmeichelnder zurück. Er ging einige Schritte nachdenklich um mich herum; ich ließ ihn nicht aus den Augen. Er rupfte sich wieder in seinen Haaren, das schien er wohl immer zu machen, wenn er Denkarbeit verrichtete.

„Also“, begann er dann und stellte sich breitfüßig vor mich hin, seine Augen gingen flink: „Wenn ich es denn könnte - es würde wohl all meine Kunst herausfordern - was wäre denn der Vorteil für mich dabei?“ Ich wartete keinen Augenblick mit einer Antwort, um ihm nicht zu viel Zeit zu lassen:

„Was ist dein Preis?“ fragte ich. Die Antwort kam zu überraschend für ihn, dass er stammelte:

„Ho, ho – so einfach, so schnell? Was hättest du denn zu bieten?“

„So wird kein Handel daraus“, entgegnete ich ungerührt. - „Ich habe einen Auftrag für Dich, und du nennst den Preis - so ist das.“

„Und wenn ich nicht will, was machst du dann?“ fragte er auftrumpfend und machte einen Satz in die Luft.

„Dann“, parierte ich ohne jedes Zögern, - „dann fliege ich unverrichtete Dinge wieder davon, und alles bleibt, wie es ist. Du siehst ja, es geht auch mit einem Fang ganz gut.“ Skradii zischte unglücklich und seine Hand ging wieder in die Haare. Ich konnte sehen, wie er grübelte und wartete, was als Nächstes kommen würde. Wieder schlich er um mich herum.

„Hüte dich!“ warnte ich ihn. Und ich sah, dass er zuckte. Er hatte kein leichtes Spiel mit mir, das sah ich und freute mich. Nach einer ganzen Weile stellte er sich wieder vor mich hin, schnaufte ein-, zweimal und krächzte angestrengt:

„Holla, holla – nicht übel, wer hätte das gedacht. Doch, doch“, fuhr er dann generös fort: „Machen wir einen Handel, und dein Wunsch soll dir erfüllt werden.“

„Gern, also sprich, und ich werd sehen, ob dein Preis mir angemessen erscheint, und ob ich ihn überhaupt entrichten kann“, entgegnete ich so ruhig wie möglich.

„Wirst du, kannst du, und zu hoch wird der Preis sicher nicht sein, wenn du bedenkst, wie wertvoll ein zweiter Fang für Dich ist.“

„Umso besser, dann raus damit, nenn mir deinen Preis!“ forderte ich nun ungeduldig. Er sah mich schelmisch an, ging noch einmal um mich herum und musterte mich abermals genau. – „Was hast du vor?“ knurrte ich unbehaglich.

„Du bist ein wirklich ungewöhnlich großer Vogel, einem Steinadler gleich, doch mindestens dreimal so groß.“

„Komm zur Sache!“ drängte ich. – „Das sieht man doch, das weißt du schon, seit ich hier bin!“

„Bin bei der Sache“, quäkte er, - „darum geht’s. Sieh dich doch mal um, ist das hier ein gastlicher Ort, frage ich? Und sieh mich an, ich bin ein alter, uralter Zwerg, verbannt von den Seinen, seit undenklichen Zeiten. Durch eine Familienfehde gelangte ich hier her und war dazu verdammt, hier zu bleiben. Kein Schiff würde mich mitnehmen können, denn es wäre der Untergang des Schiffs mit allen Lebenden darauf.“ Ich sah ihn nachdenklich an, und er schien mir wirklich betroffen, ja, traurig zu sein. Seine Stimme wurde leiser und weniger quäkend.

„Und…?“ ermunterte ich ihn weiterzuberichten.

„Ein schweres Los, sage ich dir. All die unzähligen Jahre hier, hier an diesem ewigen alten Feuer, der Schmied für alle Welt, und doch auf immer eingesperrt.“ Er hielt inne, griff sich ins Haar und fragte mich plötzlich: „Willst du mal meine Schätze sehen?“ Ich starrte ihn ungläubig an, und auch wenn man das einem Adler nicht wirklich ansehen kann, hatte er es dennoch bemerkt. – „Du kannst mir glauben“, versicherte er aufgeregt, - „all die vielen Jahre beste Schmiedekunst, die hatte seinen Preis. Komm, ich zeig dir was!“ rief er, rannte los und winkte mich hinter sich her, bis wir an einen Höhleneingang kamen. Hier schlüpfte er hinein und forderte mich auf, ihm zu folgen. Ich zögerte, da rief er:

„Holla, immer noch misstrauisch? Wirklich dumm von dir und kränkend für mich. Komm jetzt oder hat der Adler keinen Mut?“ - Kurz, nach einigen verschlungenen Wegen und Abzweigungen, wo es überall ziemlich dunkel war, kamen wir in eine lichte Felsenkammer. Woher das Licht kam, war nicht leicht zu erkennen, von irgendwo oben an der Seite des Gewölbes, da musste der Himmel durchscheinen. - Doch glaube mir, Arwila, was ich dann sah, hätte ich nie und nimmer erraten. Solche Schätze waren da angesammelt, dass so mancher reiche Häuptling oder gar ein König hätte davon träumen können. Stolz blickte mich der Zwerg an:

„Da wunderst du dich, das hättest du nicht gedacht, dass dieser schmutzige Feuerzwerg solche Schätze hütet. Sie sind alle ordentlich erworben, das kannst du mir glauben“, versicherte er. Ich ließ meinen Blick schweifen. Da waren Geschmeide aller Art, silberne und goldene, zum Teil mit funkelnden Steinen besetzt.

„Wofür das alles?“ fragte ich.

„Wofür? Wofür ich das bekommen habe?“ wunderte Skradii sich über meine Frage. – „Gut, du bist ein Vogel, du kennst das Verlangen der Menschen nach guten Waffen nicht“, sagte er, fragte aber dann: „Obgleich – wenn ich an deinen Fang denke…“

„Also für Waffen, Schwerter und Äxte“, stellte ich fest.

„Hallo, und ob - genau, aber nicht nur! Doch kaum jemand schmiedet bessere Waffen als ich, das weiß ich und darf ich sagen, ohne zu prahlen. - Nun denn“, wand er sich, - „es soll, so hörte ich einmal, in anderen Reichen, bei anderen Wesen, ähnlich gute Schmiede geben, mir aber sind sie nie begegnet. Und ich verstehe nicht nur Waffen zu schmieden, sondern anderes auch, Dinge, die sonst niemand zu schmieden vermag, glaube es mir.“

„Das will ich wohl glauben, sonst wäre ich ja nicht bei dir.“

„Gut gesprochen, Gnoer. Und darum jetzt wieder zu unserem Handel.“

„Nein“, entgegnete ich aus Vorsicht, - „über unseren Handel spreche ich nur unter freiem Himmel, das musst du verstehen.“ Für einen Augenblick schaute Skradii verblüfft, dann grinste er wieder auf seine so undurchschaubare Art und willigte ein.

Ich war froh, als ich wieder unter freiem Himmel war, auch wenn er nichts Böses gegen mich versucht hatte. Hier begann er aufs Neue:

„Du kennst jetzt mein Los. Für mich gibt es keine Zukunft, außer hier an diesem Feuer zu sterben. Sieh mich an, dann weißt du, dass ich ein alter Mann bin und meine beste Zeit hinter mir liegt.“

„Na, na – du übertreibst, finde ich, so munter, wie du erscheinst, wer weiß, welches Blut in deinen Adern fließt?“ Er starrte mich an:

„Was willst du damit sagen?“ kläffte er. - „Ich bin ein Zwerg, nichts weiter sonst, und jeder weiß, dass Zwerge nun mal sehr alt werden können!“

„Ist doch gut“, beschwichtigte ich. - „Es war nicht meine Absicht dich zu reizen, aber es wäre schön, wenn du endlich zur Sache kämst. Was also willst du haben, wenn du mir einen neuen Fang machst?“

„Holla, wenn du mich nicht immer unterbrechen würdest, hättest du vielleicht schon deinen neuen Fang!“ schimpfte er und hüpfte wieder auf der Stelle. – „Ich versuch’s also noch einmal. Ich mache es kurz - dir zuliebe: Ich will weg hier!

„Weg hier?“

„Ja, weg! Über Land geht es aus nachvollziehbar nassen Gründen nicht. Mit dem Schiff geht es auch nicht, das verbietet der Bann, der auf mir lastet. Aber guter Gnoer, über die Lüfte - da war nicht und nie die Rede von, das müsste gehen.“

„Über die Lüfte?“ überlegte ich, - „und wie?“

„Hallo, ist das nicht klar, was? Ich biete dir all meinen Reichtum und eine neue Klaue mit bestens beweglichen Krallen, dafür, dass du mich übers Meer trägst.“

„Übers Meer? Ich – Dich? Du meinst…?“

„Ja, meine ich!“ unterbrach er mich scharf und sah mich fast drohend an. – „Meinst du nicht, dass ich auf deinem Rücken liegen könnte, während deines Fluges? Ich wiege nicht viel, bin mager, esse wenig - sieh mich an!“ Er rupfte an sich herum. Ich musterte ihn abschätzend und machte mich mit seinem Gedanken vertraut. Nach einer Weile kam ich zu der Ansicht, dass es gehen könnte.

„Und du meinst, das mit einem neuen Fang für mich könnte dir gelingen?“ vergewisserte ich mich bei ihm. Seine Miene erhellte sich:

„Dann machst du es?“ fragte er mit überschlagender Stimme. Ich überlegte, dachte an meinen fehlenden Fang, an den Traum, der mich schließlich hierhin gesandt hatte, und so beschloss ich es zu wagen.

„Um noch einmal sicherzugehen, der Handel gilt so, wie du gesagt hast. Ich bekomme Deinen Schatz und einen neuen, guten Fang, dafür bringe ich dich auf das Festland?“

„Holla, genau! So wird ein Handel draus!“

„Wirklich“, fragte ich abermals nach, - „auch alle deine Schätze?“

„Auch die; was soll ich damit? Ich will nur zurück, zu meinen Verwandten, die werden mich aufnehmen. Mein Schatz ist mir da nur hinderlich. Zurück an diesen Ort kann ich danach nicht mehr, und wer soll dann den Schatz finden, außer dir, der du ihn gesehen hast - als Einziger bisher.“ Ich konnte es schwer glauben und war mir nicht sicher, was er im Schilde führte, aber dennoch, ich wollte, ich musste es wagen: Ich willigte ein!

„Das ist ein Wort!“ quäkte er vor Freude und machte einen Satz. Dann rief er: „Holla, los, los ans Werk, lass mich gleich beginnen. Ich werde Maßnehmen!“

„So schnell!“ freute ich mich. - „Und wird er auch wie angewachsen sitzen?“ Skradii blickte mich mit fragenden Augen an, dann betrachtete er den verdorrten Fang, den ich ihm hinhielt, kräuselte die dunkle Stirn und rupfte sich wieder in seinen wilden Haaren. Schließlich kam er ganz dicht, fast bedrohlich dicht an mich heran, blickte mich mit blinzelnden Augen an und sagte leise, flüsternd beinahe:

„Es gibt zwei Möglichkeiten, Gnoer, wie ich es machen kann, und zwei Möglichkeiten, wie es gelingt; das aber liegt dann nicht bei mir. Die erste Möglichkeit ist einfach – ganz beste Schmiedekunst, und du hast einen Ersatzfang, der gut sein Werk erfüllt. Er wird an deinen Stumpf gebunden und hält so gut, wie du ihn bindest.“ Er hielt inne und schaute mich noch strenger an, nein, eigentlich verschlagen. Er fuhr fort: „Da du aber deinen alten Fang mitgebracht hast, dieses verdorrte Stück, das eher einer Wurzel gleicht, als etwas ehemals Lebendigem, gibt es vielleicht eine weitaus bessere Möglichkeit zu helfen. Es ist ein wahrlich alter und in deinen Augen wohl auch dunkler Zauber. Doch, wenn alle Bedingungen stimmen, könnte dieser Zauber bewirken, dass meine überaus gute Schmiedearbeit zuletzt ein Teil deines Beines wird, so wie es vorher war.“ Ich sah ihn verblüfft an. Was meinte er damit? Worauf ließ ich mich hier ein? Doch meine Neugierde war geweckt.

„Von welch einem Zauber redest du?“ fragte ich. Jetzt kam Skradii noch dichter an mich heran, ich senkte den Kopf, dass wir uns Auge in Auge standen, dann flüsterte er:

„Nun, du musst es wissen, denn du wirst entscheiden. Und der Zauber wird sich auch nur in einem besonderen und wohl auch nicht anzunehmenden Fall erfüllen, aber – will ich sagen, vielleicht ist es dir ein Versuch wert.“

„Was? Wovon redest du?“ wurde ich ungeduldig.

„Von Albenzauber…“, raunte er ganz leise und noch leiser fügte er an: „Von Dunkelalben, um ehrlich zu sein.“ Ich fuhr zusammen:

„Was!“ stieß ich entsetzt aus.

„Holla!“ rief er und wich zurück, - „Der große Adler kennt die Dunkelalben? - Ja, böse, böse diese Wesen, wirklich!“ quäkte er und kam wieder näher: „Aber bedenke, wenn ich’s versuch, vielleicht … und es ist wie früher, nur aus Eisen mit ein wenig Silber, dass nichts rostet. Es ist wirklich nichts Schlimmes dabei. Weiß der Listenreiche, woher ich diesen Zauber kenne, ich bin so alt, ich weiß es nicht mehr.“ - Ich war unsicher, eine Zauberformel der Dunkelalben? Gerade mir sollte das helfen, wo doch… Ich wusste ja, wozu diese Dunkelalben imstande sind. Und doch, überlegte ich: Gutes kann schließlich auch Böses bewirken, und Schlechtes mag sich vielleicht zum Guten wenden. So fragte ich:

„Und wenn ich es wage, Skradii, was kann geschehen?“

„Nichts, nichts, Gnoer!“ rief er überschäumend. - „Doch“, flüsterte er dann wieder bedeutungsvoll, - „ich sprach von einer Bedingung, die erfüllt sein muss bei dir, dass es gelingt.“

„Eine Bedingung – bei mir? Sagtest du das wirklich?“

„Holla! Und ob, vielleicht nicht deutlich genug“, erwiderte er. - „Aber höre jetzt: Soll es so werden, wie gesagt, und wir nutzen den Dunkelalbenzauber, dann wirkt der nur bei dem, in dessen Adern wenigstens eine Winzigkeit Dunkelalbenblut strömt“, sprach er hastig. Dann war er still und sah mich erwartungsvoll, ja herausfordernd mit seinen blitzenden, blauen Augen an. Denn jetzt war es heraus, jetzt war das Unmögliche gesagt! Ich machte einen Satz und breitete die Schwingen vor Entsetzen.

„Wie kannst du mir so etwas anbieten!“ zischte, fauchte ich. Doch nun blieb der sonst so schnell aufbrausende Zwerg ganz ruhig, als hätte er meine Reaktion erwartet. Er wartete, bis ich mich wieder beruhigt hatte. Dann antwortete er leise und wieder ziemlich verschlagen:

„Holla, warum so böse, so entsetzt, was kann schon geschehen? Ist nichts Dunkelalbisches in deinen Adern, wirst du eine wunderbare Ersatzklaue bekommen, die du dir von Fall zu Fall an deinen Stumpf binden musst. Fließt hingegen auch nur ein Tröpfchen dunkelalbischen Blutes in deinen Adern, wächst innerhalb eines Tages dein neuer Fang an deinen Stumpf, und alles ist, wie es einmal war!“ Wieder wollte ich mich empören, doch er hielt mich zurück und fragte leise: „Wer weiß denn wirklich, wer seine Vorfahren waren? Weißt du denn sicher, wer der Vater deines Vaters, Großvaters, Urgroßvaters und so weiter war, oder bei deiner Mutter? Nein, das vermag kaum ein Mensch zu wissen, und“, fügte er nicht ohne diebisches Vergnügen an, - „nicht alles was unsere Vorfahren zu unserer Herkunft berichtet haben, entspricht der Wahrheit.“ Ich schwieg, darauf wusste ich nicht viel zu antworten, zumal gerade bei mir diese Dinge völlig im Dunklen liegen. So betrachtet, dachte ich, war es also ein doch nicht so falsches Angebot, ein Versuch besondere Art, wenngleich ich nicht glaubte, dass ich das geforderte Blut hätte, und ich hoffte sogar, dass es nicht so wäre.

Ich willigte also mit allem ein. Schon schnappte Skradii meinen verdorrten Fang und warf ihn ohne Umschweife direkt vor meinen Augen ins Feuer!

„He, du verbrennst ihn ja!“ rief ich entsetzt.

„Bist du der Schmied? Dann nur zu, ich weiß sehr wohl, was ich mache!“ verteidigte sich Skradii und warf aus einem Bottich silbriges Pulver hinzu. Dann gab er noch allerhand Anderes ins Feuer, das ich ebenso wenig kannte. Es sei ein Schmelztiegel, erklärte er, während er geschäftig weiter hantierte. Er schmolz Silber und Eisen und die anderen Zutaten, die aber wären geheim. Nach einer Weile sah ich im Feuer wirklich etwas brodeln, da war etwas Weißglühendes im Feuer.

„Holla, jetzt ist es gleich soweit!“ freute sich Skradii, blickte mich an und sagte: „So, und du fliegst jetzt ein Stück weg von hier, am besten dorthin“, er wies auf einen Felsen, einige Ellen entfernt. – „Da kann ich dich sehen und du mich auch. Das Gute aber an diesem Platz ist, du kannst mich nicht hören.“ erklärte er spitzmäulig. – „Denn jetzt kommt der alte Dunkelalbenzauber, und der ist für keine fremden Ohren bestimmt. Wage es nicht, mich bei meiner Beschwörung zu stören oder zu belauschen, dann ist alles vorbei, und nichts wird aus einem neuen Fang. Und von meinem Zorn darüber möchte ich dir erst gar nicht sprechen“, drohte er. Ich sah ihn unsicher an, mein Vertrauen in ihn hatte sich nicht im Geringsten gebessert, auch wenn ich auf seinen Vorschlag eingegangen war. Jeden Augenblick erwartete ich von ihm seinen allerletzten und entscheidenden Schlag gegen mich. – „Nun, worauf wartest du“, schalt er mich, als ich keine Anstalten machte, seiner Anweisung zu folgen. - „Los, die Flügel gebreitet, es eilt oder soll die glühende Suppe verbrodeln? Flieg, und warte auf mein Zeichen, dann kannst du wiederkommen!“ - Ich tat schließlich, was er verlangte.

Als ich auf dem Felsen saß, konnte ich mit meinen Adleraugen genau sehen was Skradii tat, doch auch wenn ich gut höre, so drang kein Laut an mein angespanntes Ohr. Ich nahm es hin und wartete ab, was gesehen würde. Doch es geschah nichts Aufregendes. Skradii, so sah ich, hockte direkt bei dem lodernden Feuer. Immer wieder warf er irgendwelche Pulver hinein. Einmal stocherte er mit einer langen Stange in dem brodelnden Tiegel, dass ein Meer hell blitzender Funken aufwirbelte, als seien sie geradewegs aus Muspelheim hervorgebrochen. Dann, auf einmal hörte er auf zu werkeln. Er stellte sich andächtig vor das Feuer, streckte seine Arme in die Höhe, und ich erkannte, dass er sprach - rief, flüsterte und wie es schien, Sprüche von sich gab. Dann umkreiste er das Feuer sieben Mal. Und jedes Mal nach einer Umkreisung hielt er inne, machte einen Satz und rief eine Beschwörung, das konnte ich sogar als dunkles Raunen hören. Dann war Schluss. Er verharrte einen Augenblick und ich konnte sehen, wie die Flammen wieder kleiner wurden. Endlich blickte er sich zu mir um und winkte, während er nach einem Gerät griff. Als ich wieder bei ihm war, sah ich, wie er gerade eine große eiserne Schöpfkelle, mit einem langen eisernen Stiel, in den Tiegel eintauchte. Neben sich hatte er in der rußschwarzen Erde eine breite, handtiefe Furche gezogen und die Erde geglättet. Dort hinein goss er das flüssige, hellrot glühende Metall. Es funkte und zischte, als sich das heiße Metall in die Furche ergoss. Diesen Vorgang wiederholte er ein paar Mal, bis die Furche gefüllt und der Tiegel offensichtlich gelehrt war.

„Holla, das wäre geschafft“, verkündete er zufrieden und setzte die glühend gewordene Kelle ab. – „Da müsst ich doch nicht Skradii heißen, wenn das nicht ein guter Guss ist“, lobte er sich selbst. – „Und jetzt heißt es warten.“ - Warten? Ich hatte es eilig; ich wusste ja, bald würde Vollmond sein und da musste ich zurück bei deinem Schiff sein, Arwila.

„Warten, wie lange – worauf“, fragte ich. Er sah mich schräg an:

„Holla, soll ich etwa diese dicke Brühe da schmieden?“ fragte er herablassend. – „Ein Stück Zeit muss sein, denn kühlt das Metall zu schnell ab, wird es zu brüchig, und dann hüpft mein großer Vogel am Ende noch mit einem gebrochenen Bein herum und klagt in aller Welt über Skradiis schlechte Schmiedekunst.“

„Gut, ja – ich verstehe, aber wie lang wird es dauern?“ wollte ich wissen.

„Holla, der Vogel hat es eilig!“ quäkte er. – „Sei unbesorgt, ich auch. Geh, such dir einen Platz zum Ruhen, damit du zu Kräften kommst für unseren Flug. Wenn du wieder erwachst, bin ich sicher ein Stück weiter.“ - Was sollte ich tun? Ich fügte mich in das Unabänderliche. Außerdem war ich auch wirklich müde von der langen Reise zu ihm und dem anstrengenden Umgang mit diesem schwarzen Zwergenkerl. Ich suchte mir einen Platz auf einem Fels, wieder ein Stück abseits, sodass ich meinen schwarzen Freund genau im Auge behielt. Aber der legte sich ebenfalls aufs Ohr, gleich neben der Stelle, wo das Metall auskühlte. Gegen den kam ich nicht an, der machte, was er wollte und zu durchschauen war er schon gar nicht. – Ich schloss die Augen, und ich glaube, ich schlief rasch ein. Irgendwann drangen helle Klänge an mein Ohr, schön klangen sie, ein wenig hart vielleicht und kaum abwechslungsreich, aber doch schön. Was mag das sein? fragte ich mich. Das hatte ich doch schon mal gehört, aber wo – und wie? Plötzlich riss ich die Augen auf: Er schmiedet! schoss es mir durch den Kopf. Und wirklich, als ich zu Skradii hinüberspähte, sah ich ihn den Hammer schwingend vor dem Ambos stehen. Sofort flog ich zu ihm hinüber.

„Holla, wach?“ begrüßte er mich, ohne von seiner Arbeit abzulassen. Der Hammer ging sehr schnell, tanzte unablässig vom Amboss auf das Werkstück, hin und her ging es, immer in einem gleichen, geheimnisvollen Rhythmus. Er trieb das silbrig schimmernde Metall breit und dünn. Noch war nichts von dem zu erahnen, was es werden sollte. Nach einer ganzen Weile schien er zufrieden zu sein und hielt ein Stück Blech gegen die Sonne in die Höhe. Er lächelte.

„Holla, holla, ein gutes Stück Blech“, freute er sich, da machen wir jetzt ein feines Pfötchen draus.“ Er sah mich herausfordernd an und beschloss: „Und du bleibst hier, ich verschwinde in meine Werkstatt.“

„Wie“, wunderte ich mich, ist das nicht hier?“ Da lachte er schallend:

„Holla, hör sich das einer an! Da könnt ich schon wieder gekränkt sein! Bin ich denn ein Grobschmied, ein Eisengießer? Nein, das bin ich wahrlich nicht.“ Er wies auf das Feuer: „Das hier ist nur mein Schmelzplatz und die Grobschmiede. Die Kunst des Schmiedens, seine Magie“, flüsterte er dann mit zwielichtigem Vergnügen, - „findet in meiner Werkstatt drinnen statt, in meiner Felsenbehausung, und die ist nicht für fremde Augen bestimmt.“ Er machte einen Satz hin zum Felsen, drehte sich noch mal um, sah mich wieder herausfordernd an und meinte schließlich grinsend: „Du brauchst es gar nicht zu versuchen, mir nachzukommen, du würdest mich nicht finden. Also bleibe hier und warte. Warte, bis die Sonne versunken ist“, sprach er dann dunkel. - „Im Morgengrauen, wenn Mond und Sonne gleichermaßen über den Himmel wandern, der Mond heimwärts und die Sonne in den Tag, dann werde ich zurückkommen, und dann wird es Zeit für dein Versprechen sein, denn ich werde meine Arbeit getan haben, und du wirst einen neuen Fang bekommen, einen guten und was noch - wirst du erleben.“ Er drehte sich um und verschwand, wie verschluckt, vor meinen Augen. Ich hatte zu warten, wieder - noch einen ganzen Tag lang.

Ich habe gelauscht, ob ich ihn werken hören würde, aber vergebens. Ich konnte nur hoffen, dass Skradii Wort hielt und mich nicht zum Narren hielt. - Der Abend kam und endlich die Nacht.

Vom nahen Meer hatte die Nacht Nebel herangelockt, und es wurde kalt. Ich drängte mich in eine Felsennische und horchte in die weißgrau gehüllte Nacht. Es war eine karge Gegend, in der wenig Getier hauste und das wenige was sich vielleicht bewegte, wurde vom Nebel geschützt. Still war es daher, nur ganz leise hörte ich von Weitem die Brandung die Küste hinauf grollen. Ich schlief wieder ein. - In der Früh, der Nebel hing nur noch ganz dünn in der frischen Luft, sah ich zum Himmel hinauf. Der Mond, fast voll, stand leuchtend am Himmel, ein kleiner Hof hatte sich um ihn herum gebreitet. Doch von der Sonne war noch nichts zu sehen. Es konnte aber nicht mehr allzu lange dauern. Ich war froh, dass ich vor Skradii wieder frisch und ausgeruht war. Und auch jetzt war ich verwundert, dass mir in dieser Nacht nichts widerfahren war. Sollte ich Skradii vielleicht zu Unrecht misstrauen? - Ich hörte die ersten Vögel; die Zeit des Sonnenaufganges war nah. Und dann, ganz langsam färbte sich ein kleiner Streifen am Himmel über den kargen, moosbedeckten Felsen, erst grüngelb, dann wurde er immer heller und goldener. Und endlich blitzte ein kleines Stück der Sonnenscheibe über die Kante des Horizontes hinweg. Die Sonne war da. Das war die verabredete Zeit, Mond und Sonne standen gleichermaßen am dämmernden Himmel.

Ich hörte ein Geräusch! Da sah ich ihn kommen, diesen verrußten, wilden Feuerzwerg. In der einen Hand trug er ein Teil, das, bei den Göttern, meinem Fang sehr glich. In der anderen Hand hatte er dünne Schnüre bei sich.

„Holla“, begrüßte er mich munter und wies nach oben, - „die Götter meinen es gut mit uns, es wird ein schöner Tag heute und ein ziemlich guter Tag für mich, dem alten Skradii“, verkündete er. Dann hielt er mir mit aufmerksamen Augen sein Werk hin. Ein Klaue, wie die meine, wirklich. Ich wusste keine Worte, so überrascht war ich über die Meisterschaft dieses Werkes.

„Wirklich, was für eine Kunst“, staunte ich, - „wie echt - ganz so, wie mein alter Fang war!“ Er sah mich flink an und versetzte mit hoher Stimme:

„Was heißt hier wie? Es ist jetzt dein - dein neuer Fuß, dein neuer Fang, deine Klaue - von Meisterhand geschmolzen aus allerlei Metall, Silber auch, von dir ein lebend Stück und zuletzt der Dunkelalbenspruch.“ Ich muss zugeben, ich hatte gar nicht richtig hingehört, so gerührt war ich. Schließlich fragte ich:

„Und – lässt er sich auch bewegen?“ Skradii warf mir einen gekränkten Blick zu:

„Holla, was glaubst du! Doch was reden wir. Hier, ich habe Schnüre! Gleich dran damit, dann wirst du schon sehen, was so ein Feuerzwerg alles zu schmieden vermag.“ Er nahm den Fang, er hatte, da wo das Bein beginnt, einen Schaft geschmiedet, in den steckte er meinen Stumpf. Dann verschnürte er alles so, dass es gut festsaß.

„Mal sehen, ob du die Schnüre wirklich lange brauchst“, murmelte er dabei, - „morgen um die gleiche Zeit wirst du es wissen, da wirst du sehen, ob der neue Fang ein Teil von dir geworden ist. – Holla“, befahl er dann, - „und jetzt hüpf, hüpf und zugegriffen!“ – Und ich sage dir, Arwila, das war ein Gefühl, wieder auf zwei Beinen zu stehen, auch wenn ich geschickt gewusst hatte, den Verlust auszugleichen. Ich machte einen Satz und ging in die Höhe, dabei nutzte ich die neuen Krallen. Ja, sie ließen sich bewegen, wirklich! Ich weiß nicht wie. Das war Zauberei, aber gute Zauberei! - Ich flog ein paar tiefe Kreise und ging dann hoch. Da hörte ich Skradiis Gekeife:

„Holla! He, he – zurück, willst du mich betrügen! Komm runter, wir haben eine Abmachung! Du bist mir was schuldig! Jetzt bist du dran! Du hast es mir versprochen!“ Doch, ich muss zugeben, für einen Augenblick habe ich wirklich mit dem Gedanken gespielt, diese zwielichtige Gestalt stehen zu lassen. Aber als ich ihn da unten so hilflos klein und schreiend stehen sah, da dauerte Skradii mich. Nein, ich wollte redlich bleiben, und so landete ich schnell wieder direkt vor ihm. Und auch das ging sehr gut, viel besser als zuvor.

„Was machst du für ein Geschrei? Was denkst du, sind das vielleicht deine bösen Gedanken?“ schimpfte ich.

„Holla, böse Gedanken…!“ wehrte er sich immer noch erregt, - „wie soll ich wissen, was du vorhast?“

„Indem du dich erinnerst, was ausgemacht war!“ Er knurrte, dann sagte er:

„Also gut, ich sehe, du bist zufrieden.“

„Bin ich, sehr sogar. Ich kann deine Schmiedekunst gar nicht hoch genug loben“, bedankte ich mich und das war ehrlich gemeint.

„Das freut mich zu hören, dann können wir ja jetzt aufbrechen“, schlug er vor.

„Gern, gleich jetzt?“

„Warum nicht, der Weg ans Festland braucht sicher seine Zeit“, antwortete er.

„Dann lass uns aufbrechen!“ Schon dachte ich, dass er auf meinen Rücken klettern würde, als er plötzlich >halt!< rief und noch einmal zu seinem Schmiedeplatz lief. Dort ging er zum Hauklotz, in dem noch immer seine Axt steckte. Er zog sie heraus und kam mit ihr zurück. Was soll das werden? fragte ich mich beunruhigt und begab mich in Abwehrstellung:

„He, he, was hast du vor?“

„Nichts! Was denkst du denn?“ entgegnete er und blieb ein paar Schritte vor mir stehen.

„Das ist gut so, bleib mir mit der Streitaxt, wo du bist, oder ich bin weg“, drohte ich.

„Holla – immer so misstrauisch, der Vogel? Das ist meine eigene Axt, meine Surr, ein wahres Kunstwerk, auch wenn man es ihr nicht ansieht. Ich will ja sonst nichts mitnehmen, aber ohne meine Surr, meine Waffe, das kannst du nicht von mir verlangen.“ Ich sah ihn nachdenklich an, blieb aber hart:

„Die Waffe in deinen Händen auf meinem Rücken, da müsste ich ja ziemlich schlau sein, was…?“ - Skradii rupfte sich in seinen Haaren, dann ging ein Lächeln über sein schwarzes Gesicht:

„Holla, ich hab’s!“ rief er, - „dann eben nicht in meinen Händen, nimm die Axt selbst und gib sie mir, wenn wir da sind.“ Das war ein Vorschlag, den ich annehmen konnte.

„Leg die Axt dorthin, wo du stehst“, forderte ich ihn auf, - „Dann kommst du zu mir auf den Rücken, und dann nehme ich die Axt!“ schlug ich vor. Damit war Skradii einverstanden.

Der Zwerg war wirklich nicht so schwer, wie ich dachte. Und als ich die Axt griff, wunderte ich mich nicht wenig, wie gut sie sich halten ließ und wie leicht sie sich anfühlte, obgleich die Axt selbst vorn ein gutes Gewicht hatte. Eine wirklich besondere Axt, da hatte Skradii recht.

Wir hoben ab und stiegen hoch über die Insel. Unten sahen wir das karge, grüne und graue Land, sahen das tosende Meer und die Brandung an der zerklüfteten Küste, dann drehte ich ab und flog heimwärts, Richtung Südosten. Skradii war ganz still, er sagte kein Wort. Ich konnte sehen, wie er gebannt und neugierig hinab und in die Weite schaute. Bestimmt hatte er die Erde von solch einer Höhe aus auch noch nie gesehen. Noch sahen wir nur Wasser. Einmal konnten wir Wale sehen, wie sie bliesen und mit ihren gewaltigen Fluken auf das Wasser schlugen. Es war ein langer Flug, und die Sonne hatte den ganzen Tag unermüdlich auf mich auf uns gebrannt. Dann senkte sie sich wieder, und der Tag neigte sich dem Abend zu. Schließlich sah ich Festland, endlich. Denn so leicht Skradii auch war, so wurde er mir doch schwerer und schwerer, auch die Axt zog eisenschwer nach unten.

Ich landete an einer Wasserstelle, denn ich hatte Durst. Skradii sprang von mir ab und freute sich, dass er ein paar Schritte gehen konnte. Ich trank und überlegte, wie es weitergehen sollte. Ich konnte unmöglich Skradii bis hin zum Schiff ins Land des Vergessens mitnehmen. Ich musste ihn jetzt hierlassen. Und da wir hier auf Festland waren, sah ich meinen Teil des Vertrages auch als erfüllt an. Was Skradii wollte, wusste ich nicht, wohin er wollte, auch nicht. Aber er würde schon sein Ziel finden, dachte ich. Zu Verwandten wollte er, ob er sich dort blicken lassen konnte, wo man ihn doch verbannt hatte, das wusste ich nicht; es war ja schon sehr lange her, wenn das stimmte, was er gesagt hatte. Nach einer Weile des Ausruhens stieß mich Skradii an und fragte:

„Holla, was ist – wollen wir nicht weiter?“ Ich holte Luft, jetzt musste ich es ihm sagen:

„Ja“, antwortet ich und sah ihn von der Seite an, - „will ich. Du kannst ja jetzt machen, was du magst, wir sind quitt.“ Er schluckte, starrte mich verblüfft an, sprang vor mich hin und funkelte mich an:

„Wie, was!“ bellte er. - „Du willst mich hier sitzen lassen?“

„Was heißt sitzen lassen“, gab ich ruhig zurück, - „ist es nicht so, dass sich hier unsere Wege trennen? Mein Weg ist nicht dein Weg. Und habe ich nicht meinen Teil des Vertrages erfüllt?“ Er machte einen Sprung in die Luft und stampfte auf den Boden. Ich hielt aus Vorsicht noch immer seine Axt fest.

„Du bist ein Lump, ein Betrüger, du solltest mich zurückbringen!“

„Nein“, entgegnete ich scharf! Ich sollte dich von der Insel forttragen, aufs Festland, nicht mehr und nicht weniger, und das habe ich erfüllt.“ Er sprang mich an und ich wich zurück.

„He, he, Skradii, lass das, es ist alles ehrlich so, du weißt das.“

„Gib mir meine Axt!“ fauchte er.

„Die bekommst du“, sobald ich in der Luft bin. – Ich danke dir für alles“, sagte ich dann, - „vielleicht sehen wir uns einmal wieder, ich hoffe, dann hast du dich eines Besseren besonnen, leb wohl!“ rief ich und schwang mich auf.

„Holla! Du, du Lump! Meine Axt will ich! Dieb, Dieb!“ schrie er. Da ließ ich die Axt los und sie fiel zurück auf die Erde. Er schnappte sie sich und schleuderte sie in einer Bewegung hoch zu mir! Und sie flog, flog, flog immer dichter kam sie! Bei allen Göttern, was für eine Axt! Sie kam direkt auf mich zu! Ganz dicht! Im letzten Augenblick ließ ich mich fallen und sie schoss an mir vorbei. Gleich drauf stürzte sie in einem Bogen wieder zur Erde und fiel, als sei sie Tors Hammer, wieder zurück in Skradiis Hand.

„Holla, da staunst du, was! Das ist Surr, die weiß zu sprechen!“ drohte er und schwang die Axt: „Gnoer – du glaubst, ich wüsste nicht, wer du bist! Aber du irrst, denn ich weiß, in deinen Adern fließt das Blut der Dunkelalben! Und auch wenn du mir jetzt entkommen bist: Ich bin Skradii, der Feuerzwerg aus der Sippe der Schwarzzwerge, ein Verwandter der Dunkelalben! Dorthin gehe ich jetzt, denn Rakon im Reich der sieben Seen erwartet mich! Da werden wir uns wiedersehen, und dann werde ich dich töten!“ So wetterte er. – Verflucht, doch eine Falle! schoss es mir durch den Kopf, es war die ganze Zeit eine klug eingefädelte Falle! Ich hatte es gewusst, geahnt, die ganze Zeit über, und jetzt war es offenkundig. Und mein Zorn darüber wurde so übermächtig, dass ich alle Vorsicht fahren ließ. Und noch während Skradii mich laut kläffend verfluchte und mir mit seiner Axt drohte, ließ ich mich urplötzlich auf ihn fallen, wie auf ein Beutetier! Blitzschnell griff ich mit meinem neuen Fang nach der Axt und entriss sie dem verblüfften Zwerg, ehe er sich versah. Schnell stieg ich wieder in die Höhe und machte mich ohne ein Wort davon. Noch von fern hörte ich die Flüche und Drohungen Skradiis. Aber ich war zu weit weg, dass er noch irgendetwas gegen mich ausrichten konnte. Vielleicht hätte ich ihn gleich töten sollen, dachte ich nach einer Weile und denke es noch immer. Wer weiß, was er noch anrichten wird, aber da war ich ihm noch zu dankbar für seine gute Arbeit.“

Gnoer schwieg einen Augenblick. Auch Arwila wusste kein Wort zu sagen. Zu viel Neues hatte sie gehört, und ihr Kopf war noch voll der Bilder, die Gnoer in ihr hervorgerufen hatte. Nach einer Weile sprach Gnoer mit leiser und gedämpfter Stimme:

„Weißt du Arwila, es ist ja alles gut verlaufen, ich habe meinen neuen Fang. Der Traum, der deine Stimme hatte, hat mich an den richtigen Ort gebracht, doch gleichzeitig bin ich auch in eine Falle gelockt worden. Ist das nicht widersinnig?

„Nun“, meinte sie nach einigem Nachdenken, - „Es muss nicht unbedingt eine Falle gewesen sein“, gab sie zu bedenken. – „Vielleicht scheint es dir nur so. Vielleicht hat Skradii erst im Augenblick des Zorns so gesprochen und gehandelt. Aber wir können nur vermuten und abwarten, was geschieht.“

„Mag sein, und dennoch“, erklärte er bekümmert: „Seither bedrückt es mich, nicht zu wissen, was der Schwarzzwerg gemeint hat, was er damit sagen wollte, dass in meinen Adern Blut der Dunkelalben flösse. Ob es nur eine bös gemeinte Lüge war? Dagegen jedoch spricht, dass er recht behalten hat mit meinem Fang. Er war wirklich am nächsten Morgen angewachsen und ist jetzt ein Teil von mir geworden. Strömt also in mir das Blut unserer Feinde?“ Arwila stand auf und streichelte ihn über den Kopf:

„Ach, Gnoer“, sagte sie leise, - „was soll ich darauf antworten? Du selbst hast gesagt, dass wir klarer sehen, wenn wir den Bann des Tores der Stürme durchbrochen haben und wieder im Reich der sieben Seen sind. Und ist es nicht entscheidend, wo wir stehen, ob diesseits oder jenseits der Scheide zwischen Licht und Dunkelheit? Und wenn ich auf mein Herz höre, dann weiß ich, dass deine Sorgen unbegründet sind, ganz gleich, welches Blut in deinen Adern fließt.“ Gnoer seufzte:

„Du bist zu gut, Arwila, ich will hoffen, dass es so ist, wie du sagst.“ Es entstand eine Pause, nach einer Weile fragte Arwila:

„Verzeih, meine Neugier, was ist eigentlich aus Surr der Streitaxt Skradiis geworden?“

„Also…!“ staunte er, - „das sind ja Fragen eines Weibes. Aber du sollst es wissen. Er rückte mit seinem scharfen, krummen Schnabel an ihr Ohr und flüsterte: „Ich habe sie in Garls Obhut gegeben, sie wird uns bestimmt noch nützlich sein, denn sie hat wirklich die unglaubliche Eigenschaft, das sie demjenigen, der sie schleudert, wieder zurück in die Hand fliegt, wenn er sein Ziel verfehlt hat. Außerdem ist man mit ihr sehr treffsicher, und sie ist leicht und behände zu führen.“

Sie standen noch eine Weile schweigend beisammen. Die Nacht war vorgerückt. Das Schiff knarrte unter dem sanften Seegang. Alle, bis auf den Steuermann, schienen zu schlafen. Der Himmel war klar und die Sterne streuten sich weit über dem Firmament. Arwila verabschiedete sich von Gnoer und legte sich auch zur Ruhe. Sie fühlte sich wohl, auch wenn sie voller Erwartung auf den nächsten Tag war. Gnoer war ein Vogel, wie viel Schlaf er brauchte, wusste sie nicht, offenbar war es weniger, als sie selbst, denn er blieb auf dem Dollbord hocken, und schaute in die blaugrüne Nacht.

Irgendwann später wachte sie kurz auf, Varulv, der neben ihr lag, hatte leise geknurrt, und als sie die Ohren spitzte, hörte sie Geräusche an Bord, irgendwer rumorte leise an seinem Platz, oder war Wachwechsel, überlegte sie und schlief wieder ein.

Arwila erwachte durch tumulthafte Geräusche. Es war bereits hell, und die Sonne stand rot glühend über dem Horizont. Sie schaute nach dem Lärm. Im Vorschiff hörte sie Garls krächzende Halbstimme, sie klang heftig und drohend. Dann sah sie Steinar. Er stand mit dem Rücken am Bugsteven, und fletschte trotzig die Zähne, die Hand an ein Schwert gelegt, das sie zuvor bei ihm nicht gesehen hatte, denn alle Leute Grols hatten nur ihr Sax, das lange Messer. Es war ein Schwert, in einer prunkvoll verzierten, grünlich schimmernden Scheide, ähnlich dem, das auch Garl trug. Gnoer saß oben auf der Rah, unter ihm, voll aufgebläht, das Segel, das leicht nach Backbord gebrasst stand.

„Gib das Schwert zurück“, verlangte Garl in einem Ton, der keine Missverständnisse zuließ!“

„Es ist meins!“ behauptete Steinar giftig, ich hab’s hier unter einer Decksplanke gefunden.“

„Gestohlen hast du es! Gib es jetzt oder ich hole es mir!“ drohte Garl und seine Stimme wurde noch leiser und noch drohender.

„Was willst du, ihr habt doch alle eins, es ist für mich, ich habe es gefunden!“ beharrte Steinar. Garl blickte sich um, blickte zu Grol und sah ihn prüfend an, dann sprach er zu ihm:

„Grol, es ist dein Mann, ich will besonnen bleiben, bring du ihn zur Vernunft. Ihr habt gestern Abend meine Geschichte gehört, und es ist klar, wem dieses Schwert und alle anderen Waffen gehören. Nur ich entscheide, wer hier was bekommt! Und dieses Schwert ist weder für Steinar noch für sonst einen Mann hier an Bord bestimmt! Also sag ihm, er soll es mir freiwillig geben oder ich werde es mir holen!“ Grol fuhr sich durch seinen Bart und seine kleinen grünen Augen flogen zwischen Steinar und Garl hin und her.

„Verdammt!“ fluchte er in Richtung Steinar. – „Hätte dich doch besser zurücklassen sollen! Kenn dich sowieso nicht gut. Nur Ärger hat man mit dir! Gib es raus, du weißt, es ist nicht deins!“ Er machte einen Schritt auf Steinar zu.

„Bleib, wo du bist, du roter Gnom!“ zischte Steinar und drückte sich noch weiter in die Bugspitze. Grol der Zwerg, fuhr sich hektisch durch sein Haar, seine Gesichtsfarbe lief an, blitzschnell, niemand konnte erkennen, wie es ihm gelang, hatte er seine funkelnde Axt in der Hand. Doch nicht viel weniger schnell hatte auch Steiner das Schwert gezogen. Eine funkelnde Klinge, scharf und geschmeidig, wie man sie unter Tausenden nicht findet. Ein Raunen wurde vernehmbar, denn es hatten sich jetzt alle, bis auf den Steuermann, eingefunden und standen um die Beteiligten herum. Grol aber ließ sich nicht einschüchtern, noch einmal verlangte er das Schwert. Doch Steinar knurrte nur:

„Wer es haben will, der soll es sich holen!“ seine Augen wurden ganz klein. Grol wartete jetzt nicht mehr, er machte einen Satz auf ihn zu, holte mit der Axt aus und zielte auf das Schwert, um es ihn zu entwinden. Doch Steinar, offenbar ein guter Krieger, nicht mehr ganz jung, doch wie es schien erfahren und noch flink, parierte den Schlag. Die Klinge des Schwertes traf auf den Holzstiel der Axt unterhalb des Schafts. Sie durchschnitt ihn glatt und leicht, wie ein Stück altes Tau. Und die Axt, vom Stiel losgelöst, schoss im hohen Bogen über Bord, weit in die See hinaus.

„Verdammt!“ brüllte Grol und schaute für eine Winzigkeit verblüfft seiner Axt nach, - „Dämonenzeug! Verdammt, meine schöne Axt! Salzwasser ist ihr nicht zuträglich!“ Doch noch im selben Augenblick, während alle, vielleicht mit Ausnahme Garls, noch der Axt nachsannen und Steinar seinen Triumph auskostete, machte der kantige, rothaarige Zwerg, allen Zorn der Welt in seinen Adern, einen überraschenden Sprung nach vorn, auf die Beine Steinars zu, griff sie, schneller als Steinar merkte, wie ihm geschah, umklammerte sie, hob Steiner kurz hoch und warf ihn im gleichen Augenblick zu Boden. Dabei entriss er ihm im Handumdrehen das Schwert, warf es Garl so geschickt zu, dass der es aus der Luft am verzierten Griff fangen konnte. Dann entwand er Steinar die kostbare Scheide und warf sie ebenfalls Garl zu. Gleichzeitig packte er Steinar an Hemd und Hose, richtete sich auf, ohne ihn loszulassen, hob ihn kopfüber und warf ihn im hohen Bogen über Bord!

„Und jetzt schön suchen, ich will meine Axt zurück!“ brüllte er ihm nach. Dann rüttelte er sich und versetzte trocken:

„Verdammt, hätte gleich die Hände nehmen sollen.“ Schließlich meinte er in Richtung Garl: „Verzeih, der Junge ist schlecht erzogen, aber ich werd ihm schon noch Anstand beibringen, das glaube mir.“ Dann befahl er seinen Leuten:

„Segel einholen! Anker raus! – Wollen doch mal sehen, ob der Junge auch richtig sucht!“

Das Schiff war schon ein Stück von Steinar entfernt, als es zum Halten kam. Grol ließ seine Männer an die Riemen gehen und die Arwila zurückrudern. Als sie bei dem wild paddelnden Steinar waren, rief Grol:

„Na, wo ist die Axt?“ Steinar verfluchte ihn und spuckte ins Wasser. Die Männer feixten. Grol ließ ihn noch eine Weile im Wasser. Als er aber sah, dass es für Steinar brenzlig wurde und er immer größere Schwierigkeiten hatte, sich über Wasser zu halten, ließ er ein Tau werfen, und man holte ihn an Bord zurück. Röchelnd, pustend und völlig erschöpft lag er auf dem Deck.

„Verdammt, verdammt!“ krächzte Grol, - „da hast du noch mal Glück gehabt! Das nächste Mal drehe ich dir den Kragen um, und zwar sofort! Und ich sage dir, das meine ich ernst! Und jetzt hoch, und an die Arbeit!“ befahl er und stieß ihn mit dem Fuß an. Dann befahl er die Weiterfahrt.

Der Anker wurde gelichtet und das Segel wieder gesetzt. Grol sah auf das Wasser, sah in den Himmel und es schien, als schnupperte er in den Wind. Dann stellte er fest:

„Verdammt, es ist nicht mehr weit, wir werden noch heute vor der Küste sein.“ Er befahl einen Mann in den Ausguck.

Die Zeit verging. An Bord war es wieder still geworden, nur manchmal hörte man Grols Befehle. Er schien ein wenig unruhig und ließ den Ausguck jetzt keinen Augenblick mehr unbesetzt. Zuletzt hatte er Krol, der ihm offensichtlich am nächsten stand, den Mast hinaufgeschickt.

„Ein guter Schiffsführer“, stellte Gnoer fest, nachdem er sich zu Arwila gesellt hat. – „Ich bin froh, dass er da ist, er wird seine Sache gut machen; er muss uns durch das Tor der Stürme führen.“

„Ich weiß“, antwortete sie, - „und ich bin gewiss, dass er es schaffen wird.“

„So sehe ich es auch“, antwortete Gnoer und fragte: „Hast du gesehen, wie schnell und wie kräftig er ist? Er kämpft wie ein Berserker, auch wenn er keiner ist, dafür ist er viel zu schlau. Und mit der Axt – so schnell und so geschickt! Dass sie nicht standhielt, gegen dieses Schwert, das ist nicht seine Schuld, mit einer besseren Axt hätte er Steinar das Schwert sofort entwunden.“ Arwila sah ihn an und nickte:

„Du hast recht, und ich verstehe deine Überlegungen, du denkst an die Surr. Ich glaube, dass es bei Zeiten die richtige Entscheidung wäre.“ Gnoer drehte ihr den Kopf zu, und wunderte sich:

„Wie vertraut das geht, zwischen uns, als wäre das immer schon so gewesen.“

„Ja, Gnoer, mir geht es ähnlich, je näher wir der Heimat kommen, je mehr spüre ich Neues in mir, das und doch, wie es scheint, Altbekanntes ist. Meine Erinnerung kehrt zurück – ich werde wieder Arwila, auch wenn es vielleicht noch eine Weile dauert. Und ich spüre, es gibt noch alte, uralte Dinge zu klären, von denen ich früher auch nichts wusste und die jetzt wohl bedeutungsvoll werden. So werd ich, sobald ich es vermag, nach meinem Großvater Murdahl suchen, von dem Rigmar zu Garl gesprochen hat. Es ist gewiss, dass es eilt.“

„So ist es wohl. Auch ich werde endlich wissen müssen, wer ich wirklich bin, woher ich stamme. Ach, es gibt so viel Dunkles, und wir sind mitten drin“, klagte Gnoer. Arwila strich ihm über den Kopf:

„Sei ohne Sorge, wir werden es ändern, und am Ende sehen wir Licht, und dann wird alles gut.“ Gnoer lachte leise und flüsterte:

„Wie gern ich das mag … wenn deine Hand…; heute Nacht hast du es auch schon einmal getan.“

„Ich weiß“, flüsterte Arwila nun auch, - „und ich hab es nicht vergessen. Es hat etwas in mir berührt“, gestand sie.

„Land, Land in Sicht, Land!“ rief in diesem Augenblick Krul vom Ausguck. Alle starrten nach vorne, aber von Deck aus war noch nichts zu sehen. Gnoer flog auf die Rah und rief ebenfalls:

„Land! Ja, das ist die richtige Stelle! Da geht es zum grauen Fjord. Es ist bald soweit. Da trat Garl zu Arwila:

„Herrin“, sprach er in seiner gewohnt ruhigen Weise, - „du solltest dich nun bald umkleiden.

„Umkleiden…?“ wunderte sie sich.

„Ja, Herrin“, erklärte er, - „es ist besser so, unsere Feinde können nun überall auf uns lauern. In deinem Zelt findest du in einem Ledersack eine Rüstung - ein Rüstungsgewand für dich. Davon habe ich ja schon berichtet, als ich von Rigmar sprach. Er trug mir auf, dir das Rüstungsgewand zu geben, wenn du es brauchst. Dieses besondere Gewand ist keine gewöhnliche Rüstung, sondern es wurde extra für dich gefertigt. Neunundvierzig Nixen halfen bei dieser Arbeit. Es ist ein ganz weiches, geschmeidiges Gewand, aus Pflanzen der tiefen See gewebt, ein Kleinod, wie es kein zweites gibt. Es ist fest und undurchdringlich, gegen jede Waffe. Auch Schuhe findest du dort und Beinschutz, sogar eine Kappe aus denselben Pflanzen gefertigt. Trag es ab jetzt, und halte deinen Bogen und Köcher bereit, wer weiß, was uns von nun an erwartet.“

Schnell kamen sie der Küste näher. Grol stand mit Garl und Arwila am Dollbord, und sie schauten prüfend zur ihr hinüber. Nachdenklich strich er sich über seinen Bart:

„Verdammt, verdammt, da ist es!“ grantelte er plötzlich und spuckte in die See. – „Bin mal gespannt, was jetzt kommt.“ Er sah in den Himmel. – „Spät schon“, stellte er fest, - „die Sonne steht bereits tief im Westen. Ob wir es heute noch wagen sollten?“ Gnoer kam hinzu und fragte Garl:

„Was meinst du, Freund - hat Grol nicht recht? Sollten wir nicht lieber noch eine Nacht warten, irgendwo in einer Bucht? Dann könnten die Männer auch an Land gehen und kochen, und wir wären gut gestärkt für den nächsten Tag.“ Garl zuckte mit seinen schweren Achseln:

„Ich habe keine Eile“, sprach er, - „lass es uns so machen.“ Plötzlich verdrehte Grol mit verzücktem Blick den Hals, er sah Arwila nahen. Die tief stehende Sonne leuchtete sie alle gefällig an. Vor allem Arwila in ihrem grünen Gewand, mit ihren dunklen, langen Haaren. Schön, einer Göttin gleich, stand sie da, eingehüllt in einen Lichtglanz aus reinem Gold. Ihr Haar leuchtete rotgolden und dunkel zugleich. Grols Augen konnten erst gar nicht von ihr lassen, langsam wanderte sein Blick an ihrer Gestalt herab, als er mit einem Mal stutzte. Sein Blick ging noch einmal an ihr auf und ab, sodass es jetzt jeder mitbekam, dann sah er auf sich, auf Gnoer, auf Garl, dann wieder auf Arwila, bis er schließlich ungläubig und beunruhigt raunte:

„Kein Schatten … sie hat keinen Schatten.“ Alle sahen ihn fragend an und verstanden nicht, was er meinte. Er wies auf das Deck und wiederholte sich wundernd: „Verdammt, seht ihr es nicht, die Herrin Arwila, sie hat keinen Schatten, sie ist eine Schattenlose!“ Jetzt verstanden alle. Nun blickte Arwila auch auf die sonnenbeschienen Planken, was redet der Zwerg da? fragte sie sich ungläubig. Doch dann - da wo ihr Schatten hätte sein müssen, da war wirklich nichts! Bestürzt schaute sie sich um. Niemand wusste etwas zu sagen. Arwila blickte auf Varulv, der wie immer unauffällig, aber beharrlich in ihrer Nähe weilte. Er sah zu ihr hoch und gab ein, zwei Laute von sich, die nur sie verstand:

„Ist so, mein Kind, ändert sich wieder, wenn alles so geschieht, wie es soll.“ Dann schwieg er wieder. Arwila atmete auf, besann sich und erklärte kurz:

„Was kümmert’s! Ich bin Arwila, mit oder ohne Schatten! Nehmen wir es, wie es ist. Dann bin ich eben - Arwila, die Schattenlose. Und nun lasst uns eine Bucht suchen und an Land gehen. Ein gutes Mahl würde auch ich jetzt nicht verschmähen.“

Arwila

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