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Teheran, 17.Juli.2006
„Ist der Himmel nicht wunderschön“, seufzte Yassir, während er nach dem Glas mit der Zitronenlimonade griff. Das Kondenswasser perlte bereits an der Außenseite ab. Er saß auf dem Dach seiner Behausung. Neben ihm lag Nia auf einem Liegestuhl und blickte, wie hypnotisiert in den Himmel. Keine Wolke war zu sehen und die schwüle Hitze war drückend. Das Blau breitete sich wie eine unendliche Leinwand über ihnen aus. Yassir blickte zu ihr rüber, aber sie ignorierte ihn. Seit dem Verschwinden Bassams schien der Zorn auf ihn kaum nachgelassen zu haben. Aus der einst lebensfrohen Frau war ein verbitterter Mensch geworden. Yassir erkannte sie kaum noch wieder. Nachts hatte er sogar das Gefühl, als läge eine völlig Fremde neben ihm. Auch äußerlich hatte sie sich im Laufe der Jahre enorm verändert. Ihr geschmeidiges, schwarzes Haar war wellig geworden und von grauen Strähnen durchzogen. Auf ihrem Gesicht hatte die Zeit einige Falten hinterlassen. Ein Lachen hatte er schon seit Jahren nicht mehr von ihr sehen können, und wenn sie es tat, wirkte es gezwungen und es bildeten sich Krähenfüße um ihre Augen.
„Ich habe Kopfschmerzen.“ Sie stand auf und stieg durch die Dachluke runter in die Wohnung.
Yassir hatte sich an die Kälte, die sie ihm zu spüren gab zwar gewöhnt, aber es tat ihm im Herzen immer noch weh, dass sie ihn so herablassend behandelte. Die Schuld und die Trauer um Bassam hatten ihn selbst fast in den Wahnsinn getrieben. Ein Fehler, der heute noch seine Seele in Stücke riss. Seufzend trank er aus seinem Glas und spürte die erfrischende Wirkung der Kohlensäure, die seine Kehle runterlief. Er blickte über zahlreiche Häuser, die die Wärme des Tages aufnahmen und den Menschen in den kalten Nächten zugute kam. Von hier konnte er sogar die Schahid Mottahari Moschee sehen, deren bunte Kuppel einen langen Schatten auf die anliegenden Häuser warf. Die Stimme des Muezzins, der zum Abendgebet aufrief, schallte über die Dächer.
„Was soll das alles bringen“, murmelte er zu sich selbst.
Nachdem Gebet stieg er die Leiter runter. Die Wohnung lag im Dunkeln. Die Vorhänge waren zugezogen. Ein Abbild des Seelenzustands seiner Frau. Schon seit Langem hatte sie das Haus nicht mehr verlassen, geschweige denn unter Menschen gekommen. Einige Male wollte Yassir sie zum Essen ausführen.
„Es wird dir gut tun“, hatte er gesagt, aber ihre Antwort war immer die Gleiche gewesen.
„Ich will nicht, ich fühl mich heute nicht gut.“
Yassir setzte sich müde an den Tisch. Nia, die in der Küche stand, wo sie einen Fisch anbriet, blickte kurz zu ihm rüber.
„Essen ist gleich fertig“, sagte sie mit einer schläfrigen Stimme.
Am liebsten wollte Yassir seine Arme um sie legen, während sie noch am Herd stand, aber sie spürte schon lange für ihn keine Zuneigung mehr. Alles hatte sich verändert. Er hatte nicht nur sein einziges Kind verloren, sondern auch seine Frau. Stille hatte sich in der ganzen Wohnung ausgebreitet. Nur das in der Pfanne brutzelnde Fett war zu hören.
„Warte, ich helfe.“ Yassir war aufgestanden, als seine Frau begann, den Tisch zu decken.
„Brauchst du nicht“, meinte sie.
Er ignorierte ihre Aussage und gemeinsam stellten sie Schüsseln, die mit Oliven, Fladenbrot und Schafskäse gefüllt waren, auf den Tisch. Ein verlegenes Lächeln war in ihrem Gesicht zu erkennen. Sie nahm die Pfanne vom Herd und stellte sie auf die Mitte der Tischfläche.
Zögerlich setzte sie sich hin. Auf den Stuhl, der sich möglichst weit weg von ihm befand. Sie ertrug seine Nähe nicht. Selbst jetzt nicht, nach so einer langen Zeit. Einige Male hatte er, seit dem Verschwinden Bassams, versucht ihr körperlich zu nähern, aber war immer wieder von ihr zurückgewiesen worden, als würde er sie anwidern. Irgendwann hatte er es ganz aufgegeben. Durch die emotionale Kälte in ihrer Ehe hatte er sogar mit dem Gedanken gespielt, sich von ihr zu trennen, aber er machte sich Sorgen, dass sie von den Leuten geächtet sein würde. Eine geschiedene Frau war in dieser Gesellschaft nichts wert. Das wollte Yassir ihr nicht antun. Denn sie hatte genug gelitten. Trotzdem ertrug er es kaum noch sich mit ihr im gleichen Zimmer zu befinden.
Schweigend fing Yassir an zu essen. Das Dankgebet sprachen sie schon lange nicht mehr. Mit dem Verschwinden ihres Sohnes schien auch ihr Glaube verschwunden zu sein. Yassir war den ganzen Tag durch die engen Gassen Teherans gelaufen. Bei der Hitze eine Knochenarbeit, die er allerdings schon seit über zwanzig Jahren machte. Er hatte das Gefühl, dass die Ledertasche, die mit Briefen und kleineren Paketen gefüllt war, täglich etwas schwerer wurde. Dementsprechend groß war auch sein Appetit. Fleißig langte er zu und schob sich dabei gleichzeitig Fisch und Brot in den Mund. Nia aß nichts. Sie saß nur da und blickte ihn giftig an.
„Wie kannst du nur fressen wie ein Schwein, nach all dem. Wie kannst du nur so einfach weiterleben, als wenn nichts geschehen wäre.“ Wie aus dem Nichts kamen jedes Mal ihre Sticheleien.
Yassir blieb das Essen fast im Halse stecken, als er die Veränderung in ihrer Stimme hörte. Seine Kaubewegungen verlangsamten sich. Nia war aufgestanden und ins Schlafzimmer gegangen, wo sie sich ausgezehrt ins Bett legte. Yassir hielt es nicht mehr länger aus. Hastig stürmte er ins Zimmer. Sie hatte ihre Augen geschlossen und tat so, als würde sie bereits schlafen.
„Was erwartest du von mir!? Ich habe dich unzählige Male auf Knien um Verzeihung gebeten. Denkst du etwa die Erinnerung an Bassam, würde mir nicht das Herz zerreißen. Ich habe damals alles versucht ihn ausfindig zu machen.“
„Wag es nicht seinen Namen auszusprechen“, zischte sie, nachdem sie sich wieder aufgerichtet hatte.
„Soll ich tot umfallen!? Willst du das von mir!? Selbst wenn ich vor Reue sterben sollte, wirst du deinen Sohn nicht mehr in den Armen halten können.“
„Hör endlich auf!“, schrie sie den Tränen nahe. „Ich will dich einfach nicht mehr sehen.“
Es klopfte, was den Streit zwischen ihnen unterbrach. Völlig aufgewühlt ging Yassir zur Haustür, die er nur einen Spalt öffnete. Das wenige Licht, das eindrang, reichte aus, um den ganzen Raum zu erhellen. Vor ihm standen zwei uniformierte Polizisten. Beide mit Schnauzbart. Der eine allerdings etwas kleiner, als der andere. Trotzdem hätten sie Brüder sein können.
„Yassir Navid!“, sagte der Größere in militärischem Tonfall.
„Ja“, bestätigte Yassir und zog die Tür weiter auf.
„Ich muss Sie bitten, mit uns zu kommen. Der Polizeichef will Sie sprechen.“ Nun meldete sich auch der Kleinere zu Wort. Der Mann wirkte ungeduldig.
„Wollen Sie mir nicht erst erklären, worum es geht. So kommen Sie doch bitte rein.“
„Na gut“, meinte der Große und betrat schweigend das Haus. Neugierig blickte er sich um.
Sein Kollege trat sich die Schuhe ab, bevor er folgte. Eilig wollte Yassir Teewasser aufsetzten, aber ein Polizist hob die Hand und gab ihm zu verstehen, dass es nicht nötig war. Yassirs Herz klopfte. Er wusste schließlich nicht, was diese beiden Herren von ihm wollten. Hatte er vor Kurzem gegen ein Gesetz verstoßen?
„So setzen Sie sich doch.“
Die Polizisten folgten seiner Aufforderung und nahmen am Küchentisch Platz, auf dem noch die fast vollen Schüsseln standen. Yassir eilte zu den Fenstern und zog überall die Vorhänge wieder auf. Der Raum wurde in helles Licht getaucht.
„Haben wir Sie gestört?“, fragte der Große, während er auf den gedeckten Tisch deutete.
„Nein, ich war schon fertig“, log Yassir. Das kaum angerührte Essen entblößte die Lüge.
„Was wollen Sie von mir?“
„Es geht um ihren Sohn, Bassam Navid.“
Yassir stockte der Atem. Beunruhigt blickte er Richtung Schlafzimmer. Nia schien schon eingeschlafen zu sein.
„Wie bitte?“
„Genaueres kann ich Ihnen auch nicht sagen, aber es gibt da jemanden, der weiß, wo er sich befinden könnte.“
„Mein Sohn, sind Sie sich sicher, mein Bassam!?“ Yassir konnte den Polizisten kaum in die Augen blicken. Zu sehr stand er nach diesen Worten unter Schock. Seine Zunge war wie gelähmt und sein Blick panisch. Neunzehn Jahre hatte es keine einzige Spur von Bassam gegeben und jetzt tauchten diese Männer wie aus dem Jenseits auf und nährten seinen Schmerz.
„Wie gesagt, die genauen Details besprechen Sie bitte mit dem Polizeichef. Wir werden Sie umgehend dorthin fahren.“ Fast gleichzeitig waren die beiden Männer aufgestanden, nachdem sie wieder ihre Mützen vom Tisch genommen hatten. Nur der Kleinere setzte sie sich auf. Der andere klemmte sie unter den Arm und ging auf die Haustür zu.
„Was sagten Sie da?“ Die Stimme hinter ihnen ließ Yassir zusammenzucken.
Nia stand in der Küche, mit verweinten Augen blickte sie die Polizisten an.
„Nia… .“Yassir trat ihr einen Schritt entgegen.
„Bassam könnte noch am Leben sein. Ich habe es genau gehört.“
Yassir drückte sie zurück, aber Nia stemmte sich mit all ihrer Kraft gegen ihn.
„Lass mich!“, brüllte sie. „Ich werde mitkommen.“
„Du weißt doch gar nicht, was dahinter steckt. Bleib zu Hause und schone deine Nerven. Ich werde dir alles berichten, sobald ich wieder zu Hause bin.“
Yassir wandte sich um.
„Bitte gehen Sie schon mal vor. Ich komme sofort.“
Die beiden Polizisten blickten sich ratlos an und verließen das Haus.
„Nia, ich weiß, dass es hart für dich sein wird, aber du musst erst hierbleiben. Vielleicht sind es nur haltlose Informationen, die ins Nichts führen. Wenn du dir jetzt zu große Hoffnungen machst, wirst du ein zweites Mal daran zerbrechen.“
Eine schallende Ohrfeige traf seine Wange. Entsetzt über ihre eigene Tat, blickte Nia ihm in die Augen. Ihre hingegen füllten sich langsam wieder mit Tränen. Er nahm sie liebevoll in die Arme. Seit einer Ewigkeit war er ihr nicht mehr so nahe gewesen. Ihre Wärme tat ihm gut. Wortlos drehte sie sich um und ging zurück ins Schlafzimmer.
***
Das gleißend helle Licht schmerzte. Seine Augen mussten sich erst daran gewöhnen. Yassir hielt sich die Hand schützend vor das Gesicht. Der kleine Polizist saß bereits am Steuer, während sein Partner rauchend am Wagen lehnte. Als er Yassir erblickte, warf er die Zigarette umgehend in den Staub, wo die Glut ein letztes Mal aufglomm.
Während der Fahrt waren beide sehr schweigsam. Yassir saß auf der Hinterbank, die durch ein schwarzes Metallgitter von der Fahrerkabine getrennt war. Gelegentlich blickte der Große zurück, um mit ihm ein paar Worte zu wechseln. Small Talk, ansonsten kein Wort über seinen verschwundenen Bassam. Der Fahrer schwieg die ganze Fahrt lang.
„Stammen Sie aus Teheran?“, fragte der Polizist.
Yassirs Antwort bestand nur aus einem Nicken. Für so ein belangloses Gespräch fehlten ihm in diesem Moment die Nerven.
„Ich komme aus Kisch, ist ne Insel im Süden. Ich mag die Hauptstadt eigentlich nicht. Zu viel Lärm, zu viele Menschen, schlechte Luft …“
Yassir nahm die Worte nur als unklares Hallen wahr. Aus dem Seitenfenster konnte er sehen, wie Hochhäuser und Lehmhütten an ihm vorbeisausten. Alte Bauten eingezwängt zwischen der Moderne einer Metropole. Kinder jagten einem braunen Lederball nach, was in Yassir augenblicklich die Erinnerung an Bassam hervorrief. Ihm war schlecht und er spürte ein Druckgefühl in der Brust.
„Halten Sie den Wagen an“, rief er plötzlich.
Sie befanden sich gerade auf einer Brücke. Das Auto kam ruckartig zum Stillstand. Yassir stieß die Tür auf und bückte sich über das Geländer. Beide schauten ihm im Wagen sitzend dabei zu, wie er sich übergab. Yassir war es mehr als unangenehm. Keuchend krallte er sich am Stahlgeländer fest, während er auf die Straße, die unter der Brücke herführte, hinunterblickte. Die Autos rasten wie Blutkörper über die pulsierenden Adern aus Asphalt. Über seine Schulter hinweg bemerkte er, dass den beiden Polizisten die Situation genauso unangenehm war. Starr schauten sie durch die Frontscheibe ihres weißen Opels. Yassir brauchte noch einen Moment, bevor er wieder ins Auto stieg. Etwas fester zog er die Seitentür zu, die beim Zufallen ein dumpfes Geräusch von sich gab. Die Fahrt wurde unmittelbar fortgesetzt. Etwas schneller als vorher fuhr der Fahrer sogar. So schnell wie möglich wollten sie ihn zur Polizeistation bringen. Beide sprachen über ihre Ehefrauen und Kinder. Keiner von ihnen wagte es noch, ein weiteres Gespräch mit ihm zu suchen.
Endlich erreichten sie ihr Ziel. Die Polizeistation war von einem schwarzen Eisengitter umzäunt. Vor dem feudalen Eingang flatterte die iranische Flagge an einer hohen Stange im heißen Sommerwind.
„Wir werden hier auf Sie warten“, sagte der Kleine. „Nachher bringen wir Sie wieder heim.“
Beide blieben auf der Treppe stehen und unterhielten sich. Mühsam stieg Yassir die Stufen hinauf. Mit der ständigen Furcht im Nacken, was ihm in diesem riesigen Gebäude erwarten würde. Andere Polizisten kamen ihm entgegen. Alle gekleidet in gestriegelt aussehenden Uniformen.
***
Das Büro des Polizeichefs war deutlich geräumiger als die der anderen Abteilungen. Die Tür stand offen und Yassir sah einen Mann, der gerade nachdenklich aus dem Fenster blickte. Beide Hände hatte er hinter dem Rücken verschränkt und durch die Sonnenstrahlen konnte man jede einzelne Falte in seinem Gesicht erkennen.
Yassir klopfte gegen den Türrahmen, woraufhin der Mann leicht erschrocken herumfuhr. Die ernste Miene blickte ihn prüfend an. Sofort bemerkte Yassir, weswegen diese Person es bis zum Polizeichef gebracht hatte. Schon allein seine Erscheinung strahlte Autorität aus. Die Uniform, die straff an seinem korpulenten Körper saß, war glattgebügelt und es befand sich kein einziges Staubkorn auf ihr. Auf dem Gesicht konnte man eine Spur von Argwohn und Strenge erkennen. Über der Brusttasche hingen verschiedene silberne und goldene Orden, die das Sonnenlicht, das ebenfalls auf seine Glatze fiel, reflektierten.
„Treten Sie ein und Setzen Sie sich, Aghaye Navid“, sagte er und nahm selbst auf einem schwarzen Ledersessel Platz. Auf dem wuchtigen Schreibtisch stand eine kleine Messingstange mit der iranischen Flagge und hinter ihm hing ein überdimensionales Bild von Mahmud Ahmadinedschad an der Wand. Die kalten Augen des Staatspräsidenten, der im letzten Jahr gewählt worden war, blickten Yassir drohend an. Als wenn dieser wüsste, dass er für Rafsandjani gestimmt hatte.
„Aghaye Navid, ich bin Polizeichef Said Iraj. Sie fragen sich sicher, wozu ich Sie hierher beordert habe.“ Entspannt legte Iraj beide Arme auf die Lehnen. Seine Augen, unter denen sich schwere Tränensäcke befanden, blickten Yassir mit unendlicher Geduld an.
„Es geht um meinen Sohn“, antwortete Yassir. „Bitte sagen Sie mir, wo er sich befindet.“
Seine Stimme zitterte ein wenig bei diesen Worten, was dem Polizeichef nicht entging.
„Das kann ich leider nicht.“ Die Antwort Irajs kam mit Verzögerung. „Ich kann natürlich Ihren Schmerz verstehen, ich selbst hatte drei Söhne. Einer von ihnen ist vor zwei Jahren bei einem Autounfall gestorben.“
Verlegen senkte Yassir den Kopf und schwieg.
„Was ich tun kann“, setzte Iraj seine Rede fort, „ist Sie zu der Person zu bringen, die weiß, wo er sein könnte.“
„Wer ist es?“, fragte Yassir.
„Sein Name ist Djamal Hussein und er stammt aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Jiroft. Zurzeit halten wir ihn wegen einer Straftat fest. Er kennt Ihren Sohn.“
„Woher sollte er meinen Sohn kennen?“ Yassirs Atem wurde schwerer, sodass ihm das Reden immer mühsamer fiel.
„Das kann ich Ihnen nicht sagen. Vielleicht habe ich meine Worte etwas unpräzise gewählt. Er behauptet zumindest Ihren Sohn zu kennen.“
„Das ist der einzige Hinweis? Wieso haben Sie ihn nicht direkt über den Aufenthaltsort meines Sohnes befragt? Dieser ganze Aufwand wegen einer vagen Vermutung!?“ Yassirs anfänglicher Unmut schlug nun in Frustration um.
„Das haben wir“, meinte Iraj und zögerte wieder. „Wir haben bei dem Gefangenen sogar verschiedene Verhörtechniken angewandt, aber Sie kennen diesen Jungen nicht. So einen zähen Burschen habe ich noch nie gesehen. Er hat beharrlich darauf bestanden, nur Ihnen diese Information mitzuteilen.“
Yassir schwieg. Denn er wusste, was der Polizeichef mit Verhörtechniken meinte. Er selbst hielt nicht viel davon, Menschen zu quälen, damit sie Antworten preisgaben.
„Wollen Sie ihn jetzt sehen oder nicht?“ Die Stimme Irajs klang schlagartig unruhig. „Aghaye Navid, ich habe hier noch einen Haufen Arbeit zu erledigen. Bitte treffen Sie eine Entscheidung.“
„Natürlich möchte ich mit ihm sprechen“, sagte Yassir mit einer solchen Hast, die ihn selbst überraschte.
Iraj murmelte etwas Unverständliches, während er nach dem Telefonhörer griff. Einen Augenblick später standen die beiden Polizisten mit Schnauzbart im Büro. Beide hatten sich in strammer Haltung vor dem Polizeichef postiert.
„Bringt ihn hin!“, befahl Iraj, woraufhin beide Yassir ohne Verzögerung zur Tür begleiteten.
„Aghaye Navid, da wäre noch etwas.“
Alle drei drehten sich um. Der Polizeichef zog seine Stirn kraus.
„Der Gefangene befindet sich in Spezialverwahrung. Bitte wundern Sie sich nicht darüber.“
„Sitzt er nicht im Evin?“
„Nein, er selbst hat darauf bestanden, woanders einquartiert zu werden.“
***
Das mulmige Gefühl im Magen war immer noch nicht ganz verschwunden, weswegen Yassir das Seitenfenster runterkurbelte. Diesmal saß der Größere am Steuer. Beide Polizisten unterhielten sich miteinander und ignorierten ihn wieder. Das war Yassir nur recht. Grübelnd blickte er aus dem Fenster. Die heiße Sommerluft hatte sich durch die schnelle Fahrt in einen erfrischenden Luftzug gewandelt, der ihm nun ins Gesicht blies. Seine grauen Haare bewegten sich wild und der frische Wind fuhr über seinen Stoppelbart. Yassir schloss seine Augen und konzentrierte sich auf den Lärm der Straße. Autohupen, Stimmgewirr und Abgase drangen durch das geöffnete Fenster.
Die Sonne war schon fast untergegangen und die Fahrt dauerte länger, als er vermutet hatte. Der weiße Opel war weit aus dem Stadtgebiet gefahren. Sie durchquerten nun eine trostlose Landschaft aus braungelbem Gestein. Der Boden war uneben. Ungeeignet für den Dienstwagen. Jedes Mal wenn das Auto heftig ruckelte, fluchte der Fahrer. Gelegentlich kam die ein oder andere Lehmhütte ins Sichtfeld, ansonsten war weit und breit nur trockene Einöde zu sehen.
„Verdammt, diese Straße ist zum Kotzen“, schimpfte der Große laut.
„Beruhig dich, wir sind ja gleich da.“ Sein Kollege klopfte ihm versöhnlich auf die Schulter.
Der Dienstwagen blieb abrupt stehen und der Motor kam zum Stillstand. Yassir blickte sich um, aber er konnte nirgends ein Gebäude sehen, das nur annähernd wie ein Gefängnis aussah.
„Was wollen wir hier?“, fragte er.
„Das müssten Sie doch jetzt wissen“, meinte der Polizist. „Sie wollten mit dem Gefangenen sprechen.“
Fast gleichzeitig schwangen sich die Polzisten aus dem Auto. Einer von beiden ging einige Meter und blieb stehen. Der andere öffnete den Kofferraum, aus dem er einen blauen Holzstuhl herausholte.
„Warten Sie auf mich!“, rief Yassir dem Größeren zu, der sich schon fast fünfzig Meter von ihm entfernt hatte und nun auf den Boden blickte.
Als er ihn fast erreicht hatte, sah Yassir zu seiner Verwunderung, weswegen der Polizist nach unten schaute. Mitten in der steinigen Wüste war ein rostiges Eisengitter im Boden eingelassen worden, das ein etwa zehn Meter tiefes Loch absperrte. Ungläubig starrte Yassir in die Dunkelheit.
„Da unten“, sagte der Polizist. „Sprechen Sie mit ihm. Wir werden im Wagen auf Sie warten.“
Der andere hatte das Loch nun auch erreicht und stellte den Holzstuhl direkt vor das Gitter. Bevor beide gingen, schmiss der Kleinere einen Stein ins Loch, der schallend auf den Grund fiel.
„Hussein, du hast Besuch!“, rief er und verfiel dabei in höhnisches Gelächter.
Es war immer noch sehr heiß. Verschwitzt sank Yassir langsam auf den Stuhl nieder, der so blau wie der Himmel am Nachmittag über ihm war.
„Können Sie mich hören?“, fragte er etwas lauter. Das leichte Echo, das zurückschallte, ließ ihn zusammenzucken. Verunsichert blickte er zum Dienstwagen, aus dem der Gesang von Mohammad-Resa Schadscharian zu hören war. Beide Polizisten nickten im Takt der Musik.
„Ich habe mir Ihre Stimme ganz anders vorgestellt.“ Wie aus dem Nichts war eine leise Antwort zu hören, fast wie ein Flüstern, aber Yassir konnte die Stimme sofort einem etwas jüngeren Mann zuordnen. Ein Junge, wie Iraj gemeint hatte, war er allerdings nicht.
„Bitte, sag mir, wo sich Bassam befindet.“
Der Gefangene blieb stumm.
„Bitte, ich flehe dich an. Sag mir, wo ich meinen Sohn finde.“
„Sie stellen eine Forderung, ohne zu wissen, was ich von Ihnen will!?“ Yassir atmete erleichtert auf, als der Mann ihm endlich eine Antwort gab.
„Was willst du von mir? Was soll ich tun? Ich werde alles für dich tun!“
„Ich will Zeit.“
Es war schon fast dunkel und Yassir hatte kaum noch Nerven mit dem Unbekannten zu verhandeln.
„Zeit!?“
„Sie haben richtig gehört. Zeit, Ihre Zeit. Hören Sie mir nur zu, was ich Ihnen zu erzählen habe und ich werde Ihnen sagen, wo Sie Bassam finden werden.“ Die Stimme des Gefangenen klang kräftig und selbstbewusst.
Vergeblich versuchte Yassir zu erkennen, wie der Insasse aussah, da er in einer Ecke kauerte, die abgedunkelt war. Nur die Stimme schallte geisterhaft zu ihm hoch.
„Ich werde dir zuhören, aber sag mir bitte, wo sich Bassam befindet.“
Yassir kniete jetzt vor dem Loch. Die spitzen Steine bohrten sich in seine Schienbeine.
„Ich möchte mit Ihnen eine Vereinbarung treffen. Sie werden mich die nächsten Tage besuchen. Ich werde Ihnen erzählen, woher ich Bassam kenne und wie ich hier gelandet bin. Einzige Bedingung wird sein, dass sie mir bis zum Ende zuhören, ohne mich zu drängen oder ständig nach Ihren Sohn fragen. Dann werde ich Ihnen sagen, wo er sein wird. Haben Sie mich verstanden?“
Eine Forderung, deren Zustimmung Yassir viel Überwindung kostete. Denn er wollte so schnell wie möglich eine Antwort.
„Woher weiß ich, dass du die Wahrheit sagen und Wort halten wirst?“
„Haben Sie eine andere Möglichkeit, als mir zu glauben?“
„Nein.“ Yassir blickte betrübt auf den Boden.
Die wärmende Abendsonne war bereits untergegangen und Dunkelheit umgab ihn, wie sie Hussein in diesem Loch umgab. Es war bitterkalt geworden. Yassir zitterte am ganzen Leib und er fragte sich, wie der Gefangene unter diesen Umständen leben konnte.
„Dann fahren Sie jetzt heim zu Ihrer Frau und kommen morgen wieder. Ich bin müde.“
Zuerst wollte Yassir noch etwas sagen, aber er hielt inne und machte sich zurück auf den Weg zum Auto. Die Sterne leuchteten am Himmel und der Mond hing wie ein blasser Ball über ihm.
Mit einem dumpfen Geräusch fiel die Autotür zu. Der große Polizist, der eingeschlafen war, schreckte hoch, während sein Kollege sich gerade im Radio die Nachrichten anhörte. Die Stimme von Ayatollah Ali Chamene'i, der gerade eine Rede hielt, tönte aus den Lautsprecherboxen.
„Und konnten Sie etwas rausfinden?“, fragte der Polizist mit schläfrigen Augen. Es waren die ersten Worte seit einer langen Zeit, die ihm zugedacht waren.
„Nein“, seufzte Yassir resigniert.
„Hätte mich auch gewundert. Dieser kleine Bastard, ich trau ihm nicht. Alles dreckiges Pack, die aus dem Süden“, meinte der Kleine, während er den Zündschlüssel drehte.
Das Auto fuhr langsam an. Durch das Rückfenster blickte Yassir zurück, aber die Staubwolke, die das Auto hinter sich aufwirbelte, versperrte ihm die Sicht.
***
Völlig erschöpft stand Yassir vor der Haustür. Die Schlüssel hatte er bereits in der Hand, aber er zögerte hineinzugehen, da in der Wohnung noch Licht brannte. Nia war wahrscheinlich noch wach und würde eine Erklärung verlangen. Der Tag hatte nichts Ertragreiches gebracht, was ihn am meisten frustrierte, und seine Frau war unnötig in Aufruhr geraten.
Als er die Küche betrat, sah er Nia am Tisch sitzen. Vor ihr dampfte eine Tasse mit schwarzem Tee, in die sie nachdenklich hineinblickte. Sie bemerkte ihn erst eine Weile später und stand sofort von ihrem Platz auf.
„Konnte er dir etwas sagen?“, fragte sie. „Sag doch etwas.“
Yassir atmete tief aus und wusste nicht, wie er seiner Frau die Situation schonend erklären sollte.
„Es wird noch etwas dauern, bis ich erfahren werde, wo er sich befindet.“
„Wie meinst du das? Ich versteh dich nicht.“
Nia sank wieder auf den Stuhl, während sie sich mutlos die Hand vor den Mund hielt.
„Wir müssen uns gedulden, es wird sich etwas ergeben.“
„So wie du damals schon meintest und du trotzdem nichts erreicht hast.“ Die Wut und Enttäuschung keimten wieder in ihr auf, was Yassir an ihren zitternden Lippen bemerkte, aber diesmal ging sie nicht auf ihn los.
Umgehend ging Yassir ins Badezimmer, wo er sein Gesicht mit kaltem Wasser benetzte. Das Spiegelbild zeigte ihm, dass dieser aufreibende Tag nicht spurlos an ihm vorbeigezogen war. Er sah Augenringe und eine ausdruckslose Miene. Mit hängenden Schultern ging er ins Schlafzimmer und fiel völlig ermüdet auf die Matratze. Nia war noch in der Küche, wo sie stundenlang blieb.
Irgendwann in der Nacht war sie zu ihm ins Bett geschlüpft. Yassir, der sofort wach wurde, lag mit dem Rücken zu ihr. Dann tat sie etwas, das er nicht für möglich gehalten hatte. Mit ihrer Hand strich sie sanft über seine Schulter. Er drehte sich zu ihr um und sie sahen sich einige Minuten schweigend in die Augen. Dann küssten sie sich. Der erste Kuss seit einer Ewigkeit. So lange hatte er darauf gehofft, dass seine Frau doch noch Gefühle für ihn zeigen würde. Dieser innige Moment spendete ihm so viel Trost, dass er die Ängste sogar für einen kurzen Augenblick vergessen konnte. Die Angst, die er vor dem hatte, was ihm der Unbekannte die nächsten Tage erzählen würde. Die Angst, Bassam trotz aller Bemühungen nicht zu finden. Die Angst, dass seine Frau ein zweites Mal in ein tiefes, emotionales Loch fallen würde.
„Allah hat uns eine zweite Chance gegeben“, sagte sie mit sanfter Stimme. „Neue Hoffnung …“
„Nia…“, meinte Yassir. Denn er wusste, was in ihr vorging.
„Lass mich bitte ausreden. Ich weiß, dass ich dich die letzten Jahre ungerecht behandelt habe. Ich weiß, dass ich zu einer unerträglichen Person geworden bin, aber den Verlust um meinen einzigen Sohn habe bis heute nicht verkraftet. Nun sind diese Leute aufgetaucht und ich fühle wieder Leben in mir. Bitte entreiß mir nicht die einzige Hoffnung, die mich noch am Leben hält. Bitte unterlass jegliche Äußerungen, auch wenn sie dir noch so realistisch erscheinen, die mir den Wunsch Bassam wieder in meine Arme zu schließen, nehmen. Denn du tust mir damit weh.“
„Ich wollte dich nur vor dir selbst schützen. Es war kaum zu ertragen dich so zu sehen, als du das letzte Mal daran zerbrochen bist. Ich will dich nicht mehr so verletzlich sehen, deswegen habe ich versucht, die Dinge klarer zu sehen. Keinesfalls wollte ich dich damit kränken.“
Sie umarmten sich und schliefen gemeinsam ein.
***
„Wie, du kommst die nächsten Tage nicht zur Arbeit?“ Die aufgebrachte Stimme Farbods dröhnte schmerzhaft in Yassirs Ohr, der den Hörer deswegen etwas weiter vom Kopf weghielt. Farbod, der das Postamt leitete, war ein kugelrunder, schnell aufbrausender Mann, der immer einen roten Kopf hatte. Alle Mitarbeiter wussten, dass er an seinem Schreibtisch saß und des Öfteren die Schublade, in der sich die Rakiflasche befand, herauszog. Alkohol war sein einziges Laster, das aber dafür schwere Strafen nach sich ziehen konnte. Von Peitschenhieben bis zur Hinrichtung. Das Spektrum der gesetzlichen Grausamkeit war weit gefächert. Kein Mitarbeiter wagte es allerdings Farbod bei den Behörden zu melden.
„Ich muss mich um eine wichtige Angelegenheit kümmern.“ Eigentlich hätte Yassir eine Krankheit vorgaukeln können, aber er wollte ehrlich sein.
„Deinen Privatkram kannst du in deiner Freizeit erledigen!“, brüllte Farbod. Yassir merkte, dass sein Chef schon leicht angetrunken war. „Wir sind sowieso schon unterbesetzt. Was ist das nur für eine Arbeitsmoral …“
„Ich werde die fehlenden Stunden nachholen, versprochen.“ Yassir versuchte versöhnlich zu klingen, obwohl er seinen Vorgesetzten nicht leiden konnte. „Diese Sache ist für mich sehr wichtig. Sie muss jetzt erledigt werden.“
Weitere Schimpftiraden drangen noch aus der Hörmuschel, aber Yassir legte einfach auf.
Um Punkt 10 Uhr wollten ihn die beiden Polizisten abholen. Nia saß mit ihm am Küchentisch, wo sie gemeinsam ihr Frühstück verzehrten.
„Wieso kann ich nicht mitkommen?“, fragte sie.
„Weil es zu diesem Zeitpunkt einfach nicht gut für dich ist“, sagte Yassir, nachdem er einen kräftigen Schluck Kaffee getrunken hatte. „Bitte sei nicht traurig. Ich habe dir doch die Gründe erklärt.“ Zärtlich ergriff er ihre Hand. Eine Geste, die er sich noch am Vortag nicht zugetraut hätte.
Enttäuscht stand Nia auf und holte das frisch gebackene Fladenbrot aus dem Ofen, das sie mit etwas Hammelfleisch in eine Plastikbox packte.
„Dann bring ihm das von mir“, sagte sie und verschwand wieder im Schlafzimmer.
***
Die Fahrt kam Yassir beim zweiten Mal nicht mehr so lang vor. Bereits am frühen Vormittag war das Wetter brühend heiß und die Polizisten stellten ihm sogar mehrere Flaschen mit Wasser neben den Stuhl.
„Wir fahren dann wieder in die Stadt zurück“, meinte der Kleinere.
„Warten Sie, wie komme ich denn wieder zurück?“ Schnell war Yassir von seinem Platz aufgesprungen.
„Natürlich kommen wir heute noch wieder“, meinte erneut der Kleine und rollte mit den Augen. „Oder denken Sie etwa, dass wir vorhatten, Sie hier verdursten zu lassen.“
Beruhigt sank Yassir auf den Stuhl. Er fragte sich, wie viele Stunden er hier verbringen musste. Der Wagen zog wieder eine dicke Staubwolke hinter sich her, als er davonfuhr.
„Sind die beiden weg?“
Yassir zuckte erschrocken zusammen. Wie aus dem Nichts schien die Stimme zu kommen. Ein ungewohntes Gespräch für ihn.
„Ja, sie sind gerade weggefahren“, rief er ins Loch hinein.
„Ich hasse die beiden“, meinte Hussein. „Wie geht es Ihnen heute?“
„Nicht gut, ich vermisse meinen Sohn“, sagte Yassir mit zitternder Stimme. Die Sonne brannte ihm direkt auf den schweißbenetzten Nacken. Von unten konnte man ein Keuchen vernehmen.
„Behandelt man dich gut?“, fragte Yassir.
„Was denken Sie wohl? Aber ich wollte es nicht anders“, meinte Hussein hustend.
„Meine Frau hat mir etwas Proviant für dich mitgegeben.“ Zuerst zögerte Yassir, aber dann ließ er die Box ins Loch fallen. Sie sollte auf eine Stelle landen, die von den Sonnenstrahlen erhellt wurde. Um jeden Preis wollte er das Gesicht des Gefangenen sehen.
„Danke“, sagte Hussein verlegen, aber er ging nicht hin, um sich das Essen zu holen.
„Hast du denn keinen Appetit?“, fragte Yassir.
„Ich werde es mir später holen“, meinte der Gefangene, der seine List durchschaut zu haben schien.
„Wie ich höre, kommst du von einem kleinen Ort in der Nähe von Jiroft.“
„Das stimmt, ist mein Heimatdorf. Seit zwei Jahren lebe ich aber hier in Teheran.“
Schweißperlen liefen Yassir in die Augen, die fürchterlich zu brennen anfingen. Mit einem Tuch tupfte er sich die Stirn ab. Er versuchte jeden Drang zu unterdrücken, nach Bassam zu fragen. Denn er wollte die Vereinbarung nicht brechen. Vielleicht würde Hussein ihm dann keine einzige Information mehr geben.
„Was hat dich in die Hauptstadt verschlagen?“, fragte er schwer schluckend. Er leckte sich über die salzigen Lippen. Durch die Hitze war sein Mund völlig ausgedörrt. Yassir griff sich die erste Wasserflasche, aus der er einen kräftigen Schluck nahm.
„Ich habe Medizin an der Teheraner Universität studiert.“
„Weswegen wird ein so gebildeter Mensch ins Gefängnis gesperrt?“
„Die menschliche Niedertracht hat keinen Bildungsgrad“, antwortete Hussein trocken. „Ich werde Ihnen jetzt erzählen, wie ich in dieses Loch gekommen bin.“