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Berlin, Grunewald, 2053 n. Chr.: Das Sternentor

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Ein alter Professor der Astronomie saß, wie jeden Tag, über seinen Sternkarten. Er war im Institut in Berlin-Grunewald noch geduldet, hatte einen Schreibtisch im Gruppenraum, zusammen mit den jungen Doktoranden. Alle nannten ihn witzelnd den 'Post-Prof‘, in Anlehnung an 'Post-Doc‘. Mit letzterem werden die Wissenschaftler bezeichnet, die nach ihrer Promotion ihre Forschungsarbeiten weiterführen, was im 'best case‘ zu einer Habilitationsschrift führt und das Sprungbrett in den Olymp der Spitzenforscher darstellt. Die Bezeichnung 'Post-Prof‘ für jemanden, der nach jahrelanger aufreibender Arbeit doch nicht den Nobelpreis erhielt und weiterhin als Wissenschaftler nur aus Mangel an anderen Alternativen auch nach der Emeritierung weiter wurschtelt, ist sehr zynisch. Aber Peter erging es so. Seine hübsche, temperamentvolle Frau war ihm in jungen Jahren davon-gelaufen, weil er seiner Forschung erheblich mehr Zeit widmete als ihr. Mit den Jahren war alles nur noch Routine und er kam aus seinem Hamsterrad bis heute nicht heraus. In den Zeiten, wo nur noch Computer, deren Rechenstärke und Schnelligkeit im Verbund des Internets, eine Rolle spielten, war es schon sehr vermessen, dass er sich ein-bildete, mit Sternkarten und Gedrucktem etwas für die Wissenschaft beitragen zu können. Aber ein Mensch, der sein Leben lang so hart gearbeitet hatte, entwickelt den notwendigen Biss und Durchhaltewillen.

Gerade diskutierten die jungen Doktoranden um ihn herum die neueste Nachricht aus dem Netz. Ein Astronom aus Cambridge hatte eine sensationelle Entdeckung gemacht: Unter Zuhilfenahme einer in der Astronomie zunächst unbekannten Datenbank, betrieben von einer in diesen Fachkreisen unbekannten Bioinformatikerin aus Leipzig, war es gelungen, einen alten syrischen Text neu zu deuten. Das zu Grunde liegende Prinzip war denkbar einfach. Die Wissenschaftlerin zerlegte alle mögliche Informationen in einzelne Pakete und stellte sie in eine gigantische Datenbank, vergleichbar mit Wikipedia der alten Zeit. Danach wandte sie einen von ihr erdachten raffinierten Algorithmus an und verknüpfte die Datenpakete neu. Eigentlich war dieses Vorgehen zum Erlangen von Hintergrundinformationen in der Anthropologie gedacht. Aber in Cambridge hatte ein Kollege ihre für alle zugängliche Datenbank entdeckt und auf Fragestellungen der Astrono-mie angewandt. Nach einigen Fehlversuchen gab er das Stichwort 'Sternentor‘ ein.

Dieser Begriff wurde gleich nach der Jahrtausendwende von Hollywood entdeckt und keiner weiß genau, warum und wieso, mit magischen, kreisrunden Wasserwänden in Verbindung gebracht, durch die Menschen verschwanden und in neue Welten ge-'beamt', sprich: transferiert, wurden. Das eigentliche Problem wurde durch einen kühnen Filmschnitt jeweils übergangen: Wie in aller Welt und unter Berücksichtigung derzeitigen realen physikalischen Wissens, konnte ein 70 bis 120 kg schwerer Körper, mit Army-Ausrüstung, in so kurzer Zeit solche riesigen Entfernungen zurücklegen? Klar, es wurde mit Krümmung der Zeitebene, Wurmlöchern und ähnlichem Einsteinschen Mysterien argumentiert, aber einen vernünftigen Menschen, der mit beiden Beinen auf der Erde steht, überzeugte das nicht. Deshalb blieben alle verfilmten 'Sternentore‘ im Bereich des Phantastischen und der Illusionen des Films.

So sah Peter, der 'Post-Prof‘ und Realist, die Dinge auch. Jedoch – irgend etwas musste an dem Begriff doch daran sein. Peter war überzeugt, dass es tatsächlich ein Synonym für etwas war, was die Urmenschen schon geprägt hatte, aber dessen wirkliche Bedeutung nicht überliefert worden oder aber die Überlieferung im Laufe der langen Zeitspanne bis heute verloren gegangen war.

Peter fielen die Drachen in den überlieferten Sagen und Märchen ein. Er war überzeugt, dass einige wenige Saurier in Höhlen den Meteoriteneinschlag im Golf von Mexiko überlebten und diese Bestien einige Urmenschen noch erschreckt hatten, bevor ein Held, wie Siegfried, ihnen den Garaus machen konnte. Peter war es klar, dass Millionen von Jahren die Menschen vom Einschlag trennte, aber die jüngsten Entwicklungen in der Anthropologie zeigten klar, dass die Menschen schon früher auf der Erde erschienen waren, als noch vor kurzem gedacht. Es war nicht erstaun-lich, dass diese Drachen allesamt in Höhlen wohnten, bevorzugt in China und in Europa.

Das Gute an der Wissenschaft sah Peter ja auch darin, dass zuerst eine – vielleicht auch fantastische Vision – im Kopf eines Forschers war und er dann die nachvollziehbare und logische Erklärung dafür hatte. Er ging in diesem Punkt mit den drei Gesetzen von Arthur C. Clarke komplett einher:

1) Wenn ein angesehener, aber älterer Wissenschaftler behauptet, dass etwas möglich ist, hat er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit recht. Wenn er behauptet, dass es unmöglich ist, hat er höchstwahrscheinlich unrecht.

2) Der einzige Weg, die Grenzen des Möglichen zu finden ist, ein klein wenig über dies hinaus in das Unmögliche vorzustoßen.

3) Jede, hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.

Clarke war ein besonderer Mensch für Peter, besonders seit die Planung für den ersten Weltraumaufzug vor wenigen Monaten gestartet wurde, der von diesem schon lange zuvor in der Sciencefiction-Literatur geschildert wurde. Clarke, sein Held schlechthin, stand in seiner eigenen Walhalla noch vor Einstein.

Gerade war die ESA mit ihrem Projekt 'Space-Elevator 1 (SE1)‘ aktuell in aller Munde. Europa hatte damit die Oberhand in der Weltraumforschung wieder zurück-gewonnen, wenn auch weiterhin in englischer Sprache, die als europäische Amtssprache nach der legendären Abstimmung von 2028 festgelegt wurde. Europa hatte zwar die USA überrundet, aber die Sprache blieb gleich.

Natürlich hatten sich die Europäer erst nach der Integration Russlands in das Projekt auf die Überholspur begeben und die USA hinter sich gelassen. Nach langen Diskussionen stimmte die ESA schon vor Jahren zu, dass der terrestrische Ausgangshafen von SE1 in Baikonur angesiedelte wurde, gefolgt von einer zweiten Einheit in Peenemünde, die dritte war geplant als Ausgangspunkt im Golf von Biskaya, eine Berücksichtigung französisch-englischer Interessen, wobei auch Spanien als externer Südeuropa-Partner mitarbeitete. All diese Planungen mussten schnell überarbeitet werden, da die Physik zwingend forderte, dass ein SE nur direkt auf dem Äquator liegen musste, wie es in allen gängigen Sciencefiction-Romanen, vor allem auch von Clarke, geschildert worden war.

Auch die alte Raketen-Abschuss-Basis in Französisch-Guyana lag zwar nahe, aber nicht direkt auf dem Äquator. Deswegen war man gezwungen, mit Brasilien eine Kooperation ein-zugehen und auch dieses Land am Projekt zu beteiligen. Die kleine Stadt Macapá, im Amazonas-Delta, wurde als Standort erwählt.

Das Halteseil aus Karbon-Röhren, als Herzstück von ES1, ist in Sibirien mit deutsch-schweizerischer Maschinen und Chemieanlagen produziert und der Haltesatellit in der geostationären Umlaufbahn in Frankreich und England, auch mit Hilfe US-Fremdfirmen, erfolgreich entwickelt worden.

England hatte zwar 2016 für einen Brexit gestimmt, trat aber nur wenige Jahre später wieder in die EU ein, um die Talfahrt ihrer Wirtschaft zu stoppen, was dann auch gelang.

Der solarbetriebene Aufzug war eine Kooperation eines Firmenkonsortiums, bei denen Thyssen-Krupp, Schindler, Otis und Liebherr, die treibenden Kräfte stellten. Erstere Firma hatte schon vor langer Zeit einen Versuchstower bei Rottweil in Deutschland gebaut, den man von der A81 gut sehen konnte. Dort perfektionierten sie Linearmotorantriebe für Fahrstühle, wohl wissend, dass dies eine wichtige Zukunftstechnologie werden würde. Das war natürlich auch die Technologie der Wahl. Tatsächlich waren an dem Seil die Linearmotorelemente angebracht, die in einem Loch auf der kreisrunden Aufzugplattform ihre magnetischen Gegenüber fanden. Auf diese Weise benötigte man nur ein Halteseil, und nicht etwa ein zweites, oder eigentlich noch ein drittes, um die Fahrstuhlkabine zu bewegen.

Das Projekt war in vollem Gange und stand vor seiner planmäßigen Vollendung. Immerhin musste das Halteseil ja 35.786 km lang sein, um die Entfernung von der Erde zu einem geostationären Haltesatelliten zu überbrücken.

Eine neue zweite Generation von Projektmanagement (SGPM = second generation project-management) – eine Weiterentwicklung des ersten NASA-Ansatzes – wurde maßgeblich an deutschen Universitäten nach den katastrophalen Misserfolgen der Großprojekte, wie Elb-Philharmonie, Flug-hafen Berlin, Stuttgart 21, sowie dem VW-Abgasskandal, entwickelt und brachte durch seine streng vorgeschriebene Anwendung bei allen Modulen das Projekt ES überhaupt zum Erfolg. Die bekannten Prinzipien der GMP-Richtlinien aus der Pharmabranche wurden in das SGPM integriert und verstärkt auf die Fehler der Vergangenheit hingewiesen, dass alle Anstrengungen für eine solide Planung nie als unnütze Kosten angesehen werden dürfen. In den Jahren nach der Jahrtausendwende hatten alle Controller, aus vermeintlich guter Absicht, die 'Luft aus den Projektkosten zu lassen', den Fehler begangen, diese Planungskosten zu streichen oder zumindest drastisch zu reduzieren, was danach immer wieder zu einem terminlichen und finanziellen Fiasko führte! Notabene, die Controller waren dann zu Projektabschluss, der ja oft 5 bis 10 Jahre in der Zukunft lag, längst über alle Berge und hatten ihre Boni für die erzielten Kostenkürzungen eingestrichen. Aber alle wunderten sich damals, wie solche Projektkatastrophen geschehen konnten.

Peter erwachte aus seinem Tagtraum und hörte den Studenten weiter zu, die von jenem Astronom aus Cambridge erzählten. Dieser glaubte wohl, herausgefunden zu haben, dass 'Sternentor' eine ganz bestimmte, seltene Sternenkonstellation meinte. Es war jedoch noch nicht klar welche konkret damit gemeint war.

Peter blieb in seinen Gedanken an dem Begriff 'selten‘ hängen. Er untersuchte mit seinen Sternkarten das Auftauchen und Verschwinden von Meteoriten, Asteroiden und Kometen. Die Informationen dazu waren spärlich und seine Idee war, gerade aus sehr alten astronomischen Aufzeichnungen, etwas Neues zu lernen. Der Begriff 'selten‘ war sehr gängig; denn wenn man einen Kometen, wie den Halley’schen zum Beispiel, betrachtet, kehrt er nur ca. alle 75 Jahre wieder. Dieser ist ja in seinem Erscheinen noch häufig, aber Peter konnte sich Asteroiden vorstellen, die nur einmal in einem durchschnittlichen Leben am Himmel erschienen, andere sogar nur in jeder zweiten oder dritten Generation. So wie etwa 1950 DA, der 1950 entdeckt wurde und 2880 wieder in Erdnähe erwartet wird. Ganz spannend fand er Aufzeichnungen von Exoplaneten. Das waren Himmels-körper, die, ähnlich wie Asteroiden, unser Sonnensystem nur vorübergehend kreuzten, jedoch anderen Sternensystemen angehörten. Der eindeutige Nachweis dieser Himmelskörper war extrem schwierig. Er träumte so in den Tag und ihm wurde klar, dass die exakten Aufzeichnungen dieser Himmelskörper für ihre Beschreibung essentiell waren. „War das in der Vergangenheit immer gegeben?“ fragte er sich und stellte sich einen keltischen Druiden in Stonehenge vor, der vielleicht ein gutes Wissen und exakte Himmelsbeobachtungen machte, aber keine schriftliche Aufzeichnung kannte und vor seinem Sterben sein Wissen mündlich an einen Nachfolger weiterzugeben versuchte. Vielleicht kam er aber auch zu einem schnellen unnatürlichen Tod und sein Wissen ging verloren. Das musste doch zu lückenhafter Wissensüberlieferung führen.

Außerdem war ihm klar, dass diese kleinen Sternenkörper alle nicht immer planbar waren. Sie konnten Masse verlieren und änderten dann ihre Bahnen. „Was, wenn eine bestimmte Konstellationen von diesen kleinen Himmelskörpern als 'Sternentor‘ bezeichnet wurde?“, schoss es ihm durch den Kopf: „Eine erdnahe Begegnung eines Asteroiden! Aber warum 'Tor‘, wer ging wie durch dieses?“ Er blieb mit seinen Gedanken stecken, entschloss sich jedoch, einen Eintrag im Internet zu machen. Er betrieb da einen Blog, den fast niemand las. Ihm war es in seinem Alter gleich, Urheberrechte mit seinem Namen zwingend verbunden zu wissen. Er sah seine Altersweisheit als menschliches Allgemeingut an und wenn ein junger, ehrgeiziger Wissenschaftler ihm seine Ideen von seinem Blog klaute: 'So what!' Er tätigte daher folgenden Eintrag:

18.10.2053

Bezugnehmend auf die Publikation von Sir Al Meyer, Cambridge, beachten Sie folgendes: Mit 'Sternentor' mag eine seltene Sternenkonstellation gemeint sein, ich Peter O. stelle dazu die Hypothese auf, es geht nicht um eine Sternenkonstellation im Allgemeinen, sondern um eine seltene Konstellation von Kleinhimmelskörpern (KHKs), wie Meteoriten, Asteroiden und Kometen, im Bezug zur Erde im Speziellen, also eine Konstellation, bei der es technisch möglich wäre, einen KHK zu 'entern‘, sprich: zu besiedeln, und mit ihm in das Weltall zu fliegen. Um eine saubere Bezeichnungs-Kultur beizubehalten möchte ich den Terminus 'Kleinhimmelskörper‘ (KHK) als Überbegriff hiermit etablieren. KHKs erreichen bekanntermaßen Geschwindigkeiten von 45.000 km/sec. Das ist weit mehr als die Apollo-Kapseln bei der Mondlandung 1969.

Meine Verehrung an die Bioinformatik in Leipzig, die einen so hervorragenden Gedankenanstoß in die von dieser Biowissenschaft soweit abgelegene Astronomie schickte.

mir ein nettes, neues Spiel für uns beide: Jeder von uns lädt zwei Menschen ein und wir schauen dann, ob es ein guter Abend wird. Außerdem sollen die Eingeladenen zwischen uns geheim bleiben, damit erhöht sich die Spannung!“ Carol war begeistert von ihrer Idee. Thor gab ihr einen Kuss und sagte: „Du übertriffst dich, das gefällt mir! So machen wir das“. In seinem Kopf war klar, er würde Björn und Andromeda einladen. Wen sonst?

Carol war eine hübsche Frau, nicht besonders mager und nicht vollschlank, eben ein gutes Mittelmaß, jedoch mit zwei wunderschönen, straffen, großen Brüsten, die Thor immer wieder bewunderte. Alles andere als Mittelmaß!

Sie gab sich große Mühe, sich besonders weiblich zu kleiden und bevorzugte Röcke mit Pullover, die sie mit ihrem hervorragenden Farbempfinden gekonnt mit einer Palette von farbigen Strumpfhosen kombinierte. Ihr mittelbraunes glattes Haar trug sie halblang, zuweilen offen und wenn sie dachte, die Haare wären zu schmutzig, auch als Ross-Schwanz.

Thor hatte sich daran gewöhnt, dass er ihr Zeit lassen musste, wenn sie mit ihrem Outfit nicht mehr weiter wusste. Sie konnte ihren halben Kleiderschrank dann ausräumen und probierte etliche Kombinationen an, die er dann mit Kennerblick begutachtete. Eigentlich war er im tiefsten Inneren kein Karl Lagerfeld, aber er gab sich große Mühe, ihr das nicht zu zeigen und fand immer die richtigen verbalen Beschreibungen für ihre Kombinationen. Das war seine Stärke. Gelegentlich amüsierte er sich über die Modenschau im Schlafzimmer und beamte sich in eine Metaebene an die Schlafzimmerdecke, um besser beobachten zu können. Dann sah er aus dieser Perspektive sie und sich von oben, wenn sie zwischen dem großen Bett und Schrank hin und her schwänzelte, mal angezogen, mal halb nackt, er sich dagegen auf dem Bett räkelte und ihr vergnügt zu schaute. Die kleinen Freuden einer langen Ehe. Thor nannte sei Frau im Geheimen 'Frau Bademantel'. Ihr halbes Leben verbrachte Carol in diesem weißen Kleidungsstück. Die Hausarbeit am Morgen, wie das Aus- und Einräumen des Geschirrspülers, Staub wischen und saugen, Katzenklo säubern, Kochen, alles erledigte sie in diesem Aufzug. Ja, sogar den GeVau mit ihrem Mann verrichtete sie in diesem Gewandt. Er bemerkte dann trocken: „Frau Bademantel poppt sogar im weißen Bademantel.“

Carol pflegte ein ausschweifendes Eheleben und betrieb es aktiv, wann immer sie Lust dazu hatte. Das konnte auch schon einmal nachts um 3 Uhr sein, natürlich in den üblichen Stoßzeiten 7-11 Uhr, aber auch die literarisch beschriebene 'Liebe am Nachmittag', vor und nach dem Fünf-Uhr-Tee, war ihr nicht fremd.

Ihre Umgebung hätte ihr das nicht zugetraut; sie war von außen eine normale, gepflegte Durchschnittsfrau mit einem weiblichen Beruf im sozialen Umfeld.

Eine ihrer Spezialitäten war der Ge-Vau in Sportsocken. Nur wenn ihr Körper auf Betriebstemperatur war, brachte sie die Energie und Geschmeidigkeit sogar für einen TWIN auf. Danach schnurrte sie wie ihre Katze Kitty und schlief ein.

Ge-Vau mit Musik und Bademantel liebte sie auch. Am liebsten zu Bolero von Ravel. Es gelang ihr aber selten bis nie ihren Orgasmus mit der Länge des Musikstückes zu synchronisieren und den orgiastisch-musikalischen Höhepunkt der Musik am Ende erlebte sie meist bereits schlafend.

Am nächsten Morgen bekam Thor überraschend Besuch im Büro. Nico, ein uralter Bekannter, schneite einfach so herein. Der doch immer so resolute Empfang am Institutseingang konnte ihn nicht abwimmeln. „Hey, Thor, wie geht es Dir?“, startete Nico einen langen Redeschwall. Thor war einerseits etwas verärgert über die Störung, hätte er doch lieber mit Andromeda geredet, was ihre Recherche ergab. Andererseits setzte er sich sehr gerne mit Nico auseinander. Das ergab für ihn immer neue Horizonte, da sein Freund in die Kategorie extremer Querdenker einzuordnen ist. Es war so ein Ritual, dass sie zu Beginn eines Treffens sich kurz über ihre aktuellen Probleme austauschten. Nico war von Hause aus Molekularbiologe, betrieb ein kleines eigenständiges Privatlabor und musste nicht für seinen Lebensunterhalt sorgen, da er Mitglied einer Familie war, der ein großer Weltkonzern gehörte. Die Gewinne der Firma wurden nach einem vererbten Schlüssel an die Familienmitglieder verteilt und waren für Nico so hoch, dass er den größten Teil wieder auf sein Konto bei der firmeneigenen Hausbank zurückzahlte, weil er ein bescheidenes Leben führte und ihn Dinge, wie einen Ferrari, eine Finka auf Malle oder eine Villa am Rodeo-Drive, nicht reizte. War er doch mit seiner Eigentumswohnung in Berlin-Neukölln zufrieden und genoss die Buntheit der Stadt..

„Weißt du, ich habe gerade ein spannendes aber uraltes Kapitel in der Biologie entdeckt 'Die Arten‘ “, platzte Nico heraus. „Das ist gerade kein Ruhmesblatt, mit dem sich die Biologie schmücken kann! Ich verstehe ja noch, dass es in der Natur des Menschen liegt, die Phänomene, die man beobachtet, kategorisieren zu wollen, ja geradezu zu müssen. Also fing man früh an: Der alte Linné hatte schon im 18. Jahrhundert mit seiner Taxonomie begonnen, alles Leben in Schubladen zu packen: 'Fagus‘ die Buche, da es aber viele verschiedene Buchenarten gibt 'Fagus sylvatica‘ die Rotbuche, eine genauere Schublade. Also 'Gattung' und 'Art'. 'Panthera‘ alle pantherartigen, dann 'Pantheraleo‘, der Löwe. Dieses morphologische Artenkonzept ist schön und gut, kommt aber sofort an seine Grenzen, wenn man die Fortpflanzung mit berücksichtigt. Ein Pferd und ein Esel lassen sich morphologisch abgrenzen, aber, siehe da sie paaren sich und ergeben unfruchtbare Hybride: Muli. Tiger und Löwe lassen sich im Zoo sehr wohl kreuzen, aber solch ein Hybrid wird in der Natur nie gefunden. Natürlich, weil Löwen in der Steppe und Tiger im Urwald leben und die Schnittmenge Urwald am Rand der Steppe sehr klein ist.“ Nico dozierte wie ein Professor und fuhr erbarmungslos fort: „Aber jetzt kommt der Hammer! Neueste Studien mit Arabidopsis-Pflanzen haben folgendes ergeben: Es wurden nach der klassischen Taxonomie 280 Arabidopsis-Pflanzen aus unterschiedlichen Regionen untereinander gekreuzt und in 2 % der Resultate, also bei 20 Pflanzen, wurden Mickerling, eine sogenannte Hybrid-Nekrose, gefunden, die nicht richtig wuchsen! Das ist doch die Höhe! Man sollte doch erwarten, dass die Natur sich an die Regeln hält, oder? Arabidopsis und Arabidopsis haben gefälligst immer stabilen Nachwuchs zu haben! Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder macht, was er will?“, witzelte Nico. Das war seine Art von Humor. „Weiß man denn die Ursachen der Nekrosen?“, fragte Thor, der über diese Ausführungen erstaunt war und immer interessierter wurde. „Natürlich …“, ereiferte sich Nico, „…deine Berufs-Spezies, die 'Next-Generation-Sequencer‘ haben es an den Tag gebracht. Die Kombination zweier Gene, die für die Immunabwehr der Pflanzen zuständig sind, ergeben eine so hervorragende Immunabwehr in den Nachkommen, dass auch ganz normale Pflanzenzellen als Fremdkörper erkannt werden und zum Absterben gebracht werden. Diese Über-Immunabwehr überleben die kleinen Pflänzchen nicht. Was sagst du dazu? Was lernen wir daraus für die Fortpflanzung? Ist sie Arten übergreifend oder nicht?“ „Naja, wir haben beim Menschen ja auch das Phänomen 'Rhesus-Faktor', bei dem das erste Kind davon-kommt, alle anderen jedoch ohne Blutwäsche keine Chancen haben, wie die Familie Goethe in Weimar ja im 19. Jahr-hundert leidvoll erfahren musste. Das passt doch in diese Kategorie“, ergänzte Thor, um mit seinem Wissen auch etwas glänzen zu können. „Guter Punkt“, fügte Nico kurz hinzu, und was machst du gerade so? „Nico, ich will nicht unhöflich sein, aber ich habe gerade ganz limitierte Zeitressourcen. Ich schlage deshalb folgendes vor: Ich lade dich zu unserer intimen Party heute Abend zu uns nach Hause ein, da sind einige interessante Leute, die dir sicher gefallen werden und dann diskutieren wir mein Thema zusammen. Passt das?“ Thor war froh, noch einmal eine Kurve gekratzt zu haben. „Na gut, machen wir so“, brummte Nico und schon stand er auf und trollte von dannen.

Da Thor schon Björn und Andromeda eingeladen hatte, wartete er jetzt mit drei Gästen auf. Vielleicht hatte Carol eine Absage?

'I'-Gene

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