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Leipzig, 2053 n.Chr.: Das ‚Hucanoidea-Genom'

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Es fiel sogar schon Thor auf, dass sich Andromeda völlig zurückgezogen hatte. Er dachte natürlich, dass es mit der Auseinandersetzung in der Küche mit Carol bei der Hausparty zusammenhing.

Sie versuchte, ihre Arbeitstage so kurz wie möglich zu gestalten, um dann am Abend in ihre Daten eintauchen zu dürfen. Dort fand sie folgendes:

Selbständige politische Einheit Berlin-West:

Sex und Bruckner am Leopoldplatz

Gaby, meine blonde Vermieterin aus dem West-Berliner Wedding, gehörte zu den Frauen, die erst mit einem Mann schlafen und ihn danach küssen. Sie war knabenhaft klein, hatte aber alles andere als Chinesinnen-Brüstlein und ihre Brustwarzen zeigten immer zur Sonne. Wie ich es schon geahnt hatte, war Gaby eine Expertin in Sachen Sex. Mit der richtigen Anzahl an Lebensjahren hatte sie schon einige Mieterwechsel für die Studentenbude hinter sich, die sie zu vermieten pflegte. Wusste sie von ihren literarischen Vorbildern, etwa der Demoiselle Vischer aus Stuttgart, die einst an einen gewissen Schiller vermietete und ihm neben einer Bude noch etwas darüber hinaus gab?

Hatte ich doch Gabys 'magic numbers' nie von ihr erfahren, nämlich ihr Alter und die Anzahl von Untermieter vor mir.

Ich hörte sie sehr kompetent reden über juristische Staatsexamina, versicherungsmathematische Statistik-Übungen, literarische Seminararbeiten, medizinische Multiple-Choice-Fragen über Nerven, Knochen, Muskeln und schloss daraus, dass zumindest ein Jurist, ein Mathematiker, ein Germanist und ein Mediziner zuvor in meinem Zimmer gewohnt haben musste.

Sie, die selbst als Laborantin in einer kleinen Weltfirma in Tempelhof arbeitete, hatte ein phänomenales Gedächtnis für den Wissensstoff ihrer Untermieter. Sehr gerne redete sie auch über Bruckner, ja reden ist kein Ausdruck, sie dozierte geradezu. Zählte etwa auch ein hoch semestriger Musikwissenschaftler zu ihren Verflossenen? Ich konnte es nur aus verschiedenen Andeutungen ableiten, war mir aber nach einiger Zeit sicher, dass dessen Thema ganz im Stile der Zeit der Post-68er „Das bivalente Verhältnis von Sex und Bruckner unter spezieller Berücksichtigung seiner eruptiven Musik und unglücklichen Frauenbekanntschaften“ gelautet haben muss oder zumindest so ähnlich. Hatte der Student doch erreicht, dass die Musik Bruckners Einzug in Gabys Schlafzimmer hielt, wo sie, für die damalige Zeit sehr ungewöhnlich, eine veritable HIFI-Stereoanlage, mit mächtigen Lautsprechern, stehen hatte. Immer wenn die Sterne im zweiten langsamen Satz der 7. Sinfonie aufgehen, wusste ich, dass es eine günstige Zeit, ja mehr, regelrecht eine Aufforderung für mich war, sachte an ihr Schlafzimmer anzuklopfen.

„Was war das für ein Text?“, fragte sich Andromeda in Gedanken. „Ein erotisches Tagebuch? Wer war dieses 'Ich'. Ein Student? Offensichtlich! Warum schreibt er diese Zeilen? Der Stil gefällt mir, der Text macht mich an und rührt mich! Ich bin froh, dass ich das Dokument gesteigert habe!“ Damit stand ihr erstes Urteil fest und sie las weiter:

Ich kannte diese Musik bisher nur von einem Besuch im Deutschen Museum in München, wo sie im Planetarium dann gespielt wurde, wenn theatralisch im Westen am blutroten Horizont die Sonne unterging und man nach langsamem Verdunkeln die Sterne leuchten sah. Einen zweiten Satz als Vorspiel für ein spezielles Duett zwischen Frau und Mann zu missbrauchen war neu für mich. Allerdings gewöhnte ich mich schnell an dieses Ritual, zumal wie im Planetarium in ihrem Schlafzimmer immer ein rot-dämmriges Licht brannte, wenn ich zu bekannten Tubenchorälen eintrat. Noch war es für mich zu früh, einen Zusammenhang zu sehen von ihrem/ meinem Leben und der Widmung dieses Werkes von Bruckner, die Gaby immer nach einem besonders intensiven Orgasmus zitierte: „Seiner Majestät, dem König Ludwig II. von Bayern, in tiefster Ehrfurcht gewidmet“, pflegte sie dann schnurrend zu hauchen. Hatte Bruckner seiner E-Dur-Symphonie tatsächlich diese Widmung gegeben? Sollte ich in meinem späteren Leben tatsächlich Bezüge zum Bayerischen bekommen?

„Wow, nicht schlecht, Frau Specht!“, rief Andromeda aus und las begierig in diesem West-Berliner Tagebuch eines jungen Studenten weiter:

Unvergessen sind auch Weddinger Nächte mit Gaby und dem Scherzo-Satz dieser Symphonie. Sie, die Frau, die dominant genug war, die Frau-oben-Stellung zu beherrschen und sich dabei weiblich genug zeigte, um ihren Körper so geschmeidig nach hinten zu beugen, um gleichzeitig zum Hüpfen im Rhythmus der Musik meine Hoden kräftig zu bearbeiten. Diese Behandlung, die eine perfekte Körperbeherrschung voraussetzte – nie kam Gaby aus dem Gleichgewicht – zusammen mit den hopsenden Trompetenstößen, in reinem C- Dur, feuerten meine Männlichkeit ungeheuer an. Das gefiel ihr und dankbar ließ sie es sich zurückgeben. Nie wieder sollte ich den Kontakt in einer Frau so intensiv empfinden.

Andromeda konnte sich an dieser Stelle nicht mehr halten. Sie lud sich diese Symphonie von Anton Bruckner in einer altehrwürdigen Interpretation mit den Bamberger Symphonikern, unter ihrem damaligen Dirigenten Eugen Jochum, von You Tube herunter. Kaum hörte sie die ersten Takte des langsamen Satzes spürte sie ein Ziehen zwischen ihren Beinen, stand vom Computerschreibtisch auf und ging in ihr Schlafzimmer. Sie zog ihre Hose, mit Slip zusammen, aus und legte sich bäuchlings auf ihr Bett. Dann fuhr sie mit ihrer Hand zwischen ihre rotblonden Schamhaare und streichelte sanft ihr haariges „Y“. Andromeda hielt nichts von all den Rasur-Künsten und beließ ihre ‚Bärin‘ in Wildwuchs. Durch den Druck, den sie durch die Bauchlage auf ihren Kitzler ausüben konnte, kam sie wie eine Rakete und stöhnte laut. Kaum steigerte sich die Musik wieder zu einem nächsten Höhepunkt, schaffte sie es wieder. Nach diesem „Twin-Peak“, wie sie das Erlebte für sich bezeichnete, schlief sie erschöpft ein.

Auf ihrem Bildschirm war immer noch der restliche Text zu lesen:

Wie schlimm war es für mich, zu erfahren, dass diese Weddinger Nächte von dem Zeitpunkt an nicht mehr wiederholbar waren, als ich der blonden Gaby leichtsinnigerweise etwas von einer braunhaarigen Freia in der Kurpfalz, Kurpfalz-BRD, erzählte. Ich machte den typischen Fehler eines jeden Jungmannes und beachtete nicht den wichtigen Grundsatz: Wenn schon betrügen, dann richtig und im Geheimen, so dass der Betrug ein echter ist! Seitensprünge wie ein Weichei durch Offenheit legitimieren zu wollen, ist eine Todsünde in der Liebe! Warum hatte ich solch klare Worte bisher in keiner literarischen Lebensvorlage gefunden?

Also merkt Euch all ihr Männer, die ihr das hier lest: Anders geht es nicht! Wenn betrügen, dann richtig und mit schlechtem Gewissen, aber ohne Offenheit!

Alle Spielregeln diktierte Gaby dann plötzlich: „Du packst sofort Deine Koffer in der Kurpfalz-BRD und kommst für immer zu mir, nach der selbständigen politischen Einheit Berlin-West, oder ich lasse dich fallen, wie eine heiße Kartoffel!“, befahl sie ihm barsch. Ich verkannte hingegen die Situation, wollte da nicht mitspielen und versuchte mit ihr weiter mein Spiel zu treiben: Freia, nicht exklusiv, aber ab und zu sehr intensiv in der Kurpfalz-BRD und Gaby als Sahnehäubchen in Wedding, selbständige politische Einheit Berlin-West! Für mich war das perfekt!

Aber es ging schief! Ich hörte keine Sternenmusik mehr im Schlafzimmer meiner Wirtin und musste mir eine andere Bude suchen. Frustriert zog ich mich nicht nur vom Leopoldplatz sondern gleich ganz von Berlin-West zurück und wechselte nach Tübingen, wo ich in mehreren Selbsterfahrungsgruppen gesehen wurde, die langsam in Mode kamen, damals.

Plötzlich meldete sich Andromedas Smartphone. Sie wurde aus dem Schlaf gerissen und brauchte einige Zeit, um in der Gegenwart anzukommen.

„Hey, Andromeda, bist du da? Was machst du gerade? Sitzt du gut?“, Thor überfiel sie gnadenlos. Sie hasste das! „Ich war gerade etwas weggetreten. Was gibt es denn? Ich sitze übrigens an meinem Rechner“, berichtete sie abwesend. „Wir haben die Ergebnisse der Sequenzierungen aus dem Material des kleinen Hundeknochens. Du hattest uns auf die richtige Spur gesetzt, es ist eine verblüffende Mischung von Gensequenzen aus human und canoidea, also hundeartigen Wesen.“ Thor war schnell dabei, einen neuen Terminus zu kreieren und benutzte das Wort ‚hucaniodea‘ eine Zusammensetzung auf ‚human‘ also menschlich und ‚canoidea‘ also hundeartig.

„Diese Publikation wird eine Sensation!“, fuhr er begeistert fort, „Du lagst mit Deinem Verdacht aus dem Bericht des Dieners goldrichtig. Ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn wir dich mit auf das Paper nehmen! Allerdings…“ „Also, wo ist der Haken?“, fragte sie kalt. Sie kannte Thor mit seinem Überschwang sehr gut! „Ja, da ist noch ein dunkler Fleck. Es gibt noch einen längeren Teil des Genoms, der weder ‚Mensch‘ noch ‚Hund‘ ist. Außerdem ist die Übereinstimmung mit dem humanen Genom nicht so ganz eindeutig. Wir fanden Raten um die 40 – 60 % Übereinstimmung. Kannst du dir dies noch einmal mit deiner Biosoftware genauer anschauen?“

„Machen wir, schick mit die Daten, ich schaue es mir an!“, war alles, was sie dazu hervorbrachte.

„Hast du noch einen Tipp, woher dieses Hundeknöchelchen stammen könnte?“, bohrte Thor weiter. „Nö, ich kann Dir doch nicht die ganze Arbeit abnehmen!“, frotzelte sie und legte auf. „Ein Hybrid-Wesen aus Hund und Mensch. Na so was! Wie hieß doch der ägyptische Gott?“ Sie war hundemüde, bemühte allerdings dennoch ihre Suchmaschine und fand den Namen der Gottheit, die sie suchte: 'Anubis', der Gott mit der Gestalt eines Menschen und dem Kopf eines Hundes.

Dann fiel ihr Blick wieder auf den Text des Bildschirms. Was war das für eine Zeit, mit so viel 'BRD' und was hatte es mit diesem Begriff 'selbständige politische Einheit Berlin-West' auf sich? Sie merkte plötzlich, dass die unmittelbar zurückliegende Vergangenheit ihr überhaupt nicht geläufig war.

'I'-Gene

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