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Berlin-Grunewald, Macapá, 2054 n. Chr.: Aufzug zu den Sternen

Peter O. las es in der Tageszeitung: 'Der Space-Elevator 'ES' in Macapá soweit einsatzbereit. Erste unbemannte Test-Transporte werden durchgeführt.'

Die ersten Materialien, zunächst noch mit einer kleinen Maximallast von 50 Kilo, rollten gemütlich in den Himmel und dann in den Weltraum. Die Geschwindigkeit war zunächst, mit 25 Stundenkilometer, ja sehr bescheiden! Die weite Entfernung wurde in jeweils 10 km lange Teilabschnitte gegliedert, die mit sogenannten Transfer-Stationen verbunden wurden. Immerhin waren das insgesamt 3358 Stück! Der erste Versuchstransport dauerte immerhin beinahe zwei Monate! Es war jedoch geplant, das Tempo allmählich auf 250 – 400 km/h zu steigern, so dass ein Transport auf unter vier Tage reduzieren würde. Außer-dem war geplant, parallel Mehrfach-Shuttles an einem Seil einsetzen zu können. Das Projekt ergab nach Abschluss die Möglichkeit, große Mengen an Material auf kostengünstige Weise in den Weltraum zu transportieren.

Es wurde schon diskutiert, dass, eine Reihe von Außen-stationen ähnlich, aber natürlich sehr viel größer, als die alte 'ISS' gebaut werden sollten. Angedacht wurden riesige Röhren-Räder mit Speichen, die sich, wie im Film 'Odyssee 2001 im Weltraum', zu Walzerklängen drehten, um eine Schwerkraft für die Bewohner im Inneren zu erzeugen.

Peter schlug sorgfältig die Zeitung im Café 'Bristol' am Ku' damm zusammen; er hasste es, wenn die Zeitung von einem Vorgänger völlig zerknüllt war und wollte es dem nicht antun, der nach ihm das Journal las. Oft saß er in dem etwas verstaubten Lokal am Ku'damm und sah sich schon als Teil des Interieurs dort an. Als pensionierter ‚Post-Prof‘ hatte er eh' ausreichend Zeit. Dann nahm er den 249er Bus in den Grunewald und ging in sein Büro.

Dort nahm er seine Sternkarten, wie jeden Morgen, hervor. Er rechnete, beschrieb ganze Excel-Seiten voll mit komplizierten Formeln und plötzlich fing sein faltiges Gesicht zu lächeln an. „Ja, das sollte so gehen!“, sagte er ganz stolz zu sich. Alte Menschen reden gerne mit sich selbst, weil viele in ihrem Umfeld weggestorben sind und sie nur noch wenige haben, mit denen sie kommunizieren können. Dann loggte er sich in seinen Blog ein und schrieb:

17.04.2054

Das ‚Sternentor‘ öffnet sich am 16. März 2880.

Eine in diesem Jahrtausend nicht wiederkehrende Chance bietet sich der Menschheit:

1950 DA, ein Asteroid mit einer Umlaufzeit von 930 Jahren, nähert sich der Erde, so dass auf diesem Himmelskörper eine fliegende, 'bemenschte' Raumstation errichtet werden könnte. Das sollte von einer entsprechend zu errichtenden Mondaußen-station erfolgen. Der zügige Ausbau des ‚ES’ und die konsequente Anwendung aller ‚SPGM‘-Regeln sind dafür unumstößliche Voraussetzungen.

Damit könnte der Startschuss für die Besiedelung des Weltalls durch die Menschheit starten.

Wir haben nur noch 826 Jahre für die Vorbereitung! Die große Frage ist: Wie lösen wir das Energie-Problem?

Peter O. war höchst befriedigt, in seinem jetzt schon so langen Leben den – wie er es empfand – wichtigsten Beitrag geleistet zu haben. Er war noch so klar im Kopf, dass ihm bewusst war, dass noch nie ein Projekt über einen Zeitraum von 826 Jahren gestartet wurde. Aber er war sich auch sicher, dass die Überwindung der Ignoranz seiner Mitbewohner das größte Hindernis sein und die meiste Zeit verschlingen wird.

„War es nicht vor ziemlich genau 100 Jahren auch so, als die USA die Entwicklung ihrer Raketentechnik völlig verschlafen hatten und nur durch die Konkurrenz der Russen die Ignoranz endlich in den Sechzigern überwunden wurde?“ dachte Peter O. und schmunzelte, „vielleicht kann ich ja aus der Geschichte lernen. Sollte ich von vorne herein zwei sich streitende Gruppen initiieren? Ausgerechnet mir, dem alten 'Post-Prof', wird eine immer stärker in sich selbst verliebte Jugend keine Gefolgschaft leisten. Eine junge Generation, die die Achtung vor dem Wissen der Alten verloren hat, weil Wiki alles besser weiß! Die Alten hatten sich da selbst ein Kuckucksei gelegt. Schließlich hatten doch alle die 'Post-Profs' und emeritierten Experten das in Wiki niedergelegt, was sie wussten. Jetzt fiel es wie ein Totschläger auf sie zurück! Keiner der Jungen befragt die Alten mehr! Alle fragen Wiki!“ Peter schlief über diesem Gedanken, auf seinem Schreibtisch gebeugt, ein.

Ein Piepsen seines Computers weckte ihn wieder auf und zeigte den Eingang einer Antwort in seinem Blog an. Es meldete sich ein unbekannter Volkswirtschaftler, der sich Karl-Eugen Marx nannte. Peter O. fragte sich, ob dieser Name wohl ein Pseudonym sei und las:

17.04.2054

Der Kapitalismus ist gerettet!

Falls die Menschheit in der Lage sein wird am16. März 2880 das vorhergesagte Sternentor zu nutzen und in das Weltall vordringen sollte, wird das Dilemma des Kapitalismus Vergangenheit sein! Die Grenzen des Wachstums auf der Erde als Antriebskraft dafür gehen immer stärker zur Neige. Aber im Weltall wird die Menschheit unendliche Quellen für weiteres Wachstum finden!

Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist jede Anstrengung das Sternentor zu nutzen voll und ganz zu unterstützen. Ja, ich gehe noch weiter, zu behaupten, dass sogar der Fortbestand des Kapitalismus und somit der ganzen Menschheit von einem gelungen Start ins Weltall abhängt!

Peter O. war ein Astronom. Er hatte nur in der Schule von den Erkenntnissen von Karl Marx zum Kapitalismus gehört. Auch hatte ihn auch ein kleines Büchlein damals beschäftigt mit dem Titel: 'Die Grenzen des Wachstums'.

Aber das Argument von Karl-Eugen M. schien für ihn folgerichtig.

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