Читать книгу Co-Abhängigkeit - C. C. Brüchert - Страница 5
Оглавление4.) Wie erkennt man das Problem?
Es liegt in der Natur des Menschen, Kranke und Hilfsbedürftige nach besten Kräften zu unterstützen. In eine Co-Abhängigkeit ausartender Beistand hilft weder dem Suchtkranken noch seiner Bezugsperson: Das unbewusste Aufrechterhalten der Sucht beeinträchtigt das Leben der Angehörigen in vielfältiger Weise. Eine Co-Abhängigkeit ist durch verschiedene Merkmale gekennzeichnet, die nicht alle gemeinsam auftreten müssen. Auffallend ist, dass viele dieser Anzeichen die Suchtkrankheit selbst charakterisieren – das unterstützt die These, Co-Abhängigkeit als eigenständige Krankheit mit Suchtcharakter zu werten.
Als Wesensmerkmale der Co-Abhängigkeit gelten:
Außenorientierung
Co-Abhängige definieren sich so stark über die Beziehung zu anderen, dass oft von einer „Beziehungssucht“ die Rede ist. Sie verfügen über ein geringes Selbstwertgefühl und können sich nicht vorstellen, als Einzelwesen von anderen wahrgenommen zu werden. Aus diesem Grund erhalten sie Partnerschaften aufrecht, in denen sie zur Selbstaufgabe gezwungen werden. Co-Abhängige können sich schlecht von anderen abgrenzen: Sie identifizieren sich vollkommen mit den Gefühlen und Stimmungen ihrer Mitmenschen und verlernen, ihre eigenen Emotionen wahrzunehmen und auszudrücken. Der Co-Abhängige ist sich seines Selbst so wenig bewusst, dass er die Grenzen zwischen sich und dem anderen nicht mehr erkennen kann. Sein Denken kreist stets um die Frage „Was halten andere von mir?“. Charakteristisch für die Außenorientierung ist auch das mangelnde Vertrauen in die eigene Wahrnehmung: Ihre intuitive Einschätzung einer Situation nehmen Co-Abhängige erst als berechtigt an, wenn sie von anderen bestätigt wurde.
Übertriebene Fürsorge
Helfen-Wollen ist ein herausragender Wesenszug von Co-Abhängigen. Von anderen gebraucht zu werden, stärkt ihr Selbstwertgefühl – um sich unentbehrlich zu machen, tun sie alles für ihre Mitmenschen und nehmen ihnen gerne unangenehme Dinge ab. Oft ist im Zusammenhang mit Co-Abhängigkeit von „Märtyrertum“ die Rede: Obwohl Betroffene unter der Situation leiden, tun sie durch ihre übertriebene und fehlgeleitete Hilfsbereitschaft alles, sie über lange Zeit aufrechtzuerhalten.
Körperliche Erkrankungen
Durch extreme körperliche und seelische Belastungen leiden Co-Abhängige unter stressbedingten Erkrankungen wie Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Störungen oder Herzproblemen. Viele geraten in die Abhängigkeit von Alkohol, Drogen oder Medikamenten oder entwickeln Essstörungen.
Selbstbezogenheit
Obwohl das Verhalten von Co-Abhängigen auf den ersten Blick selbstlos wirkt, nehmen sie sich unbewusst äußerst wichtig: Sie beziehen alles, was um sie herum passiert, auf ihre Person und übernehmen dafür die Verantwortung. Eng mit der Selbstbezogenheit ist das Fehlen von Grenzen verbunden – indem sie die Verantwortung für das Leben anderer übernehmen, greifen sie in schädlicher Weise auf deren persönliche Lebensbereiche über.
Kontrolle
Co-Abhängige sind stets bestrebt, alles in ihrem Umfeld unter Kontrolle zu behalten. Sie sind überzeugt, die Wahrnehmung anderer beeinflussen zu können – wenn nötig, wenden sie Täuschungsmanöver an. Die vergebliche Anstrengung, permanent das Unkontrollierbare zu kontrollieren, kann schwere Depressionen auslösen.
Gefühle
Der Kontakt zu ihren Gefühlen geht Co-Abhängigen zunehmend verloren: Da sie sich ständig mit den Gefühlen und Erwartungen anderer beschäftigen, ist für die eigenen kein Platz mehr. Ein weiteres Wesensmerkmal für Co-Abhängigkeit stellt das Verzerren von Gefühlen dar: Betroffene „verdrehen“ unbewusst negative Emotionen in positive, um ihrem Selbstbild gerecht zu werden. Gelegentlich kommen unterdrückte Gefühle in einem unkontrollierten Wutausbruch zum Vorschein.
Unehrlichkeit
In dem Bestreben, es allen recht zu machen, belügen Co-Abhängige sich und andere. Angehörige eines Suchtkranken können nur mithilfe von Täuschungsmanövern eine Scheinrealität aufrechterhalten und den Süchtigen vor Konsequenzen bewahren.
Egozentrik
Die größte Angst von Co-Abhängigen ist es, verlassen zu werden. Unvorhersehbare Veränderungen versetzen sie ebenso wie Konflikte und Auseinandersetzungen in Panik.
Leichtgläubigkeit
Weil Co-Abhängige ihrem eigenen Urteil nicht vertrauen, übernehmen sie kritiklos die Meinung anderer. Das fällt ihnen umso leichter, wenn ihr Gegenüber etwas ausspricht, das sie gerne glauben wollen: Selbst wenn es offensichtlich nicht der Wahrheit entspricht, halten sie standhaft am Gesagten fest.
Körperliche und seelische Selbstzerstörung
Im Verlauf der Co-Abhängigkeit verstricken sich Betroffene immer mehr in ein Netz aus Selbstbetrug und Selbstzerstörung. Körperliche und seelische Gesundheit werden vernachlässigt und nehmen langfristig Schaden.
Angst
Angst (vor Veränderung, vor Kontrollverlust, vor dem Alleinsein, vor Intimität …) spielt im Leben von Co-Abhängigen eine große Rolle. Aus dem Bestreben, den vertrauten Zustand beizubehalten, entsteht eine seelische und geistige Starrheit.
Fragen, die man sich stellen sollte
Bezugspersonen von Alkoholkranken geraten besonders häufig in eine Co-Abhängigkeit. Der folgende Fragebogen gibt Aufschluss, ob sich die Unterstützung des Suchtkranken im normalen Rahmen bewegt oder Anzeichen einer Co-Abhängigkeit aufweist - sinngemäß abgewandelt kann er auf alle Arten von Suchterkrankungen angewendet werden.
1. Haben Sie Ihren Angehörigen/Ihren Freund/Ihren Kollegen bereits mehrere Male erfolglos auf seinen übermäßigen Alkoholkonsum angesprochen?
2. Haben Sie schon mehrmals gemeinsam mit ihm Alkohol getrunken, um seinen Alkoholkonsum kontrollieren zu können?
3. Nehmen Sie Ihrem Angehörigen/Ihrem Kollegen Aufgaben und Verantwortung aus seinem Zuständigkeitsbereich ab?
4. Loben Verwandte/Freunde/Kollegen Sie für Ihren aufopfernden Einsatz?
5. Müssen Sie lügen und Unregelmäßigkeiten vertuschen, um Ihren Angehörigen/Kollegen zu schützen?
6. Fühlen Sie sich wertvoll und stark, wenn der Suchtkranke Ihre Hilfe braucht?
7. Zweifeln Sie in Bezug auf Ihren Angehörigen/Kollegen an Ihren eigenen Wahrnehmungen?
8. Hängt Ihre eigene Stimmung stark vom Befinden Ihres Angehörigen/Kollegen ab?
9. In Ihnen keimt die Hoffnung auf, dass sich alles zum Guten wendet. Sie setzen sich verstärkt für den Abhängigen ein, doch er erleidet einen Rückfall. Löst der Rückschlag bei Ihnen tiefe Verzweiflung und Niedergeschlagenheit aus?
10. Leiden Sie durch die ständige Belastung unter körperlichen und/oder psychischen Beschwerden?
11. Nutzen Sie selbst Alkohol und/oder Medikamente, um mit der Belastung fertig zu werden?
12. Haben Sie Ihrem Partner wegen seines übermäßigen Alkoholkonsums bereits mit Trennung gedroht?
13. Haben Sie Ihrem Kollegen wegen seines übermäßigen Alkoholkonsums bereits mit einer Gespräch beim Vorgesetzten oder einer Abmahnung gedroht?
14. Kommt es vor, dass Sie Ihrem Angehörigen/Ihrem Kollegen den Tod wünschen (durch einen Autounfall …)
15. Fühlen Sie sich von der Situation überfordert und würden am liebsten alles hinwerfen?
16. Glauben Sie, dass Ihr Angehöriger/Kollege ohne Ihre Hilfe vollkommen abrutschen würde?
17. Ziehen Sie sich vom gesellschaftlichen Leben zurück und geben Ihren Freundes- und Bekanntenkreis auf?
18. Kontrollieren Sie den Alkoholkonsum des Abhängigen, indem Sie beispielsweise seine Alkoholrationen einteilen?
19. Vergessen Sie Ihre Drohungen gegenüber dem Angehörigen/Kollegen oder reden nicht mehr darüber?
20. Fühlen Sie sich manchmal körperlich von Ihrem Angehörigen/Kollegen bedroht?
21. Denken Sie, dass Sie für den übermäßigen Alkoholkonsum Ihres Angehörigen/Kollegen verantwortlich sind oder zumindest eine Mitschuld tragen?
22. Resultieren aus dem Verhalten des Alkoholabhängigen finanzielle Probleme, die Sie stark belasten?
23. Fühlen Sie sich durch die zusätzliche Arbeit und die ständige Belastung überfordert?
24. Wenn Sie in einer Partnerschaft mit einem Alkoholkranken leben: Sind Ihnen wichtige Bereiche der Beziehung (körperlicher Kontakt, vertrauensvolle Gespräche …) abhanden gekommen?
25. Wenn Sie mit einem Alkoholkranken zusammenarbeiten: Sind für ein gutes Betriebsklima wichtige Aspekte (Ehrlichkeit, Verlässlichkeit …) verloren gegangen?
Das zeigen Ihre Antworten
Beantworten Sie in Ihrem eigenen Interesse die Fragen spontan und ehrlich. Notieren Sie, wie viele Fragen Sie mit „Ja“ beantwortet haben.
Wenn Sie mindestens drei Fragen mit „Ja“ beantwortet haben, sind Sie möglicherweise bereits co-abhängig oder auf dem Weg dorthin.
Haben Sie mindestens fünf Fragen mit „Ja“ beantwortet, besteht bereits eine Co-Abhängigkeit. In diesem Fall sollten Sie fachkundige Hilfe in Anspruch nehmen, auch wenn Sie sich des Problems im Moment noch nicht bewusst sind.