Читать книгу Co-Abhängigkeit - C. C. Brüchert - Страница 6
Оглавление5.) Die Phasen der Co-Abhängigkeit
Wie eine Sucht nicht über Nacht entsteht, verläuft auch die Co-Abhängigkeit schleichend – die Betroffenen nehmen ihr Verhalten nicht als unnormal oder gar krankhaft wahr. Üblicherweise entwickelt sich eine Co-Abhängigkeit in drei Phasen:
Phase I: die Beschützer- oder Erklärungsphase
Die Bezugspersonen des Suchtkranken sind mit dem Suchtverhalten nicht einverstanden, finden für seine Ausfälle aber Entschuldigungen: Übermäßiger Alkoholgenuss wird mit beruflicher Überlastung, einem Todesfall in der Familie oder gesundheitlichen Problemen erklärt. Sie sind überzeugt, dass dieser Zustand nur vorübergehend anhält und sich durch genügend Hilfe und Zuspruch bessert. Daher entschuldigen oder vertuschen sie seine Ausfälle und erfinden gegenüber Nachbarn, Verwandten und Vorgesetzten Ausreden, um ihn vor unangenehmen Konsequenzen zu bewahren. Je unzuverlässiger der Abhängige mit zunehmendem Suchtmittelkonsum wird, desto mehr Verantwortung übernehmen Co-Abhängige in allen Lebensbereichen für ihn. Um die Sucht geheim zu halten, schotten sie sich ab und ziehen sich von ihrem sozialen Umfeld zurück: Insbesondere gesellschaftliche Anlässe werden gemieden, bei denen der Abhängige dem Suchtmittel übermäßig zusprechen könnte. Eigene Bedürfnisse treten zugunsten des Suchtkranken immer mehr in den Hintergrund, es hat oberste Priorität, ihn zu schützen und ihm beizustehen. Co-Abhängige versuchen mit allen Mitteln, den gewohnten Alltag aufrechtzuerhalten und nehmen damit den Süchtigen aus der Pflicht, sein Verhalten zu ändern.
Phase II: die Kontrollphase
Der Suchtmittelkonsum hält bereits über längere Zeit an, Suchtmittel oder -verhalten stellen den Mittelpunkt des Lebens dar. Der Co-Abhängige beginnt zu begreifen, dass es sich nicht um ein vorübergehendes Problem handelt. Er versucht, durch verschiedene Strategien den Suchtmittelkonsum unter Kontrolle zu bringen: Angehörige von Alkoholkranken verbannen jeglichen Alkohol aus dem Haus, markieren Flaschen und halten den Suchtkranken soweit möglich zu Hause fest, um seine Trinkmenge zu überwachen. Im Extremfall teilen sie ihm sogar die tägliche Alkoholration zu. Geht ihre Taktik auf und sein Alkoholkonsum sinkt, fühlen sie sich gut und ihr Selbstwertgefühl steigt – ein Wiederanstieg der Trinkmenge zerstört ihre Hoffnungen und macht ihr Selbstvertrauen zunichte. Die permanenten Kontrollen fordern den Süchtigen geradezu heraus, immer neue Wege zu finden, sein Suchtmittel zu konsumieren oder sein Suchtverhalten ausleben zu können: Die Kontrollphase ist geprägt von permanenter Anspannung, Misstrauen und gegenseitigen Vorwürfen. Heftige Gefühlsausbrüche können sich unkontrolliert entladen, worauf der Süchtige nicht selten mit körperlicher oder seelischer Gewalt reagiert. Häufig entwickelt sich eine Art „Hassliebe“: Der Co-Abhängige schwankt zwischen dem Wunsch, den Abhängigen um jeden Preis „retten“ zu wollen und fühlt sich für seine Rückfälle verantwortlich – gleichzeitig kämpft er mit einer immer größer werdenden Frustration und Überforderung.
Phase III: die Anklagephase
Die Anklagephase stellt den Endpunkt eines über lange Zeit schleichenden Prozesses dar. Der Co-Abhängige ist am Ende seiner körperlichen und seelischen Kraft, möglicherweise leidet er bereits an einer stressbedingten Erkrankung. Er sieht ein, dass er sich lange Zeit vergeblich aufgeopfert hat und sein Einsatz auch in Zukunft keinerlei Erfolg zeigen wird. Für seinen schlechten Zustand macht er den Suchtkranken verantwortlich und droht immer öfter mit Trennung oder anderen Konsequenzen, schafft es aber nicht, diese durchzusetzen. Die meisten Co-Abhängigen entschließen sich erst in dieser Phase, fachkundige Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Für den Süchtigen entstehen in diesem Stadium erstmals spürbare Konsequenzen: Im Beruf erhält er die Kündigung, privat sieht er sich von Familie und Freunden verlassen. Diese schmerzlichen Einschnitte können für ihn Anlass sein, sich mit dem Gedanken an eine Therapie auseinanderzusetzen.