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Ransoms Beine gaben nach und er musste aufs Bett zurückgesunken sein, doch wurde er sich dessen erst Minuten später bewusst. Im Augenblick existierte nur seine Angst; alles andere war wie ausgelöscht. Er wusste nicht einmal, wovor er sich fürchtete; die Angst, eine schreckliche, formlose, übermächtige Ahnung beherrschte sein ganzes Bewusstsein. Er verlor nicht die Besinnung, obwohl er sich gern in eine Ohnmacht geflüchtet hätte. Jede Veränderung – Tod oder Schlaf oder am besten ein Erwachen, das all dies als einen Traum erwies – wäre ihm unsäglich willkommen gewesen. Doch nichts davon stellte sich ein. Stattdessen kehrte die lebenslange Selbstbeherrschung eines Mannes in Gesellschaft zurück, dessen Tugenden zur Hälfte Heuchelei sind und dessen Heuchelei eine halbe Tugend ist, und bald antwortete er Weston mit fester Stimme, in der kein beschämendes Beben mehr mitschwang.

»Ist das Ihr Ernst?«, fragte er.

»Gewiss.«

»Aber wo sind wir dann?«

»Etwa fünfundachzigtausend Meilen von der Erde entfernt.«

»Sie meinen, wir sind im – Weltraum?« Ransom brachte das Wort nur mit Mühe über die Lippen, so wie ein ängstliches Kind von Gespenstern spricht oder ein ängstlicher Mensch von Krebs.

Weston nickte.

»Wozu?«, sagte Ransom. »Und weshalb um alles in der Welt haben Sie mich entführt? Und wie haben Sie es gemacht?«

Weston schien zunächst nicht antworten zu wollen; dann, als habe er es sich anders überlegt, setzte er sich neben Ransom aufs Bett und sagte: »Ich nehme an, es erspart uns Ärger, wenn ich sofort auf diese Fragen eingehe und Sie uns während des nächsten Monats nicht unausgesetzt damit in den Ohren liegen. Die Frage, wie wir es machen – vermutlich meinen Sie damit, wie das Raumschiff funktioniert –, ist sinnlos. Sie würden es nicht verstehen, es sei denn, Sie wären einer der vier oder fünf wirklich großen heutigen Physiker. Und wenn Sie etwas davon verstünden, so würde ich es Ihnen nicht sagen. Wenn es Sie glücklich macht, bedeutungslose Worte zu wiederholen – was wissenschaftlich ungebildete Leute nämlich meist wollen, wenn sie um eine Erklärung bitten –, sagen Sie meinetwegen, dass wir mit der Nutzung von weniger bekannten Eigenschaften der Sonnenstrahlung arbeiten. Und warum wir hier sind? Wir sind unterwegs nach Malakandra …«

»Meinen Sie einen Stern, der Malakandra heißt?«

»Selbst Sie können kaum annehmen, dass wir das Sonnensystem verlassen. Malakandra ist viel näher: Wir werden es in ungefähr achtundzwanzig Tagen erreichen.«

»Es gibt keinen Planeten, der Malakandra heißt«, wandte Ransom ein.

»Ich nenne ihn bei seinem richtigen Namen, nicht dem, den die irdischen Astronomen erfunden haben«, sagte Weston.

»Aber das ist doch Unsinn«, entgegnete Ransom. »Wie zum Henker haben Sie den richtigen Namen, wie Sie es nennen, herausgebracht?«

»Von den Bewohnern.«

Ransom brauchte eine Weile, bis er das verdaut hatte. »Wollen Sie damit sagen, Sie wären schon einmal auf diesem Stern oder auf diesem Planeten, oder was immer es ist, gewesen?«

»Ja.«

»Sie können wirklich nicht von mir verlangen, das zu glauben«, sagte Ransom. »Verdammt noch mal, so etwas ist doch nichts Alltägliches. Warum hat niemand davon gehört? Warum hat es nicht in den Zeitungen gestanden?«

»Weil wir keine Idioten sind«, sagte Weston grob.

Nach kurzem Schweigen fing Ransom wieder an. »Welcher Planet ist es nach unserer Terminologie?«, fragte er.

»Ein für alle Mal«, sagte Weston, »ich werde es Ihnen nicht sagen. Wenn Sie es nach unserer Ankunft herausbringen, soll es mir recht sein. Ich glaube nicht, dass wir von Ihren wissenschaftlichen Kenntnissen viel zu befürchten haben. Einstweilen gibt es keinen Grund, dass Sie es erfahren sollten.«

»Und Sie sagen, dieser Ort sei bewohnt?«, sagte Ransom. Weston warf ihm einen eigentümlichen Blick zu, dann nickte er. Ransoms Unbehagen ging rasch in einen tiefsitzenden Zorn über, den er angesichts seiner vielen widerstreitenden Empfindungen schon beinahe vergessen hatte.

»Und was hat das alles mit mir zu tun?«, brach es aus ihm hervor. »Sie sind über mich hergefallen, haben mich betäubt und scheinen mich jetzt in diesem Teufelsding als Gefangenen zu verschleppen. Was habe ich Ihnen getan? Wie wollen Sie Ihr Tun rechtfertigen?«

»Ich könnte mit der Gegenfrage antworten, warum Sie wie ein Dieb in mein Anwesen geschlichen sind. Hätten Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten gekümmert, wären Sie jetzt nicht hier. Wie die Dinge liegen, gebe ich zu, dass wir in Ihre Rechte eingreifen mussten. Meine einzige Rechtfertigung

ist, dass kleine Ansprüche hinter größeren zurücktreten müssen. Soweit wir wissen, vollbringen wir etwas, das in der Geschichte der Menschheit, vielleicht sogar in der Geschichte des Universums, nie zuvor unternommen worden ist. Wir haben gelernt, uns von dem Klumpen Materie zu lösen, auf dem die Menschheit entstanden ist; die Unendlichkeit und vielleicht die Ewigkeit sind in die Reichweite der menschlichen Rasse gelangt. Sie können nicht so engstirnig sein zu glauben, dass die Rechte oder das Leben eines Individuums oder einer Million Individuen im Vergleich damit auch nur von der geringsten Bedeutung wären.«

»Da bin ich anderer Meinung«, sagte Ransom, »und bin es immer schon gewesen, sogar bei Tierversuchen. Aber Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Wozu brauchen Sie mich? Was versprechen Sie sich von meiner Anwesenheit auf diesem – auf Malakandra?«

»Das weiß ich nicht«, antwortete Weston. »Es war nicht unsere Idee. Wir befolgen nur Befehle.«

»Von wem?«

Wieder entstand eine Pause. »Kommen Sie«, sagte Weston schließlich, »es hat wirklich keinen Zweck, mit diesem Kreuzverhör fortzufahren. Sie stellen mir immerfort Fragen, die ich nicht beantworten kann: zum Teil, weil ich die Antworten nicht weiß, zum Teil, weil Sie diese nicht verstehen würden. Unsere Reise wird sich weit angenehmer gestalten, wenn Sie sich mit Ihrem Schicksal abfinden und aufhören, sich und uns zu quälen. Es wäre einfacher, wenn Sie nicht so eine unerträglich enge und individualistische Lebensphilosophie hätten. Ich hatte geglaubt, die Rolle, die Sie spielen sollen, müsste jedermann begeistern. Ich hatte gedacht, dass selbst ein Wurm, wäre er mit Verstand begabt, sich dem Opfer nicht entziehen würde. Ich meine selbstverständlich das Opfer an Zeit und Freiheit und ein gewisses Risiko. Bitte missverstehen Sie mich nicht.«

»Nun«, sagte Ransom, »Sie halten die Trümpfe in der Hand und ich muss das Beste daraus machen. Ich halte Ihre Lebensphilosophie für hellen Wahnsinn. Vermutlich bedeutet all dieses Zeug über Unendlichkeit und Ewigkeit, dass Sie sich für berechtigt halten, hier und jetzt alles zu tun, absolut alles, nur um der schwachen Aussicht willen, dass irgendwelche vom heutigen Menschen abstammenden Geschöpfe ein paar Jahrhunderte länger irgendwo im Weltall umherkriechen können.«

»Ja – zu allem berechtigt«, entgegnete der Wissenschaftler hart. »Und alle wirklich Gebildeten – denn Geisteswissenschaften und Geschichte und solchen Plunder bezeichne ich nicht als Bildung – denken genau wie ich. Es freut mich, dass Sie den Punkt angesprochen haben, und ich rate Ihnen, meine Antwort im Gedächtnis zu behalten. Und jetzt werden wir frühstücken, wenn Sie mir in den Nebenraum folgen wollen. Seien Sie vorsichtig beim Aufstehen; Sie haben hier ein kaum nennenswertes Gewicht im Vergleich zu Ihrem Gewicht auf der Erde.« Ransom erhob sich und Weston öffnete die Tür. Blendend goldenes Licht durchflutete den Raum und brachte das blasse Erdenlicht hinter ihm völlig zum Erlöschen.

»Ich gebe Ihnen gleich eine dunkle Brille«, sagte der Wissenschaftler, als er in den Raum voranging, aus dem das strahlende Licht kam. Ransom hatte den Eindruck, dass Weston zur Türöffnung bergauf ging und plötzlich nach unten verschwand, nachdem er sie passiert hatte. Als er vorsichtig folgte, hatte er das seltsame Gefühl, an den Rand eines Abgrunds zu treten: Der Raum auf der anderen Seite schien auf der Seite zu liegen, sodass die gegenüberliegende Wand beinahe eine Ebene mit dem Boden des Raums bildete, den er gerade verlassen wollte. Doch als er seinen Fuß durch die Öffnung setzte, entdeckte er, dass der Boden auch weiterhin eben verlief, und nachdem er den Nebenraum ganz betreten hatte, richteten die Wände sich auf und die gerundete Decke befand sich über seinem Kopf. Er blickte zurück und jetzt sah die Schlafkammer so aus, als würde sie kippen – die Decke wurde zur Wand und eine der Wände zur Decke.

»Sie werden sich bald daran gewöhnen«, sagte Weston, der seinem Blick gefolgt war. »Das Schiff ist ein Sphäroid, ein kugelförmiger Körper, und da wir nun das Schwerefeld der Erde verlassen haben, empfinden wir den Mittelpunkt unserer kleinen Metallwelt als unten. Das haben wir natürlich vorausgesehen und das Schiff entsprechend konstruiert. Das Innere des Schiffs ist eine Hohlkugel, in der wir unsere Vorräte verwahren, und die Oberfläche dieser Hohlkugel ist der Boden, auf dem wir gehen. Ringsherum sind die Kabinen angeordnet. Deren Wände wiederum tragen eine äußere Kugelschale, die von hier aus gesehen Dach oder Decke ist. Da sich der Mittelpunkt unten befindet, wirkt das Stück Fußboden, auf dem Sie gerade stehen, immer eben oder horizontal und die Wand, an der Sie stehen, immer vertikal. Andererseits ist die Kugel des Fußbodens flächenmäßig so klein, dass Sie stets darüber hinaussehen – hinaus über das, was Ihnen als Horizont erscheinen würde, wenn Sie ein Floh wären –, und dann nehmen Sie Fußboden und Wände der nächsten Kabine in einem anderen Winkel wahr. Genauso verhält es sich im Übrigen auf der Erde, nur sind wir nicht groß genug, um das sehen zu können.«

Nach dieser Erklärung kümmerte Weston sich in seiner knappen, ungefälligen Art um das Wohlergehen seines Gastes oder Gefangenen. Auf seinen Rat hin legte Ransom seine Kleidung ab und ersetzte sie durch einen schmalen Gürtel, der mit schweren Gewichten behangen war, um die ungewohnte Leichtigkeit seines Körpers ein wenig auszugleichen. Dann setzte er eine dunkle Brille auf und folgte Weston an einen kleinen Tisch, auf dem das Frühstück stand. Er war hungrig und durstig und machte sich gierig über die Mahlzeit aus Büchsenfleisch, Zwieback, Butter und Kaffee her.

Doch all dies hatte er fast mechanisch ausgeführt. Beinahe automatisch zog er sich aus, aß und trank, und alles, was ihm von seiner ersten Mahlzeit an Bord des Raumschiffs im Gedächtnis blieb, war die alles beherrschende Intensität von Hitze und Licht. Beide hatten ein Ausmaß, das auf der Erde unerträglich gewesen wäre, waren aber von neuartiger Qualität. Das Licht war blasser als jedes ähnlich starke Licht, das er je gesehen hatte; es war nicht rein weiß, sondern von äußerst blassem Gold und warf ebenso scharfe Schatten wie Flutlicht. Die sehr trockene Hitze schien wie ein riesiger Masseur über die Haut zu streichen und sie zu kneten; sie machte keineswegs schläfrig, sondern höchst munter. Ransoms Kopfschmerzen waren vergangen; er fühlte sich so aufmerksam, mutig und großmütig wie kaum je auf der Erde. Nach einiger Zeit wagte er, zu der Deckenluke aufzublicken. Bis auf einen schmalen gläsernen Spalt war sie mit stählernen Schiebern verschlossen, und selbst dieser Spalt war mit einer Blende aus schwerem, dunklem Material abgedeckt; dennoch war es so hell, dass man nicht lange hineinsehen konnte.

»Ich dachte immer, der Weltraum sei dunkel und kalt«, sagte er unsicher.

»Und die Sonne?«, merkte Weston verächtlich an.

Ransom aß schweigend weiter. Nach einer Weile begann er von Neuem: »Wenn es schon am frühen Morgen so ist …« Doch gewarnt von Westons Gesichtsausdruck brach er ab.

Natürlich, dachte er ehrfürchtig, hier gibt es keinen Morgen, keinen Abend und keine Nacht – nichts als immergleichen helllichten Tag, der jenseits aller Geschichte seit Urzeiten Milliarden von Kubikmeilen erfüllt. Er blickte wieder zu Weston, doch dieser hob die Hand.

»Reden Sie nicht so viel«, sagte er. »Wir haben alles Nötige besprochen. Im Schiff gibt es nicht genug Sauerstoff für irgendwelche überflüssigen Anstrengungen; auch nicht für Gespräche.«

Kurz danach stand er auf, ohne den anderen aufzufordern, es ihm gleichzutun, und verließ den Raum durch eine der vielen Türen, die Ransom bis dahin kaum wahrgenommen hatte.

Jenseits des schweigenden Sterns

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