Читать книгу Luramos - Der letzte Drache - Carina Zacharias - Страница 7
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Prolog
Noch einmal kräuselte sich das Wasser, dann zerflossen die Farben und das Bild verschwamm, bis die Wasseroberfläche wieder schwarz und spiegelglatt dalag. Der Magier nahm die Hände von der steinernen Wasserschale und blickte auf. Langsam gewöhnten sich seine Augen an das tanzende Licht der Fackeln an den kahlen Wänden seines Gemachs. Und noch langsamer sickerte die Erkenntnis in sein Bewusstsein: Es war so weit! Das Warten hatte ein Ende. Sein Pulsschlag beschleunigte sich und ein Kribbeln durchlief seinen Körper vom Scheitel bis zu den Fußsohlen. Es war so weit! Fast hatte er schon nicht mehr daran geglaubt. Endlich löste er sich aus seiner Starre und ging raschen Schrittes aus dem Raum, vor dessen Eingang zwei Gnome postiert waren, die teilnahmslos an die Wand starrten.
„Was steht ihr hier herum?“, herrschte er sie an, obwohl ihm klar war, dass genau das die Aufgabe war, die er ihnen zugeteilt hatte. „Bringt mir Raklin! Und zwar schnell! Ich erwarte ihn in der großen Halle.“
Hastig ließen sich die zwei Gnome auf alle viere nieder und liefen den langen Flur entlang. Die scharfen Krallen an ihren Füßen und Händen kratzten dabei über den glatten Stein. Der Magier aber wandte sich in die entgegengesetzte Richtung, sein schwerer, dunkelblauer Umhang schleifte hinter ihm her über den Boden.
Es war so weit! All seine Gedanken drehten sich um diesen einen Satz, er wiederholte ihn im Kopf wieder und wieder, bis er sich mit dem Klang seiner Schritte auf dem Fußboden und seinem eigenen Herzschlag zu einem endlosen Rhythmus verband.
Am Ende des von Fackeln gesäumten Flurs lag die große Halle. Ihr Eingang wurde von einer schweren Holztür verschlossen und von einem Gnom bewacht, der sich nun beeilte die Tür zu öffnen und eine ungeschickte Verbeugung machte, als der Magier an ihm vorbei schritt.
Die Wände der Halle waren von großen Glasfenstern durchbrochen, hinter denen nun nichts als die Schwärze der Nacht zu sehen war. Die Halle war leer und kahl wie der Rest des Schlosses, bis auf einen imposanten steinernen Thron, der auf einer Thronempore direkt gegenüber der Eingangstür stand. Der Magier stieg die wenigen Treppenstufen hinauf zu seinem Thron und ließ sich eben darauf nieder, als ein hechelnder Gnom in die Halle hastete. In der Mitte des Raumes besann er sich zu einem würdigeren Gang auf zwei Beinen und ging gemessenen Schrittes auf den Fuß der Treppe zu, wo er sich respektvoll verneigte. „Ihr habt nach mir gerufen, Meissster?“, fragte er, wobei er das S zischelnd in die Länge zog.
Kurz musterte der Magier den Gnom vor sich, der ihm aufrecht stehend gerade bis zur Hüfte reichte. Mit seinem schmächtigen, sehnigen Körper, der grauen Haut, den kleinen Ohren und gelben Augen unterschied er sich zunächst nicht von all den anderen Gnomen. Erst auf den zweiten Blick fiel der Halbmond an seiner rechten Schläfe auf. Das Brandmal, mit dem die treuesten Gefolgsleute des Magiers gekennzeichnet waren.
„Ja, das habe ich.“ Der Magier umschloss mit den Händen die Lehnen seines Throns und beugte sich vor, ehe er mit lauter Stimme sprach: „Die Zeit ist gekommen. Du weißt, was du zu tun hast.“
Einen Herzschlag lang starrte Raklin seinen Meister mit großen Augen an, dann verzog sich sein lippenloser Mund zu einem fratzenhaften Lächeln, das zwei Reihen rasiermesserscharfer Zähne entblößte. „Ja, Meister.“
„Sammle deine Gefährten um dich. Ihr werdet noch diese Nacht aufbrechen!“
„Ja, Meister!“ Noch einmal verbeugte sich der Gnom demütig, dann ließ er sich wieder auf alle viere nieder und hastete aus der Halle.
Der Magier lauschte dem Kratzen seiner Krallen, bis sie nicht mehr zu hören waren. Dann erhob er sich langsam und ging auf eine Glastür an der linken Wand der Halle zu, die auf einen kleinen Balkon führte. Gierig sog er die kühle Nachtluft ein, als er hinaus und an das steinerne Geländer trat. Der Mond stand am Himmel und sein silbernes Licht fiel auf das mächtige Schloss und die kahlen Berge ringsherum. Und auf eine kleine Schar von Gnomen, die weit unter ihm aus dem Schloss lief und hinter einer Kurve dem Blick des Magiers entschwand.
Eine Weile stand der Magier nur ganz still da und schaute in die Nacht hinaus. Dann krallten sich seine Finger in das Geländer und ein glucksendes Kichern drang aus seiner Kehle, das bald in einem unkontrollierbaren Lachanfall endete. Er warf seinen Kopf in den Nacken und lachte. Er lachte sein wahnsinniges Lachen ohne jeden Frohsinn und er war unfähig, damit wieder aufzuhören. Der Wind trug sein Lachen noch weit über die schneebedeckten Berge, bis endlich die Dämmerung aufzog und mit den ersten Sonnenstrahlen auch wieder Ruhe einkehrte.