Читать книгу Sekten, Sekt und Selters - Ein Moselkrimi - Carl von Lieser - Страница 4
1. Frühsport
ОглавлениеEs war eine völlig neue Angewohnheit für mich, aber ich muß zugeben, seit ich es tat, fühlte ich mich deutlich wohler in meiner Haut. Statt verkatert wie früher erschien ich jetzt frisch und beschwingt zum Unterricht. Seit Ende der Sommerferien, mit Beginn des neuen Schuljahres, war ich ein Lehrer mit Vorbildcharakter, zumindest was die Aspekte körperlicher Fitneß anging. Dreimal in der Woche Jogging zwischen sechs und halb sieben in der Frühe - vor Wochen hätte ich jeden für verrückt erklärt, der mir das prophezeit hätte. Aus freien Stücken hätte ich mich niemals dazu aufgerafft, das stimmt. Es war wie immer, wenn Männer grundlegende Dinge in ihrem Leben ändern, eine Frau im Spiel. Naomi, die afrostämmige, schwarze deutsche Frau, seit Mai letzten Jahres meine Freundin, war nach den Sommerferien endgültig bei mir eingezogen, in meine Drei-Zimmer-Wohnung am Irrbach in Trier-West, nicht einmal einen Katzensprung vom antiken Lenus-Mars-Tempel entfernt.
Bis vor wenigen Wochen joggte Naomi allein in aller Herrgottsfrühe übers Gestade ihres Wohnortes, dem romantischen Mittelmoselstädtchen Bernkastel-Kues. Seit über einem Jahr übte sie sich also im Pendelverkehr zwischen Bernkastel, Uni Trier und Irrbach, unserem gemeinsamen Liebesreich. Nun hatte sie es geschafft, nicht nur ihre Wohnung, sondern auch ihr Bernkasteler Frühsportprogramm von dort nach Trier-West zu verlegen. Und sie hatte sogar sehr viel mehr geschafft, geradezu Ungeheuerliches hatte sie vollbracht, nämlich mich, einen mordsmäßigen Sportsaboteur, in ihr Fitneßprogramm zu integrieren. Sie hatte eine Ader dafür, die Sache geschickt einzufädeln. Es war damals, im September, als es morgens um sechs noch finster war, weil die Tage rasch kürzer wurden, die Sonne später aufwachte, - da hatte sie die Chance beim Schopf gepackt, mich einzuwickeln. Die Runde über den Moselradweg zwischen Südbrücke und Römerbrücke sei ihr zu unheimlich geworden in der Dunkelheit, hatte sie geklagt, kurz und gut, sie habe Angst, die Strecke weiterhin alleine zu laufen. Ich glaubte ihr dies von Beginn an nicht. Dennoch stimmte ich ihr zu, schließlich lag der Rotlichtbezirk der Stadt ja unmittelbar am Weg, da sollten sich Frauen im Dunkeln nicht ohne Begleitung hinwagen. Sie hatte recht, aber sie hätte auch einen anderen Weg laufen können, den Feldweg ins friedliche Zewen zum Beispiel, da gab's zumindest kein Freudenhaus unterwegs. Aber sie liebte die Moselstrecke, sagte sie, und sie ließ keinerlei Zweifel aufkommen: ich mußte sie begleiten! Ich, Matz Mendgen, Gymnasiallehrer für Franz und Spanisch am Trierer Heinrich Heine-Gymnasium (HGT), hart an der Grenze zu Vierzig, also in der Mitte des Lebens stehend, nahm Naomis Ansinnen zum Anlaß, meinen Körper selbstkritisch unter die Lupe zu nehmen. Und dabei fiel es mir wie Schuppen von den Augen: die Frau hatte recht, mein ehemals filigraner Bauchansatz drohte inzwischen zum Rettungsring auszuufern. Ich hatte plötzlich Übergewicht, obwohl ich doch bis vor fünf Jahren noch Idealmaße hatte, wenn ich mich recht erinnerte. Wieso hatte ich die Wandlung nicht selbst längst wahrgenommen? War ich etwa geblendet? Etwa wegen der Liebe zu Naomi, meiner Verliebtheit, die mich öfters als einmal schon blind gemacht hatte? Blind vor Glück, nicht blind vor Wut. Nein, die Waage im Bad log nicht. Und welche Frau von 26 Jahren möchte einen alternden, verölten Fettwanst als Mann an ihrer Seite haben? Recht hatte sie, - und wie sie recht hatte! Mir war sofort klar: das würde Schweiß bedeuten! Die praktische Anwendung der einst genossenen Unterrichtsstunden in Schulphysik sagten mir, daß ein Kilo Wasser aus rund 48.000 Tropfen bestand, und bei Fett konnte das nur unwesentlich anders sein. Und jetzt rechnen Sie das bitte selbst mal nach, bezogen auf Ihr Übergewicht, werte Leserinnen und Leser! Bei mir ging's in die Millionen! So manches Faß habe ich inzwischen von dieser salzigen Brühe vergossen, die mir bisher nur von diversen winterlichen Saunagängen im Stadtbad her bekannt war. Einmal abgesehen von gelegentlichen Kraftanstrengungen sexueller Art.
Jetzt, drei Tage vor den Herbstferien, war beides kein Thema mehr, weder mein Übergewicht, noch das regelmäßige Laufen am Morgen - bei Wind und Wetter, jeden zweiten Tag. Ich sah schon fast aus wie Joschka Fischer damals, nachdem er sich zum Außenminister gehäutet hatte. Nur hin und wieder machte ich eine Ausnahme, wie heute früh zum Beispiel, denn es war Mittwoch, und ich war verdammt schlecht vorbereitet für die fünf Stunden Unterricht, die ich in fünf verschiedenen Klassen nacheinander zu geben hatte. Mittwochs war ein echter Streßtag für mich. Also gab ich meiner schwarzen Frühaufsteherperle einen Kuß und ließ sie alleine lostigern. In solchen Augenblicken bewunderte ich ihre Zielstrebigkeit; Was sie sich einmal in den Kopf gesetzt hatte, ließ sie sich von niemandem mehr streitig machen. Sie hatte einen Quadratkopf, hart wie Beton, aber zum Reinbeißen attraktiv, wobei letzteres beileibe nicht nur für den Kopf Gültigkeit hatte!
Naomi hatte lange gezögert, sich auf das Wagnis einzulassen, zu mir zu ziehen, aus unserer Schön-Wetter-Turtelei sozusagen eine Vollzeitbeziehung zu machen. Immerhin kannten wir uns gut anderthalb Jahre, - da sind andere ja oft schon verheiratet und wieder geschieden. Der Grund für ihr monatelanges Abwägen mußte etwas mit mir zu tun haben, vielleicht mit meinem mangelnden Talent für hausfrauliche, oder besser: hausmännliche Tätigkeiten, mit meinen bescheidenen Ansprüchen an Hygiene und häusliche Reinlichkeit. Sie fürchtete wohl, ich wollte sie als preiswerte Dienstmagd benutzen oder mißbrauchen. Und aller Erfahrung nach waren diese Bedenken nicht von der Hand zu weisen. Ich selbst kannte genug solcher Fälle in meinem Bekanntenkreis, gepflegte Herr-und Dienerin-Beziehungen. Aber ich wollte anders sein, hoch und heilig versprach ich Naomi das Blaue vom Himmel. Und ich setzte Zeichen: ich belegte nacheinander mehrere Intensiv- oder Crashkurse in Kochen, Hauswirtschaft und Heimwerken - alles Dinge, die ich mir früher nur als Stoff übler Alpträume ausgemalt hätte. Aber was tut Mann nicht alles, um die Angebetete endlich ins Nest zu bekommen!
Jetzt war es soweit. Ich war am Ziel meiner Träume. Seit sechs Wochen lebten wir als Paar unter einem Dach. Unsere schmetterlingshafte Wochenend-Genußbeziehung mit gelegentlichen Unter-der-Woche-Terminen war zu Ende, jetzt lief der Ernstfall, die Nagelprobe für jede Beziehung. Würde es einen Count-Down geben? Oder würde es jetzt erst richtig los gehen mit dem (Liebes-) Leben?
Ich war soeben dabei, die neue Französisch-Lektion für eine 12. Klasse zu überfliegen, als ich Geräusche vom Treppenhaus her hörte.
"Matz! Maaatz!!!" Naomis angstverzerrte Stimme fuhr mir in die Knochen. Sie war vielleicht gerade mal 15 Minuten weg gewesen, und unter einer halben Stunde tat sie es für gewöhnlich nicht.
Ich ließ Lektion Lektion sein und stürzte ihr wie benommen entgegen. Im Flur prallten wir aufeinander. Naomi standen die Tränen in den Augen, sie weinte leise. Ich drückte sie fest an mich.
"Was ist mit dir, Schatz?" flüsterte ich. Ich wagte mir gar nicht auszumalen, was alles Schlimmes passiert sein könnte.
"O, Matz", wisperte sie mit erstickter Stimme, "ich hab einen Toten gesehen, einen jungen Mann, im Auto. Er hat sich nicht mehr bewegt. Er ist tot, der muß tot sein!"
"Wo hast du ihn gesehen, wo steht das Auto?"
"Am Moselufer, mitten auf dem Radweg. Der Motor..."
Naomi schien völlig benebelt zu sein. Ich löste mich behutsam aus der Umklammerung und führte sie sanft in die Küche. Wir setzten uns an den Eßtisch, auf dem sie vor dem Jogging schon unser Frühstück vorbereitet hatte.
"Bist du sicher, daß der Mann tot war? Hast du etwas unternommen? Die Polizei verständigt?"
"Nein, wie denn? Es war doch noch dunkel. Nur der Motor lief. Ich habe mit der Taschenlampe hineingeleuchtet, da hab ich ihn gesehen. Ein junger Mann, nach vorne aufs Lenkrad gekippt."
"Hast du versucht, die Tür aufzumachen?"
"Ach, Matz! Warum bist so furchtbar rational? Was glaubst du, was ich für ein Gefühl hatte, als ich ihn sah? Ich war total erschrocken, meine Knie zitterten, mich hat fast der Schlag getroffen. Die Tür war verschlossen, alle Türen am Auto waren verschlossen. Als ich dann den Schlauch gesehen habe, bin ich weggelaufen..."
Wieder flennte sie, Tränen rannen über ihre Wangen.
"Was für ein Schlauch?" fragte ich.
Dann funkte es in meinem Hirn. Die Antwort stand im Raum, ich hätte sie mir selbst geben können.
"Am Auspuffrohr war ein Schlauch befestigt, der ging in den Kofferraum, da muß einer ein Loch reingemacht haben, denn das Schloß war zu."
Das klang nach Selbstmord, Vergiftung durch Autoabgase, Tod durch Kohlenmonoxid. Da hatte sich wohl einer gezielt vom Leben verabschiedet, sich die Atemluft abgestellt. Einer dieser tragischen Fälle, die sich gar nicht so selten ereignen. Zu idiotisch, daß Naomi in sowas reingezogen werden mußte. Zu dumm auch, daß ich wieder meinen Unterricht nicht frühzeitig vorbereitet und ihr deshalb in der Stunde des Schreckens nicht zur Seite gestanden hatte. Das Schicksal hat manchmal viel Sinn für schwarzen Humor.
Draußen dämmerte es, als ich die Polizei anrief. Es war nicht schwer, den Fundort zu beschreiben, westlicher Moselradweg, etwa mittig zwischen Südbrücke und Römerbrücke, eigentlich ein saudoofer Ort für Suizide, wie ich fand. Dennoch reizte mich irgendwas an der Sache. Ich beschloß, mit dem Rad runterzufahren, eine Sache von Minuten. Die Frage war nur, könnte ich Naomi mit ihrem Schock alleine lassen?
"Ich fahre mit, Matz." Sie mimte die Obercoole, aber es war wirklich nur gespielt.
"Nein, bitte, Naomi, tu dir das doch nicht nochmal an! Bleib bitte hier und erhol dich von dem Schock."
"Schon gut, Matz, wenn du dabei bist, geht’s mir schon besser, dann schaff ich das schon. Keine Sorge. Ich bin doch keine Zimperliese, mich wirft so schnell nichts um." Was sie sagte, stand im krassen Gegensatz zu ihrer Körperhaltung, die in etwa der eines angeschlagenen Boxers in der neutralen Ecke entsprach. Aber es half nichts, wenn sie es sagte, meinte sie es auch so, und wenn sie es so meinte, wurde es auch so gemacht. Ich hatte jetzt keine Lust auf ein selbstmörderisches Wortgefecht mit ihr. Also schwangen wir uns auf die Räder.
Zwei Streifenwagen gaben dem trüben Oktobermorgen etwas Farbe, um nicht von Glanz zu sprechen. Ein halbes Dutzend Beamte hatten den Standort des schwarzen VW-Golfs inzwischen abgesperrt, das heißt, sie gaben sich keine große Mühe damit, denn um diese Uhrzeit war hier noch keinerlei Publikumsverkehr. Da ich meinen Reporterausweis der Anderen Zeitung, AZ, dabei hatte, durfte ich die provisorische Absperrung passieren, sogar in Begleitung von Naomi - immerhin hatte sie ja den Hinweis gegeben, und sie war die erste und vermutlich einzige Zeugin. Ich zückte meine neue Pocketkamera und schoß schnell ein paar Fotos, denn ich wußte, die Polizei würde mir das gleich verbieten, wenn sie es merkten. So wars dann auch.
"Bitte keine Fotos, Herr Mendgen, das ist eine Anweisung von ganz oben."
Von wo oben bitte, vom Herrgott persönlich etwa? Ich unterdrückte die Provokation, die mir auf den Lippen lag. Nun erkannte ich den Einsatzleiter, es war Oberkommissar Haverkamp. Ich hatte vor einiger Zeit mit ihm zu tun gehabt, als in meine Wohnung eingebrochen worden war.
"Schon gut, Herr Haverkamp. Ist ja auch nichts Fotogenes zu sehen", beruhigte ich den Beamten. Sie hatten die Fahrertür des Wagens aufgebrochen, den Motor abgestellt und den Toten auf eine Decke gelagert, die auf dem Radweg ausgebreitet war.
"Wissen Sie schon, wer der junge Mann ist?" fragte ich Haverkamp. Der hielt sich bedeckt, gab sich sehr beschäftigt in Sachen Spurensicherung. Zwei seiner Beamten suchten tatsächlich die Uferböschung ab - im Sommer beliebte Liegefläche für Sonnenanbeter.
"War es Selbstmord?" Ich versuchte, einen Ansatz für ein Gespräch zu finden, schließlich war ich nebenher Journalist, und einen solchen Fall, vor der Haustür auch noch, den läßt man sich nicht gerne entgehen. Klar, daß die Polizisten mich lieber zum Teufel gewünscht hätten. Ich blieb Haverkamp auf den Fersen, Naomi folgte dicht hinter uns.
"Herr Oberkommissar, Herr Oberkommissar!" riefen plötzlich die zwei Polizisten wie einstudiert im Duett, jene beiden, die das Umland des Fundortes abgrasten. "Wir haben etwas: noch einen Toten! Hier!"
Haverkamp ließ uns abblitzen und eilte strammen Schrittes zu seinen Untergebenen. Wir hinterher. Dort, am Rande der Hochstauden, wo sich üppige Brennesseln mit hochhackigen Topinamburranken um die besten Sonnenplätze zankten, dort konnte ich ein Beinpaar erspähen, zwischen den Grünröcken hindurch, die die Stelle abzuschirmen versuchten. Der Rest des Körpers mußte in den Stauden versteckt liegen.
"Ich werd verrückt", jammerte Naomi. "Zwei Tote an einem Morgen, das ist zuviel für mich."
Da hatte sie recht. Sie umklammerte mich, als seien wir ein Langustenpärehen, ich konnte nicht mal mehr die Kamera in Position bringen.
"Schatz, ist dir schlecht? Möchtest du dich hinlegen? Soll ich dir eine Decke besorgen, die Bullen haben bestimmt eine übrig?"
Sie zitterte am ganzen Körper. Ich mußte meine Konzentration teilen zwischen den noch unbekannten Toten und meiner Allerliebsten. Es war nicht zu schaffen. Ich schlug mich auf Naomis Seite, sehr zum Wohlgefallen von Haverkamp, wie mir sein verschmitztes Lächeln verriet. Wir gingen zurück auf den Radweg und entfernten uns ein Stück weit vom Ort des Geschehens, besser gesagt, von beiden Orten, die kaum einen Katzensprung voneinander entfernt waren. Von den Kirchtürmen der umliegenden Stadtteile setzte das Sieben-Uhr-Geläut ein, der Autoverkehr auf der gegenüberliegenden Moseluferstraße war in wenigen Minuten deutlich im Geräuschpegel angeschwollen.
Naomi und ich standen eine Weile in wortloser Umarmung zusammen. Unterdessen machten sich die Polizisten an der zweiten Leiche zu schaffen. Ich beobachtete ihre Aktivitäten aus einer Distanz von vielleicht 50 Metern. Die Beamten hatten heute früh echte Schwerstarbeit zu leisten.
Als Naomi sich etwas erholt hatte, ging ich nochmals rüber zu dem schwarzen Golf, sie blieb zurück und wartete bei unseren Fahrrädern auf mich.
In der Zwischenzeit hatten sie den zweiten Toten in die Nähe des ersten verfrachtet, zwei Leichen lagen auf dem Pflaster des Moselradwegs. Der junge Mann, - etwa Mitte Zwanzig, modisch gekleidet, - schien ein hübscher Junge gewesen zu sein. Der zweite Tote war mindestens doppelt so alt, sah ungepflegt aus, tagealte Bartstoppeln im Gesicht, rötliche Nase. Doch vor allem unterschied er sich durch seine Kleidung: er trug eine alte, abgewetzte Cordhose, der Oberkörper war bedeckt mit einem abgetragenen Wildlederjakett, innen mit Schafwolle ausstaffiert. Darunter schaute ein blaugrün kariertes Flanellhemd hervor. An den Füßen klebten ausgelatschte, ehemals vermutlich himmelblaue Turnschuhe, die nach und nach Erdfarben angenommen hatten.
"Was hat das zu bedeuten, Herr Haverkamp?" versuchte ich mein Glück aufs Neue.
"Sie sehen's doch selbst, Herr Mendgen, zwei astreine Tote."
Rührte sein Sarkasmus etwa daher, daß sich der Kommissar ertappt fühlte, von mir, einem Second-Hand-Reporter, (wie er es formulieren würde), dem man tunlichst aus dem Wege zu gehen hatte?
Der Morgen hatte so friedlich angefangen, und selbst die ganze Nacht über hatte es keinen einzigen Polizeieinsatz in Trier gegeben. Die Stadt hatte wie gewohnt verschlafen am Fluß gelegen, ihre Bürger sittsam in ihren Betten, wo sie traumverloren die Greuel verschnarchten, die sich in der Nacht am Moselufer zutrugen. Denn das war klar, die mußte es gegeben haben, die Beweise lagen uns zu Füßen...
"Gibt es Anzeichen für einen Mord, oder gar zwei Morde?"
"Erwarten Sie allen Ernstes eine Antwort von mir? Sie sehen doch, daß wir uns mitten in der Spurensicherung befinden, oder nennen sie es Recherche, wie sie wollen. Sie täten uns einen Riesengefallen, wenn Sie uns jetzt alleine lassen würden, Herr Starreporter Mendgen!"
"Na schön, wenn Sie meinen... Aber vielleicht sollte ich die Kollegen vom Volksfreund informieren, oder die vom Südwestfunk, vom RPR und so fort. Würde Ihnen das besser gefallen?"
Der Schuß vor den Bug zeigte Wirkung. Der Kommissar dachte einen Moment nach und zupfte mich dann leicht am Ärmel.
"Unter uns gesagt, Herr Mendgen, der junge Herr scheint sich tatsächlich selbst über den Jordan gebracht zu haben. Und der Penner da, der weist starke Verletzungen am Brustkorb auf, sieht aus wie ein Unfall. Mehr kann ich Ihnen jetzt beim besten Willen nicht sagen. Zufrieden?"
"Glauben Sie, daß die beiden Vorfälle etwas miteinander zu tun haben?" bohrte ich nach.
"Moment mal - entschuldigen Sie bitte!" Haverkamp war von einem seiner Beamten gerufen worden, der offenbar etwas entdeckt hatte. Ich schaute flußaufwärts und sah Naomi, die wie ein Häufchen Elend am Wegesrand kauerte, sie schien jeden Augenblick in sich zusammenzusinken. Ich fühlte es von weitem: ihr war schweinekalt.
Als ich langsam auf sie zuging, rief mir Haverkamp nach:
"Und daß Sie mir ja nicht die Meute auf den Hals hetzen, Herr Mendgen! Wir werden im Laufe des Tages zu einer Pressekonferenz einladen. Verspreche ich Ihnen."